L 5 KR 199/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 7 (2) RA 71/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 199/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 04.11.2004 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, außergerichtliche Kosten der Beigeladenen zu 1) sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Klägerin, für die Beigeladene zu 1) Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 20.881,60 Euro für die Zeit vom 01.12.1994 bis 31.12.1997 nachzuentrichten.

Die im Jahre 1958 geborene Beigeladene zu 1) immatrikulierte sich an der Universität C im Wintersemester 1985/86 im Alter von 27 Jahren für das Magisterstudium mit dem Hauptfach Geschichtswissenschaften und den Nebenfächern Deutsch als Fremdsprache sowie iberische und lateinamerikansiche Geschichte. Die für den damaligen Zeitraum gültige Magisterprüfungsordnung aus dem Jahre 1977 sah für die Zulassung zur Magisterprüfung eine Studienzeit von "in der Regel 8 Semestern" vor (§ 3 Abs. 3d der Prüfungsordnung). Das Studium gliederte sich in ein Grund- und ein Hauptstudium. Die Regelstudienzeit betrug 9 Semester; die durchschnittliche Studiendauer betrug 10 bis 12 Semester. Die Beigeladene zu 1) hat bis zur Exmatrikulation keine Leistungsnachweise (Scheine) erbracht. Sie hat in der relevanten Zeit durchgängig 10 Semesterwochenstunden belegt.

Die Klägerin, die einen Verlag betreibt, schloss mit der Beigeladenen zu 1) mit Wirkung vom 01.11.1994 einen "außertariflichen Arbeitsvertrag". Gemäß § 1 dieses Vertrages wurde die Beigeladene zu 1) in die Abteilung Lektorat eingestellt. Nach § 2 des Arbeitsvertrages erhielt die Beigeladene zu 1) ein monatliches Bruttogehalt von 1.500,- DM für die ersten 6 Monate und danach ein Gehalt von monatlich 2.000,- DM bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19 Stunden. Urlaubsgeld (§ 3) und Weihnachtsgeld (§ 4) betrugen jeweils 1/24 des jährlichen Bruttogehaltes. Die Beigeladene zu 1) hat fast ausschließlich nachmittags als Lektorin gearbeitet. Neben ihrer Erwerbstätigkeit und dem Studium betreute sie ihren Sohn.

Die Klägerin ließ sich fortlaufend von der Beigeladenen zu 1) die Immatrikulationsbescheinigungen vorlegen und informierte die Beigeladene zu 1) darüber, dass sie als sog. Werkstudentin sozialversicherungsfrei bei ihr arbeiten könne, wenn die wöchentliche Arbeitszeit unter 20 Stunden liege. Die Einhaltung der wöchentlichen Arbeitszeit wurde dadurch überprüft und "gesichert", dass die entsprechenden Wochenstunden auf Zetteln und in Listen, die am Arbeitsplatz aushingen, festgehalten wurden.

Die Beklagte führte bei der Klägerin für den streitigen Zeitraum eine Betriebsprüfung im Jahre 1999 durch und gelangte zu dem Ergebnis, dass die Beigeladene zu 1) versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei; eine Versicherungsfreiheit als Werkstudentin habe nicht bestanden, weil die Beigeladene zu 1) ihrem Erscheinungsbild nach Arbeitnehmerin und nicht Studentin gewesen sei.

Die Beklagte forderte für den streitigen Zeitraum mit Bescheid vom 09.06.1999 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 40.840,80 DM nach.

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein, mit dem sie geltend machte, die Beigeladene zu 1) sei aufgrund ihres Status als ordentliche Studierende unter Berücksichtigung der tatsächlichen Arbeitszeit von 19 Stunden pro Woche versicherungsfrei gewesen. Das Überschreiten der Regelstudienzeit bzw. der durchschnittlichen Studienzeit führe nicht dazu, dass eine Studierende nicht mehr als Werkstudentin i.S.d. gesetzlichen Vorschriften anzusehen sei. Die Beigeladene zu 1) habe ihr Studium mit dem Ziel betrieben, die Magisterprüfung abzulegen. Im Übrigen sei sie bei der Beigeladenen zu 2) und nicht bei der Techniker Krankenkasse versichert gewesen, wie die Beklagte im angefochtenen Bescheid angenommen habe.

Im Widerspruchsverfahren sind die Studienordnung für das Hauptfach Geschichtswissenschaften im Studiengang mit dem Abschluss Magisterprüfung sowie die sog. Belegbögen beigezogen worden.

Mit Bescheid vom 11.07.2001 half die Beklagte dem Widerspruch der Klägerin hinsichtlich der Kassenzuordnung der Beigeladenen zu 1) für den streitigen Zeitraum ab und setzte unter Berücksichtigung der (höheren) Beitragssätze der Beigeladenen zu 2) die Beitragsnachforderung in Höhe von 41.693,08 DM fest.

Den Widerspruch im Übrigen wies sie mit Bescheid vom 27.03.2002 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Voraussetzungen für die Beitragsfreiheit von Studenten, die während des Studiums einer entgeltlichen Beschäftigung nachgehen, seien nur für solche Personen anzunehmen, deren Zeit und Arbeitskraft überwiegend durch das Studium in Anspruch genommen werde und bei denen nach den gesamten tatsächlichen Verhältnissen das Erscheinungsbild eines Studenten, nicht aber eines abhängig Beschäftigten vorliege. Dies sei bei der Beigeladenen zu 1) nicht der Fall gewesen; sie habe mit 27 Semestern die Regelstudienzeit von 8 Semestern in erheblichem Umfange überschritten, Leistungsnachweise seien nicht erbracht worden.

Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, die Beigeladene zu 1) habe stets weniger als 20 Stunden pro Woche gearbeitet; ein Überschreiten der Regelstudienzeit um mehr als das Doppelte führe nicht dazu, dass die Beigeladene zu 1) nicht als ordentliche Studentin anzusehen sei. Soweit die Beklagte dies anders sehe, so führe das zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten zeitlichen Begrenzung der Versicherungsfreiheit von Studenten, die auch das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 23.09.1999 - 12 KR 1/99 R - verneint habe. Das Risiko der Fehleinschätzung des Status eines ordentlichen Studierenden könne nicht auf den Arbeitgeber übertragen werden; die Klägerin sei auch nicht zur Einleitung eines sog. Statusfeststellungsverfahrens verpflichtet gewesen. Die Beklagte habe in den angefochtenen Bescheiden hinsichtlich der Studiendauer und der Art und Weise des Studiums eine ex post-Betrachtung vorgenommen. Dies sei nicht zulässig; es müsse eine ex ante-Betrachtung erfolgen, also auf die Situation bei der Anstellung der Beigeladenen zu 1) abgestellt werden. Zu diesem Zeitpunkt habe man von einem ordentlichen Studium ausgehen dürfen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid vom 09.06.1999 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 11.07.2001 und des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2003 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat im Wesentlichen auf die Ausführungen in ihren Bescheiden verwiesen. Ergänzend hat sie ausgeführt, es habe sich der Klägerin aufgrund des Lebensalters der Beigeladenen zu 1), des Überschreitens der Regelstudienzeit um mehr als das Doppelte und des Fehlens jeglicher Leistungsnachweise aufdrängen müssen, dass das sog. Werkstudentenprivileg zumindest zweifelhaft sei; die Klägerin hätte sich deshalb an die zuständige (Einzugs-)Stelle wenden müssen, um eine Klärung herbeizuführen. Im Übrigen bestünden Zweifel, ob die Beigeladene zu 1) tatsächlich immer weniger als 20 Wochenstunden gearbeitet habe; die erheblichen Gehaltssprünge ließen sich lediglich durch zeitlich gesteigerten Arbeitsumfang erklären.

Die Beigeladene zu 1) hat sich dem Antrag und der Auffassung der Klägerin angeschlossen.

Die Beigeladene zu 2) hat sich dem Antrag der Beklagten angeschlossen. Sie hat die Auffassung vertreten, dass eine Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) im streitigen Zeitraum bestanden habe.

Die Beigeladene zu 3) hat keinen Antrag gestellt.

Das Sozialgericht (SG) hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen L X. Hinsichtlich der Zeugenaussage wird auf die Sitzungsniederschrift vom 09.06.2004 verwiesen.

Die Gehaltsabrechnungen der Beigeladenen zu 1) sind vom SG beigezogen worden. Aus diesen ergibt sich, dass die Beigeladene zu 1) in den Monaten Dezember 1994 und Januar 1995 1.500,- DM brutto verdient hat. Die Gehaltsabrechnung für den Monat Februar 1995 weist eine (zweifache) Gehaltszahlung in Höhe von 1.100,- und 1.500,- DM auf. Die Abrechnungen für die Monate März, Mai, Juni, August, September 1995, Januar bis April, Juni bis Dezember 1996 bescheinigen ein Bruttoentgelt von 2.600,- DM (teilweise mit zusätzlichem Urlaubsgeld).

Die Beigeladene zu 1) hat dazu angegeben, dass nach einer Einarbeitungszeit von drei Monaten das Gehalt mündlich auf 2.600,- DM festgesetzt worden sei.

Weiter hat das SG eine Auskunft der Universität C, Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie vom 29.06.2004 eingeholt.

Mit Urteil vom 04.11.2004 hat das SG Detmold die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Bescheide der Beklagten rechtmäßig seien, da die Beigeladene zu 1) im streitigen Zeitraum sozialversicherungspflichtig als Arbeitnehmerin bei der Klägerin beschäftigt gewesen sei. Eine Beitragsfreiheit ergebe sich nicht daraus, dass die Beigeladene zu 1) Studentin der Universität C gewesen sei. Die formelle Einschreibung als Studentin genüge nach der Rechtsprechung des BSG für die Annahme der Versicherungsfreiheit als sog. Werkstudentin nicht, das Studium müsse vielmehr die Hauptsache und die Beschäftigung die Nebensache sein. Anhaltspunkte dafür, ob Zeit und Arbeitskraft überwiegend für das Studium verwandt worden seien, ergäben sich aus den entsprechenden Bestimmungen der Universitäten nicht. Soweit sich das Erscheinungsbild eines Studenten nicht feststellen lasse, bleibe es im Zweifel bei der Versicherungs- und Beitragspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung. Zur Überzeugung der Kammer stehe fest, dass die eigene Versorgung und die Versorgung ihres minderjährigen Kindes durch die Lektorentätigkeit die Hauptsache gewesen sei; das Studium jedenfalls nicht. Die Beigeladene habe sich bei Aufnahme der Tätigkeit bereits im 19. Semester befunden; sie habe keinen einzigen "Schein" gemacht oder gar die Zwischenprüfung abgelegt. Die Beigeladene zu 1) habe ihr Studium somit allenfalls zum Zwecke der allgemeinen Fort- und Weiterbildung betrieben, was jedoch für das sog. Werkstudentenprivileg nicht genüge. Die Klägerin mache zu Unrecht geltend, ihr dürfe nicht das Risiko aufgebürdet werden, sich über die Art und Weise des Studiums eines Angestellten zu irren. Im Zweifel hätte die Klägerin, um Planungssicherheit zu haben, den sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen zu 1) jederzeit klären lassen können.

Gegen das ihr am 25.11.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 02.12.2004 Berufung eingelegt. Mit der Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen. Das SG habe nach Anhörung der Beigeladenen zu 1) unzutreffend die Auffassung vertreten, die eigene Versorgung und die Versorgung des minderjährigen Kindes sei die Hauptsache gewesen und nicht das Studium. Es sei unberücksichtigt geblieben, dass die Arbeit der Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin gerade dazu gedient habe, die zur Durchführung des Studiums und zur Bestreitung des Lebensunterhaltes erforderlichen Mittel zu verdienen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 04.11.2004 zu ändern und den Bescheid vom 09.06.1999 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 11.07.2001 und des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2002 unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisses aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene zu 1) schließt sich der Berufungsbegründung der Klägerin im Wesentlichen an, soweit die Rechte und Pflichten der Beigeladenen zu 1) betroffen sind.

Die Beigeladenen zu 2) und 3) halten das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung die mit Bescheid vom 11.07.2001 bezifferte Beitragsnachforderung auf 20.881,60 Euro reduziert; die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.

Die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf den Inhalt dieser Akten und den der Streitakten wird - insbesondere hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten - ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 09.06.1999, 11.07.2000 und 27.03.2002 sind unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisses rechtmäßig und beschweren die Klägerin nicht i.S.v. § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Klägerin ist verpflichtet, für die Beigeladene zu 1) Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 20.881,60 Euro für die Zeit vom 01.12.1994 bis zum 31.12.1997 nachzuentrichten.

Die Beigeladene zu 1) war im streitigen Zeitraum gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V), § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III bzw. § 168 Abs. 1 Satz 1 AFG, § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI versicherungspflichtig bei der Klägerin beschäftigt. Versicherungsfreiheit als sog. Werkstudentin gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V, § 5 Abs. 3 SGB VI, § 27 Abs. 4 Nr. 2 SGB III bzw. § 169 AFG, § 20 Abs. 1 Nr. 9 SGB XI bestand nicht. Denn das Erscheinungsbild der Beigeladenen zu 1) war von der Beschäftigung bei der Klägerin und nicht vom Studium geprägt.

Versicherungs- und beitragsfrei sind Studenten nach den o.g. Vorschriften, die während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Versicherungs- und Beitragsfreiheit sind deshalb nicht eingetreten, weil die Beigeladene zu 1) ihrem Erscheinungsbild nach nicht Studentin, sondern Arbeitnehmerin war.

Die Rechtsprechung hat Versicherungsfreiheit von Studenten nach den entsprechenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) und des Sozialgesetzbuches nicht bereits angenommen, wenn jemand als ordentlicher Studierender an einer Hochschule eingeschrieben war. Hinzu kommen musste vielmehr, dass das Studium Zeit und Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nahm und der Betreffende damit auch seinem Erscheinungsbild nach Student und nicht Arbeitnehmer war (BSGE 33, 230; BSG SozR 3-2500 § 6 Nr. 16). Die damaligen und mit ihnen im Wesentlichen übereinstimmenden jetzigen Vorschriften über die Versicherungs- und Beitragsfreiheit beziehen sich in erster Linie auf Werkstudenten (BSGE 71, 144, 145 ff.). Dies sind Studierende, die neben ihrem Studium eine entgeltliche Beschäftigung ausüben, um sich durch ihre Arbeit die zur Durchführung des Studiums und zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts erforderlichen Mittel zu verdienen (BSGE 44, 164, 165 m.w.N.). Die Beschäftigung von Studenten ist somit versicherungs- und beitragsfrei, wenn und solange sie neben dem Studium ausgeübt wird und ihm nach Zweck und Dauer untergeordnet ist (BSG SozR 2200 § 172 Nr. 19). Versicherungsfreiheit als Werkstudent ist deshalb bei Arbeitnehmern verneint worden, die ein Studium aufgenommen, ihren Beruf aber weiterhin in vollem Umfange ausgeübt haben (BSGE 18, 254; BSG SozR 4-2500 § 6 Nr. 3), ferner beim Abendstudium an einer Bauschule, wenn daneben mehr als eine Halbtagsbeschäftigung ausgeübt wurde (BSGE 27, 192). Allen diesen Entscheidungen war gemeinsam, dass während des Studiums das Erscheinungsbild eines Beschäftigten bestand.

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung stellt der Senat fest, dass die Beigeladene zu 1) im streitigen Zeitraum ihrem Erscheinungsbild nach Beschäftigte und nicht Studierende war. Denn die Beigeladene zu 1) war im Zeitpunkt der Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung bereits im 19. Fachsemester und hatte damit die Regelstudienzeit bereits um das 2,5-fache überschritten. Sie hatte bei der Aufnahme der Beschäftigung und auch im streitigen Zeitraum weder die Zwischenprüfung abgelegt oder auch nur einen Leistungsnachweis (Schein) erworben. Soweit die Beigeladene zu 1) und die Klägerin behaupten, dass die Beigeladene zu 1) nicht nur pro Semester 10 Semesterwochenstunden belegt, sondern auch an den entsprechenden Lehrveranstaltungen der Universität C tatsächlich teilgenommen hat, hat sie den dafür erforderlichen Nachweis nicht erbringen können. Die Universität C bzw. die jeweilige Fakultät konnte naturgemäß keine Auskunft über die Teilnahme an bestimmten Lehrveranstaltungen geben und die Beigeladene zu 1) war - auch nach eingehender Erörterung im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat - nicht in der Lage, Zeugen zu benennen, die eine regelmäßige Teilnahme an den entsprechenden Lehrveranstaltungen der Universität C bestätigen können. Allein aus dem Vortrag der Beigeladenen zu 1) (und der Klägerin) geht der Senat nicht von einer regelmäßigen Teilnahme der Beigeladenen zu 1) an den entsprechenden Lehrveranstaltungen aus, da es zumindest für den streitigen Zeitraum unwahrscheinlich ist, dass die Beigeladene zu 1) zwar regelmäßig an den Lehrveranstaltungen teilgenommen hat, jedoch über einen derart langen Zeitraum keinerlei Leistungsnachweise erwerben konnte. Es ist vielmehr wahrscheinlicher, dass die Beigeladene zu 1) lediglich unregelmäßig an vereinzelten Veranstaltungen teilgenommen hat. Sie hatte offensichtlich nicht das Bestreben, entsprechende Leistungsnachweise zu erwerben und damit den Studienabschluss zu fördern.

Demgegenüber hat die Beigeladene zu 1) im Betrieb der Klägerin 19 Wochenstunden gearbeitet. Diese Tätigkeit hat sie offensichtlich engagiert, zielgerichtet und erfolgreich ausgeübt, denn - wie sie selber mitgeteilt hat - ist bereits nach einer Einarbeitungszeit von drei Monaten in Abweichung der arbeitsvertraglichen Regelungen das Gehalt von 1.500,- DM auf 2.600,- DM erhöht worden. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Beigeladene zu 1) - wie der vom SG gehörte Zeuge X ausgeführt hat - anders als die sonstigen Hilfskräfte, die von der Klägerin beschäftigt worden sind, nicht nach Stundenlohn bezahlt worden ist, sondern von Anfang an ein festes monatliches Gehalt erhalten hat. Auch dieser Umstand spricht dafür, dass sowohl für die Klägerin als auch für die Beigeladene zu 1) die Beschäftigung bei der Klägerin von vorrangiger Bedeutung waren.

Die von der Klägerin vorgelegte Entscheidung des BSG vom 23.09.1999 - 12 KR 1/99 R - führt zu keiner anderen Beurteilung. Zwar führt das BSG darin aus, dass die Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil die dortige Studentin wegen Überschreitens der Altersgrenze von 30 Jahren nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V (Krankenversicherung der Studenten) nicht versicherungspflichtig ist. Die Ausführungen des BSG verhalten sich jedoch lediglich dazu, dass die Versicherungsfreiheit gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V grundsätzlich nicht zeitlich befristet ist. Die Beklagte, das SG und der erkennende Senat verneinen jedoch die Versicherungsfreiheit der Beigeladenen zu 1) nicht wegen der langen Dauer des Studiums, sondern allein deshalb, weil ihr Erscheinungsbild im streitigen Zeitraum durch die Beschäftigung bei der Klägerin und nicht durch das Studium geprägt worden ist; eine regelmäßige Teilnahme an Lehrveranstaltungen konnte gerade nicht nachgewiesen werden.

Der Klägerin wird auch nicht unberechtigterweise das Risiko aufgebürdet, über die Versicherungsfreiheit einer studierenden Beschäftigten zu entscheiden. Denn bei der Versicherungsfreiheit aufgrund des sog. Werkstudentenprivilegs handelt es sich um eine Ausnahme zum Grundsatz der Versicherungspflicht abhängig Beschäftigter. Bei der Feststellung derartiger Ausnahmetatbestände obliegt es dem Arbeitgeber in besonderem Maße, die Umstände des Einzelfalles zu prüfen oder - in Zweifelsfällen - durch die zuständigen Stellen prüfen zu lassen. Da der Klägerin das Lebensalter der Beigeladenen zu 1) und die jeweilige Semesterzahl bekannt waren, mussten Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Studiums entstehen. Ferner hat die Klägerin der Beigeladenen zu 1) bereits weit vor dem streitigen Zeitraum eine deutliche und über die arbeitsvertragsrechtliche Regelung hinausgehende vorzeitige Erhöhung des Gehaltes gewährt und damit das besondere Engagement der Beigeladenen zu 1) und deren Leistung zum Ausdruck gebracht. Der Klägerin musste deshalb auch klar sein, dass es zumindest zweifelhaft sein könnte, ob für die Beigeladene zu 1) das Studium tatsächlich noch im Vordergrund stand und damit ihr Erscheinungsbild geprägt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) sind nicht erstattungsfähig, da die Beigeladene zu 1) sich der Auffassung der unterliegenden Klägerin angeschlossen hat.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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