Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 246/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 (2) KR 120/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.09.2005 geändert und die Klage abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte "Clear-Lens-Extraction"- Operation in Höhe von 3.812,12 Euro.
Die am 00.00.1966 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin beantragte am 27.05.2002 unter Vorlage einer augenärztlichen Bescheinigung des Dr. L, E, die Übernahme der Kosten für eine bei ihr geplante "Clear-Lens-Extraction"-Operation mit Implantation einer Multifokallinse.
Die Beklagte lehnte dies durch den Bescheid vom 12.06.2002 unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der Dr. X, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 31.05.2002 mit der Begründung ab, dass die Verfahren der refraktiven Augenchirurgie nach der Entscheidung des (damaligen) Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zählten.
Dagegen legte die Klägerin am 02.07.2002 Widerspruch ein, mit dem sie u.a. darauf hinwies, dass das linke Auge am 24.06.2002 und das rechte Auge am 08.07.2002 operiert worden sei bzw. werde. Durch die Operationen werde ihre Sehkraft auf fast 100 % korrigiert. Bei der "Clear-Lens-Extraction"- Operation erfolge ein Austausch der körpereigenen Linse gegen eine künstliche Linse. Das gleiche Verfahren werde bei der Behandlung des Grauen Stars angewandt.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch den Widerspruchsbescheid vom 17.09.2002 mit der Begründung zurück, dass es ihr die negative Entscheidung des Bundesausschusses verwehre, die begehrten Leistungen zu erbringen.
Die Klägerin hat am 16.10.2002 Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr den Betrag in Höhe von 3.812,12 Euro, den sie für die Operation beider Augen habe aufwenden müssen, zu erstatten. Die Voraussetzungen der den Kostenerstattungsanspruch begründenden Vorschrift des § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien erfüllt. Bereits vor der Vereinbarung des Operationstermins am 06.06.2002 habe die Beklagte ihr fernmündlich die Auskunft erteilt, dass eine Kostenübernahme hinsichtlich der von ihr begehrten Operationen nicht erfolgen könne. Außerdem sei die Vereinbarung des Operationstermines für sie nicht bindend gewesen; sie hätte diesen auch absagen können. Die Clear-Lens-Extraction-Operation zähle auch zum Leistungsumfang der gesetzlichen Kranken-versicherung. Vor der Operation habe sie unter einer extremen Kurzsichtigkeit gelitten (-17,75 Dioptren rechts, -17,50 Dioptren links). Das Verfahren des Austausches der körpereigenen Linse gegen eine künstliche Linse werde bei der Behandlung des Grauen Stars in gleicher Weise angewandt. Es handele sich deshalb nicht um eine neue Behand-lungsmethode. Auf eine positive Bewertung dieser Methode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) gemäß § 135 SGB V komme es deshalb nicht an.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.2002 zu verurteilen, die Kosten für die durchgeführte "Clear-Lens-Extraction"-Operation in Höhe von 3.812,12 Euro zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat entgegnet: Die "Clear-Lens-Extraction"-Operation zähle nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung. Kostenerstattung könne die Klägerin deshalb nicht beanspruchen.
Das Sozialgericht hat eine Auskunft des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, Arbeitsausschuss Ärztliche Behandlung, vom 22.01.2003 eingeholt: Durch Beschluss vom 11.05.1993 sei entschieden worden, die Verfahren der refraktiven Augenchirurgie aus der vertragsärztlichen Versorgung auszuschließen. Unter den Oberbegriff "refraktive Augenchirurgie" falle die radiäre Keratomie (RK), die photorefraktive Keratektomie (PRK) sowie nach einer Stellungnahme der Kommission "Refraktive Laserchirurgie" der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft und des Berufsverbandes der Augenärzte von 1998 auch die "Laser in situ Keratomileusis" (LASIK-Verfahren) sowie das hier angefragte Verfahren der Implantation intraokularer Linsen zur Korrektur der hohen Myopie bzw. der hohen Hyperopie. Insbesondere das Verfahren eines Austauschs der klaren Linse gegen eine Kunstlinse ("clear lens exchange") werde von der Kommission "Refraktive Laserchirurgie" als experimentelles Verfahren bewertet.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung, Geschäftsführung des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 3 SGB V, hat auf Anfrage des Sozialgerichts unter dem 18.10.2004 mitgeteilt: In der Regel werde die Phakoemulsifikation nach Nr. 1353 EBM im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durchgeführt, wenn es zu einer Trübung der Linse (Grauer Star) gekommen sei. Die Leistungslegende zu Nr. 1353 beinhalte allerdings keine Vorgaben zu den Indikationen, unter denen diese Leistung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung berechnet werden könne. Der GBA, Unterausschuss Ärztliche Behandlung, hat auf erneute Anfrage des Sozialgerichts unter dem 03.08.2005 ausgeführt: Die Verfahren der refraktiven Augenchirurgie habe der damals zuständige Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen mit Beschluss vom 11.05.1993 den nicht anerkannten Behand-lungsmethoden zugeordnet. Dieser Beschluss sei am 10.12.1999 bestätigt worden. Das Verfahren des Austausches der ungetrübten Linse gegen eine Kunstlinse zur Veränderung der Brechkraft des Auges sei in dem Bewertungsverfahren nicht berücksichtigt worden.
Durch Urteil vom 08.09.2005 hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß zur Erstattung der Operationskosten verurteilt. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihr am 22.09.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am Montag, dem 24.10.2005, Berufung eingelegt.
Zur Begründung bringt sie vor: Es fehle an der Kausalität zwischen der Leistungsablehnung und der Selbstbeschaffung der Leistung durch die Klägerin. Außerdem zähle die "Clear-Lens-Extraction"-Operation nicht zum Leistungsumfang der GKV, weil diese als Behandlungsmaßnahme der refraktiven Augenchirurgie durch den Gemeinsamen Bundesausschuss ausdrücklich den nicht anerkannten Behandlungs- und Untersuchungsmethoden zugeordnet worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.09.2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Dr. L hat auf Anfrage des Senats per E-Mail unter dem 27.08.2006 u.a. mitgeteilt, dass er sich aus dem Gedächtnis an den ungefähren Zeitpunkt der Vereinbarung mit der Klägerin (über die Durchführung der Operationen) erinnern könne; diese sei am 06.06.2002 erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht einen Erstattungsanspruch der Klägerin wegen der am 24.06.2002 und 08.07.2002 durch-geführten "Clear-Lens-Extraction"-Operationen bei Dr. L bejaht.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der ihr für die Behandlung am 24.06. und 08.07.2002 bei Dr. L entstandenen Kosten in Höhe von insgesamt 3.812,12 Euro nach der hier allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V. Dabei kann dahinstehen, ob das Erfordernis des Ursachenzusammenhangs zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) hier zu bejahen wäre. Zweifel hieran bestehen deshalb, weil die Klägerin möglicherweise bereits vor der ablehnenden Entscheidung der Beklagten die Operationstermine vereinbart hatte (am 06.06.2002). Ob dies eine für die Klägerin bindende Vereinbarung war und ob außerdem die Beklagte - wie die Klägerin behauptet hat - bereits vor dem 06.06.2002 fernmündlich einen ablehnenden Verwaltungsakt erteilt hatte oder - was jedenfalls auch in Betracht käme - lediglich eine Auskunft ohne Regelungscharakter am Telefon erteilt hat, kann dahinstehen. Unabhängig hiervon kommt ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V nur in Betracht, wenn die in Frage stehende Leistung von der Krankenkasse als Sachleistung hätte gewährt werden müssen (vgl. insoweit Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 27.03.2007, SGb 2007, 286, 287 m.w.N.). Dies ist bei der "Clear-Lens-Extraction"-Opera-tion mit Implantation einer multifokalen Linse jedoch nicht der Fall.
1. Die Klägerin hat nach § 27 Abs. 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, der auch die ärztliche Behandlung (Satz 2 Nr. 1 a.a.O.) einschließt. Die "Clear-Lens-Extraction"-Operation mit Implantation einer multifokalen Linse zählt jedoch nicht zu den von einer gesetzlichen Krankenkasse geschuldeten Leistungen, weil diese Methode nicht zur vertragsärztlichen Versorgung gehört und die für die Abrechnungsfähigkeit neuer Behandlungsmethoden nach § 135 Abs. 1 SGB V erforderliche Empfehlung des GBA in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V (BUB-Richtlinien) - bis heute - nicht vorliegt.
§ 135 Abs. 1 SGB V bestimmt, dass neue Behandlungsmethoden nur abgerechnet werden dürfen, wenn der GBA in den genannten Richtlinien Empfehlungen u.a. zum therapeutischen Nutzen der Therapie abgegeben hat. Diese Vorschrift legt nach gefestigter Rechtsprechung des BSG (grundlegend Urteile vom 16.09.1997, u.a. SozR 3-2500 § 135 Nr. 4; zuletzt etwa Urteil vom 07.11.2006 Az.: B 1 KR 24/06 R, SGb 2007, 33), der der Senat folgt (vergl. etwa Urteil vom 12.07.2007, Az.: L 5 KR 14/07), für ihren Anwendungsbereich zugleich den Umfang der dem Versicherten von der Krankenkasse geschuldeten Leistungen fest. Bei den BUB-Richtlinien handelt es sich um untergesetzliche Rechtsnor-men, die in Verbindung mit § 135 Abs. 1 SGB V für Ärzte, Krankenkassen und Versicherte verbindlich regeln, welche neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden vom Anspruch auf Krankenbehandlung umfasst sind. Verwaltung und Gerichte sind an die Entscheidungen des GBA über bestimmte Methoden im Grundsatz ebenso gebunden, wie wenn der Gesetzgeber die Entscheidung selbst getroffen hätte (BSG, Urteil vom 26.09.2006, Az.: B 1 KR 3/06 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 10 m.w.N.).
Neu ist eine ärztliche Untersuchungs- oder Behandlungsmethode nach der Rechtsprechung des BSG, wenn sie zum Zeitpunkt der Behandlung nicht als abrechnungsfähige Leistung im EBM-Ä aufgeführt wird (vgl. BSG, Urteil vom 26.09.2006, a.a.O.). Dies trifft auf die bei der Klägerin durchgeführte Clear-Lens-Extraction-Operation mit Implantation einer multifokalen Linse zu.
Nr. 1353 der hier anwendbaren EBM-Ä erfasst derartige Operationen nicht. Diese Vorschrift bezieht sich auf "Phakoemulsifikation, ggf. einschl. Iridektomie, ggf. mit Implantation einer intraokularen Linse". Phakoemulsifikation meint die Methode der Staroperation (vergl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl., S. 1292). Diese wiederum bein-haltet die vollständige oder teilweise Entfernung der durch Katarakt getrübten Augenlinse (Pschyrembel, a.a.O., S. 1579. Die Annahme, dass der Ansatz der Gebührenziffer 1353 das Vorliegen des sog. "Grauen Stars" voraussetzt, wird gestützt durch den Zusammmen-hang, in dem diese Ziffer im EBM-Ä steht: Sowohl die Leistungsbeschreibungen der vorhergehenden Gebührenziffern (Nrn. 1350, 1351, 1352) wie auch die folgende Ziffer (Nr.1354) stellen auf diese Diagnose ab. Schließlich findet sich in dem ab 01.04.2005 geltenden (hier aber deshalb nicht anwendbaren) EBM 2000plus zu Nr. 31350 (der Nr. 1353 EBM-Ä entspricht) in der Leistungslegende (Phakoemulsifikation) der ausdrückliche Zusatz "Katarakt". Es fehlt deshalb jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass diese Leis-tungsbeschreibung auch Fallgestaltungen erfassen könnte, in denen eine gesunde körper-eigene Linse (nur) wegen einer Fehlsichtigkeit entfernt und durch eine Linse mit anderen optischen Eigenschaften ersetzt werden soll. Der gegenteiligen Auffassung der Kassen-ärztlichen Bundesvereinigung im Schreiben vom 18.10.2004 vermag der Senat nicht zu folgen, weil sich die Einschränkung der Leistungsbeschreibung auf die Diagnose "Grauer Star" durch den Gebrauch des Begriffs "Phakoemulsifikation" ergibt.
Das Fehlen einer positiven Entscheidung des Bundesausschusses bei neuen Behandlungsmethoden steht einer Leistungspflicht der Krankenkasse entgegen. § 135 Abs. 1 SGB V ist in der Art eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt gefasst und schließt neue Behandlungsmethoden so lange von der Abrechnung zu Lasten der Krankenkassen aus, bis der Bundesausschuss sie als zweckmäßig anerkannt hat (BSG Urteil vom 07.11.2006 a.a.O.). Die Prüfung und Feststellung, ob eine neue Behandlungsmethode dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und damit dem in § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V geforderten Versorgungsstandard genügt, obliegt nach der gesetzlichen Konzeption - vom Ausnahmefall des Systemversagens abgesehen - dem GBA (BSG a.a.O.; ferner BSGE 86 54, 56; BSG SozR 4-2500 § 135 Rz. 8). Da sich der GBA mit der Clear-Lens-Extraction-Operation in Kombination mit der Implantation einer multifokalen Linse noch nicht befasst hat, besteht für diese Methode grundsätzlich keine Leistungspflicht der Beklagten.
2. Eine Leistungspflicht der Beklagten kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt des sog. Systemversagens in Betracht. Ein Leistungsanspruch (auch in Form eines Kostenerstattungsanspruchs) kann ausnahmsweise gegeben sein, wenn die fehlende Anerkennung der Methode darauf zurückzuführen ist, dass der Gemeinsame Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen das Verfahren nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt hat. In einem solchen Fall widerspricht die Nichtberücksichtigung der Methode in den BUB-Richtlinien höherrangigem Recht, nämlich der Garantie eines den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V entsprechenden Krankenbehandlungsanspruchs aus § 27 Abs. 1 SGB V (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 m.w.N.). Ein solcher Fall des Systemversagens liegt schon deshalb nicht vor, weil das Verfahren vor dem GBA antragsabhängig ist und ein entsprechender Antrag beim Bundesausschuss bislang nicht gestellt worden ist (vgl. BSG a.a.O.; BSG Urteil vom 26.09.2006 a.a.O.). Anhaltspunkte dafür, dass sich die antragsberechtigten Stellen oder der GBA aus sachfremden bzw. willkürlichen Erwägungen mit der Materie nicht oder nur zögerlich befasst haben, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Sie sind auch sonst nicht er-sichtlich. Dabei sind weder das Ausmaß der Verbreitung noch die statistisch nicht näher belegten positiven Erfahrungen mit dieser Methode Kriterien dafür, dass das Anerkennungsverfahren von den anerkennungsberechtigten Stellen oder dem Bundesausschuss selbst nicht ordnungsgemäß betrieben worden wäre. Vielmehr kommt es nach der Rechtsprechung des BSG auf die Verbreitung nur an, wenn eine rechtswidrige Untätigkeit zu bejahen bzw. zu unterstellen ist (vgl. BSG Urteil vom 19.02.2002 Az.: B 1 KR 16/00 R).
3. Der Kostenerstattungsanspruch der Klägerin ergibt sich schließlich auch nicht ausnahmsweise wegen des Vorliegens einer notstandsähnlichen Krankheitssituation.
Das Bundesverfassungsgericht (BverfG) hat mit Beschluss vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98, BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 5) festgestellt, dass es mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar ist, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine dem allgemein anerkannten medizinischen Standard nicht entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, generell von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Nach dieser Rechtsprechung ist für das Vorliegen eines Leistungsanspruchs folgendes erforderlich: Es müsste eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vorliegen (1), für deren Behandlung eine allgemein anerkannte medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht (2); ferner die (neue), nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf haben (BVerfG SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 Rdn. 33). Diese Voraussetzungen sind hier schon deshalb nicht erfüllt, weil das Kriterium einer Krankheit, die mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, nicht gegeben ist. Mit diesem Kriterium ist eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis einer schwerwiegenden Erkrankung für die Eröffnung des Off-label-use formuliert ist. Versicherte der GKV haben danach Anspruch auf eine verfas-sungskonforme Leistungserweiterung nur wegen solcher Krankheiten, die in absehbarer Zeit zum Verlust des Lebens oder eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausge-hobenen Körperfunktion führen (BSG Beschluss vom 14.05.2007, Az.: B 1 KR 16/07 B). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Der Klägerin drohte nicht der Verlust einer herausgehobenen Körperfunktion (Sehvermögen). Sie selbst hat nicht geltend gemacht, dass sich ihr Sehvermögen drastisch verschlechtert hat. Außerdem standen der Klägerin die Möglichkeiten des Tragens einer Brille oder aber von Kontaktlinsen - wenn auch möglicherweise wegen Unverträglichkeit nur mit Einschränkungen - zur Verfügung. Auch wenn der Klägerin - wie sie geltend gemacht hat -, tatsächlich das Tragen einer Brille sowie von Kontaktlinsen nicht möglich gewesen sein sollte, ist dies nach Auffassung des Senats in der Bewertung nicht mit dem - generellen und vollständigen - Verlust des Sehvermögens gleichzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte "Clear-Lens-Extraction"- Operation in Höhe von 3.812,12 Euro.
Die am 00.00.1966 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin beantragte am 27.05.2002 unter Vorlage einer augenärztlichen Bescheinigung des Dr. L, E, die Übernahme der Kosten für eine bei ihr geplante "Clear-Lens-Extraction"-Operation mit Implantation einer Multifokallinse.
Die Beklagte lehnte dies durch den Bescheid vom 12.06.2002 unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der Dr. X, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 31.05.2002 mit der Begründung ab, dass die Verfahren der refraktiven Augenchirurgie nach der Entscheidung des (damaligen) Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zählten.
Dagegen legte die Klägerin am 02.07.2002 Widerspruch ein, mit dem sie u.a. darauf hinwies, dass das linke Auge am 24.06.2002 und das rechte Auge am 08.07.2002 operiert worden sei bzw. werde. Durch die Operationen werde ihre Sehkraft auf fast 100 % korrigiert. Bei der "Clear-Lens-Extraction"- Operation erfolge ein Austausch der körpereigenen Linse gegen eine künstliche Linse. Das gleiche Verfahren werde bei der Behandlung des Grauen Stars angewandt.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch den Widerspruchsbescheid vom 17.09.2002 mit der Begründung zurück, dass es ihr die negative Entscheidung des Bundesausschusses verwehre, die begehrten Leistungen zu erbringen.
Die Klägerin hat am 16.10.2002 Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr den Betrag in Höhe von 3.812,12 Euro, den sie für die Operation beider Augen habe aufwenden müssen, zu erstatten. Die Voraussetzungen der den Kostenerstattungsanspruch begründenden Vorschrift des § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien erfüllt. Bereits vor der Vereinbarung des Operationstermins am 06.06.2002 habe die Beklagte ihr fernmündlich die Auskunft erteilt, dass eine Kostenübernahme hinsichtlich der von ihr begehrten Operationen nicht erfolgen könne. Außerdem sei die Vereinbarung des Operationstermines für sie nicht bindend gewesen; sie hätte diesen auch absagen können. Die Clear-Lens-Extraction-Operation zähle auch zum Leistungsumfang der gesetzlichen Kranken-versicherung. Vor der Operation habe sie unter einer extremen Kurzsichtigkeit gelitten (-17,75 Dioptren rechts, -17,50 Dioptren links). Das Verfahren des Austausches der körpereigenen Linse gegen eine künstliche Linse werde bei der Behandlung des Grauen Stars in gleicher Weise angewandt. Es handele sich deshalb nicht um eine neue Behand-lungsmethode. Auf eine positive Bewertung dieser Methode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) gemäß § 135 SGB V komme es deshalb nicht an.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.2002 zu verurteilen, die Kosten für die durchgeführte "Clear-Lens-Extraction"-Operation in Höhe von 3.812,12 Euro zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat entgegnet: Die "Clear-Lens-Extraction"-Operation zähle nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung. Kostenerstattung könne die Klägerin deshalb nicht beanspruchen.
Das Sozialgericht hat eine Auskunft des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, Arbeitsausschuss Ärztliche Behandlung, vom 22.01.2003 eingeholt: Durch Beschluss vom 11.05.1993 sei entschieden worden, die Verfahren der refraktiven Augenchirurgie aus der vertragsärztlichen Versorgung auszuschließen. Unter den Oberbegriff "refraktive Augenchirurgie" falle die radiäre Keratomie (RK), die photorefraktive Keratektomie (PRK) sowie nach einer Stellungnahme der Kommission "Refraktive Laserchirurgie" der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft und des Berufsverbandes der Augenärzte von 1998 auch die "Laser in situ Keratomileusis" (LASIK-Verfahren) sowie das hier angefragte Verfahren der Implantation intraokularer Linsen zur Korrektur der hohen Myopie bzw. der hohen Hyperopie. Insbesondere das Verfahren eines Austauschs der klaren Linse gegen eine Kunstlinse ("clear lens exchange") werde von der Kommission "Refraktive Laserchirurgie" als experimentelles Verfahren bewertet.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung, Geschäftsführung des Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 3 SGB V, hat auf Anfrage des Sozialgerichts unter dem 18.10.2004 mitgeteilt: In der Regel werde die Phakoemulsifikation nach Nr. 1353 EBM im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durchgeführt, wenn es zu einer Trübung der Linse (Grauer Star) gekommen sei. Die Leistungslegende zu Nr. 1353 beinhalte allerdings keine Vorgaben zu den Indikationen, unter denen diese Leistung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung berechnet werden könne. Der GBA, Unterausschuss Ärztliche Behandlung, hat auf erneute Anfrage des Sozialgerichts unter dem 03.08.2005 ausgeführt: Die Verfahren der refraktiven Augenchirurgie habe der damals zuständige Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen mit Beschluss vom 11.05.1993 den nicht anerkannten Behand-lungsmethoden zugeordnet. Dieser Beschluss sei am 10.12.1999 bestätigt worden. Das Verfahren des Austausches der ungetrübten Linse gegen eine Kunstlinse zur Veränderung der Brechkraft des Auges sei in dem Bewertungsverfahren nicht berücksichtigt worden.
Durch Urteil vom 08.09.2005 hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß zur Erstattung der Operationskosten verurteilt. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihr am 22.09.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am Montag, dem 24.10.2005, Berufung eingelegt.
Zur Begründung bringt sie vor: Es fehle an der Kausalität zwischen der Leistungsablehnung und der Selbstbeschaffung der Leistung durch die Klägerin. Außerdem zähle die "Clear-Lens-Extraction"-Operation nicht zum Leistungsumfang der GKV, weil diese als Behandlungsmaßnahme der refraktiven Augenchirurgie durch den Gemeinsamen Bundesausschuss ausdrücklich den nicht anerkannten Behandlungs- und Untersuchungsmethoden zugeordnet worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.09.2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Dr. L hat auf Anfrage des Senats per E-Mail unter dem 27.08.2006 u.a. mitgeteilt, dass er sich aus dem Gedächtnis an den ungefähren Zeitpunkt der Vereinbarung mit der Klägerin (über die Durchführung der Operationen) erinnern könne; diese sei am 06.06.2002 erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht einen Erstattungsanspruch der Klägerin wegen der am 24.06.2002 und 08.07.2002 durch-geführten "Clear-Lens-Extraction"-Operationen bei Dr. L bejaht.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der ihr für die Behandlung am 24.06. und 08.07.2002 bei Dr. L entstandenen Kosten in Höhe von insgesamt 3.812,12 Euro nach der hier allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V. Dabei kann dahinstehen, ob das Erfordernis des Ursachenzusammenhangs zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) hier zu bejahen wäre. Zweifel hieran bestehen deshalb, weil die Klägerin möglicherweise bereits vor der ablehnenden Entscheidung der Beklagten die Operationstermine vereinbart hatte (am 06.06.2002). Ob dies eine für die Klägerin bindende Vereinbarung war und ob außerdem die Beklagte - wie die Klägerin behauptet hat - bereits vor dem 06.06.2002 fernmündlich einen ablehnenden Verwaltungsakt erteilt hatte oder - was jedenfalls auch in Betracht käme - lediglich eine Auskunft ohne Regelungscharakter am Telefon erteilt hat, kann dahinstehen. Unabhängig hiervon kommt ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V nur in Betracht, wenn die in Frage stehende Leistung von der Krankenkasse als Sachleistung hätte gewährt werden müssen (vgl. insoweit Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 27.03.2007, SGb 2007, 286, 287 m.w.N.). Dies ist bei der "Clear-Lens-Extraction"-Opera-tion mit Implantation einer multifokalen Linse jedoch nicht der Fall.
1. Die Klägerin hat nach § 27 Abs. 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, der auch die ärztliche Behandlung (Satz 2 Nr. 1 a.a.O.) einschließt. Die "Clear-Lens-Extraction"-Operation mit Implantation einer multifokalen Linse zählt jedoch nicht zu den von einer gesetzlichen Krankenkasse geschuldeten Leistungen, weil diese Methode nicht zur vertragsärztlichen Versorgung gehört und die für die Abrechnungsfähigkeit neuer Behandlungsmethoden nach § 135 Abs. 1 SGB V erforderliche Empfehlung des GBA in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V (BUB-Richtlinien) - bis heute - nicht vorliegt.
§ 135 Abs. 1 SGB V bestimmt, dass neue Behandlungsmethoden nur abgerechnet werden dürfen, wenn der GBA in den genannten Richtlinien Empfehlungen u.a. zum therapeutischen Nutzen der Therapie abgegeben hat. Diese Vorschrift legt nach gefestigter Rechtsprechung des BSG (grundlegend Urteile vom 16.09.1997, u.a. SozR 3-2500 § 135 Nr. 4; zuletzt etwa Urteil vom 07.11.2006 Az.: B 1 KR 24/06 R, SGb 2007, 33), der der Senat folgt (vergl. etwa Urteil vom 12.07.2007, Az.: L 5 KR 14/07), für ihren Anwendungsbereich zugleich den Umfang der dem Versicherten von der Krankenkasse geschuldeten Leistungen fest. Bei den BUB-Richtlinien handelt es sich um untergesetzliche Rechtsnor-men, die in Verbindung mit § 135 Abs. 1 SGB V für Ärzte, Krankenkassen und Versicherte verbindlich regeln, welche neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden vom Anspruch auf Krankenbehandlung umfasst sind. Verwaltung und Gerichte sind an die Entscheidungen des GBA über bestimmte Methoden im Grundsatz ebenso gebunden, wie wenn der Gesetzgeber die Entscheidung selbst getroffen hätte (BSG, Urteil vom 26.09.2006, Az.: B 1 KR 3/06 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 10 m.w.N.).
Neu ist eine ärztliche Untersuchungs- oder Behandlungsmethode nach der Rechtsprechung des BSG, wenn sie zum Zeitpunkt der Behandlung nicht als abrechnungsfähige Leistung im EBM-Ä aufgeführt wird (vgl. BSG, Urteil vom 26.09.2006, a.a.O.). Dies trifft auf die bei der Klägerin durchgeführte Clear-Lens-Extraction-Operation mit Implantation einer multifokalen Linse zu.
Nr. 1353 der hier anwendbaren EBM-Ä erfasst derartige Operationen nicht. Diese Vorschrift bezieht sich auf "Phakoemulsifikation, ggf. einschl. Iridektomie, ggf. mit Implantation einer intraokularen Linse". Phakoemulsifikation meint die Methode der Staroperation (vergl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl., S. 1292). Diese wiederum bein-haltet die vollständige oder teilweise Entfernung der durch Katarakt getrübten Augenlinse (Pschyrembel, a.a.O., S. 1579. Die Annahme, dass der Ansatz der Gebührenziffer 1353 das Vorliegen des sog. "Grauen Stars" voraussetzt, wird gestützt durch den Zusammmen-hang, in dem diese Ziffer im EBM-Ä steht: Sowohl die Leistungsbeschreibungen der vorhergehenden Gebührenziffern (Nrn. 1350, 1351, 1352) wie auch die folgende Ziffer (Nr.1354) stellen auf diese Diagnose ab. Schließlich findet sich in dem ab 01.04.2005 geltenden (hier aber deshalb nicht anwendbaren) EBM 2000plus zu Nr. 31350 (der Nr. 1353 EBM-Ä entspricht) in der Leistungslegende (Phakoemulsifikation) der ausdrückliche Zusatz "Katarakt". Es fehlt deshalb jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass diese Leis-tungsbeschreibung auch Fallgestaltungen erfassen könnte, in denen eine gesunde körper-eigene Linse (nur) wegen einer Fehlsichtigkeit entfernt und durch eine Linse mit anderen optischen Eigenschaften ersetzt werden soll. Der gegenteiligen Auffassung der Kassen-ärztlichen Bundesvereinigung im Schreiben vom 18.10.2004 vermag der Senat nicht zu folgen, weil sich die Einschränkung der Leistungsbeschreibung auf die Diagnose "Grauer Star" durch den Gebrauch des Begriffs "Phakoemulsifikation" ergibt.
Das Fehlen einer positiven Entscheidung des Bundesausschusses bei neuen Behandlungsmethoden steht einer Leistungspflicht der Krankenkasse entgegen. § 135 Abs. 1 SGB V ist in der Art eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt gefasst und schließt neue Behandlungsmethoden so lange von der Abrechnung zu Lasten der Krankenkassen aus, bis der Bundesausschuss sie als zweckmäßig anerkannt hat (BSG Urteil vom 07.11.2006 a.a.O.). Die Prüfung und Feststellung, ob eine neue Behandlungsmethode dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und damit dem in § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V geforderten Versorgungsstandard genügt, obliegt nach der gesetzlichen Konzeption - vom Ausnahmefall des Systemversagens abgesehen - dem GBA (BSG a.a.O.; ferner BSGE 86 54, 56; BSG SozR 4-2500 § 135 Rz. 8). Da sich der GBA mit der Clear-Lens-Extraction-Operation in Kombination mit der Implantation einer multifokalen Linse noch nicht befasst hat, besteht für diese Methode grundsätzlich keine Leistungspflicht der Beklagten.
2. Eine Leistungspflicht der Beklagten kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt des sog. Systemversagens in Betracht. Ein Leistungsanspruch (auch in Form eines Kostenerstattungsanspruchs) kann ausnahmsweise gegeben sein, wenn die fehlende Anerkennung der Methode darauf zurückzuführen ist, dass der Gemeinsame Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen das Verfahren nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt hat. In einem solchen Fall widerspricht die Nichtberücksichtigung der Methode in den BUB-Richtlinien höherrangigem Recht, nämlich der Garantie eines den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V entsprechenden Krankenbehandlungsanspruchs aus § 27 Abs. 1 SGB V (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 m.w.N.). Ein solcher Fall des Systemversagens liegt schon deshalb nicht vor, weil das Verfahren vor dem GBA antragsabhängig ist und ein entsprechender Antrag beim Bundesausschuss bislang nicht gestellt worden ist (vgl. BSG a.a.O.; BSG Urteil vom 26.09.2006 a.a.O.). Anhaltspunkte dafür, dass sich die antragsberechtigten Stellen oder der GBA aus sachfremden bzw. willkürlichen Erwägungen mit der Materie nicht oder nur zögerlich befasst haben, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Sie sind auch sonst nicht er-sichtlich. Dabei sind weder das Ausmaß der Verbreitung noch die statistisch nicht näher belegten positiven Erfahrungen mit dieser Methode Kriterien dafür, dass das Anerkennungsverfahren von den anerkennungsberechtigten Stellen oder dem Bundesausschuss selbst nicht ordnungsgemäß betrieben worden wäre. Vielmehr kommt es nach der Rechtsprechung des BSG auf die Verbreitung nur an, wenn eine rechtswidrige Untätigkeit zu bejahen bzw. zu unterstellen ist (vgl. BSG Urteil vom 19.02.2002 Az.: B 1 KR 16/00 R).
3. Der Kostenerstattungsanspruch der Klägerin ergibt sich schließlich auch nicht ausnahmsweise wegen des Vorliegens einer notstandsähnlichen Krankheitssituation.
Das Bundesverfassungsgericht (BverfG) hat mit Beschluss vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98, BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 5) festgestellt, dass es mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar ist, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine dem allgemein anerkannten medizinischen Standard nicht entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, generell von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Nach dieser Rechtsprechung ist für das Vorliegen eines Leistungsanspruchs folgendes erforderlich: Es müsste eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vorliegen (1), für deren Behandlung eine allgemein anerkannte medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht (2); ferner die (neue), nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf haben (BVerfG SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 Rdn. 33). Diese Voraussetzungen sind hier schon deshalb nicht erfüllt, weil das Kriterium einer Krankheit, die mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, nicht gegeben ist. Mit diesem Kriterium ist eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis einer schwerwiegenden Erkrankung für die Eröffnung des Off-label-use formuliert ist. Versicherte der GKV haben danach Anspruch auf eine verfas-sungskonforme Leistungserweiterung nur wegen solcher Krankheiten, die in absehbarer Zeit zum Verlust des Lebens oder eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausge-hobenen Körperfunktion führen (BSG Beschluss vom 14.05.2007, Az.: B 1 KR 16/07 B). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Der Klägerin drohte nicht der Verlust einer herausgehobenen Körperfunktion (Sehvermögen). Sie selbst hat nicht geltend gemacht, dass sich ihr Sehvermögen drastisch verschlechtert hat. Außerdem standen der Klägerin die Möglichkeiten des Tragens einer Brille oder aber von Kontaktlinsen - wenn auch möglicherweise wegen Unverträglichkeit nur mit Einschränkungen - zur Verfügung. Auch wenn der Klägerin - wie sie geltend gemacht hat -, tatsächlich das Tragen einer Brille sowie von Kontaktlinsen nicht möglich gewesen sein sollte, ist dies nach Auffassung des Senats in der Bewertung nicht mit dem - generellen und vollständigen - Verlust des Sehvermögens gleichzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
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