Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 33 KA 28/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 31/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 1/12 S
Datum
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
Beschwerde BSG als unzulässig verworfen
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 01.03.2011 abgeändert. Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 551,67 festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege einstweiligen Rechtsschutzes die Auszahlung des Honorarabschlags für das Quartal I/2011.
Über das Vermögen des als Facharzt für Hals- Nasen- Ohrenheilkunde in L niedergelassenen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Antragstellers hat das Amtsgericht L mit Beschluss vom 01.01.2005 - 72 IN 415/04 - das Insolvenzverfahren eröffnet. Dieses ist ebenso wie das Verfahren über die beantragte Restschuldbefreiung noch nicht beendet. Mit Wirkung zum 01.01.2011 hat der Insolvenzverwalter das Vermögen des Antragstellers aus seiner selbständigen Tätigkeit als Arzt aus der Insolvenzmasse freigegeben und dies der Antragsgegnerin am 06.01.2011 mitgeteilt. Die hierauf vom Antragsteller begehrte Abschlagszahlung lehnte die Antragsgegnerin unter Hinweis auf ihr vorliegende Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 11.03.2003 und 23.04.2003 sowie auf eine Abtretung der Honoraransprüche an die Deutsche Bank AG vom 13.12.2001 ab.
Der Antragsteller hat daraufhin bei dem Sozialgericht (SG) Köln den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Verpflichtung der Antragsgegnerin beantragt, die Abschlagszahlungen an ihn zu leisten. Das SG Köln hat das Verfahren an das SG Düsseldorf verwiesen (Beschluss vom 07.02.2011).
Der Antragsteller hat geltend gemacht, die Abschlagszahlungen seien nach der Freigabeerklärung durch den Insolvenzverwalter an ihn zu leisten, da Zwangsvollstreckungsmaßnahmen während der Dauer des Insolvenzverfahrens unzulässig seien. Auch die Abtretung zugunsten der Deutschen Bank könne ihm nicht entgegengehalten werden, da Rechte an der Insolvenzmasse nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wirksam erworben werden könnten. Ohne Erlass der einstweiligen Anordnung sei er nicht in der Lage, den ärztlichen Praxisbetrieb im Hinblick auf die laufenden monatlichen Kosten aufrechtzuerhalten.
Der Antragsteller hat beantragt,
im Wege der einstweiligen Anordnung wird die Antragsgegnerin verpflichtet, ihm Abschlagszahlungen in Höhe von mindestens 20 % des anerkannten Gesamthonorars abzüglich der Bareinnahmen an Praxisgebühr der letzten durch die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein fertig gestellten Quartalsabrechnung für den Zeitraum I/2011 zu leisten.
Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt. Sie hat vorgetragen: Sie sei verpflichtet sicherzustellen, dass Honorarzahlungen mit befreiender Wirkung erfolgten und nicht ggf. zu einem späteren Zeitpunkt ein zweites Mal an den tatsächlich Berechtigten ausgezahlt werden müssten. Da die Deutsche Bank ebenfalls die Honorarzahlungen beanspruche, sei fraglich, ob die Rechte aus der Sicherungszession nach der Freigabe wieder auflebten. Zudem müsse Gewissheit bestehen, dass auch aus den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen keine Rechte zu ihren - der Antragsgegnerin - Lasten in ihrer Eigenschaft als Drittschuldnerin hergeleitet werden könnten. Solange für sie nicht festzustellen sei, ob und ggf. in welcher Höhe Honorarzahlungen mit befreiender Wirkung an den Antragsteller geleistet werden könnten, fehle es an einem Anordnungsgrund.
Mit Beschluss vom 01.03.2011 hat das SG Düsseldorf antragsgemäß entschieden. Der Antragsteller habe nachvollziehbar dargelegt, dass die Zahlung der Abschläge zur Erhaltung der wirtschaftlichen Existenz seiner Praxis unabdingbar sei. Dem stünden weder die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergangenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse noch die 2001 erfolgte Sicherungsabtretung der künftigen Honoraransprüche an die Deutsche Bank entgegen. Die Unbeachtlichkeit der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse folge aus § 89 Insolvenzordnung (InsO). Unerheblich sei, ob die Zwangsvollstreckung erst nach Eröffnung des Verfahrens begonnen werden solle oder bereits vor Eröffnung des Verfahrens begonnen worden sei und nach Eröffnung fortgesetzt werden solle; eine Ausnahme gelte lediglich dann, wenn die Vollstreckung bereits zu einem insolvenzfesten Absonderungsrecht geführt habe. Bei Pfändung künftiger Forderungen verhindere jedoch § 91 InsO, dass der Pfändungspfandgläubiger ein Absonderungsrecht erwerbe, wenn die Forderung - wie hier - erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehe. Auch die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte Sicherungsabtretung der künftigen Honoraransprüche des Antragstellers zugunsten der Deutschen Bank berechtige die Antragsgegnerin nicht zur Einbehaltung von Honorarzahlungen. Dies habe nicht zu einem insolvenzfesten Absonderungsrecht geführt. Hieran ändere auch die Freigabe des Vermögens aus der selbständigen Tätigkeit als Arzt nichts. Da die Geltendmachung einer abgetretenen Forderung keine Zwangsvollstreckung darstelle, folge dies zwar nicht unmittelbar aus den Regelungen des § 89 InsO. Es bestehe jedoch keine Veranlassung, einen Sicherungszessionar besser zu stellen als einen Pfändungspfandgläubiger. Zudem ergebe sich aus dem systematischen Zusammenhang der Regelungen über die Freigabe des Vermögens aus einer selbständigen Tätigkeit gemäß § 35 Abs. 2 InsO mit jenen des Verfahrens über die Restschuldbefreiung nach §§ 286 ff. InsO, dass auch nach der Freigabe Rechte aus einer Sicherungsabtretung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Restschuldbefreiung und die Aufhebung des Insovenzverfahrens (§ 289 Abs. 2 Satz 2 InsO) nicht geltend gemacht werden könnten. Dass allein die Freigabe des Vermögens aus der selbständigen Tätigkeit nicht die Möglichkeit der Einziehung der abgetretenen Forderung eröffne, zeige etwa die Regelung des § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO, nach der § 295 Abs. 2 InsO im Fall der Freigabe entsprechend gelte.
Diese Entscheidung greift die Antragsgegnerin mit der Beschwerde an. Sie stehe vor dem Problem, an wen mit schuldbefreiender Wirkung zu leisten sei. Die Regelung des § 91 InsO sichere die Insolvenzmasse zugunsten der Gesamtvollstreckungsgläubiger und führe dazu, dass Rechte aus Sicherungszessionen nicht geltend gemacht werden könnten. Der Schutz der Gesamtvollstreckungsgläubiger bestehe jedoch nur insofern und so lange, als ein solcher auch erforderlich sei. Mit der Freigabe des Vermögens aus der selbstständigen Tätigkeit (§ 35 Abs. 2 InsO) fehle es hieran. § 91 InsO sei insbesondere deshalb nicht anwendbar, da es sich um eine sog. "echte" Freigabe des Vermögens aus der selbständigen Tätigkeit gemäß § 35 Abs. 2 InsO handele. Dies folge aus der Erklärung des Insolvenzverwalters vom 06.01.2011, wonach "sämtliche Ansprüche, die Herr Dr. G aus seiner Tätigkeit ab dem 01.01.2011 erwirbt, nicht mehr der Insolvenzmasse zustehen, sondern ausschließlich Herrn Dr. G". Diese "echte" Freigabe habe zur Folge, dass der Insolvenzbeschlag erlösche und das freigegebene Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit aus der Insolvenzmasse gelöst werde. Nach nahezu unbestrittener Auffassung in Rechtsprechung und Literatur sei § 166 Abs. 2 InsO auf Pfändungsmaßnahmen nicht anwendbar. Die Insolvenzeröffnung möge sich materiell-rechtlich auf das Pfändungspfandrecht auswirken; sie habe jedoch keinen Einfluss auf die öffentlichrechtliche Beschlagnahme und Verstrickung. Diese Rechtswirkungen könnten nur im Rahmen eines Aufhebungs- oder Einstellungsbeschlusses des zuständigen Insolvenzgerichts beseitigt werden. Darüber hinaus fehle es an der Eilbedürftigkeit. Sie - die Antragsgegnerin - habe mit Schreiben vom 26.01.2011 an den vormaligen Insolvenzverwalter Vorkehrungen getroffen, damit die streitbefangene Frage, an wen Honorar und in welchem Umfang auszukehren ist, möglichst zeitnah einer Klärung zugeführt werde. Hiervon habe sie die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers mit Schreiben vom 27.01.2011 in Kenntnis gesetzt. Schließlich seien in erster Instanz zur Beendigung des Rechtsstreits weitere gangbare Vorschläge unterbreitet.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 01.03.2011 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Ein Anordnungsgrund liege vor. Er sei auf die monatlichen Abschlagszahlungen zwingend angewiesen, um den laufenden Betrieb seiner Praxis und seine wirtschaftliche Existenz zu gewährleisten sowie seinen Unterhaltsverpflichtungen nach zu kommen. Auch der Anordnungsanspruch sei gegeben. Die Antragsgegnerin verweigere die Abschlagszahlungen allein, weil sie nicht wisse, an wen sie mit schuldbefreiender Wirkung leisten könne. Die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse stünden dem Anordnungsanspruch nicht entgegen. Dies gehe bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des § 89 Abs. 1 InsO hervor. Danach seien einzelne Insolvenzgläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens gehindert, Zwangsvollstreckungen in die Insolvenzmasse oder in das sonstige Vermögen des Schuldners zu betreiben. Dem sonstigen Vermögen sei auch das vom Insolvenzverwalter freigegebene Vermögen zuzuordnen. Auch die Sicherungsabtretungen zugunsten der Deutschen Bank berechtigten nicht zur Einbehaltung von Honorarzahlungen. Diese führten nicht zu einem insolvenzfesten Absonderungsrecht. Die Abtretung künftiger Forderungen eines Vertragsarztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung sei wegen § 91 Abs. 1 InsO nicht insolvenzfest, so dass der Zessionar während der Dauer des Insolvenzverfahrens keinerlei Rechte aus der Abtretung geltend machen könne. Danach seien Vorausverfügungen des Schuldners über Ansprüche, die sich gegen eine ärztliche Abrechnungsstelle richten, für die Zeit nach Verfahrenseröffnung auch nach Einführung des § 35 Abs. 2 InsO unwirksam, sofern die Arztpraxis fortgeführt werde. So liege es hier. Seine - des Antragstellers - Praxis werde fortgeführt. Das Insolvenzverfahren sei nicht beendet. Daran ändere die Freigabe des Vermögens aus der selbstständigen Tätigkeit als Arzt nichts. Im Übrigen sei auf § 114 Abs. 1 InsO hinzuweisen. Selbst wenn angenommen werde, dass die Sicherungsabtretungen zugunsten der Deutschen Bank zunächst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht unwirksam gewesen seien, so seien sie nun in jedem Falle unwirksam, da die Zweijahresfrist abgelaufen sei. Daher stehe auch eine Sicherungsabtretung zugunsten der Deutschen Bank dem Anordnungsanspruch nicht entgegen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Die statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Abschlagszahlung für das Quartal I/2011, der im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchsetzbar wäre.
1. Der Antragsteller ist prozessführungsbefugt. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss vom 01.01.2005 ist zwar sein Recht als Insolvenzschuldner, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter übergegangen (§ 80 Abs. 1 InsO). Der Schuldner verliert dadurch seine Prozessführungsbefugnis (OLG Stuttgart, Beschluss vom 25.03.2004 - 3 W 65/03 -). Dies gilt nur dann nicht, wenn es sich um eine höchstpersönliche Angelegenheit des Schuldners, wie z. B. Erbschafts-, Scheidungs- oder Strafverfahren, oder um sonstige Rechtsstreitigkeiten über insolvenzfreies Vermögen handelt. Eine höchstpersönliche Angelegenheit liegt nicht vor. Einkünfte aus einer Tätigkeit als Vertragsarzt gehören zudem in vollem Umfang zur Insolvenzmasse und sind an den Insolvenzverwalter auszukehren. Allerdings hat der Insolvenzverwalter das Vermögen des Antragstellers aus seiner selbständigen Tätigkeit als Hals-Nasen-Ohrenarzt aus der Insolvenzmasse freigegeben (§ 35 Abs. 2 InsO) und sich insoweit mit der gerichtlichen Geltendmachung der Forderungen aus dem Geschäftsbetrieb durch den Antragsteller einverstanden erklärt.
2. Rechtsgrundlage für das Begehren des Antragsteller ist § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
a) Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung nach Maßgabe der in Absatz 1 bzw. Absatz 2 genannten Voraussetzungen treffen. Danach ist zwischen Sicherungs- (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG) und Regelungsanordnung (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG) zu unterscheiden. Durch das am 02.01.2002 in Kraft getretene 6. SGG-ÄndG (BGBI. l S. 2144 ff.) ist der einstweilige Rechtsschutz im SGG in Anlehnung an §§ 80 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geregelt worden. Dies rechtfertigt es, die zu §§ 80, 80a, 123 VwGO entwickelten Grundsätze auf das sozialgerichtliche Verfahren zu übertragen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 18.09.2002 - L 10 B 9/02 KA ER - und vom 23.08.2002 - L 10 B 12/02 KA ER -). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.09.2006 - L 10 B 2/06 KA ER -), es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfGE 93, 1 ff). Andererseits müssen die Gerichte unter Umständen wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit Rechtsfragen nicht vertiefend behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung treffen können (BVerfG NJW 1997, 479, 480; Senat, Beschluss vom 12.10.2009 - L 11 B 17/09 KA ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 15.11.2006 - L 10 B 14/06 KA ER - und 14.12.2006 - L 10 B 21/06 KA ER -). Ferner darf oder muss das Gericht ggf. auch im Sinne einer Folgenbetrachtung bedenken, zu welchen Konsequenzen für die Beteiligten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei späterem Misserfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren einerseits gegenüber der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bei nachfolgendem Obsiegen in der Hauptsache andererseits führen würde (Senat, Beschluss vom 16.05.2011 - L 11 KA 132/10 B ER -; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.04.2007 - L 5 KR 518/07 ER-B -).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ergibt sich, dass der Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht ist.
Den Anordnungsgrund definiert § 86b Abs. 2 SGG für die Sicherungsanordnung einerseits und Regelungsanordnung andererseits jeweils eigenständig. Die Sicherungsanordnung setzt die Gefahr voraus, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustand die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), hingegen verlangt die Regelungsanordnung, dass die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Hierunter fallen die praktisch häufigen Fälle eines Verpflichtungs- oder Leistungsbegehrens (vgl. Düring in Jansen, SGG, 3. Auflage, 2009, § 86b Rdn. 11). Mittels einer Sicherungsanordnung trifft das Gericht nur bestandsschützende Maßnahmen (Düring, a.a.O., Rdn. 10). Die Rechtsverwirklichung im Sinn des Absatz 2 Satz 1 wird vereitelt, wenn sich das gefährdete Recht im Hauptsacheverfahren nicht mehr durchsetzen lässt. Die Rechtsverwirklichung wird erschwert, wenn zu befürchten ist, dass eine Zustandsveränderung den Erfolg des Hauptsacheverfahrens weitgehend entwerten würden (Düring, a.a.O., Rdn. 13 m.w.N.). Die Abgrenzung der Sicherungs- von der Regelungsanordnung ist unsicher. Sie ist letztlich unerheblich, denn beide Fälle unterliegen derselben Behandlung (hierzu Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Auflage, 2007, § 940 Rdn. 1; vgl. auch Senat, Beschluss vom 28.12.2010 - L 11 KA 60/10 B ER -).
Ob und inwieweit ein Anordnungsgrund gegeben ist, erscheint als zweifelhaft. Für die Antragsgegnerin war angesichts unzulänglicher Angaben des Antragstellers zunächst nicht feststellbar, ob und ggf. in welcher Höhe Honorarzahlungen mit befreiender Wirkung geleistet werden können. Zudem hat es der Antragsteller versäumt, Erklärungen der Zessionarin bzw. der Pfändungsgläubiger dahin zu erwirken, dass weder aus der Zession noch aus den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen ab dem 01.01.2011 Rechte gegenüber der Antragsgegnerin hergeleitet werden. Dass solche Bemühungen nicht von vornherein erfolglos sind, belegt das Schreiben der zu 1) beigeladenen Sparkasse Gummersbach-Bergneustadt vom 04.08.2011. Hierin beantwortet die Sparkasse die Anfrage des Senats vom 18.07.2011 dahin, dass für die Dauer des anhängigen Insolvenzverfahrens keine Rechte aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 11.03.2003 gegen die Antragsgegnerin geltend gemacht werden. Demgegenüber meint die 4) beigeladene Deutsche Bank, dass infolge der Freigabe vom 01.01.2011 die Zession wieder auflebt und nunmehr von der Antragsgegnerin zu befriedigen ist. Die Beigeladenen zu 2) und 3) haben sich insoweit nicht geäußert.
bb) Hinsichtlich des Anordnungsanspruchs ist zu differenzieren. Soweit es um die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse zugunsten der Beigeladenen zu 1) bis 3) geht, sind die dem zugrundeliegenden Forderungen derzeit nicht zu bedienen, hinsichtlich der Sicherungszession zugunsten der Beigeladenen zu 4) gilt indessen Anderes.
Nach § 12 Abs. 3 a) des Honorarverteilungsvertrags (HVV) vom 01.04.2011 (Rheinisches Ärzteblatt 4/2011, S. 58 ff.) wird der Honorarbescheid in der Regel bis zum Ende des auf das Abrechnungsquartal folgenden vierten Monats erlassen. Forderungen gegen die Kassenärztliche Vereinigung werden erst fällig, nachdem Prüfungen auf Richtigkeit und ggf. auf Wirtschaftlichkeit durchgeführt und deren Ergebnisse rechtswirksam geworden sind. Bis zu diesem Zeitpunkt steht der Honorarbescheid unter Vorbehalt; Zahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein an den Vertragsarzt bleiben bis dahin aufrechnungsfähige und ggf. rückzahlungspflichtige Vorschüsse. Auf das Vierteljahreshonorar können die an der Abrechnung Teilnehmenden monatliche Abschlagszahlungen, deren Höhe ggf. in der Regel mindestens 20%, höchstens jedoch 25% und für die erste Abschlagszahlung des vierten Abrechnungsquartals (Oktober-Rate) 24% des anerkannten Gesamthonorars abzüglich der Bareinnahmen an Praxisgebühr der letzten durch die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein fertig gestellten Quartalsabrechnung betragen soll, erhalten.
Der Antragsteller stand im streitgegenständlichen Zeitraum im Abrechnungsverkehr mit der Antragsgegnerin und hat damit dem Grunde nach Anspruch auf Zahlung der genannten Abschlagszahlungen.
(1) Die von den Beigeladenen zu 1) bis 3) erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse stehen dem Anordnungsanspruch nicht entgegen.
Gemäß § 87 InsO können Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur noch nach den Vorschriften des Insolvenzrechts verfolgen. Sie haben ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anzumelden. Zwangsvollstreckungen sind weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig (§ 89 Abs. 1 InsO). Damit soll erreicht werden, dass die Insolvenzgläubiger gleichmäßige Befriedigung erlangen (MünchKomm-InsO/Breuer, 2. Auflage, 2007, § 87 Rdn. 2). Das Verbot gilt für Zwangsvollstreckungen in die Insolvenzmasse und in das sonstige Vermögen des Schuldners. Nachdem der Insolvenzverwalter das Vermögen aus selbständiger Tätigkeit freigegeben hat, ist es aus der Insolvenzmasse ausgeschieden und in die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners zurückgelangt. Es ist damit Teil des sonstigen Vermögens des Schuldners im Sinne von § 89 Abs. 1 InsO geworden (BGH, Beschluss vom 12.02.2009 - IX ZB 112/06 -). In dieses darf nicht vollstreckt werden (vgl. Uhlenbruck, InsO, 13. Auflage, 2010, § 89 Rdn. 4 m.w.N.). Das Vollstreckungsverbot bezieht sich auf die gesamte Dauer des Insolvenzverfahrens; es beginnt mit dem Wirksamwerden des Eröffnungsbeschlusses (§ 27 InsO) und endet mit der Aufhebung des Verfahrens (vgl. Uhlenbruck, a.a.O., § 89 Rdn. 19). Die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse zugunsten der Beigeladenen zu 1) bis 3) sind Maßnahmen der Zwangsvollstreckung; sie sind für die Dauer des Insolvenzverfahrens unbeachtlich. Die dem zugrundeliegenden Forderungen dürfen durch die Antragsgegnerin nicht bedient werden. Mithin kann deren Beschwerde insoweit keinen Erfolg haben. Sie ist demzufolge nach Maßgabe des HVV zur Abschlagszahlung verpflichtet.
(2) Soweit es die Sicherungszession zugunsten der Beigeladenen zu 4) anlangt, ist die Rechtslage anders zu beurteilen.
(a) Nach § 91 Abs. 1 InsO können Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wirksam erworben werden, auch wenn keine Verfügung des Schuldners und keine Zwangsvollstreckung für einen Insolvenzgläubiger zugrunde liegt. Diese Regelung sichert die Insolvenzmasse zugunsten der Gesamtvollstreckungsgläubiger und bewirkt, dass Rechte aus Sicherungszessionen nicht geltend gemacht werden können. Im Falle der Abtretung einer künftigen Forderung ist die Verfügung selbst bereits mit Abschluss des Abtretungsvertrages beendet. Der Rechtsübergang erfolgt jedoch erst mit dem Entstehen der Forderung (BGH, Urteil vom 30.01.1997 - IX ZR 89/96 -). Entsteht die im Voraus abgetretene Forderung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, kann der Gläubiger gemäß § 91 Abs. 1 InsO kein Forderungsrecht zu Lasten der Masse mehr erwerben (BGH, Urteil vom 20.03.2003 - IX ZR 166/02 -). Nur wenn der Zessionar bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine gesicherte Rechtsposition hinsichtlich der abgetretenen Forderung erlangt hat, ist die Abtretung insolvenzfest. Werden Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen abgetreten, kommt es deshalb darauf an, ob sie bereits mit Abschluss des zugrunde liegenden Vertrages "betagt", also nur in ihrer Durchsetzbarkeit vom Beginn oder vom Ablauf einer bestimmten Frist abhängig sind, oder ob sie gemäß §§ 163, 158 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erst mit der Inanspruchnahme der jeweiligen Gegenleistung entstehen. Im letztgenannten Fall hat der Abtretungsempfänger keine gesicherte Rechtsposition (BGH, Urteil vom 11.05.2006 - IX ZR 247/03 -). Im letztgenannten Fall hat der Abtretungsempfänger keine gesicherte Rechtsposition (BGH, Urteil vom 30.01.1997 - IX ZR 89/96 - ). Dabei gilt der allgemeine Grundsatz, dass der Anspruch auf Vergütung für geleistete Dienste nicht vor der Dienstleistung entsteht (z. B. BGH, a.a.O.), auch für den Vergütungsanspruch des Vertragsarztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung (BGH, Urteil vom 11.05.2006 - IX ZR 247/03 -).
Die für die streitgegenständliche Abschlagszahlung maßgeblichen Dienstleistungen wurden nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht, so dass der Anspruch gegen die Antragsgegnerin auch erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Mithin wäre die Abtretung hinsichtlich dieser Forderung gem. § 91 Abs. 1 InsO unwirksam. § 114 InsO findet auf Vergütungsansprüche eines Vertragsarztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung keine Anwendung (BGH, Urteil vom 11.05.2006 - IX ZR 247/03 -).
(b) Allerdings greift § 91 Abs. 1 InsO letztlich nicht, weil das "Vermögen" vom Insolvenzverwalter zum 01.01.2011 freigegeben wurde.
§ 35 Abs. 2 InsO bestimmt:
Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295 Abs. 2 gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.
(aa) Eine "echte" Freigabe hätte zur Folge, dass der Insolvenzbeschlag erlischt und der freigegebene Gegenstand bzw. die freigegebene Forderung aus der Insolvenzmasse gelöst wird. Die sich auf die freigegebene Gegenstände beziehenden Vertragsverhältnisse wären insolvenzfrei. § 91 InsO wäre mithin nicht anwendbar. Die "echte" Freigabe muss einen endgültigen Verzicht des Insolvenzverwalters auf den betreffenden Gegenstand zum Inhalt haben und dies unmissverständlich ausdrücken (vgl. BGH, Urteil vom 29.05.1961 - VII ZR 46/60 -, OLG Nürnberg, Urteil vom 25.05.2000 - 13 U 3867/99 -). Hiernach wird der insolvenzbefangene Gegenstand wieder in vollem Umfang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners unterstellt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 07.12.2006 - IX ZR 161/04 -; MünchKomm-InsO/Lwowski, a.a.O., § 35 Rdn. 85 und 103). Eine Freigabe an den Insolvenzschuldner zu dessen freier Verfügung liegt hingegen nicht vor, wenn der Insolvenzmasse der wirtschaftliche Wert des Gegenstandes erhalten bleibt (BFH, Urteil vom 24.09.1987 - V R 196/83 - ; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.12.2006 - 1 K 1950/05 -). Hiervon ist regelmäßig auszugehen, wenn der Verwertungserlös der Insolvenzmasse zu Gute kommen soll. Die sog. "modifizierte" Freigabe führt dazu, dass der Gegenstand in der Insolvenzmasse verbleibt (vgl. BFH, Urteil vom 24.09.1987 - V R 196/83 - ; Urteil vom 12.05.1993 - XI R 49/90 -).
Die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters ist auszulegen (OLG Koblenz, Urteil vom 12.02.2010 - 2 U 998/09 -). Der Senat versteht die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters
... auf diesem Wege zeige ich Ihnen gegenüber (Anm. des Senats: der Antragsgegnerin gegenüber) an, dass ich nach Ablauf der 6-jährigen Laufzeit der Abtretungserklärung mit Wirkung vom 01.01.2011 durch entsprechende Erklärung gegenüber Herrn Dr. G dessen Vermögen aus seiner selbstständigen Tätigkeit als Hals-Nasen-Ohrenarzt gem. § 35 Abs. 2 InsO aus der Insolvenzmasse freigegeben habe. Hieraus folgt, dass sämtliche Ansprüche, die Herr G aus seiner Tätigkeit ab 01.01.2011 erwirbt, nicht mehr der Insolvenzmasse zustehen, sondern ausschließlich Herrn G ...
als "echte" Freigabe. Hiernach sollen ab dem 01.01.2011 aus selbstständiger Tätigkeit erworbene Ansprüche nicht mehr dem Insolvenzbeschlag unterliegen. Mithin würde insoweit der Insolvenzbeschlag erlöschen und das freigegebene Vermögen aus selbständiger Tätigkeit aus der Insolvenzmasse herausgelöst. Die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters ist daher so zu verstehen, dass das vom Antragsteller durch die Führung seines Gewerbebetriebs neu erworbene Vermögen dauerhaft aus der Insolvenzmasse gelöst ist (hierzu auch BGH, Beschluss vom 30.09.2010 - IX ZR 236/09 -).
Etwas Anderes ergibt sich im Ergebnis auch nicht aus dem Beschluss des BGH vom 18.02.2010 - IX ZR 61/09 -:
Die von der Nichtzulassungsbeschwerde für rechtsgrundsätzlich gehaltene Frage, ob die Unwirksamkeit von Verfügungen, durch die der Schuldner Forderungen auf Vergütung von ärztlichen Leistungen abgetreten oder verpfändet hat, die auf nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachten ärztlichen Leistungen beruhen (BGHZ 167, 363), auch nach Inkrafttreten des § 35 Abs. 2 und 3 InsO weiter gilt, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Zweck des § 35 Abs. 2 InsO ist es, dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit zu eröffnen, eine für die Masse verlustbringende Betriebsfortführung an den Schuldner freizugeben (BT-Drucks. 16/3227 S. 17). Ist die Tätigkeit ertragreich, soll er sie mit der Masse fortführen können. Den Schutz von Zessionaren, denen über eine Vorausabtretung Forderungen des Schuldners aus der Zeit nach Verfahrenseröffnung abgetreten sind, bezweckt die Regelung nicht. Den von der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung hergestellten Zusammenhang zwischen der Regelung des § 35 Abs. 2 InsO und der der §§ 91, 114 Abs. 1 InsO gibt es nicht. Die gegenteilige Sicht hätte zur Folge, dass sich der Verwalter ohne Rücksicht auf den wirtschaftlichen Erfolg der Tätigkeit des Schuldners für eine Freigabe entscheiden müsste, weil er anderenfalls die Fortführung finanzieren müsste, ohne - jedenfalls für die Dauer von zwei Jahren - die Gegenleistung zur Masse ziehen zu können.
Hieraus ist zwar herzuleiten, dass die Abtretung künftiger Forderungen eines Vertragsarztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung wegen § 91 Abs. 1 InsO letztlich nicht insolvenzfest ist, so dass der Zessionar während der Dauer des Insolvenzverfahrens keinerlei Rechte aus der Abtretung herleiten kann (vgl. auch BGH, Urteil vom 11.05.2006 - IX ZR 247/03 -). Soweit allerdings der BGH ausgeführt hat, § 35 Abs. 2 InsO bezwecke nicht den Schutz von Zessionaren, denen über eine Vorausabtretung Forderungen des Schuldners aus der Zeit nach der Verfahrenseröffnung abgetreten seien, bezieht sich dies ausweislich des Leitsatzes und der Entscheidungsgründe nur auf den Fall, dass der Insolvenzverwalter die Arztpraxis fortführt. Für jenen Fall ist es auch richtig, dass die Vorausabtretung für die Zeit nach Insolvenzeröffnung unwirksam ist. Das gilt jedoch nicht für den hier vorliegenden Fall einer Fortführung durch den Schuldner, die mit einer entsprechenden (echten) Freigabe durch den Insolvenzverwalter verbunden wird (vgl. LG Hamburg, Beschluss vom 29.06.2011 - 317 O 42/11 -).
Demzufolge fehlt es insoweit am Anordnungsanspruch. Ausgehend hiervon wäre die Antragsgegnerin berechtigt, die mittels Sicherungszession zugunsten der Deutschen Bank abgetretene Forderung zu bedienen. Dieses Ergebnis führt zwar zu einer Ungleichbehandlung von Sicherungszession einerseits und Forderungspfändung andererseits. Indessen sieht der Senat keinen rechtlichen Ansatz, um dem entgegenzutreten.
3. Zusammenfassend hat der Antragsteller solange keinen Anspruch auf Abschlagszahlungen für das Quartal I/2011, wie nicht die Forderung der Deutschen Bank befriedigt ist.
III.
Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 4, 52 Abs. 1 VwGO.
Hiernach ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers ist darauf gerichtet, zumindest bis zur Quartalsabrechnung das einbehaltene Honorar ausgekehrt zu wissen, um darüber verfügen zu können. Das wirtschaftliche Interesse wird mithin durch die Faktoren "Dauer des Verfahrens" und Zinsinteresse bestimmt. Die Verfahrensdauer bemisst sich danach, dass der Quartalsabrechnungsbescheid (Honorarbescheid) in der Regel bis zum Ende des auf das Abrechnungsquartal folgenden vierten Monats erlassen wird (§ 12 Abs. 3a) HVV vom 01.04.2011). Das Zinsinteresse ist darauf gerichtet, bereits ab einem früheren Zeitpunkt über die Geldforderung verfügen zu können und nicht auf eine etwaige Zwischenfinanzierung angewiesen zu sein. Die Abschlagsrate für Januar 2011 hat die Antragsgegnerin mit 4.700,00 EUR und jene für Februar 2011 mit 4.000,00 EUR beziffert. Ausgehend hiervon nimmt der Senat für das Quartal I/2011 ein Abschlagsvolumen von ca. 13.000,00 EUR an. Angesichts eines Zinssatzes von 10 % ergibt sich ein Zinsinteresse von
4.700,00 EUR / 10 % = 470,00 EUR: 12 (Monate) = 39,17 EUR (mtl.) x 6 (Monate) = 235,00 EUR
4.000,00 EUR / 10 % = 400,00 EUR: 12 (Monate) = 33,34 EUR (mtl.) x 5 (Monate) = 166,67 EUR
4.500,00 EUR (geschätzt) / 10 % = 450,00 EUR: 12 (Monate) = 37,50 EUR (mtl.) x 4 = 150,00 EUR
Mithin ist der Streitwert auf 551,67 EUR festzusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1, 162 Abs. 1 VwGO. Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig (§ 162 Abs. 3 VwGO), denn sie haben das Verfahren weder wesentlich gefördert noch Anträge gestellt (hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage, 2007, § 162 Rdn. 23).
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege einstweiligen Rechtsschutzes die Auszahlung des Honorarabschlags für das Quartal I/2011.
Über das Vermögen des als Facharzt für Hals- Nasen- Ohrenheilkunde in L niedergelassenen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Antragstellers hat das Amtsgericht L mit Beschluss vom 01.01.2005 - 72 IN 415/04 - das Insolvenzverfahren eröffnet. Dieses ist ebenso wie das Verfahren über die beantragte Restschuldbefreiung noch nicht beendet. Mit Wirkung zum 01.01.2011 hat der Insolvenzverwalter das Vermögen des Antragstellers aus seiner selbständigen Tätigkeit als Arzt aus der Insolvenzmasse freigegeben und dies der Antragsgegnerin am 06.01.2011 mitgeteilt. Die hierauf vom Antragsteller begehrte Abschlagszahlung lehnte die Antragsgegnerin unter Hinweis auf ihr vorliegende Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 11.03.2003 und 23.04.2003 sowie auf eine Abtretung der Honoraransprüche an die Deutsche Bank AG vom 13.12.2001 ab.
Der Antragsteller hat daraufhin bei dem Sozialgericht (SG) Köln den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Verpflichtung der Antragsgegnerin beantragt, die Abschlagszahlungen an ihn zu leisten. Das SG Köln hat das Verfahren an das SG Düsseldorf verwiesen (Beschluss vom 07.02.2011).
Der Antragsteller hat geltend gemacht, die Abschlagszahlungen seien nach der Freigabeerklärung durch den Insolvenzverwalter an ihn zu leisten, da Zwangsvollstreckungsmaßnahmen während der Dauer des Insolvenzverfahrens unzulässig seien. Auch die Abtretung zugunsten der Deutschen Bank könne ihm nicht entgegengehalten werden, da Rechte an der Insolvenzmasse nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wirksam erworben werden könnten. Ohne Erlass der einstweiligen Anordnung sei er nicht in der Lage, den ärztlichen Praxisbetrieb im Hinblick auf die laufenden monatlichen Kosten aufrechtzuerhalten.
Der Antragsteller hat beantragt,
im Wege der einstweiligen Anordnung wird die Antragsgegnerin verpflichtet, ihm Abschlagszahlungen in Höhe von mindestens 20 % des anerkannten Gesamthonorars abzüglich der Bareinnahmen an Praxisgebühr der letzten durch die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein fertig gestellten Quartalsabrechnung für den Zeitraum I/2011 zu leisten.
Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt. Sie hat vorgetragen: Sie sei verpflichtet sicherzustellen, dass Honorarzahlungen mit befreiender Wirkung erfolgten und nicht ggf. zu einem späteren Zeitpunkt ein zweites Mal an den tatsächlich Berechtigten ausgezahlt werden müssten. Da die Deutsche Bank ebenfalls die Honorarzahlungen beanspruche, sei fraglich, ob die Rechte aus der Sicherungszession nach der Freigabe wieder auflebten. Zudem müsse Gewissheit bestehen, dass auch aus den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen keine Rechte zu ihren - der Antragsgegnerin - Lasten in ihrer Eigenschaft als Drittschuldnerin hergeleitet werden könnten. Solange für sie nicht festzustellen sei, ob und ggf. in welcher Höhe Honorarzahlungen mit befreiender Wirkung an den Antragsteller geleistet werden könnten, fehle es an einem Anordnungsgrund.
Mit Beschluss vom 01.03.2011 hat das SG Düsseldorf antragsgemäß entschieden. Der Antragsteller habe nachvollziehbar dargelegt, dass die Zahlung der Abschläge zur Erhaltung der wirtschaftlichen Existenz seiner Praxis unabdingbar sei. Dem stünden weder die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergangenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse noch die 2001 erfolgte Sicherungsabtretung der künftigen Honoraransprüche an die Deutsche Bank entgegen. Die Unbeachtlichkeit der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse folge aus § 89 Insolvenzordnung (InsO). Unerheblich sei, ob die Zwangsvollstreckung erst nach Eröffnung des Verfahrens begonnen werden solle oder bereits vor Eröffnung des Verfahrens begonnen worden sei und nach Eröffnung fortgesetzt werden solle; eine Ausnahme gelte lediglich dann, wenn die Vollstreckung bereits zu einem insolvenzfesten Absonderungsrecht geführt habe. Bei Pfändung künftiger Forderungen verhindere jedoch § 91 InsO, dass der Pfändungspfandgläubiger ein Absonderungsrecht erwerbe, wenn die Forderung - wie hier - erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehe. Auch die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte Sicherungsabtretung der künftigen Honoraransprüche des Antragstellers zugunsten der Deutschen Bank berechtige die Antragsgegnerin nicht zur Einbehaltung von Honorarzahlungen. Dies habe nicht zu einem insolvenzfesten Absonderungsrecht geführt. Hieran ändere auch die Freigabe des Vermögens aus der selbständigen Tätigkeit als Arzt nichts. Da die Geltendmachung einer abgetretenen Forderung keine Zwangsvollstreckung darstelle, folge dies zwar nicht unmittelbar aus den Regelungen des § 89 InsO. Es bestehe jedoch keine Veranlassung, einen Sicherungszessionar besser zu stellen als einen Pfändungspfandgläubiger. Zudem ergebe sich aus dem systematischen Zusammenhang der Regelungen über die Freigabe des Vermögens aus einer selbständigen Tätigkeit gemäß § 35 Abs. 2 InsO mit jenen des Verfahrens über die Restschuldbefreiung nach §§ 286 ff. InsO, dass auch nach der Freigabe Rechte aus einer Sicherungsabtretung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Restschuldbefreiung und die Aufhebung des Insovenzverfahrens (§ 289 Abs. 2 Satz 2 InsO) nicht geltend gemacht werden könnten. Dass allein die Freigabe des Vermögens aus der selbständigen Tätigkeit nicht die Möglichkeit der Einziehung der abgetretenen Forderung eröffne, zeige etwa die Regelung des § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO, nach der § 295 Abs. 2 InsO im Fall der Freigabe entsprechend gelte.
Diese Entscheidung greift die Antragsgegnerin mit der Beschwerde an. Sie stehe vor dem Problem, an wen mit schuldbefreiender Wirkung zu leisten sei. Die Regelung des § 91 InsO sichere die Insolvenzmasse zugunsten der Gesamtvollstreckungsgläubiger und führe dazu, dass Rechte aus Sicherungszessionen nicht geltend gemacht werden könnten. Der Schutz der Gesamtvollstreckungsgläubiger bestehe jedoch nur insofern und so lange, als ein solcher auch erforderlich sei. Mit der Freigabe des Vermögens aus der selbstständigen Tätigkeit (§ 35 Abs. 2 InsO) fehle es hieran. § 91 InsO sei insbesondere deshalb nicht anwendbar, da es sich um eine sog. "echte" Freigabe des Vermögens aus der selbständigen Tätigkeit gemäß § 35 Abs. 2 InsO handele. Dies folge aus der Erklärung des Insolvenzverwalters vom 06.01.2011, wonach "sämtliche Ansprüche, die Herr Dr. G aus seiner Tätigkeit ab dem 01.01.2011 erwirbt, nicht mehr der Insolvenzmasse zustehen, sondern ausschließlich Herrn Dr. G". Diese "echte" Freigabe habe zur Folge, dass der Insolvenzbeschlag erlösche und das freigegebene Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit aus der Insolvenzmasse gelöst werde. Nach nahezu unbestrittener Auffassung in Rechtsprechung und Literatur sei § 166 Abs. 2 InsO auf Pfändungsmaßnahmen nicht anwendbar. Die Insolvenzeröffnung möge sich materiell-rechtlich auf das Pfändungspfandrecht auswirken; sie habe jedoch keinen Einfluss auf die öffentlichrechtliche Beschlagnahme und Verstrickung. Diese Rechtswirkungen könnten nur im Rahmen eines Aufhebungs- oder Einstellungsbeschlusses des zuständigen Insolvenzgerichts beseitigt werden. Darüber hinaus fehle es an der Eilbedürftigkeit. Sie - die Antragsgegnerin - habe mit Schreiben vom 26.01.2011 an den vormaligen Insolvenzverwalter Vorkehrungen getroffen, damit die streitbefangene Frage, an wen Honorar und in welchem Umfang auszukehren ist, möglichst zeitnah einer Klärung zugeführt werde. Hiervon habe sie die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers mit Schreiben vom 27.01.2011 in Kenntnis gesetzt. Schließlich seien in erster Instanz zur Beendigung des Rechtsstreits weitere gangbare Vorschläge unterbreitet.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 01.03.2011 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Ein Anordnungsgrund liege vor. Er sei auf die monatlichen Abschlagszahlungen zwingend angewiesen, um den laufenden Betrieb seiner Praxis und seine wirtschaftliche Existenz zu gewährleisten sowie seinen Unterhaltsverpflichtungen nach zu kommen. Auch der Anordnungsanspruch sei gegeben. Die Antragsgegnerin verweigere die Abschlagszahlungen allein, weil sie nicht wisse, an wen sie mit schuldbefreiender Wirkung leisten könne. Die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse stünden dem Anordnungsanspruch nicht entgegen. Dies gehe bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des § 89 Abs. 1 InsO hervor. Danach seien einzelne Insolvenzgläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens gehindert, Zwangsvollstreckungen in die Insolvenzmasse oder in das sonstige Vermögen des Schuldners zu betreiben. Dem sonstigen Vermögen sei auch das vom Insolvenzverwalter freigegebene Vermögen zuzuordnen. Auch die Sicherungsabtretungen zugunsten der Deutschen Bank berechtigten nicht zur Einbehaltung von Honorarzahlungen. Diese führten nicht zu einem insolvenzfesten Absonderungsrecht. Die Abtretung künftiger Forderungen eines Vertragsarztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung sei wegen § 91 Abs. 1 InsO nicht insolvenzfest, so dass der Zessionar während der Dauer des Insolvenzverfahrens keinerlei Rechte aus der Abtretung geltend machen könne. Danach seien Vorausverfügungen des Schuldners über Ansprüche, die sich gegen eine ärztliche Abrechnungsstelle richten, für die Zeit nach Verfahrenseröffnung auch nach Einführung des § 35 Abs. 2 InsO unwirksam, sofern die Arztpraxis fortgeführt werde. So liege es hier. Seine - des Antragstellers - Praxis werde fortgeführt. Das Insolvenzverfahren sei nicht beendet. Daran ändere die Freigabe des Vermögens aus der selbstständigen Tätigkeit als Arzt nichts. Im Übrigen sei auf § 114 Abs. 1 InsO hinzuweisen. Selbst wenn angenommen werde, dass die Sicherungsabtretungen zugunsten der Deutschen Bank zunächst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht unwirksam gewesen seien, so seien sie nun in jedem Falle unwirksam, da die Zweijahresfrist abgelaufen sei. Daher stehe auch eine Sicherungsabtretung zugunsten der Deutschen Bank dem Anordnungsanspruch nicht entgegen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Die statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Abschlagszahlung für das Quartal I/2011, der im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchsetzbar wäre.
1. Der Antragsteller ist prozessführungsbefugt. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss vom 01.01.2005 ist zwar sein Recht als Insolvenzschuldner, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter übergegangen (§ 80 Abs. 1 InsO). Der Schuldner verliert dadurch seine Prozessführungsbefugnis (OLG Stuttgart, Beschluss vom 25.03.2004 - 3 W 65/03 -). Dies gilt nur dann nicht, wenn es sich um eine höchstpersönliche Angelegenheit des Schuldners, wie z. B. Erbschafts-, Scheidungs- oder Strafverfahren, oder um sonstige Rechtsstreitigkeiten über insolvenzfreies Vermögen handelt. Eine höchstpersönliche Angelegenheit liegt nicht vor. Einkünfte aus einer Tätigkeit als Vertragsarzt gehören zudem in vollem Umfang zur Insolvenzmasse und sind an den Insolvenzverwalter auszukehren. Allerdings hat der Insolvenzverwalter das Vermögen des Antragstellers aus seiner selbständigen Tätigkeit als Hals-Nasen-Ohrenarzt aus der Insolvenzmasse freigegeben (§ 35 Abs. 2 InsO) und sich insoweit mit der gerichtlichen Geltendmachung der Forderungen aus dem Geschäftsbetrieb durch den Antragsteller einverstanden erklärt.
2. Rechtsgrundlage für das Begehren des Antragsteller ist § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
a) Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung nach Maßgabe der in Absatz 1 bzw. Absatz 2 genannten Voraussetzungen treffen. Danach ist zwischen Sicherungs- (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG) und Regelungsanordnung (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG) zu unterscheiden. Durch das am 02.01.2002 in Kraft getretene 6. SGG-ÄndG (BGBI. l S. 2144 ff.) ist der einstweilige Rechtsschutz im SGG in Anlehnung an §§ 80 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geregelt worden. Dies rechtfertigt es, die zu §§ 80, 80a, 123 VwGO entwickelten Grundsätze auf das sozialgerichtliche Verfahren zu übertragen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 18.09.2002 - L 10 B 9/02 KA ER - und vom 23.08.2002 - L 10 B 12/02 KA ER -). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.09.2006 - L 10 B 2/06 KA ER -), es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfGE 93, 1 ff). Andererseits müssen die Gerichte unter Umständen wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit Rechtsfragen nicht vertiefend behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung treffen können (BVerfG NJW 1997, 479, 480; Senat, Beschluss vom 12.10.2009 - L 11 B 17/09 KA ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 15.11.2006 - L 10 B 14/06 KA ER - und 14.12.2006 - L 10 B 21/06 KA ER -). Ferner darf oder muss das Gericht ggf. auch im Sinne einer Folgenbetrachtung bedenken, zu welchen Konsequenzen für die Beteiligten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei späterem Misserfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren einerseits gegenüber der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bei nachfolgendem Obsiegen in der Hauptsache andererseits führen würde (Senat, Beschluss vom 16.05.2011 - L 11 KA 132/10 B ER -; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.04.2007 - L 5 KR 518/07 ER-B -).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ergibt sich, dass der Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht ist.
Den Anordnungsgrund definiert § 86b Abs. 2 SGG für die Sicherungsanordnung einerseits und Regelungsanordnung andererseits jeweils eigenständig. Die Sicherungsanordnung setzt die Gefahr voraus, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustand die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), hingegen verlangt die Regelungsanordnung, dass die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Hierunter fallen die praktisch häufigen Fälle eines Verpflichtungs- oder Leistungsbegehrens (vgl. Düring in Jansen, SGG, 3. Auflage, 2009, § 86b Rdn. 11). Mittels einer Sicherungsanordnung trifft das Gericht nur bestandsschützende Maßnahmen (Düring, a.a.O., Rdn. 10). Die Rechtsverwirklichung im Sinn des Absatz 2 Satz 1 wird vereitelt, wenn sich das gefährdete Recht im Hauptsacheverfahren nicht mehr durchsetzen lässt. Die Rechtsverwirklichung wird erschwert, wenn zu befürchten ist, dass eine Zustandsveränderung den Erfolg des Hauptsacheverfahrens weitgehend entwerten würden (Düring, a.a.O., Rdn. 13 m.w.N.). Die Abgrenzung der Sicherungs- von der Regelungsanordnung ist unsicher. Sie ist letztlich unerheblich, denn beide Fälle unterliegen derselben Behandlung (hierzu Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Auflage, 2007, § 940 Rdn. 1; vgl. auch Senat, Beschluss vom 28.12.2010 - L 11 KA 60/10 B ER -).
Ob und inwieweit ein Anordnungsgrund gegeben ist, erscheint als zweifelhaft. Für die Antragsgegnerin war angesichts unzulänglicher Angaben des Antragstellers zunächst nicht feststellbar, ob und ggf. in welcher Höhe Honorarzahlungen mit befreiender Wirkung geleistet werden können. Zudem hat es der Antragsteller versäumt, Erklärungen der Zessionarin bzw. der Pfändungsgläubiger dahin zu erwirken, dass weder aus der Zession noch aus den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen ab dem 01.01.2011 Rechte gegenüber der Antragsgegnerin hergeleitet werden. Dass solche Bemühungen nicht von vornherein erfolglos sind, belegt das Schreiben der zu 1) beigeladenen Sparkasse Gummersbach-Bergneustadt vom 04.08.2011. Hierin beantwortet die Sparkasse die Anfrage des Senats vom 18.07.2011 dahin, dass für die Dauer des anhängigen Insolvenzverfahrens keine Rechte aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 11.03.2003 gegen die Antragsgegnerin geltend gemacht werden. Demgegenüber meint die 4) beigeladene Deutsche Bank, dass infolge der Freigabe vom 01.01.2011 die Zession wieder auflebt und nunmehr von der Antragsgegnerin zu befriedigen ist. Die Beigeladenen zu 2) und 3) haben sich insoweit nicht geäußert.
bb) Hinsichtlich des Anordnungsanspruchs ist zu differenzieren. Soweit es um die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse zugunsten der Beigeladenen zu 1) bis 3) geht, sind die dem zugrundeliegenden Forderungen derzeit nicht zu bedienen, hinsichtlich der Sicherungszession zugunsten der Beigeladenen zu 4) gilt indessen Anderes.
Nach § 12 Abs. 3 a) des Honorarverteilungsvertrags (HVV) vom 01.04.2011 (Rheinisches Ärzteblatt 4/2011, S. 58 ff.) wird der Honorarbescheid in der Regel bis zum Ende des auf das Abrechnungsquartal folgenden vierten Monats erlassen. Forderungen gegen die Kassenärztliche Vereinigung werden erst fällig, nachdem Prüfungen auf Richtigkeit und ggf. auf Wirtschaftlichkeit durchgeführt und deren Ergebnisse rechtswirksam geworden sind. Bis zu diesem Zeitpunkt steht der Honorarbescheid unter Vorbehalt; Zahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein an den Vertragsarzt bleiben bis dahin aufrechnungsfähige und ggf. rückzahlungspflichtige Vorschüsse. Auf das Vierteljahreshonorar können die an der Abrechnung Teilnehmenden monatliche Abschlagszahlungen, deren Höhe ggf. in der Regel mindestens 20%, höchstens jedoch 25% und für die erste Abschlagszahlung des vierten Abrechnungsquartals (Oktober-Rate) 24% des anerkannten Gesamthonorars abzüglich der Bareinnahmen an Praxisgebühr der letzten durch die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein fertig gestellten Quartalsabrechnung betragen soll, erhalten.
Der Antragsteller stand im streitgegenständlichen Zeitraum im Abrechnungsverkehr mit der Antragsgegnerin und hat damit dem Grunde nach Anspruch auf Zahlung der genannten Abschlagszahlungen.
(1) Die von den Beigeladenen zu 1) bis 3) erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse stehen dem Anordnungsanspruch nicht entgegen.
Gemäß § 87 InsO können Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur noch nach den Vorschriften des Insolvenzrechts verfolgen. Sie haben ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anzumelden. Zwangsvollstreckungen sind weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig (§ 89 Abs. 1 InsO). Damit soll erreicht werden, dass die Insolvenzgläubiger gleichmäßige Befriedigung erlangen (MünchKomm-InsO/Breuer, 2. Auflage, 2007, § 87 Rdn. 2). Das Verbot gilt für Zwangsvollstreckungen in die Insolvenzmasse und in das sonstige Vermögen des Schuldners. Nachdem der Insolvenzverwalter das Vermögen aus selbständiger Tätigkeit freigegeben hat, ist es aus der Insolvenzmasse ausgeschieden und in die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners zurückgelangt. Es ist damit Teil des sonstigen Vermögens des Schuldners im Sinne von § 89 Abs. 1 InsO geworden (BGH, Beschluss vom 12.02.2009 - IX ZB 112/06 -). In dieses darf nicht vollstreckt werden (vgl. Uhlenbruck, InsO, 13. Auflage, 2010, § 89 Rdn. 4 m.w.N.). Das Vollstreckungsverbot bezieht sich auf die gesamte Dauer des Insolvenzverfahrens; es beginnt mit dem Wirksamwerden des Eröffnungsbeschlusses (§ 27 InsO) und endet mit der Aufhebung des Verfahrens (vgl. Uhlenbruck, a.a.O., § 89 Rdn. 19). Die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse zugunsten der Beigeladenen zu 1) bis 3) sind Maßnahmen der Zwangsvollstreckung; sie sind für die Dauer des Insolvenzverfahrens unbeachtlich. Die dem zugrundeliegenden Forderungen dürfen durch die Antragsgegnerin nicht bedient werden. Mithin kann deren Beschwerde insoweit keinen Erfolg haben. Sie ist demzufolge nach Maßgabe des HVV zur Abschlagszahlung verpflichtet.
(2) Soweit es die Sicherungszession zugunsten der Beigeladenen zu 4) anlangt, ist die Rechtslage anders zu beurteilen.
(a) Nach § 91 Abs. 1 InsO können Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wirksam erworben werden, auch wenn keine Verfügung des Schuldners und keine Zwangsvollstreckung für einen Insolvenzgläubiger zugrunde liegt. Diese Regelung sichert die Insolvenzmasse zugunsten der Gesamtvollstreckungsgläubiger und bewirkt, dass Rechte aus Sicherungszessionen nicht geltend gemacht werden können. Im Falle der Abtretung einer künftigen Forderung ist die Verfügung selbst bereits mit Abschluss des Abtretungsvertrages beendet. Der Rechtsübergang erfolgt jedoch erst mit dem Entstehen der Forderung (BGH, Urteil vom 30.01.1997 - IX ZR 89/96 -). Entsteht die im Voraus abgetretene Forderung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, kann der Gläubiger gemäß § 91 Abs. 1 InsO kein Forderungsrecht zu Lasten der Masse mehr erwerben (BGH, Urteil vom 20.03.2003 - IX ZR 166/02 -). Nur wenn der Zessionar bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine gesicherte Rechtsposition hinsichtlich der abgetretenen Forderung erlangt hat, ist die Abtretung insolvenzfest. Werden Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen abgetreten, kommt es deshalb darauf an, ob sie bereits mit Abschluss des zugrunde liegenden Vertrages "betagt", also nur in ihrer Durchsetzbarkeit vom Beginn oder vom Ablauf einer bestimmten Frist abhängig sind, oder ob sie gemäß §§ 163, 158 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erst mit der Inanspruchnahme der jeweiligen Gegenleistung entstehen. Im letztgenannten Fall hat der Abtretungsempfänger keine gesicherte Rechtsposition (BGH, Urteil vom 11.05.2006 - IX ZR 247/03 -). Im letztgenannten Fall hat der Abtretungsempfänger keine gesicherte Rechtsposition (BGH, Urteil vom 30.01.1997 - IX ZR 89/96 - ). Dabei gilt der allgemeine Grundsatz, dass der Anspruch auf Vergütung für geleistete Dienste nicht vor der Dienstleistung entsteht (z. B. BGH, a.a.O.), auch für den Vergütungsanspruch des Vertragsarztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung (BGH, Urteil vom 11.05.2006 - IX ZR 247/03 -).
Die für die streitgegenständliche Abschlagszahlung maßgeblichen Dienstleistungen wurden nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht, so dass der Anspruch gegen die Antragsgegnerin auch erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Mithin wäre die Abtretung hinsichtlich dieser Forderung gem. § 91 Abs. 1 InsO unwirksam. § 114 InsO findet auf Vergütungsansprüche eines Vertragsarztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung keine Anwendung (BGH, Urteil vom 11.05.2006 - IX ZR 247/03 -).
(b) Allerdings greift § 91 Abs. 1 InsO letztlich nicht, weil das "Vermögen" vom Insolvenzverwalter zum 01.01.2011 freigegeben wurde.
§ 35 Abs. 2 InsO bestimmt:
Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295 Abs. 2 gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.
(aa) Eine "echte" Freigabe hätte zur Folge, dass der Insolvenzbeschlag erlischt und der freigegebene Gegenstand bzw. die freigegebene Forderung aus der Insolvenzmasse gelöst wird. Die sich auf die freigegebene Gegenstände beziehenden Vertragsverhältnisse wären insolvenzfrei. § 91 InsO wäre mithin nicht anwendbar. Die "echte" Freigabe muss einen endgültigen Verzicht des Insolvenzverwalters auf den betreffenden Gegenstand zum Inhalt haben und dies unmissverständlich ausdrücken (vgl. BGH, Urteil vom 29.05.1961 - VII ZR 46/60 -, OLG Nürnberg, Urteil vom 25.05.2000 - 13 U 3867/99 -). Hiernach wird der insolvenzbefangene Gegenstand wieder in vollem Umfang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners unterstellt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 07.12.2006 - IX ZR 161/04 -; MünchKomm-InsO/Lwowski, a.a.O., § 35 Rdn. 85 und 103). Eine Freigabe an den Insolvenzschuldner zu dessen freier Verfügung liegt hingegen nicht vor, wenn der Insolvenzmasse der wirtschaftliche Wert des Gegenstandes erhalten bleibt (BFH, Urteil vom 24.09.1987 - V R 196/83 - ; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.12.2006 - 1 K 1950/05 -). Hiervon ist regelmäßig auszugehen, wenn der Verwertungserlös der Insolvenzmasse zu Gute kommen soll. Die sog. "modifizierte" Freigabe führt dazu, dass der Gegenstand in der Insolvenzmasse verbleibt (vgl. BFH, Urteil vom 24.09.1987 - V R 196/83 - ; Urteil vom 12.05.1993 - XI R 49/90 -).
Die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters ist auszulegen (OLG Koblenz, Urteil vom 12.02.2010 - 2 U 998/09 -). Der Senat versteht die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters
... auf diesem Wege zeige ich Ihnen gegenüber (Anm. des Senats: der Antragsgegnerin gegenüber) an, dass ich nach Ablauf der 6-jährigen Laufzeit der Abtretungserklärung mit Wirkung vom 01.01.2011 durch entsprechende Erklärung gegenüber Herrn Dr. G dessen Vermögen aus seiner selbstständigen Tätigkeit als Hals-Nasen-Ohrenarzt gem. § 35 Abs. 2 InsO aus der Insolvenzmasse freigegeben habe. Hieraus folgt, dass sämtliche Ansprüche, die Herr G aus seiner Tätigkeit ab 01.01.2011 erwirbt, nicht mehr der Insolvenzmasse zustehen, sondern ausschließlich Herrn G ...
als "echte" Freigabe. Hiernach sollen ab dem 01.01.2011 aus selbstständiger Tätigkeit erworbene Ansprüche nicht mehr dem Insolvenzbeschlag unterliegen. Mithin würde insoweit der Insolvenzbeschlag erlöschen und das freigegebene Vermögen aus selbständiger Tätigkeit aus der Insolvenzmasse herausgelöst. Die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters ist daher so zu verstehen, dass das vom Antragsteller durch die Führung seines Gewerbebetriebs neu erworbene Vermögen dauerhaft aus der Insolvenzmasse gelöst ist (hierzu auch BGH, Beschluss vom 30.09.2010 - IX ZR 236/09 -).
Etwas Anderes ergibt sich im Ergebnis auch nicht aus dem Beschluss des BGH vom 18.02.2010 - IX ZR 61/09 -:
Die von der Nichtzulassungsbeschwerde für rechtsgrundsätzlich gehaltene Frage, ob die Unwirksamkeit von Verfügungen, durch die der Schuldner Forderungen auf Vergütung von ärztlichen Leistungen abgetreten oder verpfändet hat, die auf nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachten ärztlichen Leistungen beruhen (BGHZ 167, 363), auch nach Inkrafttreten des § 35 Abs. 2 und 3 InsO weiter gilt, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Zweck des § 35 Abs. 2 InsO ist es, dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit zu eröffnen, eine für die Masse verlustbringende Betriebsfortführung an den Schuldner freizugeben (BT-Drucks. 16/3227 S. 17). Ist die Tätigkeit ertragreich, soll er sie mit der Masse fortführen können. Den Schutz von Zessionaren, denen über eine Vorausabtretung Forderungen des Schuldners aus der Zeit nach Verfahrenseröffnung abgetreten sind, bezweckt die Regelung nicht. Den von der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung hergestellten Zusammenhang zwischen der Regelung des § 35 Abs. 2 InsO und der der §§ 91, 114 Abs. 1 InsO gibt es nicht. Die gegenteilige Sicht hätte zur Folge, dass sich der Verwalter ohne Rücksicht auf den wirtschaftlichen Erfolg der Tätigkeit des Schuldners für eine Freigabe entscheiden müsste, weil er anderenfalls die Fortführung finanzieren müsste, ohne - jedenfalls für die Dauer von zwei Jahren - die Gegenleistung zur Masse ziehen zu können.
Hieraus ist zwar herzuleiten, dass die Abtretung künftiger Forderungen eines Vertragsarztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung wegen § 91 Abs. 1 InsO letztlich nicht insolvenzfest ist, so dass der Zessionar während der Dauer des Insolvenzverfahrens keinerlei Rechte aus der Abtretung herleiten kann (vgl. auch BGH, Urteil vom 11.05.2006 - IX ZR 247/03 -). Soweit allerdings der BGH ausgeführt hat, § 35 Abs. 2 InsO bezwecke nicht den Schutz von Zessionaren, denen über eine Vorausabtretung Forderungen des Schuldners aus der Zeit nach der Verfahrenseröffnung abgetreten seien, bezieht sich dies ausweislich des Leitsatzes und der Entscheidungsgründe nur auf den Fall, dass der Insolvenzverwalter die Arztpraxis fortführt. Für jenen Fall ist es auch richtig, dass die Vorausabtretung für die Zeit nach Insolvenzeröffnung unwirksam ist. Das gilt jedoch nicht für den hier vorliegenden Fall einer Fortführung durch den Schuldner, die mit einer entsprechenden (echten) Freigabe durch den Insolvenzverwalter verbunden wird (vgl. LG Hamburg, Beschluss vom 29.06.2011 - 317 O 42/11 -).
Demzufolge fehlt es insoweit am Anordnungsanspruch. Ausgehend hiervon wäre die Antragsgegnerin berechtigt, die mittels Sicherungszession zugunsten der Deutschen Bank abgetretene Forderung zu bedienen. Dieses Ergebnis führt zwar zu einer Ungleichbehandlung von Sicherungszession einerseits und Forderungspfändung andererseits. Indessen sieht der Senat keinen rechtlichen Ansatz, um dem entgegenzutreten.
3. Zusammenfassend hat der Antragsteller solange keinen Anspruch auf Abschlagszahlungen für das Quartal I/2011, wie nicht die Forderung der Deutschen Bank befriedigt ist.
III.
Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 4, 52 Abs. 1 VwGO.
Hiernach ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers ist darauf gerichtet, zumindest bis zur Quartalsabrechnung das einbehaltene Honorar ausgekehrt zu wissen, um darüber verfügen zu können. Das wirtschaftliche Interesse wird mithin durch die Faktoren "Dauer des Verfahrens" und Zinsinteresse bestimmt. Die Verfahrensdauer bemisst sich danach, dass der Quartalsabrechnungsbescheid (Honorarbescheid) in der Regel bis zum Ende des auf das Abrechnungsquartal folgenden vierten Monats erlassen wird (§ 12 Abs. 3a) HVV vom 01.04.2011). Das Zinsinteresse ist darauf gerichtet, bereits ab einem früheren Zeitpunkt über die Geldforderung verfügen zu können und nicht auf eine etwaige Zwischenfinanzierung angewiesen zu sein. Die Abschlagsrate für Januar 2011 hat die Antragsgegnerin mit 4.700,00 EUR und jene für Februar 2011 mit 4.000,00 EUR beziffert. Ausgehend hiervon nimmt der Senat für das Quartal I/2011 ein Abschlagsvolumen von ca. 13.000,00 EUR an. Angesichts eines Zinssatzes von 10 % ergibt sich ein Zinsinteresse von
4.700,00 EUR / 10 % = 470,00 EUR: 12 (Monate) = 39,17 EUR (mtl.) x 6 (Monate) = 235,00 EUR
4.000,00 EUR / 10 % = 400,00 EUR: 12 (Monate) = 33,34 EUR (mtl.) x 5 (Monate) = 166,67 EUR
4.500,00 EUR (geschätzt) / 10 % = 450,00 EUR: 12 (Monate) = 37,50 EUR (mtl.) x 4 = 150,00 EUR
Mithin ist der Streitwert auf 551,67 EUR festzusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1, 162 Abs. 1 VwGO. Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig (§ 162 Abs. 3 VwGO), denn sie haben das Verfahren weder wesentlich gefördert noch Anträge gestellt (hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage, 2007, § 162 Rdn. 23).
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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