Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 48 (44) KR 98/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 KR 1/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen der Klägerin gegen die Urteile des Sozialgerichts Dortmund vom 23.11.2010 werden zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten für die Durchführung von ambulanten Vakuumversiegelungsbehandlungen.
Die am 00.00.1932 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert; das Kostenerstattungsverfahren hat sie nicht gewählt. Im Oktober 2005 erhielt sie eine Totalendoprothese des linken Kniegelenkes. Aufgrund von Komplikationen wurde die Prothese in der chirurgischen Abteilung des N-Krankenhauses X bei einem stationären Aufenthalt im August 2008 wieder entfernt und eine Arthrodese mit Metalleinbringung durchgeführt. Nach Entlassung der Klägerin aus der stationären Behandlung befand sich auf der Vorderseite des linken Kniegelenkes noch ein oberflächlicher Wunddefekt. In der anschließenden Reha-Maßnahme in der Klinik I, Bad T, entwickelte sich eine Wundheilungsstörung, so dass die Klägerin am 09.10.2008 erneut stationär im N-Krankenhaus aufgenommen wurde. Am 10.10.2008 erfolgte in Narkose eine ausgedehnte Wundbehandlung mit Einbringung einer VAC-Saugdrainage (Vakuumversiegelungstherapie, "vacuum assisted closure"). Die Klägerin wurde am 14.10.2008 aus der stationären Behandlung unter Betreuung des VAC-Systems durch einen ambulanten Dienst entlassen. Am 16.10.2008 bestätigte sie eine durch den Chefarzt der chirurgischen Abteilung des N-Krankenhauses, Prof. Dr. I, bestellte Lieferung eines VAC-Gerätes. Der Lieferung lag eine nicht datierte Verordnung von Prof. Dr. I über 30 Tage VAC-Therapie zugrunde.
Nachdem die Klägerin die Firma L Medizinprodukte GmbH, die das VAC-System vertreibt, ermächtigt hatte, bei der Beklagten die Erstattung der Kosten für die Behandlung zu beantragen, übersandte die Firma L einen Kostenvoranschlag über 2798,88 EUR für 30 Tage ambulante VAC-Therapie, eine Wunddokumentation sowie die ärztliche Verordnung. Die Unterlagen gingen am 20.10.2008 bei der Beklagten ein.
Nach Einholung eines Gutachtens des MDK lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme mit Bescheid vom 06.11.2008 ab. Bei der VAC-Therapie handele es sich um eine Behandlungsmethode, die im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nicht zugelassen sei. Eine "positive Einzelfallentscheidung" sei nicht möglich, da für die Behandlung der Wundheilungsstörung vertragsärztliche Maßnahmen zur Verfügung stünden.
Am 11.12.2008 brach die Klägerin die Therapie ab. Die Firma L stellte ihr für diesen (ersten) Behandlungszyklus 5.317,87 EUR in Rechnung.
Am 21.01.2009 erfolgte im Rahmen einer stationären Behandlung eine erneute operative Revision der Wunde mit Sanierung des Infektes sowie wiederum eine Anlage des VAC-Systems. Am 24.01.2009 wurde die Klägerin aus der stationären Versorgung entlassen. Am 25.01.2009 bestätigte sie erneut eine Lieferung des VAC-Systems. Der zweite Behandlungszyklus wurde bis zum 24. Februar 2009 durchgeführt, die Fa. L stellte der Klägerin hierfür einen Betrag in Höhe von 2.892,18 EUR in Rechnung. Nachdem die Klägerin die Firma L wieder ermächtigt hatte, die Erstattung der Kosten für die Behandlung zu beantragen, gingen am 02. Februar 2009 bei der Beklagten eine ärztliche Verordnung von Prof. Dr. I vom 24.01.2009 für 30 Tage VAC-Therapie sowie eine Kostenrechnung der Firma L und eine Dokumentation über den Wundheilungsverlauf ab 26.01.2009 ein.
Mit Bescheid vom 05.02.2009 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme auch für den zweiten Behandlungszyklus ab.
Mit Bescheiden vom 11.03.2009 und 30.04.2009 wies die Beklagte die von der Klägerin gegen die Bescheide vom 06.11.2008 und 05.02.2009 erhobenen Widersprüche zurück. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Kostenerstattung, weil die ambulante Versorgung mit dem VAC-Therapiesystem keinen Anspruch im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung begründe und sie die Behandlungen begonnen habe, ohne vorher einen Antrag auf Kostenübernahme gestellt zu haben. Die Klägerin könne sich nicht mit Erfolg auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98 - berufen, weil es sich bei ihrer Erkrankung nicht um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung, für die alternative Behandlungsmethoden nicht zur Verfügung stünden, gehandelt habe. Auch ein Systemmangel liege nicht vor und sei insbesondere nicht damit zu begründen, dass die VAC-Therapie im stationären Bereich zugelassen sei.
In den Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, dass die VAC - Therapie wirksam und zur Vermeidung eines sonst notwendigen stationären Aufenthaltes sinnvoll gewesen sei. Die Therapie werde schon seit 1995 angewendet, weshalb es sich nicht um eine neue Behandlungsmethode i.S.d. § 135 SGB V handele. Für eine Ungleichbehandlung im Rahmen der stationären Versorgung einerseits und der ambulanten Versorgung andererseits gebe es keinen sachlichen Grund. Die Nichteinhaltung des Beschaffungsweges könne ihr nicht entgegengehalten werden, weil sie sich in einer lebensgefährlichen Situation befunden und eine Sepsis gedroht habe.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
(1) unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 06.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2009 die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die Vakuumtherapie vom 16.10.2008 bis 11.12.2008 in Höhe von 5317,87 EUR zu erstatten und Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.04.2009 zu erstatten,
(2) unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 05.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.04.2009 die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die Vakuumtherapie vom 25.01.2009 bis 24.02.2009 in Höhe von 2892,18 EUR zu erstatten und Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.05.2009 zu zahlen.
Mit Urteilen vom 23.11.2010 hat das Sozialgericht Dortmund die Klagen abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob die VAC-Therapie zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehöre. Die Klägerin habe allein deshalb keinen Anspruch auf Kostenerstattung, weil die Leistungen - hinsichtlich beider Behandlungszyklen - weder unaufschiebbar gewesen noch vor ihrer Beschaffung von der Beklagten abgelehnt worden seien. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Erstattung ihrer Kosten für die jeweils nach Bekanntgabe der Ablehnungsbescheide durchgeführten Therapien, denn bei beiden Behandlungszyklen handele es sich jeweils um einen einheitlichen Vorgang, der sich hinsichtlich der Leistungsbewilligung nicht aufspalten lasse.
Hiergegen richten sich die vom Senat zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Berufungen. Die Klägerin trägt vor, der Nutzen der VAC-Therapie sei lange erwiesen. Sie meint, der GBA habe die Therapie längst zur ambulanten Versorgung zulassen müssen, eine Verschleppung könne nicht weiter hingenommen werden.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Dortmund vom 23.11.2010 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2009 sowie des Bescheides vom 05.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.04.2009 zu verurteilen, ihr die Kosten für die Vakuumversiegelungstherapie vom 16.10.2008 bis 11.12.2008 in Höhe von 5.317,87 EUR sowie vom 25.01.2009 bis 24.02.2009 in Höhe von 2.892,18 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidungen des Sozialgerichts für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrigen Gerichtsakten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen sind zulässig, nicht aber begründet. Das Sozialgericht hat die Klagen zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig i.S.d. § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Behandlung mit der ambulanten Vakuumversiegelungstherapie.
Bei der Durchführung der Wundheilungsbehandlung in ambulanter Form mittels Vakuumversiegelungstherapie handelt es sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung i.S.d. § 13 Abs. 3 S. 1 1. Alt., sodass die allein in Betracht kommende Anspruchsgrundlage für die Erstattung der Kosten § 13 Abs. 3 S. 1 2. Alt. SGB V ist. Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten für die Vakuumversiegelungstherapie besteht nicht, weil die Klägerin den für die Erlangung von Leistungen außerhalb des vertragsärztlichen Systems nach dieser Vorschrift gebotenen Beschaffungsweg nicht eingehalten hat (hierzu unten I) und die Beklagte die Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt hat (hierzu unten II).
I.
Der Anspruch auf Kostenerstattung setzt einen Kausalzusammenhang zwischen einer rechtswidrigen Leistungsablehnung und der Kostenlast des Versicherten voraus. Ohne diesen Zusammenhang ist die in § 13 Abs. 3 S. 1 2. Alt. SGB V ("dadurch entstanden") geregelte Ausnahme vom Sachleistungsgrundsatz nicht erfüllt ("Beschaffungsweg"; BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 KR 3/04 R; Urteil vom 14.12.2006 - B 1 KR 86/06 R, SozR 4-2500 § 13 Nr. 12 = BSGE 98, 26). Der Kausalzusammenhang fehlt, wenn der Versicherte die Leistung bereits in Anspruch genommen hat, bevor die Krankenkasse über ihre Erbringung entschieden hat. So ist es im vorliegenden Fall: Die Klägerin hat beide Therapiezyklen begonnen, ohne die jeweilige Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten.
Das Sozialgericht hat zu Recht ausgeführt, dass die Klägerin auch keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten des Teils der Therapie hat, der nach Bekanntgabe der jeweiligen Ablehnungsbescheide erbracht worden ist. Wird die Kostenübernahme während einer laufenden, noch nicht abgeschlossenen Behandlung beantragt, kommt eine Erstattung von Kosten für Leistungen, die nach der Ablehnung auf eigene Rechnung beschafft wurden, nur in Betracht, wenn die Ablehnung geeignet war, das weitere Geschehen noch zu beeinflussen. Dies ist nur der Fall, wenn es sich bei den späteren Behandlungsschritten um selbständige, von der bisherigen Behandlung abtrennbare Leistungen handelt (BSG, Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 18/01 R, SozR 4-2500 § 135 Nr. 1). Waren mit dem Beginn der Behandlung die weiteren Schritte hingegen bereits endgültig vorgezeichnet, fehlt der Kausalzusammenhang zwischen der Ablehnung und der Kostenbelastung des Versicherten auch für den Teil der Behandlung, der zeitlich nach dem ablehnenden Bescheid liegt. Stellt sich die Behandlung als ein einheitlicher Vorgang dar, der sich hinsichtlich der Leistungsbewilligung nicht aufspalten lässt, ist der Versicherte mit einem Kostenerstattungsanspruch für den gesamten Behandlungszeitraum ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 KR 3/04 R). Die hier streitigen beiden Behandlungszyklen stellen jeweils ein einheitliches, auf ein feststehendes Ziel (Abheilung der Wunde) gerichtetes kontinuierliches Geschehen dar. Mit Beginn der Behandlungen hatte die Klägerin sich auf die Durchführung bis zum Erfolg bzw. endgültigen Misserfolg festgelegt, so dass die Ablehnungsentscheidung das weitere Geschehen nicht mehr beeinflussen konnte.
II.
Der Anspruch auf Kostenerstattung setzt voraus, dass der Versicherte einen Primäranspruch auf die entsprechende Dienst- oder Sachleistung gehabt hat. Denn durch die Zubilligung einer Kostenerstattung bei Leistungsablehnung werden die Grenzen des Leistungssystems nicht erweitert (ständige Rechtsprechung, vergl. nur BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KR 2/08 R; Urteil des Senats vom 06.10.2011 - L 1 (16) KR 207/09 - ambulante hyperbare Sauerstofftherapie). Die Beklagte hat die Versorgung mit der ambulanten Vakuumversiegelungstherapie nicht zu Unrecht abgelehnt, weil diese Therapie nicht zu den Leistungen gehört, die die Krankenkasse als Dienst- oder Sachleistung zu erbringen hat.
Gemäß § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch unterliegt den sich aus §§ 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Die Leistungen müssen hiernach ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein, sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Qualität und Wirksamkeit haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Die Krankenkassen sind hingegen nicht bereits dann zur Leistung verpflichtet, wenn die streitige Therapie - wie hier - nach eigener Einschätzung des Versicherten oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Vielmehr muss die Therapie rechtlich von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sein. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 S. 1 SGB V nur der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Denn durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V wird geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen und damit der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (ständige Rechtsprechung seit BSG, Urteil vom 16.09.1997 - 1 RK 28/95, SozR 3-2500 § 135 Nr. 2 = BSGE 81, 54; Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 12/05 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 8).
Bei der ambulanten Vakuumversiegelungstherapie handelt es um eine neue Behandlungsmethode, die noch nicht Bestandteil des vertragsärztlichen Leistungssystems geworden ist. Neu ist eine Behandlungsmethode, wenn sie - wie hier - nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM-Ä) enthalten ist (BSG, Urteil vom 16.09.1997 - 1 RK 28/95, SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 = BSGE 81, 54; Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 12/05 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 8).
Als neue Behandlungsmethode darf die ambulante Vakuumversiegelungstherapie damit nur dann zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, wenn bereits zum Zeitpunkt der Behandlung eine positive Empfehlung des GBA vorgelegen hat. Hieran fehlt es.
Mit Beschluss vom 15.11.2007 über eine Änderung der Anlage III der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung ("Vakuumversiegelungstherapie") hatte der GBA die Bewertung der Vakuumversiegelungstherapie zunächst für drei Jahre - also auch während der streitigen Behandlungszeiträume - ausgesetzt. Die Aussetzung war mit der Maßgabe erfolgt, dass insbesondere durch Modellvorhaben gem. §§ 63 bis 65 SGB V aussagekräftige wissenschaftliche Unterlagen beschafft werden. Mit Beschluss vom 19.08.2010 über eine Änderung der Richtlinien Methoden vertragsärztliche Versorgung ("Aussetzung der Beratungen zur Vakuumversiegelungstherapie von Wunden") hat der GBA die Beschlussfassung über die Zulassung nunmehr bis zum 31.12.2014 ausgesetzt.
Ein Kostenerstattungsanspruch ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus den Grundsätzen des Systemversagens. Ungeachtet des in § 135 Abs. 1 SGB V aufgestellten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt kann eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode auf einem Mangel des gesetzlichen Leistungssystems beruht. Ein solcher Systemmangel kann (auch) vorliegen, wenn ein Anerkennungsverfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde. Denn die Ermächtigung in § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V besagt nicht, dass es dem GBA freigestellt ist, ob und wann er sich mit einem Antrag auf Anerkennung einer neuen Methode befassen und hierzu eine Erklärung abgeben will. Das präventive Verbot in § 135 SGB V dient allein dem Zwecke der Qualitätssicherung; nur soweit es dieser Zeck erfordert, ist der Ausschluss ungeprüfter und nicht anerkannter Behandlungsmethoden aus der vertragsärztlichen Versorgung gerechtfertigt. Grundsätzlich zählen auch neue medizinische Verfahren zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung. Soweit sie sich als zweckmäßig und wirtschaftlich erweisen, dürfen sie dem Versicherten nicht vorenthalten werden. Dem muss das Verfahren vor dem GBA gerecht werden. Es muss gewährleistet sein, dass bei Vorlage der für die Beurteilung der Wirksamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit benötigten Unterlagen in vertretbarer Zeit eine Entscheidung über die Anerkennung der neuen Methode erreicht werden kann. Wird die Einleitung oder die Durchführung des Verfahrens willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen blockiert oder verzögert und kann deshalb eine für die Behandlung benötigte neue Therapie nicht eingesetzt werden, widerspricht das dem Auftrag des Gesetzes (BSG, Urteil vom 16.09.1997 - 1 RK 28/95, SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 = BSGE 81, 54).
Der zum Zeitpunkt beider Behandlungszyklen bereits aufgrund des Beschlusses des GBA vom 15.11.2007 und nach wie vor aufgrund des Beschlusses des GBA vom 19.08.2010 geltende Ausschluss der ambulanten Vakuumversiegelungstherapie beruht nicht auf einem Systemversagen im vorbezeichneten Sinne. Im Gegensatz zur Meinung der Klägerin kann insbesondere nicht angenommen werden, dass der GBA die positive Entscheidung über die Zulassung dieser Therapie aus sachfremden Gesichtspunkten verzögert habe. Aus den tragenden Gründen zum Beschluss vom 19.08.2010 wird vielmehr deutlich, dass der GBA auf der Grundlage des Beschlusses vom 15.11.2007 festgestellt hat, dass und aus welchen Gründen aussagekräftige wissenschaftliche Unterlagen über die medizinische Notwendigkeit und die Wirtschaftlichkeit der ambulanten Vakuumversiegelungstherapie (noch) nicht vorliegen.
Dass die Vakuumversiegelungstherapie ggfs. in der stationären Versorgung zu den von einer Krankenkasse geschuldeten Leistungen gehören kann, führt allein nicht schon zur Leistungspflicht für eine entsprechende ambulante Therapie. Das hierauf abzielende Vorbringen der Klägerin ("ambulant vor stationär") verkennt die grundsätzlichen rechtlichen Unterschiede einer Leistungserbringung im ambulanten und im stationären Bereich: Während für die ambulante Versorgung bezüglich neuer Behandlungsmethoden gemäß § 135 SGB V ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gilt, ist die rechtliche Konstruktion für den stationären Bereich durch § 137 c SGB V so ausgestaltet, dass neuartige Behandlungsverfahren im Rahmen einer Krankenhausbehandlung umgekehrt keiner besonderen Zulassung bedürfen. Der sachliche Grund für diese unterschiedliche rechtliche Behandlung liegt darin, dass der Gesetzgeber die Gefahr des Einsatzes zweifelhafter oder unwirksamer Maßnahmen wegen der internen Kontrollmechanismen und der anderen Vergütungsstrukturen im Krankenhausbereich geringer eingestuft hat, als bei der Behandlung durch einzelne niedergelassene Ärzte (BSG, Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 12/05 R, SozR 4-2500 § 135 Nr. 8).
Die Klägerin kann sich schließlich nicht mit Erfolg auf eine notstandsähnliche Krankheitssituation unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 06.12.1995 - 1 BvR 347/98, SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 = BVerfGE 115,25) berufen, die mit Wirkung vom 01.01.2012 in § 2 Abs. 1 a SGB V durch das GKV-VersorgungsstrukturG (BGBl 2011 I. 2983) ausdrücklich in eine gesetzliche Regelung aufgenommen worden ist. Hiernach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine vom Qualitätsstandard des § 2 Abs. 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht (vgl. auch BSG, Urteil vom 20.04.2010 - B 1/3 KR 22/08 R - drohende Erblindung, BSG, Urteil vom 05.05.2009 - B 1 KR 15/08 R mit einer Aufzählung der Erkrankungen, bei denen eine Vergleichbarkeit mit einer lebensbedrohlichen, regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung nicht geboten ist).
Die bei der Klägerin vorliegende Wundheilungsstörung stellte keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung oder eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung dar. Dem steht bereits entgegen, dass die Klägerin trotz dieser Erkrankung zweimal aus der stationären in die ambulante Behandlung entlassen worden ist. Hätte tatsächlich etwa eine akute Sepsis mit Todesgefahr gedroht, wäre ein derartiges ärztliches Vorgehen unvertretbar gewesen, was von der Klägerin selbst nicht behauptet wird. Abgesehen davon ist in keiner Weise belegt, dass für die Behandlung der Wundheilungsstörung eine anderweitige, dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung stand. Vor dem stationären Aufenthalt ab 09.10.2008 war die Klägerin nicht in einem Akutkrankenhaus, sondern in einer stationären Reha-Maßnahme, die nicht primär der Behandlung der Wundheilungsstörung diente. Bereits am 10.10.2008 - einen Tag nach der Aufnahme in dem Akutkrankenhaus - ist das VAC-System angelegt worden. Eine konsequente stationäre Wundheilung ohne das VAC-System ist bei der Klägerin damit nicht einmal versucht worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten für die Durchführung von ambulanten Vakuumversiegelungsbehandlungen.
Die am 00.00.1932 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert; das Kostenerstattungsverfahren hat sie nicht gewählt. Im Oktober 2005 erhielt sie eine Totalendoprothese des linken Kniegelenkes. Aufgrund von Komplikationen wurde die Prothese in der chirurgischen Abteilung des N-Krankenhauses X bei einem stationären Aufenthalt im August 2008 wieder entfernt und eine Arthrodese mit Metalleinbringung durchgeführt. Nach Entlassung der Klägerin aus der stationären Behandlung befand sich auf der Vorderseite des linken Kniegelenkes noch ein oberflächlicher Wunddefekt. In der anschließenden Reha-Maßnahme in der Klinik I, Bad T, entwickelte sich eine Wundheilungsstörung, so dass die Klägerin am 09.10.2008 erneut stationär im N-Krankenhaus aufgenommen wurde. Am 10.10.2008 erfolgte in Narkose eine ausgedehnte Wundbehandlung mit Einbringung einer VAC-Saugdrainage (Vakuumversiegelungstherapie, "vacuum assisted closure"). Die Klägerin wurde am 14.10.2008 aus der stationären Behandlung unter Betreuung des VAC-Systems durch einen ambulanten Dienst entlassen. Am 16.10.2008 bestätigte sie eine durch den Chefarzt der chirurgischen Abteilung des N-Krankenhauses, Prof. Dr. I, bestellte Lieferung eines VAC-Gerätes. Der Lieferung lag eine nicht datierte Verordnung von Prof. Dr. I über 30 Tage VAC-Therapie zugrunde.
Nachdem die Klägerin die Firma L Medizinprodukte GmbH, die das VAC-System vertreibt, ermächtigt hatte, bei der Beklagten die Erstattung der Kosten für die Behandlung zu beantragen, übersandte die Firma L einen Kostenvoranschlag über 2798,88 EUR für 30 Tage ambulante VAC-Therapie, eine Wunddokumentation sowie die ärztliche Verordnung. Die Unterlagen gingen am 20.10.2008 bei der Beklagten ein.
Nach Einholung eines Gutachtens des MDK lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme mit Bescheid vom 06.11.2008 ab. Bei der VAC-Therapie handele es sich um eine Behandlungsmethode, die im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nicht zugelassen sei. Eine "positive Einzelfallentscheidung" sei nicht möglich, da für die Behandlung der Wundheilungsstörung vertragsärztliche Maßnahmen zur Verfügung stünden.
Am 11.12.2008 brach die Klägerin die Therapie ab. Die Firma L stellte ihr für diesen (ersten) Behandlungszyklus 5.317,87 EUR in Rechnung.
Am 21.01.2009 erfolgte im Rahmen einer stationären Behandlung eine erneute operative Revision der Wunde mit Sanierung des Infektes sowie wiederum eine Anlage des VAC-Systems. Am 24.01.2009 wurde die Klägerin aus der stationären Versorgung entlassen. Am 25.01.2009 bestätigte sie erneut eine Lieferung des VAC-Systems. Der zweite Behandlungszyklus wurde bis zum 24. Februar 2009 durchgeführt, die Fa. L stellte der Klägerin hierfür einen Betrag in Höhe von 2.892,18 EUR in Rechnung. Nachdem die Klägerin die Firma L wieder ermächtigt hatte, die Erstattung der Kosten für die Behandlung zu beantragen, gingen am 02. Februar 2009 bei der Beklagten eine ärztliche Verordnung von Prof. Dr. I vom 24.01.2009 für 30 Tage VAC-Therapie sowie eine Kostenrechnung der Firma L und eine Dokumentation über den Wundheilungsverlauf ab 26.01.2009 ein.
Mit Bescheid vom 05.02.2009 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme auch für den zweiten Behandlungszyklus ab.
Mit Bescheiden vom 11.03.2009 und 30.04.2009 wies die Beklagte die von der Klägerin gegen die Bescheide vom 06.11.2008 und 05.02.2009 erhobenen Widersprüche zurück. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Kostenerstattung, weil die ambulante Versorgung mit dem VAC-Therapiesystem keinen Anspruch im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung begründe und sie die Behandlungen begonnen habe, ohne vorher einen Antrag auf Kostenübernahme gestellt zu haben. Die Klägerin könne sich nicht mit Erfolg auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98 - berufen, weil es sich bei ihrer Erkrankung nicht um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung, für die alternative Behandlungsmethoden nicht zur Verfügung stünden, gehandelt habe. Auch ein Systemmangel liege nicht vor und sei insbesondere nicht damit zu begründen, dass die VAC-Therapie im stationären Bereich zugelassen sei.
In den Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, dass die VAC - Therapie wirksam und zur Vermeidung eines sonst notwendigen stationären Aufenthaltes sinnvoll gewesen sei. Die Therapie werde schon seit 1995 angewendet, weshalb es sich nicht um eine neue Behandlungsmethode i.S.d. § 135 SGB V handele. Für eine Ungleichbehandlung im Rahmen der stationären Versorgung einerseits und der ambulanten Versorgung andererseits gebe es keinen sachlichen Grund. Die Nichteinhaltung des Beschaffungsweges könne ihr nicht entgegengehalten werden, weil sie sich in einer lebensgefährlichen Situation befunden und eine Sepsis gedroht habe.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
(1) unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 06.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2009 die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die Vakuumtherapie vom 16.10.2008 bis 11.12.2008 in Höhe von 5317,87 EUR zu erstatten und Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.04.2009 zu erstatten,
(2) unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 05.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.04.2009 die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die Vakuumtherapie vom 25.01.2009 bis 24.02.2009 in Höhe von 2892,18 EUR zu erstatten und Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.05.2009 zu zahlen.
Mit Urteilen vom 23.11.2010 hat das Sozialgericht Dortmund die Klagen abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob die VAC-Therapie zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehöre. Die Klägerin habe allein deshalb keinen Anspruch auf Kostenerstattung, weil die Leistungen - hinsichtlich beider Behandlungszyklen - weder unaufschiebbar gewesen noch vor ihrer Beschaffung von der Beklagten abgelehnt worden seien. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Erstattung ihrer Kosten für die jeweils nach Bekanntgabe der Ablehnungsbescheide durchgeführten Therapien, denn bei beiden Behandlungszyklen handele es sich jeweils um einen einheitlichen Vorgang, der sich hinsichtlich der Leistungsbewilligung nicht aufspalten lasse.
Hiergegen richten sich die vom Senat zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Berufungen. Die Klägerin trägt vor, der Nutzen der VAC-Therapie sei lange erwiesen. Sie meint, der GBA habe die Therapie längst zur ambulanten Versorgung zulassen müssen, eine Verschleppung könne nicht weiter hingenommen werden.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Dortmund vom 23.11.2010 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2009 sowie des Bescheides vom 05.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.04.2009 zu verurteilen, ihr die Kosten für die Vakuumversiegelungstherapie vom 16.10.2008 bis 11.12.2008 in Höhe von 5.317,87 EUR sowie vom 25.01.2009 bis 24.02.2009 in Höhe von 2.892,18 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidungen des Sozialgerichts für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrigen Gerichtsakten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen sind zulässig, nicht aber begründet. Das Sozialgericht hat die Klagen zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig i.S.d. § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Behandlung mit der ambulanten Vakuumversiegelungstherapie.
Bei der Durchführung der Wundheilungsbehandlung in ambulanter Form mittels Vakuumversiegelungstherapie handelt es sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung i.S.d. § 13 Abs. 3 S. 1 1. Alt., sodass die allein in Betracht kommende Anspruchsgrundlage für die Erstattung der Kosten § 13 Abs. 3 S. 1 2. Alt. SGB V ist. Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten für die Vakuumversiegelungstherapie besteht nicht, weil die Klägerin den für die Erlangung von Leistungen außerhalb des vertragsärztlichen Systems nach dieser Vorschrift gebotenen Beschaffungsweg nicht eingehalten hat (hierzu unten I) und die Beklagte die Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt hat (hierzu unten II).
I.
Der Anspruch auf Kostenerstattung setzt einen Kausalzusammenhang zwischen einer rechtswidrigen Leistungsablehnung und der Kostenlast des Versicherten voraus. Ohne diesen Zusammenhang ist die in § 13 Abs. 3 S. 1 2. Alt. SGB V ("dadurch entstanden") geregelte Ausnahme vom Sachleistungsgrundsatz nicht erfüllt ("Beschaffungsweg"; BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 KR 3/04 R; Urteil vom 14.12.2006 - B 1 KR 86/06 R, SozR 4-2500 § 13 Nr. 12 = BSGE 98, 26). Der Kausalzusammenhang fehlt, wenn der Versicherte die Leistung bereits in Anspruch genommen hat, bevor die Krankenkasse über ihre Erbringung entschieden hat. So ist es im vorliegenden Fall: Die Klägerin hat beide Therapiezyklen begonnen, ohne die jeweilige Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten.
Das Sozialgericht hat zu Recht ausgeführt, dass die Klägerin auch keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten des Teils der Therapie hat, der nach Bekanntgabe der jeweiligen Ablehnungsbescheide erbracht worden ist. Wird die Kostenübernahme während einer laufenden, noch nicht abgeschlossenen Behandlung beantragt, kommt eine Erstattung von Kosten für Leistungen, die nach der Ablehnung auf eigene Rechnung beschafft wurden, nur in Betracht, wenn die Ablehnung geeignet war, das weitere Geschehen noch zu beeinflussen. Dies ist nur der Fall, wenn es sich bei den späteren Behandlungsschritten um selbständige, von der bisherigen Behandlung abtrennbare Leistungen handelt (BSG, Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 18/01 R, SozR 4-2500 § 135 Nr. 1). Waren mit dem Beginn der Behandlung die weiteren Schritte hingegen bereits endgültig vorgezeichnet, fehlt der Kausalzusammenhang zwischen der Ablehnung und der Kostenbelastung des Versicherten auch für den Teil der Behandlung, der zeitlich nach dem ablehnenden Bescheid liegt. Stellt sich die Behandlung als ein einheitlicher Vorgang dar, der sich hinsichtlich der Leistungsbewilligung nicht aufspalten lässt, ist der Versicherte mit einem Kostenerstattungsanspruch für den gesamten Behandlungszeitraum ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 22.03.2005 - B 1 KR 3/04 R). Die hier streitigen beiden Behandlungszyklen stellen jeweils ein einheitliches, auf ein feststehendes Ziel (Abheilung der Wunde) gerichtetes kontinuierliches Geschehen dar. Mit Beginn der Behandlungen hatte die Klägerin sich auf die Durchführung bis zum Erfolg bzw. endgültigen Misserfolg festgelegt, so dass die Ablehnungsentscheidung das weitere Geschehen nicht mehr beeinflussen konnte.
II.
Der Anspruch auf Kostenerstattung setzt voraus, dass der Versicherte einen Primäranspruch auf die entsprechende Dienst- oder Sachleistung gehabt hat. Denn durch die Zubilligung einer Kostenerstattung bei Leistungsablehnung werden die Grenzen des Leistungssystems nicht erweitert (ständige Rechtsprechung, vergl. nur BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KR 2/08 R; Urteil des Senats vom 06.10.2011 - L 1 (16) KR 207/09 - ambulante hyperbare Sauerstofftherapie). Die Beklagte hat die Versorgung mit der ambulanten Vakuumversiegelungstherapie nicht zu Unrecht abgelehnt, weil diese Therapie nicht zu den Leistungen gehört, die die Krankenkasse als Dienst- oder Sachleistung zu erbringen hat.
Gemäß § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch unterliegt den sich aus §§ 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Die Leistungen müssen hiernach ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein, sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Qualität und Wirksamkeit haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Die Krankenkassen sind hingegen nicht bereits dann zur Leistung verpflichtet, wenn die streitige Therapie - wie hier - nach eigener Einschätzung des Versicherten oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Vielmehr muss die Therapie rechtlich von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sein. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 S. 1 SGB V nur der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Denn durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V wird geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen und damit der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (ständige Rechtsprechung seit BSG, Urteil vom 16.09.1997 - 1 RK 28/95, SozR 3-2500 § 135 Nr. 2 = BSGE 81, 54; Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 12/05 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 8).
Bei der ambulanten Vakuumversiegelungstherapie handelt es um eine neue Behandlungsmethode, die noch nicht Bestandteil des vertragsärztlichen Leistungssystems geworden ist. Neu ist eine Behandlungsmethode, wenn sie - wie hier - nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM-Ä) enthalten ist (BSG, Urteil vom 16.09.1997 - 1 RK 28/95, SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 = BSGE 81, 54; Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 12/05 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 8).
Als neue Behandlungsmethode darf die ambulante Vakuumversiegelungstherapie damit nur dann zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, wenn bereits zum Zeitpunkt der Behandlung eine positive Empfehlung des GBA vorgelegen hat. Hieran fehlt es.
Mit Beschluss vom 15.11.2007 über eine Änderung der Anlage III der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung ("Vakuumversiegelungstherapie") hatte der GBA die Bewertung der Vakuumversiegelungstherapie zunächst für drei Jahre - also auch während der streitigen Behandlungszeiträume - ausgesetzt. Die Aussetzung war mit der Maßgabe erfolgt, dass insbesondere durch Modellvorhaben gem. §§ 63 bis 65 SGB V aussagekräftige wissenschaftliche Unterlagen beschafft werden. Mit Beschluss vom 19.08.2010 über eine Änderung der Richtlinien Methoden vertragsärztliche Versorgung ("Aussetzung der Beratungen zur Vakuumversiegelungstherapie von Wunden") hat der GBA die Beschlussfassung über die Zulassung nunmehr bis zum 31.12.2014 ausgesetzt.
Ein Kostenerstattungsanspruch ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus den Grundsätzen des Systemversagens. Ungeachtet des in § 135 Abs. 1 SGB V aufgestellten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt kann eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode auf einem Mangel des gesetzlichen Leistungssystems beruht. Ein solcher Systemmangel kann (auch) vorliegen, wenn ein Anerkennungsverfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde. Denn die Ermächtigung in § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V besagt nicht, dass es dem GBA freigestellt ist, ob und wann er sich mit einem Antrag auf Anerkennung einer neuen Methode befassen und hierzu eine Erklärung abgeben will. Das präventive Verbot in § 135 SGB V dient allein dem Zwecke der Qualitätssicherung; nur soweit es dieser Zeck erfordert, ist der Ausschluss ungeprüfter und nicht anerkannter Behandlungsmethoden aus der vertragsärztlichen Versorgung gerechtfertigt. Grundsätzlich zählen auch neue medizinische Verfahren zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung. Soweit sie sich als zweckmäßig und wirtschaftlich erweisen, dürfen sie dem Versicherten nicht vorenthalten werden. Dem muss das Verfahren vor dem GBA gerecht werden. Es muss gewährleistet sein, dass bei Vorlage der für die Beurteilung der Wirksamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit benötigten Unterlagen in vertretbarer Zeit eine Entscheidung über die Anerkennung der neuen Methode erreicht werden kann. Wird die Einleitung oder die Durchführung des Verfahrens willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen blockiert oder verzögert und kann deshalb eine für die Behandlung benötigte neue Therapie nicht eingesetzt werden, widerspricht das dem Auftrag des Gesetzes (BSG, Urteil vom 16.09.1997 - 1 RK 28/95, SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 = BSGE 81, 54).
Der zum Zeitpunkt beider Behandlungszyklen bereits aufgrund des Beschlusses des GBA vom 15.11.2007 und nach wie vor aufgrund des Beschlusses des GBA vom 19.08.2010 geltende Ausschluss der ambulanten Vakuumversiegelungstherapie beruht nicht auf einem Systemversagen im vorbezeichneten Sinne. Im Gegensatz zur Meinung der Klägerin kann insbesondere nicht angenommen werden, dass der GBA die positive Entscheidung über die Zulassung dieser Therapie aus sachfremden Gesichtspunkten verzögert habe. Aus den tragenden Gründen zum Beschluss vom 19.08.2010 wird vielmehr deutlich, dass der GBA auf der Grundlage des Beschlusses vom 15.11.2007 festgestellt hat, dass und aus welchen Gründen aussagekräftige wissenschaftliche Unterlagen über die medizinische Notwendigkeit und die Wirtschaftlichkeit der ambulanten Vakuumversiegelungstherapie (noch) nicht vorliegen.
Dass die Vakuumversiegelungstherapie ggfs. in der stationären Versorgung zu den von einer Krankenkasse geschuldeten Leistungen gehören kann, führt allein nicht schon zur Leistungspflicht für eine entsprechende ambulante Therapie. Das hierauf abzielende Vorbringen der Klägerin ("ambulant vor stationär") verkennt die grundsätzlichen rechtlichen Unterschiede einer Leistungserbringung im ambulanten und im stationären Bereich: Während für die ambulante Versorgung bezüglich neuer Behandlungsmethoden gemäß § 135 SGB V ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gilt, ist die rechtliche Konstruktion für den stationären Bereich durch § 137 c SGB V so ausgestaltet, dass neuartige Behandlungsverfahren im Rahmen einer Krankenhausbehandlung umgekehrt keiner besonderen Zulassung bedürfen. Der sachliche Grund für diese unterschiedliche rechtliche Behandlung liegt darin, dass der Gesetzgeber die Gefahr des Einsatzes zweifelhafter oder unwirksamer Maßnahmen wegen der internen Kontrollmechanismen und der anderen Vergütungsstrukturen im Krankenhausbereich geringer eingestuft hat, als bei der Behandlung durch einzelne niedergelassene Ärzte (BSG, Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 12/05 R, SozR 4-2500 § 135 Nr. 8).
Die Klägerin kann sich schließlich nicht mit Erfolg auf eine notstandsähnliche Krankheitssituation unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 06.12.1995 - 1 BvR 347/98, SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 = BVerfGE 115,25) berufen, die mit Wirkung vom 01.01.2012 in § 2 Abs. 1 a SGB V durch das GKV-VersorgungsstrukturG (BGBl 2011 I. 2983) ausdrücklich in eine gesetzliche Regelung aufgenommen worden ist. Hiernach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine vom Qualitätsstandard des § 2 Abs. 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht (vgl. auch BSG, Urteil vom 20.04.2010 - B 1/3 KR 22/08 R - drohende Erblindung, BSG, Urteil vom 05.05.2009 - B 1 KR 15/08 R mit einer Aufzählung der Erkrankungen, bei denen eine Vergleichbarkeit mit einer lebensbedrohlichen, regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung nicht geboten ist).
Die bei der Klägerin vorliegende Wundheilungsstörung stellte keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung oder eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung dar. Dem steht bereits entgegen, dass die Klägerin trotz dieser Erkrankung zweimal aus der stationären in die ambulante Behandlung entlassen worden ist. Hätte tatsächlich etwa eine akute Sepsis mit Todesgefahr gedroht, wäre ein derartiges ärztliches Vorgehen unvertretbar gewesen, was von der Klägerin selbst nicht behauptet wird. Abgesehen davon ist in keiner Weise belegt, dass für die Behandlung der Wundheilungsstörung eine anderweitige, dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung stand. Vor dem stationären Aufenthalt ab 09.10.2008 war die Klägerin nicht in einem Akutkrankenhaus, sondern in einer stationären Reha-Maßnahme, die nicht primär der Behandlung der Wundheilungsstörung diente. Bereits am 10.10.2008 - einen Tag nach der Aufnahme in dem Akutkrankenhaus - ist das VAC-System angelegt worden. Eine konsequente stationäre Wundheilung ohne das VAC-System ist bei der Klägerin damit nicht einmal versucht worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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Aus
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