Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 SO 20/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 SO 302/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 27/12 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das Nachlassvermögen des Verstorbenen kann im Rahmen der Einsatzpflicht des Erben bei § 74 SGB XII nicht mit vorhandenen Nachlassschulden verrechnet werden.
Bemerkung
Rücknahme der Revision
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 24.03.2011 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Übernahme von Bestattungskosten nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII).
Die 1954 geborene Klägerin war verheiratet mit dem 1949 geborenen und am 00.00.2007 verstorbenen S (im Folgenden: Der Verstorbene). Aus der Ehe ging eine im Jahr 1977 geborene Tochter hervor. Die Klägerin und ihre Tochter beerbten den Verstorbenen gemeinschaftlich mit je hälftigen Erbteilen.
Für die Bestattung stellte das Beerdigungsinstitut einen Betrag i.H.v. 1.985,60 EUR in Rechnung (Abrechnung vom 12.06.2007). Für die Grabstelle und die Bestattung fielen Gebühren i.H.v. 2.466,00 EUR an (Gebührenbescheid der Beklagten vom 14.06.2007).
Der Verstorbene stand im Zeitpunkt seines Todes in einem Arbeitsverhältnis bei der Fa. U GmbH. Das monatliche Bruttoeinkommen hieraus belief sich auf etwa 2.500,00 EUR. Die Klägerin hatte keine eigenen Einkünfte.
Nach dem Tod des Verstorbenen gingen u.a. folgende Gutschriften auf dessen Girokonto bei der Volksbank N eG (Nr. 000) ein:
1.998,06 EUR (17.07.2007) "Sterbegeld" U GmbH
125,00 EUR (17.07.2007) Zahlung der gemeinnützigen Unterstützungskasse der U GmbH
920,35 EUR (14.08.2007) Zahlung der "SOKA-Bau" (Hinterbliebenengeld)
4.050,54 EUR (06.09.2007) Ausgleichszahlung der U GmbH (Abgeltung von Urlaubs- und Lohnansprüchen des Verstorbenen)
3.629,81 EUR (14.09.2007) Rentennachzahlung
Zum Zeitpunkt des Todes des Verstorbenen belief sich der Dispositionssaldo des Girokontos auf 6.375,63 EUR (Stand 01.06.2007) bei einem Kreditlimit von 6.000,00 EUR. Die Rechnung des Beerdigungsinstitutes wurde in voller Höhe unmittelbar nach Eingang der Ausgleichszahlung der Fa. U GmbH über das Girokonto beglichen (Buchungstag 07.09.2007).
Am 13.09.2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten mündlich die Übernahme der Beerdigungskosten. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 02.10.2007 ab. Die Klägerin und ihre Tochter gehörten zwar zu den Bestattungspflichtigen im Sinne von § 74 SGB XII. Die "notwendigen" Beerdigungskosten einschließlich der Gebühren seien jedoch aus dem Sterbegeld und insbesondere der Zahlung der Unterstützungskasse der Fa. U GmbH zu finanzieren.
Den dagegen am 29.12.2008 - verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - eingelegten Widerspruch wies die Widerspruchsbehörde (der Kreis S) wegen Verfristung zurück (Widerspruchsbescheid vom 13.03.2009). In dem dagegen angestrengten Klageverfahren vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen (S 8 SO 20/09) hob die Widerspruchsbehörde den Widerspruchsbescheid auf, und die Beteiligten einigten sich außergerichtlich auf eine Neubescheidung des Widerspruches.
Die Widerspruchsbehörde wies den Widerspruch vom 29.12.2008 sodann mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2010 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Klägerin sei grundsätzlich als Erbin des Verstorbenen zur Tragung der Bestattungskosten verpflichtet. Angemessen seien die Kosten für die Beerdigung ohnehin nur i.H.v. 1.360,76 EUR. Es sei der Klägerin zumutbar, diese Kosten aus dem Nachlass des Verstorbenen zu tragen. Den Akten lasse sich entnehmen, dass sich der Nachlass des Verstorbenen auf einen Betrag i.H.v. insgesamt 4.050,54 EUR belaufen habe. Nach § 1968 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sei der Erbe verpflichtet, die Kosten der Bestattung zu tragen. Er hafte dabei mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Nachlasses. Zur Deckung der Bestattungskosten sei der Nachlass mit seinem vollen, nicht durch Schonbeträge geminderten Wert einzusetzen. Der der Klägerin angefallene Anteil aus dem Erbe belaufe sich auf 2.025,27 EUR. Dieser Betrag sei in voller Höhe vorrangig zur Deckung der Bestattungskosten einzusetzen. Auch die angefallenen Gebühren und Kosten i.H.v. 2.466,00 EUR könnten aus dem Nachlass vollständig beglichen werden.
Dagegen hat die Klägerin am 27.01.2010 Klage beim Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben. Sie habe mit den eingehenden Beträgen aus dem Nachlass und der Rentenzahlung ihren eigenen Lebensunterhalt sichern müssen. Die Zahlungen seien ihre einzige Einkommensquelle gewesen; ohne dieses Geld hätte sie zu diesem Zeitpunkt Sozialhilfe beantragen müssen. Dann wäre es Aufgabe der Beklagten gewesen, als Kostenträger die Kosten der Bestattung zu übernehmen. Die Ausgleichszahlungen der U GmbH seien kein Sterbegeld und nicht zweckgebunden. Bei der (sonstigen) Zahlung des Arbeitgebers des Verstorbenen handele es sich um Hinterbliebenengeld. Die "SOKA-Bau" sei eine Urlaubs- und Ausgleichskasse; der von dort gezahlte Betrag könne nicht als Vermögen angesehen werden. Wäre der Verstorbene noch in den Genuss seines Jahresurlaubs gekommen, so wäre aus dieser Kasse die Lohnfortzahlung gesichert gewesen. Entsprechend hätte sich auch die ausgezahlte Summe verringert. Der Dispositionskredit des Girokontos sei überzogen gewesen. Ein Teil der für die Bestattung entstandenen Kosten, die insgesamt als angemessen anzusehen seien, stehe noch offen. Der Klägerin sei im Übrigen trotz der der Beklagten mitgeteilten Einkommens- und Vermögenssituation von der zuständigen Sachbearbeiterin mündlich zugesichert worden, dass einer Übernahme der Bestattungskosten nichts im Wege stehe. Deswegen sei der Antrag auf Kostenübernahme überhaupt erst gestellt worden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2010 zu verpflichten, die Kosten für die Bestattung des Verstorbenen, S, i.H.v. 2.466,00 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie sich im Wesentlichen auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden bezogen. Ergänzend hat sie ausgeführt, die Klägerin hätte die Kosten auch aus der Rentennachzahlung bestreiten können.
Mit Urteil vom 24.03.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Anspruch auf Übernahme von Bestattungskosten nach § 74 SGB XII stehe - wie sämtliche Leistungen im Rahmen der Sozialhilfe - unter dem Vorbehalt der Nachrangigkeit. Dies habe zur Folge, dass die zur Bestattung Verpflichteten den Nachlass vorrangig zur Begleichung der angefallenen Bestattungskosten zu verwenden hätten. Zur Deckung der Bestattungskosten sei der Nachlass mit seinem vollen, also nicht durch Schonbeträge geminderten Wert einzusetzen (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 04.02.1999 - 5 B 133/98; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Auflage 2010, § 74 Rn. 29). Dementsprechend sei die Klägerin nicht berechtigt gewesen, den Nachlass mit Nachlassverbindlichkeiten aufzurechnen. Denn dies würde im Ergebnis dazu führen, dass die Beklagte Schulden des Verstorbenen - hier den Ausgleich des Girokontos - übernehmen müsse. Die Übernahme von Schulden sei jedoch - abgesehen von hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen des § 36 SGB XII - nicht Aufgabe der Sozialhilfe. Das Nachlassvermögen übersteige mit einer Gesamtsumme i.H.v. 6.173,54 EUR die von der Klägerin aufzuwendenden Bestattungskosten i.H.v. insgesamt 4.451,60 EUR. In die Berechnung des Nachlasses seien die Ausgleichszahlungen des Arbeitgebers mit einzubeziehen, da diese zum Nachlass des Verstorbenen gehörten. Unerheblich sei der Vortrag der Klägerin, es handle sich nicht um Sterbegeld; denn Sterbegeld stelle nur einen Teil des Nachlasses dar. Gerade nicht zweckgebundene Beträge seien Bestandteil des Nachlasses. Die Rentennachzahlung i.H.v. 3.629,81 EUR sowie die Zahlung der "SOKA-Bau-Hinterbliebenenversorgung" i.H.v. 920,35 EUR habe das Gericht unberücksichtigt gelassen; diese Beträge habe die Klägerin zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes einsetzen können.
Gegen das am 19.04.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 06.05.2011 Berufung eingelegt. Ergänzend führt sie aus, insbesondere im Hinblick auf die Äußerung einer Mitarbeiterin der Beklagten bei der Antragstellung habe sie sich darauf eingerichtet, dass die Kosten der Bestattung von der Beklagten getragen würden. Sie habe lediglich über bescheidene Einkünfte verfügt und nach dem Todesfall zeitweise Arbeitslosengeld II in Anspruch genommen. Insbesondere im Hinblick auf die Überziehung des Dispositionskredits sei ihr eine Übernahme der Kosten der Bestattung nicht zumutbar. Für den Begriff der Unzumutbarkeit seien neben den wirtschaftlichen Verhältnissen auch andere Umstände zu berücksichtigen. Einen solchen Umstand stelle die Zusage der Beklagten dar, Kosten für die Bestattung zu tragen. Im Übrigen müssten auch Billigkeitsgesichtspunkte zum Tragen kommen. Wäre ihr früher mitgeteilt worden, dass der Antrag auf Übernahme der Beerdigungskosten keine Aussicht auf Erfolg habe, hätte sie ggf. anders gehaushaltet. Sie habe zudem die Beerdigungskosten alleine tragen müssen, da die Tochter ihren Erbteil an sie abgetreten habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 24.03.2011 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2010 zu verurteilen, der Klägerin für Kosten der Bestattung ihres Ehemannes S Sozialhilfe in Höhe von 2.466,00 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Eine Zusage auf Übernahme von Bestattungskosten habe es nicht gegeben. Eine solche wäre vor Überprüfung aller Unterlagen auch gar nicht möglich gewesen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten; er ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
1. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Bescheid vom 02.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2010 ist rechtmäßig und die Klägerin deswegen nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Sie hat keinen Anspruch auf Tragung der (restlichen) Kosten, die aus Anlass der Bestattung des Verstorbenen entstanden sind.
a) Ein solcher Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus einer Zusicherung der Beklagten (§ 34 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X)). Dabei kann offen bleiben, ob eine Mitarbeiterin der Beklagten der Klägerin bei der Aufnahme des Antrages die Übernahme von Kosten zugesagt hat. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, handelte es sich nicht um eine rechtlich bindend gewordene Zusage. Denn dafür hätte sie schriftlich erteilt werden müssen (§ 34 Abs. 1 S. 1 SGB X). Ob sich unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung hieraus ggf. ein Anspruch der Klägerin ergeben kann, ist im Sozialrechtsweg nicht zu klären (§ 17 Abs. 2 S. 2 Gerichtsverfassungsgesetz); die Klägerin begehrt auch eine Sozialhilfeleistung und keinen Schadensersatz.
b) Im Übrigen kommt als Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch allein § 74 SGB XII in Betracht. Nach dieser Vorschrift werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.
Die Klägerin war zwar als Erbin - nach Abtretung des Erbteils durch ihre Tochter sogar alleine - zur Bestattung des Verstorbenen verpflichtet (§ 1968 BGB). Ihr ist jedoch zuzumuten, die Bestattungskosten in vollem Umfang - und damit auch den die Grundlage der Klageforderung bildenden, noch offenen Teilbetrag aus dem Gebührenbescheid der Beklagten vom 14.06.2007 i.H.v. 2.466,00 EUR - zu tragen.
aa) Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Nachlass nicht - sofern nötig in voller Höhe - für die Bestattung eingesetzt werden soll. Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 28.05.2008 - L 20 B 24/08 (Rn. 12 m.w.N.) unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ((BVerwG), Beschluss vom 04.02.1999, a.a.O.) und auf die Regelungen der §§ 1967, 1968 BGB entschieden, dass es zur Deckung der Bestattungskosten stets zumutbar ist, den Nachlass mit seinem vollen, also nicht um Schonbeträge geminderten, Wert einzusetzen (ebenso Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Loseblatt, § 74 Rn. 11; H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Auflage 2010, § 74 Rn. 12; Berlit in LPK-SGB XII, 9. Auflage 2012, § 74 Rn. 8 - jeweils m.w.N.; Gotzen, Alea iacta est - das Urteil des BSG vom 29.09.2009 zu § 74 SGB XII, ZfF 2010 S. 25 ff. (25)). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 25.08.2011 - B 8 SO 20/10 (Rn. 26); danach ist eine Erbschaft grundsätzlich nicht privilegiertes Vermögen und damit in vollem Umfang für die Bestattungskosten einzusetzen, es sei denn, einzelne Teile der Erbschaft sind als einer der Tatbestände des § 90 Abs. 2 SGB XII privilegiert. Dafür bestehen hier allerdings keine Anhaltspunkte; die Klägerin macht dies auch nicht geltend. Erst nachgelagert ist ggf. die Frage zu prüfen, ob es für den zur Tragung der Bestattungskosten grundsätzlich Verpflichteten (hier für die Klägerin) sozialhilferechtlich aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse, aber auch unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände des Falles, zumutbar ist, diese Kosten selbst zu tragen (so ausdrücklich BSG sowie H. Schellhorn, jeweils a.a.O.).
bb) Im Zusammenhang mit dem Todesfall fielen jedenfalls im Rahmen von § 74 SGB XII als Eigenmittel der Klägerin zu berücksichtigende Zahlungen von (mindestens) 6.173,60 EUR an. In den Nachlass des Verstorbenen (§ 1922 BGB) fiel davon jedenfalls die Ausgleichszahlung seines Arbeitgebers i.H.v. 4.050,54 EUR; denn insoweit wurden vom Verstorbenen noch zu Lebzeiten selbst erarbeitete Zahlungsansprüche für Lohn und Urlaub beglichen. Ob auch das "Sterbegeld" des Arbeitgebers i.H.v. 1.998,06 EUR sowie die Zahlung der gemeinnützigen Unterstützungskasse der U GmbH i.H.v. 125,00 EUR zum Nachlass des Verstorbenen zu rechnen ist, oder ob es sich insoweit um Geldmittel handelt, die der Klägerin nicht als Bestandteil ihres Erbes, sondern zwar veranlasst durch den Todesfall, jedoch als unmittelbar in ihrer Person entstandener Anspruch zukam, kann der Senat offen lassen. Denn im Rahmen von § 74 SGB XII sind neben dem Nachlass auch diejenigen Geldzuflüsse als für die Bestattungskosten einzusetzende Eigenmittel zu berücksichtigen, die dem Verpflichteten unmittelbar mit Rücksicht auf den Todesfall zufließen (vgl. Berlit, a.a.O.).
Diese Zahlungen von insgesamt 6.173,60 EUR decken die Gesamtkosten für die Bestattung des Verstorbenen i.H.v. 4.451,60 EUR bereits vollständig ab. Unter Berücksichtigung der vorstehend dargestellten Grundsätze war damit der Klägerin die (vollständige) Tragung der Bestattungskosten zumutbar.
cc) Dem steht nicht etwa entgegen, dass das (zur Erbmasse gehörige) Girokonto des Verstorbenen durchgängig einen Negativsaldo aufwies und somit neben den genannten Einnahmen auch Nachlassschulden vorhanden waren. Das Nachlassvermögen des Verstorbenen kann im Rahmen der Einsatzpflicht bei § 74 SGB XII nicht mit den auf dem Girokonto vorhandenen Nachlassschulden verrechnet werden. Denn dies würde im Ergebnis dazu führen, dass die Beklagte Schulden der Klägerin übernehmen müsste. Die Übernahme von Schulden ist jedoch nicht Aufgabe der Sozialhilfe (vgl. zu einem vergleichbaren Fall Sozialgericht Karlsruhe, Gerichtsbescheid vom 19.01.2010 - S 1 SO 5729/08 Rn. 19; Berlit in LPK-SGB XII, 9. Auflage 2012, § 74 Rn. 8; vgl. auch - in anderem Zusammenhang - BVerwG, Urteil v. 13.01.1983 - 5 C 114/81 Rn. 10 f.). Gegen eine Möglichkeit der Verrechnung von Nachlassschulden mit in den Nachlass fallenden Einkünften spricht im Übrigen auch die parallele Bewertung bei der Berücksichtigung von Einkünften, die auf ein im Soll stehendes Girokonto fließen. Denn solche Einkünfte werden als einzusetzendes Einkommen i.S.v. 82 Abs. 1 SGB XII bzw. § 11 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende angesehen (vgl. insb. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.02.2011 - L 13 AS 628/11 ER-B Rn. 5 f. m.w.N.; BSG, Urteil vom 30.07.2008 - B 14 AS 26/07 R Rn. 25 mit Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 19.02.2001 - 5 C 4/00 Rn. 10 f.; Berlit, a.a.O., § 82 Rn. 39); eine Verrechnung mit Schulden des Kontoinhabers findet auch in diesem Zusammenhang nicht statt.
Das Ergebnis ist für die Betroffenen nicht unbillig. Denn jedem Erben steht es frei, einen überschuldeten Nachlass auszuschlagen. Dies hätte auch die Klägerin tun können, wodurch sie sich zumindest einen Anspruch auf teilweise Erstattung der Beerdigungskosten gesichert hätte.
dd) Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, ihr hätten für die Begleichung der Beerdigungskosten keine "bereiten Mittel" zur Verfügung gestanden. In Anbetracht des Umstandes, dass das Girokonto beispielsweise am 06.09.2007 einen Negativsaldo von 2.075,31 EUR aufwies und das Konto ausweislich der Kontoauszüge vom 01.06.2007 auch über das vorgegebene Kreditlimit von 6.000,00 EUR hinaus belastet werden konnte, hätte sie jedenfalls zu diesem Zeitpunkt die noch offenen Bestattungskosten ausgleichen können.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
3. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Frage, ob der Nachlass mit bestehenden Nachlassverbindlichkeiten im Rahmen des § 74 SGB XII aufgerechnet werden kann, ist höchstrichterlich bisher nicht entschieden.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Übernahme von Bestattungskosten nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII).
Die 1954 geborene Klägerin war verheiratet mit dem 1949 geborenen und am 00.00.2007 verstorbenen S (im Folgenden: Der Verstorbene). Aus der Ehe ging eine im Jahr 1977 geborene Tochter hervor. Die Klägerin und ihre Tochter beerbten den Verstorbenen gemeinschaftlich mit je hälftigen Erbteilen.
Für die Bestattung stellte das Beerdigungsinstitut einen Betrag i.H.v. 1.985,60 EUR in Rechnung (Abrechnung vom 12.06.2007). Für die Grabstelle und die Bestattung fielen Gebühren i.H.v. 2.466,00 EUR an (Gebührenbescheid der Beklagten vom 14.06.2007).
Der Verstorbene stand im Zeitpunkt seines Todes in einem Arbeitsverhältnis bei der Fa. U GmbH. Das monatliche Bruttoeinkommen hieraus belief sich auf etwa 2.500,00 EUR. Die Klägerin hatte keine eigenen Einkünfte.
Nach dem Tod des Verstorbenen gingen u.a. folgende Gutschriften auf dessen Girokonto bei der Volksbank N eG (Nr. 000) ein:
1.998,06 EUR (17.07.2007) "Sterbegeld" U GmbH
125,00 EUR (17.07.2007) Zahlung der gemeinnützigen Unterstützungskasse der U GmbH
920,35 EUR (14.08.2007) Zahlung der "SOKA-Bau" (Hinterbliebenengeld)
4.050,54 EUR (06.09.2007) Ausgleichszahlung der U GmbH (Abgeltung von Urlaubs- und Lohnansprüchen des Verstorbenen)
3.629,81 EUR (14.09.2007) Rentennachzahlung
Zum Zeitpunkt des Todes des Verstorbenen belief sich der Dispositionssaldo des Girokontos auf 6.375,63 EUR (Stand 01.06.2007) bei einem Kreditlimit von 6.000,00 EUR. Die Rechnung des Beerdigungsinstitutes wurde in voller Höhe unmittelbar nach Eingang der Ausgleichszahlung der Fa. U GmbH über das Girokonto beglichen (Buchungstag 07.09.2007).
Am 13.09.2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten mündlich die Übernahme der Beerdigungskosten. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 02.10.2007 ab. Die Klägerin und ihre Tochter gehörten zwar zu den Bestattungspflichtigen im Sinne von § 74 SGB XII. Die "notwendigen" Beerdigungskosten einschließlich der Gebühren seien jedoch aus dem Sterbegeld und insbesondere der Zahlung der Unterstützungskasse der Fa. U GmbH zu finanzieren.
Den dagegen am 29.12.2008 - verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - eingelegten Widerspruch wies die Widerspruchsbehörde (der Kreis S) wegen Verfristung zurück (Widerspruchsbescheid vom 13.03.2009). In dem dagegen angestrengten Klageverfahren vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen (S 8 SO 20/09) hob die Widerspruchsbehörde den Widerspruchsbescheid auf, und die Beteiligten einigten sich außergerichtlich auf eine Neubescheidung des Widerspruches.
Die Widerspruchsbehörde wies den Widerspruch vom 29.12.2008 sodann mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2010 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Klägerin sei grundsätzlich als Erbin des Verstorbenen zur Tragung der Bestattungskosten verpflichtet. Angemessen seien die Kosten für die Beerdigung ohnehin nur i.H.v. 1.360,76 EUR. Es sei der Klägerin zumutbar, diese Kosten aus dem Nachlass des Verstorbenen zu tragen. Den Akten lasse sich entnehmen, dass sich der Nachlass des Verstorbenen auf einen Betrag i.H.v. insgesamt 4.050,54 EUR belaufen habe. Nach § 1968 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sei der Erbe verpflichtet, die Kosten der Bestattung zu tragen. Er hafte dabei mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Nachlasses. Zur Deckung der Bestattungskosten sei der Nachlass mit seinem vollen, nicht durch Schonbeträge geminderten Wert einzusetzen. Der der Klägerin angefallene Anteil aus dem Erbe belaufe sich auf 2.025,27 EUR. Dieser Betrag sei in voller Höhe vorrangig zur Deckung der Bestattungskosten einzusetzen. Auch die angefallenen Gebühren und Kosten i.H.v. 2.466,00 EUR könnten aus dem Nachlass vollständig beglichen werden.
Dagegen hat die Klägerin am 27.01.2010 Klage beim Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben. Sie habe mit den eingehenden Beträgen aus dem Nachlass und der Rentenzahlung ihren eigenen Lebensunterhalt sichern müssen. Die Zahlungen seien ihre einzige Einkommensquelle gewesen; ohne dieses Geld hätte sie zu diesem Zeitpunkt Sozialhilfe beantragen müssen. Dann wäre es Aufgabe der Beklagten gewesen, als Kostenträger die Kosten der Bestattung zu übernehmen. Die Ausgleichszahlungen der U GmbH seien kein Sterbegeld und nicht zweckgebunden. Bei der (sonstigen) Zahlung des Arbeitgebers des Verstorbenen handele es sich um Hinterbliebenengeld. Die "SOKA-Bau" sei eine Urlaubs- und Ausgleichskasse; der von dort gezahlte Betrag könne nicht als Vermögen angesehen werden. Wäre der Verstorbene noch in den Genuss seines Jahresurlaubs gekommen, so wäre aus dieser Kasse die Lohnfortzahlung gesichert gewesen. Entsprechend hätte sich auch die ausgezahlte Summe verringert. Der Dispositionskredit des Girokontos sei überzogen gewesen. Ein Teil der für die Bestattung entstandenen Kosten, die insgesamt als angemessen anzusehen seien, stehe noch offen. Der Klägerin sei im Übrigen trotz der der Beklagten mitgeteilten Einkommens- und Vermögenssituation von der zuständigen Sachbearbeiterin mündlich zugesichert worden, dass einer Übernahme der Bestattungskosten nichts im Wege stehe. Deswegen sei der Antrag auf Kostenübernahme überhaupt erst gestellt worden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2010 zu verpflichten, die Kosten für die Bestattung des Verstorbenen, S, i.H.v. 2.466,00 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie sich im Wesentlichen auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden bezogen. Ergänzend hat sie ausgeführt, die Klägerin hätte die Kosten auch aus der Rentennachzahlung bestreiten können.
Mit Urteil vom 24.03.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Anspruch auf Übernahme von Bestattungskosten nach § 74 SGB XII stehe - wie sämtliche Leistungen im Rahmen der Sozialhilfe - unter dem Vorbehalt der Nachrangigkeit. Dies habe zur Folge, dass die zur Bestattung Verpflichteten den Nachlass vorrangig zur Begleichung der angefallenen Bestattungskosten zu verwenden hätten. Zur Deckung der Bestattungskosten sei der Nachlass mit seinem vollen, also nicht durch Schonbeträge geminderten Wert einzusetzen (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 04.02.1999 - 5 B 133/98; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Auflage 2010, § 74 Rn. 29). Dementsprechend sei die Klägerin nicht berechtigt gewesen, den Nachlass mit Nachlassverbindlichkeiten aufzurechnen. Denn dies würde im Ergebnis dazu führen, dass die Beklagte Schulden des Verstorbenen - hier den Ausgleich des Girokontos - übernehmen müsse. Die Übernahme von Schulden sei jedoch - abgesehen von hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen des § 36 SGB XII - nicht Aufgabe der Sozialhilfe. Das Nachlassvermögen übersteige mit einer Gesamtsumme i.H.v. 6.173,54 EUR die von der Klägerin aufzuwendenden Bestattungskosten i.H.v. insgesamt 4.451,60 EUR. In die Berechnung des Nachlasses seien die Ausgleichszahlungen des Arbeitgebers mit einzubeziehen, da diese zum Nachlass des Verstorbenen gehörten. Unerheblich sei der Vortrag der Klägerin, es handle sich nicht um Sterbegeld; denn Sterbegeld stelle nur einen Teil des Nachlasses dar. Gerade nicht zweckgebundene Beträge seien Bestandteil des Nachlasses. Die Rentennachzahlung i.H.v. 3.629,81 EUR sowie die Zahlung der "SOKA-Bau-Hinterbliebenenversorgung" i.H.v. 920,35 EUR habe das Gericht unberücksichtigt gelassen; diese Beträge habe die Klägerin zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes einsetzen können.
Gegen das am 19.04.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 06.05.2011 Berufung eingelegt. Ergänzend führt sie aus, insbesondere im Hinblick auf die Äußerung einer Mitarbeiterin der Beklagten bei der Antragstellung habe sie sich darauf eingerichtet, dass die Kosten der Bestattung von der Beklagten getragen würden. Sie habe lediglich über bescheidene Einkünfte verfügt und nach dem Todesfall zeitweise Arbeitslosengeld II in Anspruch genommen. Insbesondere im Hinblick auf die Überziehung des Dispositionskredits sei ihr eine Übernahme der Kosten der Bestattung nicht zumutbar. Für den Begriff der Unzumutbarkeit seien neben den wirtschaftlichen Verhältnissen auch andere Umstände zu berücksichtigen. Einen solchen Umstand stelle die Zusage der Beklagten dar, Kosten für die Bestattung zu tragen. Im Übrigen müssten auch Billigkeitsgesichtspunkte zum Tragen kommen. Wäre ihr früher mitgeteilt worden, dass der Antrag auf Übernahme der Beerdigungskosten keine Aussicht auf Erfolg habe, hätte sie ggf. anders gehaushaltet. Sie habe zudem die Beerdigungskosten alleine tragen müssen, da die Tochter ihren Erbteil an sie abgetreten habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 24.03.2011 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2010 zu verurteilen, der Klägerin für Kosten der Bestattung ihres Ehemannes S Sozialhilfe in Höhe von 2.466,00 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Eine Zusage auf Übernahme von Bestattungskosten habe es nicht gegeben. Eine solche wäre vor Überprüfung aller Unterlagen auch gar nicht möglich gewesen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten; er ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
1. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Bescheid vom 02.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2010 ist rechtmäßig und die Klägerin deswegen nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Sie hat keinen Anspruch auf Tragung der (restlichen) Kosten, die aus Anlass der Bestattung des Verstorbenen entstanden sind.
a) Ein solcher Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus einer Zusicherung der Beklagten (§ 34 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X)). Dabei kann offen bleiben, ob eine Mitarbeiterin der Beklagten der Klägerin bei der Aufnahme des Antrages die Übernahme von Kosten zugesagt hat. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, handelte es sich nicht um eine rechtlich bindend gewordene Zusage. Denn dafür hätte sie schriftlich erteilt werden müssen (§ 34 Abs. 1 S. 1 SGB X). Ob sich unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung hieraus ggf. ein Anspruch der Klägerin ergeben kann, ist im Sozialrechtsweg nicht zu klären (§ 17 Abs. 2 S. 2 Gerichtsverfassungsgesetz); die Klägerin begehrt auch eine Sozialhilfeleistung und keinen Schadensersatz.
b) Im Übrigen kommt als Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch allein § 74 SGB XII in Betracht. Nach dieser Vorschrift werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.
Die Klägerin war zwar als Erbin - nach Abtretung des Erbteils durch ihre Tochter sogar alleine - zur Bestattung des Verstorbenen verpflichtet (§ 1968 BGB). Ihr ist jedoch zuzumuten, die Bestattungskosten in vollem Umfang - und damit auch den die Grundlage der Klageforderung bildenden, noch offenen Teilbetrag aus dem Gebührenbescheid der Beklagten vom 14.06.2007 i.H.v. 2.466,00 EUR - zu tragen.
aa) Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Nachlass nicht - sofern nötig in voller Höhe - für die Bestattung eingesetzt werden soll. Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 28.05.2008 - L 20 B 24/08 (Rn. 12 m.w.N.) unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ((BVerwG), Beschluss vom 04.02.1999, a.a.O.) und auf die Regelungen der §§ 1967, 1968 BGB entschieden, dass es zur Deckung der Bestattungskosten stets zumutbar ist, den Nachlass mit seinem vollen, also nicht um Schonbeträge geminderten, Wert einzusetzen (ebenso Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Loseblatt, § 74 Rn. 11; H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Auflage 2010, § 74 Rn. 12; Berlit in LPK-SGB XII, 9. Auflage 2012, § 74 Rn. 8 - jeweils m.w.N.; Gotzen, Alea iacta est - das Urteil des BSG vom 29.09.2009 zu § 74 SGB XII, ZfF 2010 S. 25 ff. (25)). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 25.08.2011 - B 8 SO 20/10 (Rn. 26); danach ist eine Erbschaft grundsätzlich nicht privilegiertes Vermögen und damit in vollem Umfang für die Bestattungskosten einzusetzen, es sei denn, einzelne Teile der Erbschaft sind als einer der Tatbestände des § 90 Abs. 2 SGB XII privilegiert. Dafür bestehen hier allerdings keine Anhaltspunkte; die Klägerin macht dies auch nicht geltend. Erst nachgelagert ist ggf. die Frage zu prüfen, ob es für den zur Tragung der Bestattungskosten grundsätzlich Verpflichteten (hier für die Klägerin) sozialhilferechtlich aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse, aber auch unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände des Falles, zumutbar ist, diese Kosten selbst zu tragen (so ausdrücklich BSG sowie H. Schellhorn, jeweils a.a.O.).
bb) Im Zusammenhang mit dem Todesfall fielen jedenfalls im Rahmen von § 74 SGB XII als Eigenmittel der Klägerin zu berücksichtigende Zahlungen von (mindestens) 6.173,60 EUR an. In den Nachlass des Verstorbenen (§ 1922 BGB) fiel davon jedenfalls die Ausgleichszahlung seines Arbeitgebers i.H.v. 4.050,54 EUR; denn insoweit wurden vom Verstorbenen noch zu Lebzeiten selbst erarbeitete Zahlungsansprüche für Lohn und Urlaub beglichen. Ob auch das "Sterbegeld" des Arbeitgebers i.H.v. 1.998,06 EUR sowie die Zahlung der gemeinnützigen Unterstützungskasse der U GmbH i.H.v. 125,00 EUR zum Nachlass des Verstorbenen zu rechnen ist, oder ob es sich insoweit um Geldmittel handelt, die der Klägerin nicht als Bestandteil ihres Erbes, sondern zwar veranlasst durch den Todesfall, jedoch als unmittelbar in ihrer Person entstandener Anspruch zukam, kann der Senat offen lassen. Denn im Rahmen von § 74 SGB XII sind neben dem Nachlass auch diejenigen Geldzuflüsse als für die Bestattungskosten einzusetzende Eigenmittel zu berücksichtigen, die dem Verpflichteten unmittelbar mit Rücksicht auf den Todesfall zufließen (vgl. Berlit, a.a.O.).
Diese Zahlungen von insgesamt 6.173,60 EUR decken die Gesamtkosten für die Bestattung des Verstorbenen i.H.v. 4.451,60 EUR bereits vollständig ab. Unter Berücksichtigung der vorstehend dargestellten Grundsätze war damit der Klägerin die (vollständige) Tragung der Bestattungskosten zumutbar.
cc) Dem steht nicht etwa entgegen, dass das (zur Erbmasse gehörige) Girokonto des Verstorbenen durchgängig einen Negativsaldo aufwies und somit neben den genannten Einnahmen auch Nachlassschulden vorhanden waren. Das Nachlassvermögen des Verstorbenen kann im Rahmen der Einsatzpflicht bei § 74 SGB XII nicht mit den auf dem Girokonto vorhandenen Nachlassschulden verrechnet werden. Denn dies würde im Ergebnis dazu führen, dass die Beklagte Schulden der Klägerin übernehmen müsste. Die Übernahme von Schulden ist jedoch nicht Aufgabe der Sozialhilfe (vgl. zu einem vergleichbaren Fall Sozialgericht Karlsruhe, Gerichtsbescheid vom 19.01.2010 - S 1 SO 5729/08 Rn. 19; Berlit in LPK-SGB XII, 9. Auflage 2012, § 74 Rn. 8; vgl. auch - in anderem Zusammenhang - BVerwG, Urteil v. 13.01.1983 - 5 C 114/81 Rn. 10 f.). Gegen eine Möglichkeit der Verrechnung von Nachlassschulden mit in den Nachlass fallenden Einkünften spricht im Übrigen auch die parallele Bewertung bei der Berücksichtigung von Einkünften, die auf ein im Soll stehendes Girokonto fließen. Denn solche Einkünfte werden als einzusetzendes Einkommen i.S.v. 82 Abs. 1 SGB XII bzw. § 11 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende angesehen (vgl. insb. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.02.2011 - L 13 AS 628/11 ER-B Rn. 5 f. m.w.N.; BSG, Urteil vom 30.07.2008 - B 14 AS 26/07 R Rn. 25 mit Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 19.02.2001 - 5 C 4/00 Rn. 10 f.; Berlit, a.a.O., § 82 Rn. 39); eine Verrechnung mit Schulden des Kontoinhabers findet auch in diesem Zusammenhang nicht statt.
Das Ergebnis ist für die Betroffenen nicht unbillig. Denn jedem Erben steht es frei, einen überschuldeten Nachlass auszuschlagen. Dies hätte auch die Klägerin tun können, wodurch sie sich zumindest einen Anspruch auf teilweise Erstattung der Beerdigungskosten gesichert hätte.
dd) Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, ihr hätten für die Begleichung der Beerdigungskosten keine "bereiten Mittel" zur Verfügung gestanden. In Anbetracht des Umstandes, dass das Girokonto beispielsweise am 06.09.2007 einen Negativsaldo von 2.075,31 EUR aufwies und das Konto ausweislich der Kontoauszüge vom 01.06.2007 auch über das vorgegebene Kreditlimit von 6.000,00 EUR hinaus belastet werden konnte, hätte sie jedenfalls zu diesem Zeitpunkt die noch offenen Bestattungskosten ausgleichen können.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
3. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Frage, ob der Nachlass mit bestehenden Nachlassverbindlichkeiten im Rahmen des § 74 SGB XII aufgerechnet werden kann, ist höchstrichterlich bisher nicht entschieden.
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