L 7 AS 818/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 18 AS 2417/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 818/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 322/13 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB als unzulässig verworfen
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 15.3.2012 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Aufhebung und Erstattung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Monate Januar und Februar 2010 in Höhe von insgesamt 1441,70 EUR.

Der Kläger ist am 00.00.1967 geboren und alleinstehend. Er bezieht laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Vom 2.3.2006 bis einschließlich Februar 2010 bezog er Leistungen von der Beklagten. Seit dem 1.1.2010 lebt er im Zuständigkeitsbereich des Jobcenters Bielefeld, wo er ebenfalls laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II erhält. Er ist gelernter CNC - Fräser und hat nach seinen Angaben in dieser Tätigkeit im Zeitraum von 2010 bis 2013 einmal für 4 Monate im Rahmen eines Ferienjobs und sodann erneut für 9 Monate gearbeitet.

Mit Fortzahlungsantrag vom 8.9.2009 beantragte er die Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II ab dem 1.10.2009 bei der Beklagten. Mit Bescheid vom 29.9.2009 bewilligte die Beklagte Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.10.2009 bis 31.3.2010 in Höhe von 720,85 EUR monatlich, bestehend aus der Regelleistung in Höhe von 359 EUR zuzüglich Unterkunftskosten in Höhe von 361,85 EUR (zuzüglich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung).

Nach eigenen Angaben kündigte der Kläger mit Schreiben vom 28.9.2009 seine alte Wohnung. Am 22.10.2009 unterschrieb er den neuen Mietvertrag für die nunmehr in Bielefeld bewohnte Wohnung. Nach einem Aktenvermerk der Beklagten sprach der Kläger dort am 21.10.2009 vor und beantragte die Zustimmung zum Umzug nach Bielefeld. Da seine Sachbearbeiterin nicht anwesend war, sprach der Kläger mit dem Teamleiter Herrn T. Dieser erklärte ihm nach dem Inhalt des Aktenvermerks, dass die Zustimmung zum Umzug nur bei einer Notwendigkeit des Umzugs erteilt werden könne und hierfür gegenwärtig keine Anhaltspunkte vorlägen. Allein der Umzugswunsch zur Jobsuche ohne konkretes Jobangebot sei hierfür nicht ausreichend. Am 26.10.2009 sprach der Kläger erneut bei der Beklagten vor und erhielt von seiner Sachbearbeiterin Frau L eine Bescheinigung, mit der dem Kläger die Antragstellung auf Erteilung einer Zusicherung zum Umzug am 26.10.2009 bescheinigt wurde. Diesem Antrag könne jedoch nicht zugestimmt werden, da der Umzug nicht erforderlich sei. Auf die Konsequenzen eines nicht genehmigten Umzuges "(keine darlehnsweise Übernahme der gegebenenfalls zu zahlenden Mietkaution, keine Übernahme von Umzugs- und Renovierungskosten sowie maximal eine Übernahme der neuen Kosten der Unterkunft bis zur Höhe der hier zuletzt übernommenen Kosten der Unterkunft)" sei der Kläger ausführlich belehrt worden. Ob der Kläger der Beklagten im Rahmen dieser Gespräche bereits den Umzugstermin zum 1.1.2010 mitgeteilt hat, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Der Kläger hat nach der Vorsprache im Oktober 2009 die Beklagte nicht erneut aufgesucht und ist zum 1.1.2010 nach Bielefeld verzogen. Er hatte sich am 30.12.2009 in Bielefeld polizeilich gemeldet und bereits am 02.11.2009 bei dem Jobcenter Bielefeld einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II mit Wirkung ab dem 1.1.2010 gestellt. Die vollständigen Unterlagen hatte der Kläger bei dem Jobcenter Bielefeld am 25.11.2009 eingereicht. Mit Bewilligungsbescheid vom 18.12.2009 bewilligte das Jobcenter Bielefeld laufende Leistungen nach dem SGB II ab dem 1.1.2010. Die Leistungen wurden auf das Konto des Klägers überwiesen. Die Zahlung für den Monat Januar 2010 erfolgte am 30.12.2009 in Höhe von 330,47 EUR und für Februar 2010 am 29.01.2010 in Höhe von 423,68 EUR auf das Konto des Klägers. Die Miete für die Monate Januar und Februar 2010 überwies das Jobcenter Bielefeld vereinbarungsgemäß unmittelbar an den Vermieter des Klägers. Die Zahlungen erfolgten auf das bisherige Konto des Klägers, auf dem auch die Zahlungen der Beklagten bisher eingegangen waren.

Die Beklagte überwies die mit Bescheid vom 29.9.2009 gewährten Leistungen auch für die Monate Januar und Februar 2010 in Höhe von jeweils 720,85 EUR auf das Konto des Klägers. Die Zahlungseingänge sind am 30.12.2009 und 29.01.2010 auf dem Konto des Klägers verbucht.

Nach einem Aktenvermerk vom 16.2.2010 fiel der Beklagten aufgrund einer Meldeauskunft auf, dass der Kläger zum 30.12.2009 nach Bielefeld verzogen war. Die Beklagte stellte daraufhin die Leistungen zum 1.3.2010 ein.

Mit Schreiben vom 16.2.2010 hörte sie den Kläger zu einer Aufhebung und Rückforderung der Leistungen für die Monate Januar und Februar 2010 in voller Höhe unter Aufhebung des Bescheides vom 29.9.2009 an und kündigte die Rückforderung des Betrages in Höhe von 1441,70 EUR an. Als Rechtsgrundlage nannte die Beklagte die §§ 48 Abs.1 Satz 2 Nr. 2, 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Kläger sei seinen Mitwirkungspflichten nach § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) grob fahrlässig nicht nachgekommen, da er der Beklagten seinen Umzug nach Bielefeld nicht rechtzeitig mitgeteilt habe. Durch den Umzug zum 31.12.2009 nach Bielefeld sei die Zuständigkeit der Beklagten auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ab diesem Datum entfallen.

Der Kläger nahm hierzu mit Schreiben vom 24.2.2010 Stellung. Er erklärte, allen Mitwirkungspflichten nachgekommen zu sein. Er habe am 26.10.2009 einen Termin mit seiner Sachbearbeiterin gehabt, nachdem er zuvor bereits mit dem Teamleiter Herrn T gesprochen habe. Noch am gleichen Tag habe er eine Bescheinigung erhalten. Im Rahmen dieser Vorsprache habe er mitgeteilt, dass er eine neue Wohnung zum 1.1.2010 gefunden und die alte Wohnung bereits gekündigt habe. Frau L habe sich hierzu eine handschriftliche Notiz gemacht und diese zur Akte genommen. Bei Eingang der Zahlungen im Januar und Februar 2010 sei er davon ausgegangen, dass die Kosten für den Umzug nunmehr doch übernommen würden. Das Geld habe er außerdem verbraucht.

Mit Bescheid vom 15.3.2010 hob die Beklagte den Bescheid vom 29.9.2009 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X ganz auf und forderte die für die Monate Januar und Februar 2010 in Höhe von jeweils 720,85 EUR gezahlten Leistungen, insgesamt einen Betrag in Höhe von 1441,70 EUR, nach § 50 SGB X zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, durch den Umzug zum 31.12.2009 sei die Zuständigkeit der Beklagten beendet gewesen. Der Kläger sei grob fahrlässig seinen Mitwirkungspflichten nach § 60 SGB I nicht nachkommen, weil er der Beklagten den Umzug nicht mitgeteilt habe. Die Stellungnahme des Klägers rechtfertige keine andere Entscheidung. Zwar habe er im Oktober 2009 mehrfach vorgesprochen und die Absicht eines Umzuges nach Bielefeld mitgeteilt. Ihm sei jedoch erklärt worden, dass der Umzug nicht erforderlich sei. Mit Bescheinigung vom 26.10.2009 sei die Übernahme der Umzugskosten ausdrücklich abgelehnt worden. Eine Zusicherung sei damit gerade nicht erteilt worden. Dennoch habe der Kläger nicht mitgeteilt, dass, wann oder wohin er wegzieht. Daher habe er auch nicht davon ausgehen können, dass es sich bei den für Januar und Februar 2010 erfolgten Zahlungen um eine Übernahme der Umzugskosten handele.

Mit Schreiben vom 30.3.2010 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 15.3.2010 ein und wiederholte zur Begründung die Ausführungen aus der Stellungnahme vom 24.2.2010.

Mit Widerspruchsbescheid vom 6.10.2010 wies die Beklagte den Widerspruch im Wesentlichen mit der Begründung des angefochtenen Bescheides zurück.

Der Kläger hat am 28.10.2010 bei dem Sozialgericht Detmold Klage erhoben. Zur Begründung der Klage hat er erneut ausgeführt, er habe am 26.10.2009 bei seiner Sachbearbeiterin vorgesprochen. Bereits im Vorfeld habe er mit dem Teamleiter Herrn T gesprochen. Dieser habe gesagt, dass die Kosten des Umzugs übernommen werden könnten. Frau L habe ihm dann die Auskunft gegeben, dass dem Umzug nicht zugestimmt und die hierfür entstehenden Kosten nicht übernommen werden könnten und ihm hierüber am 26.10.2009 eine Bescheinigung erteilt. Er habe jedoch auf die Auskunft von Herrn T vertraut, denn dieser sei immerhin Teamleiter gewesen. Auch habe er bei der Vorsprache mitgeteilt, dass er zum 1.1.2010 umziehen werde, und dass er bereits eine neue Wohnung gefunden habe. Daraufhin habe Frau L sich eine handschriftliche Notiz gemacht, die sie zur Akte genommen habe. Bei dem Zufluss des Geldes im Januar und Februar 2010 sei er davon ausgegangen, dass die Umzugskosten nunmehr doch übernommen würden. Jedenfalls sei er allen seinen Mitteilungspflichten nachgekommen, insbesondere habe er den Umzug nach Bielefeld der Beklagten nicht verschwiegen. Er habe ausdrücklich mitgeteilt, dass er seine Wohnung zum 31.12.2009 gekündigt habe. Wegen der von Frau L gefertigten Notiz sei er davon ausgegangen, dass die Beklagte alle Informationen zur Akte genommen habe. In einem von der Beklagten gegen den ihn eingeleiteten Strafverfahren wegen Betruges habe am 5.7.2011 eine Hauptverhandlung stattgefunden. Dort habe Frau L als Zeugin wörtlich gesagt: "Den Zettel habe ich auch nicht wieder gefunden". Daraus könne geschlossen werden, dass es den Zettel gegeben habe. Außerdem erfolge üblicherweise eine Mitteilung des neuen Trägers an den alten Träger, wenn von dort Leistungen nach dem SGB II aufgenommen würden. Er habe auch deswegen davon ausgehen können, dass es sich bei den Zahlungen von Januar und Februar 2010 um eine Übernahme der Umzugskosten handele, da in der Bescheinigung vom 26.10.2009 auch gestanden habe, dass die Mietkaution sowie die tatsächlichen Unterkunftskosten der neuen Wohnung nicht übernommen würden. Dies habe sich jedoch als falsch herausgestellt, da von dem Jobcenter Bielefeld alle Kosten übernommen worden seien. Daher sei es für den Kläger auch möglich erschienen, dass die Beklagte ihre Meinung geändert habe.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 15.3.2010 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 6.10.2010 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung des Klageabweisungsantrages hat sie ausgeführt, die Mitteilung des Umzugswunsches an die Beklagten alleine sei nicht ausreichend, um die Mitwirkungspflichten des Klägers zu erfüllen. Der Kläger sei über seine Mitwirkungspflichten nach § 60 SGB I auch in jedem Bewilligungsbescheid entsprechend informiert worden. Wenn der Kläger nunmehr behaupte, er sei davon ausgegangen, dass es sich bei den gezahlten Geldern um die Gewährung der Umzugskosten handele, sei dies nicht glaubhaft. Denn erstens sei der Kläger mit Schreiben vom 26.10.2009 darüber informiert worden, dass die Umzugskosten nicht übernommen würden, und zweitens entsprächen die Beträge exakt der Höhe der ihm zuvor bewilligten laufenden Leistungen. Aus diesem Grund lägen jedenfalls die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X vor und der Kläger habe grob fahrlässig verkannt, dass die Leistungen zu Unrecht gewährt worden seien. Diese Vorschrift greife auch, wenn der Kläger alle Mitwirkungspflichten erfüllt habe.

Das Sozialgericht Detmold hat am 15.3.2012 einen Verhandlungstermin durchgeführt und in dem Verhandlungstermin den Kläger befragt und als Zeugen den Teamleiter Herrn T sowie die Sachbearbeiterin des Klägers Frau L gehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.3.2012 Bezug genommen.

Mit Urteil vom 15.3.2012, der Beklagten zugestellt am 20.4.2012, hat das Sozialgericht Detmold der Klage stattgegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 Nrn. 2, 4 SGB X lägen nicht vor. Zwar sei eine wesentliche Änderung der Verhältnisse durch den Umzug des Klägers nach Bielefeld eingetreten. Nach der Beweisaufnahme stehe jedoch zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger mit der Zeugin L über den Umzug gesprochen habe. Selbst wenn der Kläger bei diesem Termin den konkreten Umzugstermin nicht genannt haben sollte, rechtfertige dies nicht die Annahme einer grob fahrlässigen Verletzung der Mitwirkungspflichten. Grob fahrlässig handele jemand dann, wenn er die erforderliche Sorgfalt in besonders grobem Maße verletze. Abzustellen sei auf die persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit bzw. das Einsichtsvermögen des Betroffenen. Dieser müsse einfachste und nahe liegende Überlegungen nicht angestellt haben. Der Kläger habe unstreitig mehrfach bei der Beklagten vorgesprochen und über den Umzug gesprochen. Aus dem Notieren einer Telefonnummer des Jobcenters Bielefeld auf einen Zettel sei zu schließen, dass konkret über den Umzug gesprochen worden sei. Der Kläger habe seine Mitwirkungspflichten daher nicht grob fahrlässig verletzt. Auch die Voraussetzungen des § 48 Abs.1 Satz 2 Nr. 4 SGB X lägen nicht vor. Die Annahme des Klägers, dass es sich bei den überwiesenen Geldbeträgen um Umzugskosten handele, sei nicht grob fahrlässig. Er habe mit dem Schreiben vom 26.10.2009 den Hinweis erhalten, dass die Umzugskosten nicht übernommen würden. Dieser Hinweis habe sich jedoch hinsichtlich der ebenfalls in dem Schreiben erwähnten Kaution sowie der Höhe der zu übernehmenden Unterkunftskosten nicht bewahrheitet. Die Annahme, dass es sich bei dem überwiesenen Geld um Umzugskosten handele, sei daher nicht grob fahrlässig.

Die Beklagte hat gegen das Urteil am 24.4.2013 Berufung beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen eingelegt. Zu Begründung der Berufung trägt sie vor, das Sozialgericht habe den Sachverhalt zutreffend dargestellt. Streitig sei jedoch, ob die Erstattungsforderung rechtmäßig erfolgt sei. Sowohl die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II als auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X lägen vor. Unstreitig habe der Kläger den Umzugswunsch im Oktober 2009, jedoch nicht mehr zu einem späteren Zeitpunkt mitgeteilt. Dadurch, dass die Zahlung der Beklagten und des Jobcenters Bielefeld ab dem 1.1.2010 nahezu parallel erfolgt seien, habe der Kläger daran denken müssen, den Umzug bei der Beklagten erneut mitzuteilen. Jedenfalls könne es nicht Aufgabe der Behörde sein, den Umzugstermin zu erfragen. Der Kläger habe damit seine Mitwirkungspflichten nach § 60 SGB I grob fahrlässig verletzt. Auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X lägen vor. Der Kläger habe bei dem Jobcenter Bielefeld rechtzeitig einen Antrag auf Leistungsgewährung gestellt, um die Leistungen nahtlos zu erhalten. Auch bestreite der Kläger nicht, dass er den Wegfall des Anspruchsgrundes gegenüber der Beklagten gekannt habe. Soweit der Kläger vortrage, er sei davon ausgegangen, dass es sich bei dem überwiesenen Geld um Umzugskosten handele, sei dies nicht glaubhaft. Mit Schreiben vom 26.10.2009 sei ihm ausdrücklich mitgeteilt worden, dass Umzugskosten nicht übernommen würden. Auch entsprächen die überwiesenen Beträge exakt denjenigen der laufenden Zahlungen. Auch der Text auf dem Überweisungsträger entspreche dem von vorherigen Texten. Jedenfalls jedoch habe der Kläger sich fragen müssen, warum die Umzugskosten zweimal - nämlich für Januar und Februar - überwiesen würden. Insoweit habe das Sozialgericht jedenfalls eine rechtliche Differenzierung zwischen den Monaten Januar und Februar 2010 vornehmen müssen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 15.3.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts, die er für zutreffend hält. Ergänzend trägt er vor, die Zeugin L habe die Existenz des Zettels, auf dem sie die Telefonnummer des Jobcenters Bielefeld vermerkt habe, ausdrücklich zugestanden. Unstreitig habe der Kläger die Leistungen sowohl von der Beklagten als auch von Bielefeld erhalten. Der Kläger weist erneut darauf hin, dass die Konsequenzen aus dem Schreiben vom 26.10.2009 so nicht eingetroffen seien, denn sowohl die Kaution als auch die Unterkunftskosten seien von Bielefeld übernommen worden. Er habe daher auch nicht grob fahrlässig die Rechtswidrigkeit der Zahlung verkannt. Letztendlich seien die Bescheide bereits deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte die Aufhebung der Leistungen ausschließlich auf die Vorschrift des § 48 Abs. 1 S.2 Nr. 2 SGB X, nicht jedoch auf die Nr. 4 des § 48 Abs.1 SGB X gestützt habe, so dass eine ordnungsgemäße Anhörung nicht vorläge.

Das Landessozialgericht hat mit Beschluss vom 16.8.2012 den Kreis Minden-Lübbecke zum Verfahren gemäß § 75 SGG beigeladenen, weil der Kreis den Widerspruchsbescheid vom 6.10.2010 erlassen hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den übrigen Akteninhalt sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Detmold ist zu ändern. Der Kläger ist durch die angefochtene Entscheidung nicht in seinen Rechten nach § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn die Bescheide sind rechtmäßig.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 15.03.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6.10.2010, mit dem der Leistungsbescheid vom 29.9.2009 für den Zeitraum Januar 2010 bis Februar 2010 ganz gegenüber dem Kläger aufgehoben und die überzahlten Beträge in Höhe von insgesamt 1441,70 EUR zurückgefordert worden sind. Zutreffende Klageart ist daher die Anfechtungsklage.

Die formellen Voraussetzungen zum Erlass des angegriffenen Verwaltungsaktes liegen vor. Insbesondere hat die Beklagte mit Schreiben vom 16.2.2010 die notwendige Anhörung des Klägers (§ 24 SGB X) durchgeführt. Die Anhörung ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht allein deswegen als nicht durchgeführt anzusehen, weil die Beklagte den Kläger zu einer Aufhebung der Leistungen nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X statt nach Nr. 4 im Schreiben vom 16.2.2010 angehört hat. Denn bezüglich der Frage, ob ein Anhörungsfehler vorliegt, ist von der materiell - rechtlichen Rechtsansicht der handelnden Verwaltungsbehörde auszugehen, mag sie auch falsch sein (BSG Urteil vom 29.11.2012 Az. B 14 AS 6/12 R Rn. 21 m.w.N.). Selbst wenn man die Anhörung mit Schreiben vom 16.2.2010 als nicht ausreichend erachten wollte, so wäre die Anhörung jedenfalls bei Erlass des Widerspruchsbescheides, spätestens jedoch im Klageverfahren nachgeholt worden. Die Nachholung der fehlenden Anhörung setzt außerhalb des Verwaltungsverfahrens voraus, dass die Handlungen, die an sich nach § 24 SGB X bereits vor Erlass belastenden Verwaltungsaktes hätten vorgenommen werden müssen, von der Verwaltung bis zum Abschluss der gerichtlichen Tatsacheninstanz vollzogen werden. Ein während des Gerichtsverfahrens zu diesem Zweck durchzuführendes mehr oder minder förmliches Verwaltungsverfahren liegt vor, wenn die beklagte Behörde dem Kläger in angemessener Weise Gelegenheit zur Äußerung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen gegeben hat, und sie dadurch zu erkennen gibt, ob nach erneuter Prüfung dieser Tatsachen an dem bisher erlassenen Verwaltungsakt festgehalten wird. Dies setzt voraus, dass die Behörde dem Kläger alle Haupttatsachen mitteilt, auf die sie die belastende Entscheidung stützen will und ihm Gelegenheit zur Äußerung gibt und sodann in einem abschließenden Ergebnis mitteilt, dass sie das Vorbringen des Betroffenen zur Kenntnis genommen und in ihre Entscheidung einbezogen hat (BSG Urteil vom 9.11.2010 Az. B 4 AS 37/09 R). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Kläger hat sich bereits in dem Anhörungsschreiben vom 24.2.2010 dazu geäußert, dass er die Überweisung der Beklagten als Übernahme der Umzugskosten gewertet hat. Dem folgend hat die Beklagte sowohl im Bescheid vom 15.3.2010 als auch im Widerspruchsbescheid vom 6.10.2010 darauf hingewiesen, dass sie diesen Vortrag des Klägers für abwegig hält. Damit hatte sowohl der Kläger Gelegenheit sich zu dem inneren Tatbestand des § 48 Abs.1 S. 2 Nr. 4 SGB X zu äußern, als auch die Beklagte zu erkennen gegeben, dass sie diese Äußerung aufgenommen und bei ihrer Entscheidung berücksichtigt hat. Die Beklagte hat darüber hinaus ausführlich sowohl erstinstanzlich als auch im Berufungsverfahren Stellung zu den Voraussetzungen des § 48 Abs.1 S. 2 Nr. 4 SGB X genommen, der Kläger hatte ausreichend Gelegenheit hierzu Stellung zu nehmen und hat diese Möglichkeit auch wahrgenommen. Die Beklagte hat ihrerseits schriftsätzlich zu erkennen gegeben, dass sie den Vortrag des Klägers zur Kenntnis genommen hat, dieser Vortrag jedoch aus ihrer Sicht nicht zu einem anderen Ergebnis führen kann.

Der angegriffene Bescheid vom 15.3.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.10.2010 ist auch hinreichend bestimmt im Sinne des § 33 SGB X. Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten danach auszurichten (BSG Urteil vom 29.11.2012 Az.: B 14 AS 196/11 R). Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da für den Kläger klar ersichtlich ist, welcher Bescheid (29.9.2009), für welchen Zeitraum (Januar und Februar 2010) und in welchem Umfange (in voller Höhe von jeweils 720,85 EUR) aufgehoben wird.

Auch die materiellen Voraussetzungen für die Aufhebung liegen vor. Nach § 48 Abs.1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, dieser mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt (Nr. 1), der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr. 2), nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Nr. 3), oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Nr. 4).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der aufzuhebende Verwaltungsakt vom 29.9.2009 war ursprünglich rechtmäßig. Anhaltspunkte für dessen Rechtswidrigkeit sind nicht ersichtlich und von den Beteiligten auch nicht vorgetragen worden. Mit Wirkung zum 1.1.2010 ist auch eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten. Die Änderung folgt jedoch nicht allein aus dem Umzug des Klägers in den Zuständigkeitsbereich des Jobcenters Bielefeld zum 1.1.2010. Nach § 36 SGB II ist für die Gewährung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II derjenige Träger zuständig, in dessen Bezirk der Hilfebedürftige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die fehlende örtliche Zuständigkeit der einen Bescheid erlassenden Behörde begründet jedoch für sich genommen noch nicht die Rechtswidrigkeit des Bescheides (BSG Urteil vom 23.5.2012 Az.: B 14 AS 133/11 R). Dies folgt aus § 2 Abs. 3 SGB X, der gemäß § 40 Abs.1 Satz 1 SGB II auch für das SGB II Anwendung findet, und wonach die bisher zuständige Behörde die bewilligten Leistungen noch so lange zu erbringen hat, bis sie von der nunmehr örtlich zuständigen Behörde fortgesetzt werden. Offen bleiben kann insoweit, ob § 2 Abs. 3 SGB X eine eigenständige materielle Rechtsgrundlage darstellt (so Landessozialgericht Schleswig Holstein Urteil vom 12.4.2011 Az.: L 6 AS 45/10), oder ob aufgrund des § 2 Abs. 3 SGB X keine Änderung in den tatsächlichen bzw. rechtlichen Verhältnissen im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X eintritt (Aubel Juris PK § 36 SGB II Rn. 39). Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen liegen allein durch den Umzug des Klägers und dessen Ummeldung am 30.12.2009 in den Zuständigkeitsbereich des Jobcenters Bielefeld noch keine die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB X rechtfertigenden Umstände vor. Eine Änderung der Verhältnisse durch den Umzug des Hilfebedürftigen in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Trägers kann jedoch nach § 7 Abs. 4a SGB II (in der Fassung vom 23.12.2007) dann vorliegen, wenn sich der Hilfeempfänger aufgrund des Umzuges nicht mehr in dem zeit- und ortsnahen Bereich im Sinne der Erreichbarkeitsanordnung aufhält. Dieser ist so zu bemessen, dass es dem Betroffenen möglich ist, den für ihn zuständigen Leistungsträger innerhalb eines zeitlichen Rahmens von ca. 2-3 Stunden zu erreichen (Hackethal in Juris PK § 7 SGB II Rn. 67 ff.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, da die Entfernung zwischen Espelkamp und dem neuen Wohnort des Klägers in Bielefeld lediglich ca. 50 km einfache Strecke beträgt und somit innerhalb des "pendelbaren" Bereiches liegt. Entsprechend den vorstehenden Ausführungen sind die Leistungen hiernach so lange zu erbringen, bis sie von der nunmehr örtlich zuständigen Stelle aufgenommen werden (Aubel in Juris PK § 36 SGB II Rn. 40). Die Erstattung der Leistungen hat dann über die Regelung des § 102 Abs. 2 SGB X zu erfolgen.

Eine Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X ist jedoch im vorliegenden Fall dadurch eingetreten, dass der Kläger zum 30.12.2009 nach Bielefeld verzogen ist, und das dort zuständige Jobcenter aufgrund des am 2.11.2009 gestellten Antrages des Klägers durch Bescheid vom 18.12.2009 die Leistungen nahtlos mit Wirkung ab dem 1.1.2010 aufgenommen hat. Durch die nahtlose Fortzahlung der Leistungen durch das Jobcenter Bielefeld ab dem 1.1.2010 liegt eine Rechtsgrundlage für die Fortzahlung der Leistungen durch die Beklagte nicht mehr vor. Die örtliche Zuständigkeit nach § 36 SGB II ist aufgrund des Umzuges nicht mehr gegeben. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 SGB X, wonach die Beklagte zur Fortzahlung der Leistungen verpflichtet gewesen wäre, bis das Jobcenter Bielefeld die Leistungen aufnimmt, liegen ebenfalls nicht vor, denn das Jobcenter Bielefeld hat die Leistungen ab dem 1.1.2010 nahtlos erbracht. Durch die nahtlose Fortzahlung der Leistungen ist auch das gemäß § 2 SGB X bezweckte Schutzbedürfnis des Betroffenen entfallen, allein aufgrund des Wechsels in der örtlichen Zuständigkeit auf seine existenzsichernde Leistungen verzichten zu müssen. Auch eine Erstattung der Leistungen zwischen den Leistungsträgern nach § 102 SGB X wäre nicht mehr möglich, da ein Rechtsgrund für die Erbringung der Leistungen durch die Beklagte, der sich allein aus § 2 SGB X ergeben könnte nicht mehr vorlag. Eine Erstattungspflicht nach § 103 SGB X, wonach der nachträglich unzuständig gewordene Leistungsträger einen Erstattungsanspruch gegen den nunmehr zuständigen Leistungsträger hat, scheidet ebenfalls aus, da das Jobcenter Bielefeld sich durch die Erbringung der Leistungen gegenüber dem Kläger vor der Geltendmachung eines möglichen Erstattungsanspruches durch die Beklagte befreit hat.

Der Senat kann offen lassen, ob der Kläger seine Mitwirkungspflichten (§ 60 SGB I) grob fahrlässig verletzt hat, indem er der Beklagten nicht unmittelbar vor seinem Umzug diesen (erneut) angezeigt hat und damit der Tatbestand des § 48 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB X erfüllt ist. Eine grob fahrlässige Verletzung der Mitwirkungspflichten kann jedenfalls nicht eindeutig festgestellt werden. Auch nach Durchführung der Beweisaufnahme durch das Sozialgericht Detmold kann nicht mehr aufgeklärt werden, ob der Kläger seiner Sachbearbeiterin bei der Vorsprache am 26.10.2009 definitiv mitgeteilt hat, dass er zum 1.1.2010 nach Bielefeld ziehen werde, oder ob er bei diesem Termin lediglich angekündigt hat, dass er - wann auch immer - nach Bielefeld ziehen werde. Allein aus dem Umstand, dass die Zeugin L sich daran zu erinnern glaubt, auf einen Zettel die Telefonnummer des Jobcenters Bielefeld geschrieben zu haben folgt nicht, dass der Kläger hinreichend deutlich gemacht hat, dass der Umzug auf jeden Fall zum 1.1.2010 erfolgen werde. Dies gilt umso mehr, als der Kläger selbst erklärt hat, den von ihm am 22.10.2009 abgeschlossenen Mietvertrag in Bielefeld bei der Vorsprache am 26.10.2009 nicht vorgelegt zu haben. Allein aus der Kündigung des alten Mietverhältnisses mit Wirkung zum einen 31.12.2009 musste die Beklagte nicht schließen, dass der Umzug nach Bielefeld zum 1.1.2010 definitiv erfolgen werde, denn es war ihm nicht bekannt, dass der Kläger bereits eine neue Wohnung gefunden hat.

Unabhängig von dem Vorliegen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X liegen jedoch nach Überzeugung des Senates die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X vor. Ein Verwaltungsakt soll hiernach mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, wenn der Betroffene wusste oder, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat nicht wusste, dass er Leistungen zu Unrecht erhalten hat. Die erforderliche Sorgfalt verletzt jemand entsprechend dem Begriff der groben Fahrlässigkeit dann, wenn er das nicht tut, was jedem in der jeweiligen Situation einleuchten würde. Wenn er also nahe liegende und einfachste Überlegungen nicht anstellt. Maßgeblich sind hierbei die persönlichen Möglichkeiten und die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Urteil vom 23.7.2012 Az.: L 19 AS 566/12 mit weiteren Nachweisen (Rn. 53); Hessisches Landessozialgericht Urteil vom 5.12.2012 Az.: L 2 R 80/12).

Der Senat verkennt nicht, dass gegen das Vorliegen einer grob fahrlässigen Unkenntnis der rechtswidrigen Leistungsgewährung spricht, dass die Beklagte zwar mit der Bescheinigung vom 26.10.2009 die Übernahme der Kosten für den Umzug abgelehnt hat, jedoch entgegen der in der Bescheinigung ebenfalls als nichtübernahmefähig bezeichneten Kosten für Kaution und Unterkunft, diese Kosten letztendlich von dem Jobcenter Bielefeld in voller Höhe erstattet worden sind. Damit kann der Kläger zumindest geltend machen, dass die ihm in der Bescheinigung vom 26.10.2009 angekündigten Rechtsfolgen nicht eingetreten sind, so dass jedenfalls die Möglichkeit bestand, dass auch hinsichtlich der Übernahme von Umzugskosten eine andere Entscheidung durch die Beklagte getroffen worden ist.

Diese Argumentation des Klägers überzeugt jedoch nicht. Die Beklagte hat in der Bescheinigung vom 26.10.2009 eine klare Entscheidung dahingehend getroffen hat, dass die Zusicherung zum Umzug nicht erteilt wird, und damit auch die Folgekosten nicht übernommen werden können. Diese Bescheinigung muss der Kläger zunächst gegen sich gelten lassen, bis eine ausdrückliche anderweitige Regelung durch die Beklagte erfolgt. Allein der Umstand, dass das Jobcenter Bielefeld die Kaution und die Unterkunftskosten übernommen hat, lassen nicht den Rückschluss zu, die Beklagte werde ihre Rechtsauffassung ändern. Diesbezüglich hätte der Kläger jedenfalls die Verpflichtung gehabt, bei der Beklagten nachzufragen, als das Geld seinem Konto gutgeschrieben wurde. Soweit der Kläger vorträgt, er habe sich über den Geldeingang keine weiteren Gedanken gemacht, vermag dies nicht zu überzeugen. Er ist verpflichtet, die ihm gewährten Leistungen zur Kenntnis zu nehmen, entsprechende Bewilligungsbescheide zu lesen, und sich Klarheit über deren Inhalt zu verschaffen (BSG Urteil vom 01.07.2012 Az. B 13 R 77/09 R). Hierbei wäre ihm auf den ersten Blick aufgefallen, dass die Höhe der für Januar und Februar 2010 überwiesenen Gelder exakt der Höhe derjenigen Leistungen entsprach, die ihm mit Bescheid vom 29.9.2009 bewilligt worden sind und auch in den vergangenen Monaten überwiesen wurden. Da er der Beklagten gegenüber nach Lage der Akten zu keinem Zeitpunkt die Umzugskosten konkret beziffert hat, erschließt sich nicht, aus welchen Gründen er davon ausgegangen sein könnte, die übernahmefähigen Umzugskosten entsprächen exakt der Höhe der bisher bewilligten laufenden Leistungen. Durch sein Verhalten im Vorfeld des Umzuges (mehrfache Vorsprache bei der Beklagten und auch frühzeitige Information bei dem Jobcenter Bielefeld) hat der Kläger gezeigt, dass er zur Wahrung seiner Rechte grundsätzlich in der Lage ist und die entsprechenden Amtshandlungen der Behörden auch einfordert. Da dem Kläger bekannt war, dass mit seinem Umzug zum 1.1.2010 nach Bielefeld das dortige Jobcenter für die Leistungsgewährung zuständig ist, wäre es ihm möglich und zumutbar gewesen, die Hintergründe des Zahlungseinganges für die Monate Januar und Februar 2010 bei der Beklagten zu erfragen und die bestehende Divergenz zu der Bescheinigung vom 26.10.2009 aufzuklären. Auch nach dem persönlichen Eindruck, den der Senat in der mündlichen Verhandlung am 6.6.2013 von dem Kläger gewonnen hat, ist dieser nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten durchaus in der Lage behördliches Handeln zu erfassen und entsprechend einzuordnen. Der Kläger hätte somit, hätte er einfachste und nahe liegende Überlegungen angestellt, die Rechtswidrigkeit der Zahlungen für die Monate Januar und Februar 2010 erkennen können. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X liegen damit vor.

Ermessen war gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und § 48 Abs.1 Satz 2 SGB X nicht auszuüben.

Die Aufhebung ist auch binnen Jahresfrist des § 48 Abs.4 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 4 SGB X erfolgt. Die Beklagte hat am 16.2.2010 Kenntnis dem Umzug des Klägers erhalten und diesen mit Schreiben vom 16.2.2010 zu der Aufhebung angehört. Nach erfolgter Anhörung hat die Beklagte sodann mit Bescheid vom 15.3.2010 innerhalb der Jahresfrist seit Kenntnis der Tatsachen die Leistungen für die Monate Januar und Februar 2010 aufgehoben.

Die Rückforderung der Leistungen folgt aus § 50 SGB X und betrifft die bewilligten Leistungen in voller Höhe von monatlich 720,85 Euro, insgesamt 1440,70 Euro.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe die Revision nach § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

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Rechtskraft
Aus
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