Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 800/12 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 9/14 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Die Beklagte hat die Revision zurückgenommen
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Grundlagenbescheides II/2013 vom 28.03.2013 und des Korrekturbescheids I/2013 vom 15.04.2013 verurteilt, die vorläufige Höhe der Zuweisungen für das Jahr 2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu ermitteln. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert wird auf 2.500.000,- Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für das Jahr 2013 und in diesem Zusammenhang über die Berücksichtigung der Kosten verstorbener Versicherter.
Seit 1994 findet zum Ausgleich der unterschiedlichen Risikostrukturen zwischen den gesetzlichen Krankenkassen jährlich ein Risikostrukturausgleich (RSA) statt. Er zielt darauf ab, die finanziellen Auswirkungen von Unterschieden in der Verteilung der Versicherten auf nach Alter und Geschlecht getrennte Versichertengruppen und Morbiditätsgruppen zwischen den Krankenkassen auszugleichen.
Die gesetzlichen Regelungen der §§ 266 ff Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sehen seit dem 1.1.2009 vor, die Versichertengruppen und die Gewichtungsfaktoren nach Klassifikationsmerkmalen zu bilden, die zugleich die Morbidität der Versicherten unmittelbar berücksichtigen (so genannter Morbi-RSA). Die zur Bestimmung der Einzelheiten ergangene Regelung des § 31 Risikostrukturausgleichsverordnung (RSAV) macht dazu in Abs. 1 nähere Vorgaben für das Versichertenklassifikationsmodell (u.a. Begrenzung auf 50-80 Krankheiten) und regelt in Abs. 2 und 3 die Berufung eines Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesversicherungsamt (BVA), der Vorschläge für die Anpassung eines Klassifikationsmodells an die GKV und dessen Weiterentwicklung erarbeiten soll. Gemäß Abs. 4 legt das hierzu ermächtigte BVA auf der Grundlage dieser Empfehlung die zu berücksichtigenden Krankheiten, die aufgrund dieser Krankheiten zugrundezulegenden Morbiditätsgruppen, den Algorithmus für die Zuordnung der Versicherten zu den Morbiditätsgruppen, das Regressionsverfahren zur Ermittlung der Gewichtungsfaktoren und das Berechnungsverfahren zu Ermittlung der Risikostrukturzuschläge nach Anhörung der Spitzenverbände der Krankenkassen fest und gibt diese Festlegungen in geeigneter Weise bekannt. Das Festlegungsverfahren ist dokumentiert auf der Homepage des BVA unter "Risikostrukturausgleich" - "Festlegungen".
Die dem Risikostrukturausgleich dienenden Zuschläge für alle Risikogruppen werden dabei durch ein für den Morbi-RSA in § 34 Abs. 1 Satz 1 RSAV vorgeschriebenes Regressionsverfahren ermittelt. Mittels dieses statistischen Verfahrens wird der quantitative Zusammenhang zwischen einer oder mehreren unabhängigen Variablen und einer abhängigen Variablen ermittelt. Die Ausgaben je Versichertem bilden die abhängige Variable, während die Zuordnung der Versicherten zu den Risikogruppen die unabhängige Variable bildet. Die sich ergebenden Regressionskoeffizienten sind als Anteile an den Ausgaben eines Versicherten zu interpretieren, die der jeweiligen Risikogruppe zugerechnet werden können. Sie werden als Jahreswerte ermittelt; da aber Zuweisungen taggenau (je Versichertentag) zugewiesen werden, werden die ermittelten Regressionskoeffizienten durch 365 geteilt. Da im Regressionsverfahren jeder Versicherte unabhängig von der Dauer der Versicherung gleichwertig berücksichtigt wird, also die Ausgaben für einen Versicherten, der nur einen Tag versichert war, ebenso in die "Durchschnittsbildung" eingehen wie die Ausgaben für einen ganzjährig Versicherten, wird in der internationalen Gesundheitsökonomie empfohlen, zur Vermeidung einer Unterschätzung der Ausgaben die Ausgaben von Versicheren mit unvollständigen Versichertenepisoden vor Durchführung der Regression auf das Gesamtjahr hochzurechnen (annualisieren) und im Gegenzug bei der Durchführung des Regressionsverfahrens mit dem Kehrwert des Hochrechnungsfaktors der Annualisierung zu gewichten.
Das BVA hat in den Festlegungen vom 03.07.2008 für das Ausgleichsjahr 2009 dieses Verfahren zwar grundsätzlich angewandt, jedoch nicht im Falle der im Ausgleichsjahr Verstorbenen. Deren Ausgaben werden nicht annualisiert und gehen auch nicht in die Regression abgewichtet ein. Vielmehr erhalten diese Ausgaben das Gewicht 1, werden also so behandelt, als seien sie im Gesamtjahr angefallen. Auf diese Weise gehen die Ausgaben der im Ausgleichsjahr Verstorbenen nur zur Hälfte in die Berechnung der Zuschläge für die jeweilige Risikogruppe eingehen, da solche Versicherte statistisch gesehen im Durchschnitt in der Jahresmitte verstorben sind. Zum Ausgleich werden über einen Korrekturfaktor die Zuschläge aller Risikogruppen proportional angehoben.
Zur Begründung hatte das BVA in den Erläuterungen zum Entwurf, der zur Anhörung gestellt worden war, ausgeführt, hinsichtlich der Ausgaben von Versicherten mit unvollständigen Versichertenepisoden seien verschiedene Varianten im Hinblick auf die Prognosegüte des Modells verglichen worden. Dabei sei man zu dem Ergebnis gelangt, die Ausgaben der unterjährig Versicherten mit Ausnahme der Verstorbenen auf das Jahr hochzurechnen und die Versicherten in der Regression durch ein Gewicht, das dem Kehrwert des Annualisierungsfaktors entspreche, zu gewichten. Die Ausgaben Verstorbener würden nicht annualisiert, da es ansonsten zu einer Überschätzung der Ausgaben käme. In der Anhörung hatten keine der sich äußernden Kassen und keiner ihrer Verbände diesem Vorgehen widersprochen.
In den Folgejahren hielt das BVA an dem Berechnungsverfahren fest, obwohl ein Teil der Kassen die Annualisierung auch der Ausgaben der Verstorbenen gefordert und sich auch der Wissenschaftliche Beirat für eine entsprechende Änderung des Verfahrens ausgesprochen hatte. Das BVA wies zuletzt im Zusammenhang mit den Festlegungen für 2012 darauf hin, im Hinblick auf die in Auftrag gegebene Evaluation des Jahresausgleichs 2009 solle diese Frage im größeren Kontext der Weiterentwicklung des RSA diskutiert werden.
In dem "Evaluationsbericht zum Jahresausgleich 2009 im Risikostrukturausgleich" von Drösler et. al. (Evaluationsbericht) vom 22.06.2011 wird festgestellt, dass es infolge der fehlenden Annualisierung zu einer systematischen Überdeckung jüngerer Altersgruppen und Unterdeckung älterer Altersgruppen komme, ebenso zu Überdeckungen bei Krankheiten mit geringer Mortalität und Unterdeckungen bei Krankheiten mit höherer Mortalität. Eine Annualisierung auch der Ausgaben Verstorbener beseitige diese Über- und Unterdeckungen und führe auch auf Kassenebene zu zielgenaueren Zuweisungen.
Im Verfahren der Festlegungen für 2013 forderte der Wissenschaftlichen Beirat unter dem 24.06.2012 das BVA auf, das Regressionsverfahren zur Berechnung der Gewichtungsfaktoren umzustellen und künftig als abhängige Variable für alle Versicherten die Leistungsausgaben je Kalendertag zu verwenden. Zu diesem Zweck seien für alle Versicherten die tatsächlichen Leistungsausgaben durch die Versichertentage zu dividieren. Eine gesonderte Behandlung von Versicherten mit unvollständigen Versichertenzeiten sei in diesem Verfahren nicht länger erforderlich. In der Regression sei für alle Versicherten eine Gewichtung vorzunehmen, bei der die Versichertentage durch 365 dividiert würden. Der Wissenschaftliche Beirat führte dazu aus, das gegenwärtig durchgeführte Regressionsverfahren sei fehlerhaft, das Evaluationsgutachten habe gezeigt, dass das Vorgehen zu erheblichen Fehlzuweisungen für bestimmte Versichertengruppen führe. Daher solle das BVA ein Regressionsverfahren verwenden, bei dem eine gesonderte Behandlung von Versicherten mit unvollständigen Versichertenzeiten nicht mehr erforderlich sei. Das vorgeschlagene Verfahren sei funktional äquivalent zu einem dem internationalen Standard der Gesundheitsökonomie entsprechenden Hochrechnungsverfahren der Leistungsausgaben von Versicherten mit unvollständigen Versicherungszeiten, das der wissenschaftliche Beirat ebenfalls für geeignet erachte. Das BVA führte dazu aus, bislang habe man eine Änderung des Verfahrens aufgrund der anhaltenden Sachverhaltsermittlung und Diskussionen nicht vorgenommen. Der Evaluationsbericht zeige auf, dass das gegenwärtige Vorgehen zu signifikanten Verzerrungen führe. Der RSA schaffe es in der derzeitigen Gestaltung nicht mehr, die auf dem Faktor Alter beruhenden Ausgabenunterschiede vollständig auszugleichen, es komme vielmehr zu systematischen Über- und Unterdeckungen. Es sei beabsichtigt, der Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats zu folgen. Das vorgeschlagene Vorgehen sei sachgerecht. Der Vorschlag des Beirats führe rechnerisch zu denselben Ergebnissen wie eine Annualisierung der Ausgaben Verstorbener. Dieses Vorgehen mache deutlich, dass es keineswegs um die Schaffung eines "fiktiven Behandlungsbedarfs" gehe, wie die Kritiker des Vorgehens argumentierten, sondern vielmehr um die richtige Zurechnung von Ausgaben zu den Risikogruppen. Bislang würden die Gewichtungsfaktoren als Jahreswerte ermittelt. Die Umrechnung auf Zu- und Abschläge je Tag erfolge durch eine Division mit der Zahl der Kalendertage im Jahr. Diese Division sei aber nur richtig, wenn sich die Größe im Zähler auch auf ein volles Jahr bezöge. Daher bestehe die sachliche Notwendigkeit einer Annualisierung der Ausgaben. Würden die Gewichtungsfaktoren auf der Basis von Pro-Tag-Werten ermittelt, entfalle die Notwendigkeit einer Annualisierung. Alle Versicherten mit unvollständigen Versichertenepisoden gingen im Nenner mit ihren tatsächlichen Versichertentagen und im Zähler mit ihren tatsächlichen Ausgaben ein. Das BVA halte die Umsetzung der Empfehlung des wissenschaftlichen Beirats "angesichts der sich verdichtenden Faktenlage" für sachlich und rechtlich geboten.
Im Anhörungsverfahren erfolgten kontroverse Stellungnahmen von Krankenkassen und -verbänden zu der beabsichtigten Änderung der Regressionsberechnung. Dabei wurde u.a. geltend gemacht, in dem Evaluationsbericht würden noch weitere Unschärfen des RSA benannt; angesichts des mit der Änderung verbundenen Umverteilungsvolumens von mehreren 100 Millionen Euro sei die isolierte Neuregelung abzulehnen und solle erst im Zuge einer breit angelegten Revision der Schwachstellen des derzeitigen RSA erfolgen. Der GKV-Spitzenverband hielt die Änderung rechtlich nicht für notwendig. In der Sache werde der vom Wissenschaftlichen Beirat identifizierte Korrekturbedarf in Übereinstimmung mit der weit übereinstimmenden Mehrheit seiner Mitglieder grundsätzlich anerkannt. Es bestünden allerdings unterschiedliche Auffassungen darüber, wie mit diesem Korrekturbedarf umgegangen werden solle. Einerseits werde gefordert, "offenkundige Fehler" umgehend zu beseitigen, andererseits werde eine Veränderung nur im Gesamtpaket als sinnvoll angesehen. Da jede Veränderung Gewinner und Verlierer zur Folge habe, müsse sich der GKV-Spitzenverband zu dieser Frage wettbewerbsneutral verhalten.
Mit Schreiben vom 31.08.2012 hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) auf der Grundlage des § 94 Abs. 2 Satz 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) das BVA angewiesen, das Berechnungsverfahren zum Umgang mit unvollständigen Versichertenepisoden für das Ausgleichsjahr 2013 nicht zu ändern. Das BVA hat daher in den Festlegungen vom 28.09.2012 an dem bisherigen Berechnungsverfahren festgehalten und verzichtet allein bei unterjährig Verstorbenen auf die ansonsten durchgeführte Annualisierung bei unvollständigen Versichertenepisoden.
Mit Bescheid vom 15.11.2012 erließ die Beklagte auf der Grundlage der Festlegungen vom 28.09.2012 den Grundlagenbescheid I/2013 an die Klägerin, mit dem sie die kassenindividuellen Werte für die monatlichen Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds festlegte.
Die Klägerin hat aus diesem Grund am 12.12.2012 gegen den Grundlagenbescheid I/2013 Klage erhoben, die sie auf die im Laufe des Verfahrens ergangenen weiteren Grundlagen-, Zuweisungs- und Korrekturbescheide erweitert hat. Die Festlegungen der Beklagten wiesen einen logisch-mathematischen Fehler auf, der allein die Klägerin jährlich rechtswidrig mit 73 Millionen EUR belaste. Aufgrund der Weisung des BMG sei eine Annualisierung der Ausgaben von im Ausgleichsjahr verstorbenen Versicherten - anders als bei allen anderen Versicherten mit unvollständigen Versichertenepisoden - unterblieben. Dies widerspreche den wiederholten und seit langem bekannten Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats und inzwischen sogar der eigenen fachlichen Einschätzung des BVA. Wie die Evaluation für das Ausgleichjahr 2009 durch den Wissenschaftlichen Beirat ergeben habe, führe dies zu einer Unterdeckung der Ausgaben ab einem Lebensjahr von 60 Jahren bei männlichen und 70 Jahren bei weiblichen Versicherten und damit zu einer gesetzeswidrigen Begünstigung der Risikoselektion anhand des Merkmals Alter. Dadurch würden Krankenkassen mit überdurchschnittlich vielen alten Versicherten benachteiligt und solche mit jüngeren Versicherten begünstigt. Die aufgrund der Festlegungen des BVA zu niedrigen Zuweisungen für alte und kranke Versicherte verstießen gegen die höherrangigen gesetzlichen Vorgaben von § 266 Abs. 1 S. 2 SGB V und § 31 Abs. 1 RSAV. Sie verfehlten die gesetzliche Zielsetzung des Risikostrukturausgleichs, die unterschiedlichen Risiken aufgrund von Alter, Geschlecht und Morbidität zwischen den Krankenkassen auszugleichen und erzeugten umgekehrt entgegen § 31 Abs. 1 RSAV Anreize zur Risikoselektion. Die Festlegungen seien als verwaltungsinterne Vorbereitungshandlungen im Rahmen der Überprüfung der darauf beruhenden Bescheide gerichtlich vollständig auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Hinreichende normative Ansatzpunkte für die Einräumung eines gerichtlich nur eingeschränkt kontrollierbaren Beurteilungsspielraums seien dem SGB V nicht zu entnehmen. Selbst wenn man die Festlegungen - aus Sicht der Klägerin zu Unrecht - als so genannte normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften qualifizierten wollte, ändere dies nichts an ihrer Rechtswidrigkeit, weil Rechenfehler und die Verwendung nicht anerkannter Berechnungsmethoden stets zur Rechtswidrigkeit des behördlichen Handelns führten.
Der logisch-mathematische Fehler der Festlegungen werde auch nicht dadurch ausgeglichen, dass unter Umständen weiterer Änderungsbedarf bestehe oder möglicherweise sogar andere Regelungen ebenfalls rechtswidrig seien. Für die in diesem Zusammenhang diskutierten Krankengeldzuweisungen bestehe noch erheblicher Forschungsbedarf. Zudem betreffe dieser Komplex nicht die Ebene der Festlegung durch das BVA, sondern die RSAV selber. Auch könnten selbst weitere Rechtswidrigkeiten einen feststehenden Fehler nicht beseitigen - erst recht nicht, wenn es keine Anhaltspunkte für eine gegenseitige Neutralisierung der Fehlerwirkungen gebe. Die Festlegungen für das Ausgleichsjahr 2013 seien auf jeden Fall rechtswidrig, weil spätestens mit dem Abschlussbericht des Beirats vom 22.06.2011 ein Erkenntnisstand erreicht worden sei, der eine Änderung im Rahmen der erst über 15 Monate später am 28.09.2012 erlassenen Festlegungen zwingend geboten habe.
Die Klägerin beantragt,
den Grundlagenbescheid II/2013 vom 28.03.2013 und den Korrekturbescheid I/2013 vom 15.04.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die vorläufige Höhe der Zuweisungen für das Jahr 2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu ermitteln.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Berechnung der Zuweisungen im angegriffenen Grundlagenbescheid sei ebenso wie die zu Grunde liegenden Festlegungen für das Ausgleichsjahr 2013 rechtmäßig. Hinsichtlich der Festlegungen stehe dem BVA ein Konkretisierungs- bzw. Entscheidungsspielraum eigener Art zu, der sich nicht ohne weiteres in die herkömmlichen Kategorien der Ermessensverwaltung einordnen lasse. Von diesem Spielraum, der durch eine zulässige fachaufsichtliche Einzelweisung durch das BMG ausgefüllt worden sei, habe das BVA daher rechtmäßig Gebrauch gemacht und aus Zweckmäßigkeitsgründen von einer Änderung der Festlegungen abgesehen. Das BVA müsse zwar den aktuellen Stand der Wissenschaft berücksichtigen, sei aber nicht zu einer automatischen Umsetzung der Empfehlungen seines Wissenschaftlichen Beirats verpflichtet. Der Festlegungsprozess sei ausdrücklich als ein konsensorientiertes Zusammenwirken mehrerer Beteiligter konzipiert. Bei der breit gefächerten Diskussion zur Berücksichtigung unvollständiger Versichertenepisoden hätten sich indes die Anhörungspartner des BVA stets äußerst kontrovers positioniert; der GKV-Spitzenverband habe kein einheitliches Votum abgegeben. Von einer Änderung des Berechnungsverfahrens habe das BVA daher abgesehen, weil im Interesse der erforderlichen Akzeptanz der immer noch kontrovers diskutierten Änderung unter den beteiligten Krankenkassen eine Überarbeitung in einem größeren, übergreifenden Kontext vorzunehmen sei. Einseitige Verfahrenskorrekturen führten zu finanziellen Verschiebungen, die Einfluss auf den Wettbewerb hätten. Der von der Klägerin bezifferte Betrag von 73 Millionen Euro werde nicht bestritten, sei jedoch in Relation zur weitaus größeren Summe der an sie erfolgten Gesamtzuweisungen etwa von 6,244 Milliarden Euro (im Ausgleichjahr 2011) zu setzen.
Der Senat hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 04.07.2013 Professor Dr. K. X., Universität E.-F. als Sachverständigen gehört. Der Sachverständige hat u.a. ausgeführt: Der Evaluationsbericht habe ergeben, dass zwar gegenüber dem Alt-RSA Fortschritte gemacht worden sind. Die Berechnungen des Beirats mit einer Annualisierung hätten aber gezeigt, dass sich dadurch noch Verbesserungen ergeben. Es habe sicher schon vor dem Evaluationsbericht Indizien für die Unrichtigkeit der Berechnung des BVA gegeben, durch die systematische Aufbereitung der Daten und deren Untersuchung im Evaluationsbericht sei aber eine noch sicherere Datenbasis für die Beurteilung geschaffen worden. Im Evaluationsbericht seien erstmals Echtdaten aus dem Jahre 2009 mit dem Modell verglichen worden. Es handele sich im Gegensatz zu früheren Berechnungen um die erstmalige Überprüfung anhand der realen Daten, hinsichtlich der Evidenz biete der Evaluationsbericht eine Kategorie mehr. Er kenne die Berechnung des BVA nicht, wolle aber nicht ausschließen, dass dessen Berechnung damals für die Kennziffer R² ein schlechteres Ergebnis erbracht habe. Insoweit gebe es bei statistischen Berechnungsmethoden häufig Zielkonflikte, bei denen es nicht um "schwarz" oder "weiß" gehe. Vielmehr müsse man sich dann entscheiden, welchen Wert man für bedeutender hält. Hinsichtlich der Annualisierung gelte das nicht mehr für den Zeitpunkt nach Vorlage des Evaluationsberichts. Nach dem Evaluationsbericht hätten sich alle statistischen Kennziffern bei einer Annualisierung verbessert, so dass er es jetzt für eindeutig halte, dass entsprechend zu verfahren sei. Der Fehler durch die unterbliebene Annualisierung könne - anders als andere vom Evaluationsbericht aufgezeigte Defizite des RSA etwa beim Krankengeld - durch eine Änderung der Berechnungsformel beseitigt werden. Bezüglich der Ausführungen des Sachverständigen im Einzelnen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 04.07.2013 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Gegenstand des Verfahrens bilden noch der Grundlagenbescheid II/2013 sowie der Korrekturbescheid I/2013 der Beklagten, auf die die Klägerin ihre Klage zuletzt zulässigerweise beschränkt hat. Der zunächst ebenfalls mit der Klage angegriffene Grundlagenbescheid I/2013 ist durch den Grundlagenbescheid II/2013 im Sinne von § 96 Sozialgerichtgesetz (SGG) vollständig ersetzt worden. Nach § 266 Abs. 6 Satz 2 SGB V erhalten die Krankenkassen monatliche Zuweisungen, die auf der Grundlage der vorläufig festgestellten Werte ergehen (Satz 1 a.a.O., § 39 Abs. 2 Satz 1 RSAV). Die kassenindividuellen Zuweisungsgrundlagen werden in sogenannten Grundlagenbescheiden festgestellt; auf diesen kassenindividuellen Werten basieren die monatlichen Zuweisungsbescheide, mit denen - angepasst an die aktuellsten Versichertenzahlen - die monatlichen Zuweisungen festgesetzt werden. Die im ersten Grundlagenbescheid festgestellten Werte werden nachfolgend drei Mal zu bestimmten Terminen (§ 39 Abs. 2 Satz 1 RSAV) durch neu ermittelte Werte ersetzt, die dann jeweils Grundlage sowohl der bis dahin geleisteten (§ 39 Abs. 3 Satz 4 RSAV) als auch der bis zur nächsten Anpassung gezahlten Zuweisungen werden. Durch einen Korrekturbescheid erfolgt nach § 39 Abs. 3a RSAV die Anpassung der bislang geleisteten Zuweisungen an die die neu ermittelten Werte (s. dazu eingehend Sichert/Göpffarth, SGb 2010, 394, 395 ff.).
Die monatlichen Zuweisungsbescheide der Beklagten für das Ausgleichsjahr 2013 sind lediglich akzessorische Umsetzungen des genannten Grundlagen- bzw. Korrekturbescheids und hängen in ihrem rechtlichen Bestand vollständig davon ab. Die Beklagte hat diesem Umstand durch ihre in der mündlichen Verhandlung erneuerte Verpflichtung Rechnung getragen, im Fall einer Änderung des angefochtenen Grundlagenbescheids auch die darauf aufbauenden Zuweisungsbescheide aufzuheben. Sie brauchten deshalb nicht mehr zum Verfahrensgegenstand gemacht werden.
2. Die Klage ist mit dem beschriebenen Streitgegenstand zulässig.
Sie bedurfte gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGG keines Vorverfahrens und ist bei dem nach § 29 Abs. 3 Nr. 1 SGG funktionell zuständigen Gericht erhoben worden. Die Klägerin durfte ihre mit dem Aufhebungsantrag verbundene und letztlich auf höhere Zuweisungen für Leistungsausgaben zielende Verpflichtungsklage (vgl. BSG SozR 4-2500 § 266 Nr. 2 Rdn. 16 (unter Verweis auf § 54 Abs. 4 SGG)) auf die Verpflichtung zur Neubescheidung beschränken. Mit dem angefochtenen Verwaltungsakt hat das BVA zwar eine gebundene Entscheidung getroffen, denn die Höhe der Zuweisungen steht nicht im Ermessen der Beklagten. Der Klägerin ist jedoch eine Konkretisierung der von ihr beanspruchten Zuweisungshöhe gegenwärtig nicht möglich, weil die Auswirkungen der von ihr angenommenen Unwirksamkeit der Festlegungen des BVA von ihr nicht zu beziffern sind.
II. Die Klage ist begründet, weil die angefochtenen Bescheide rechtswidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen. Die Festlegungen der Beklagten nach § 31 Abs. 4 RSAV für das Ausgleichsjahr 2013, die diesen Bescheiden zu Grunde liegen und von ihnen für den Einzelfall der Klägerin umgesetzt werden, verstoßen wegen ihres Verzichts auf die Annualisierung der Kosten unterjährig verstorbener Versicherter gegen § 266 Abs. 1 Satz 2, § 268 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V i.V.m. § 31 RSAV. Sie verfehlen insbesondere das von diesen Vorschriften formulierte zentrale Gesetzesziel, bei der Ausgestaltung des nach § 266 Abs. 1 Satz 2 SGB V durchzuführenden RSA zwischen den gesetzlichen Krankenkassen Anreize zur Auswahl ihrer Versicherten nach Morbidität (Risikoselektion) zu verringern (dazu 1.). Diese Rechtswidrigkeit der Festlegungen teilt der angefochtene Bescheid. Auf einen gerichtlich nicht voll nachprüfbaren Entscheidungsspielraum eigener Art kann die Beklagte sich insoweit nicht berufen; ebenso wenig durfte aus sonstigen Gründen von der Änderung des Berechnungsverfahrens abgesehen werden. (dazu 2.).
1. a) Bei den Festlegungen des BVA handelt es sich um außenverbindliche Rechtssätze, die in ihrer Funktion einer zwischengeschalteten Regelungsebene (vgl. Gerhard, NJW 1989, S. 2233, 2236) zwischen Gesetz bzw. Verordnung und Verwaltungsakt weitgehend den im Umweltrecht anerkannten normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften entsprechen (vgl. im einzelnen Senat, Urteil vom 06.06.2013 - L 16 KR 24/09 KL, juris Rn. 72 ff.). Der Verordnungsgeber hat dem BVA daher beim Erlass dieser Festlegungen in einem begrenzten Umfang eine Befugnis zur letztverbindlichen Entscheidung (vgl Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 19 Abs. 4 Rn. 180 m.w.N.) eingeräumt. Sie ergibt sich aus dem gesetzgeberischen Auftrag an die Verwaltung, für den RSA im Ausland vorhandene Modelle unter Beachtung des Stands der Gesundheitswissenschaft auf deutsche Verhältnisse zu übertragen, zu diesem Zweck Regeln für einen funktionsfähigen Risikostrukturausgleich aufzustellen und diese jährlich im Sinne eines auf ständige Überprüfung und Verbesserung angelegten lernenden Systems neu zu justieren (vgl. Senat, Urteil vom 06.06.2013 - L 16 KR 24/09 KL, juris Rn. 74; vgl. BT-Drs. 16/3100, 205 sowie BT-Drs. 14/6432, 15). Der Gesetzgeber hat damit auf außerrechtliche, d.h. gesundheitsökonomische Vorgaben Bezug genommen, über die anfangs für das deutsche Gesundheitssystem noch kein abgesicherter Konsens und keine ausreichenden Erfahrungen bestanden. Dadurch hat er das Modell des RSA insoweit als unvollständig sowie ergänzungsbedürftig angelegt und es so einer Ausgestaltung und Implementierung durch die vollziehende Gewalt geöffnet, die allerdings nur innerhalb der Bandbreite des wissenschaftlichen Meinungsspektrums erfolgen darf. Denn der Gesetzgeber hat sich bei den Regelungen des RSA auf das Beispiel gesundheitsökonomischer Modelle aus dem Ausland bezogen und die Berücksichtigung wissenschaftlichen Sachverstands insbesondere durch den Wissenschaftlichen Beirat beim BVA institutionalisiert (vgl. Senat, Urteil vom 06.06.2013 - L 16 KR 24/09 KL, juris Rn. 74 sowie BVerfGE 113,167,264).
Das für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidende Verfahren der Regressionsanalyse hat der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang sogar nur als untergeordnete technische Festlegung (BT-Drs. 16/3100, 205) angesehen. Sie ist damit den maßgeblichen und in erheblich höherem Maße wertungsoffenen Entscheidungen des Klassifikationsmodells etwa über die Auswahl der zu berücksichtigenden Krankheiten (vgl. dazu Senat, Urteil vom 06.06.2013 - L 16 KR 24/09 KL, juris Rn. 83) nachgeordnet. Bereits dies engt die Konkretisierungsbefugnis der Verwaltung etwa im Vergleich zum Kern des Klassifikationsmodells weitgehend ein.
Der genannte gesetzgeberische Optimierungsauftrag und die für die Legitimation normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geforderte Partizipation einschlägigen Sachverstands (vgl. Senat, Urteil vom 06.06.2013 - L 16 KR 24/09 KL, juris Rn. 74) beschränken noch zusätzlich den behördlichen Entscheidungsspielraum. Das Ausgleichsverfahren ist auch für die Sachgerechtigkeit des Berechnungsverfahrens auf wissenschaftlichen Sachverstand, empirische Forschung und Statistik angewiesen (Schmehl in:Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 39 Rn. 72). Das BVA darf daher mit seinen Festlegungen weder die anerkannten Standards der Gesundheitswissenschaft noch die zu ihrer Umsetzung erforderlichen Regeln der Versicherungsmathematik und der Statistik verletzen. Seine fachlichen Festlegungen müssen vielmehr wissenschaftlichen Anforderungen an eine sachgerechte Ausgestaltung der direkten Morbiditätsorientierung des RSA entsprechen (vgl. Senat, Urteil vom 06.06.2013 - L 16 KR 24/09 KL, juris Rn. 74) und insoweit stets dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt Rechnung tragen. Dies gilt von dem Zeitpunkt an, in dem die Festlegungen - wie hier - das von Gesetz und Verordnung vorgesehene, für allgemeine Verwaltungsvorschriften charakteristische dialogische Verfahren zur Wissenserzeugung ordnungsgemäß durchlaufen haben (vgl. zu dieser zeitlichen Zäsur Urteile des Senats vom 04.07.2013 - L 16 KR 646/12 KL und L 16 KR 756/12 KL zum Ausgleichsjahr 2012). Das Gericht kann die genannten wissenschaftlichen Standards und Regeln jedenfalls für das vorliegend streitige Verfahren der Regressionsanalyse mit sachverständiger Hilfe feststellen und ihre korrekte Anwendung beim Erlass der Feststellungen durch das BVA überprüfen (vgl. BVerwGE 107,338, 341). Deshalb liegt keine Konstellation vor, bei der die entscheidende Behörde aufgrund persönlichen Eindrucks, besonderer Erfahrung oder nicht ersetzbarer Sachkunde für die Beurteilung außerrechtlicher Gesichtspunkte vorrangig berufen erscheint, um verbindliche Qualifikationen vorzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 27.01.1977 - 12 RAr 83/76, juris Rn. 19 m.w.N.; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 54 Rn. 31c m.w.N.). Insbesondere eine nur eingeschränkt überprüfbare Fachkompetenz des BVA, die externem Sachverstand durch ein vom Gericht eingeholtes Sachverständigengutachten nicht zugänglich wäre, etwa wegen besonderer Komplexität der fachlichen Wertungszusammenhänge, ist nicht ersichtlich (vgl. Gerhard in: Schoch/Schneider/Bier/, VwGO, § 114 Rn. 60 m.w.N. sowie BVerfG, Beschluss vom 22.10.1991 - 1 BvR 393/85,1 BvR 610/85, juris Rn. 76 f.).
b) Gemessen an diesen Vorgaben sind die Festlegungen des BVA für den Jahresausgleich 2013 und damit auch die darauf gestützten Bescheide vom 28.03.2013 und vom 15.04.2013 rechtswidrig. Im Evaluationsbericht vom 22.06.2011 sind die Auswirkungen eines Verzichts auf die unterlassene Annualisierung untersucht worden (Evaluationsbericht S. 61 und S. 142 ff.). Der Wissenschaftliche Beirat hat festgestellt, dass in Risikogruppen mit einem hohen Anteil Verstorbener ein größerer Anteil der Ausgaben fehle, als durch die proportionale Anhebung kompensiert werde. Umgekehrt würden in Risikogruppen mit einem unterdurchschnittlichen Anteil Verstorbener die wenigen fehlenden Ausgaben durch die proportionale Anhebung überkompensiert. Die Folge seien Überdeckungen in jungen Altersgruppen und Unterdeckungen in höheren Altersgruppen, Überdeckungen bei Krankheiten mit geringer Mortalität und Unterdeckungen bei Krankheiten mit hoher Mortalität, aber auch übermäßige Überdeckungen bei Kassenwechslern, Überlebenden oder Kostenerstattern. Bei einer Annualisierung auch der Ausgaben Verstorbener verbesserten sich die Gütemaße zur Messung der Zielgenauigkeit der Zuweisungen auf der Individualebene; auch auf der Ebene von Gruppen von Versicherten ergäben sich durchweg Verbesserungen der Zielgenauigkeit. Auf der Ebene der Krankenkassen komme es überwiegend zu einer Verbesserung der Zielgenauigkeit, allerdings sei das Ergebnis nicht einheitlich. Die im Jahresausgleich 2009 beobachtete Tendenz von mit der durchschnittlichen Kassenmorbidität zunehmenden Unterdeckungen würde vollständig beseitigt. Dieses Ergebnis hat der Sachverständige Prof. Dr. X. in der mündlichen Senatsverhandlung für den Senat überzeugend bestätig; nach seiner Darstellung widerspricht das vom BVA in den Festlegungen für das Ausgleichsjahr 2013 praktizierte Regressionsverfahren eindeutig und nach jeder Betrachtungsweise dem Stand der internationalen Gesundheitswissenschaft, indem es - anders als bei allen anderen Versicherten mit unvollständigen Versichertenepisoden - auf eine Annualisierung der Kosten ausschließlich bei unterjährig verstorbenen Versicherten verzichtet. Zwar hatte das BVA im Rahmen der Festlegungen für das Jahr 2009 bei seinen Untersuchungen der Frage, wie die Ausgaben von Versicherten, die nicht im ganzen Ausgleichsjahr versichert waren, im Regressionsverfahren behandelt werden sollten, auf der Grundlage der Daten aus 2005 für die Variante ohne Annualisierung einen geringfügig besseren Wert für die Prognosegüte des Modells errechnet. Der Sachverständige hat insoweit eingeräumt, dass der Wert seinerzeit ohne Annualisierung etwas besser gewesen sein möge, die Berechnungen mit den Daten aus 2009 ergäben aber jetzt mit Annualisierung bei allen statistischen Kennziffern eindeutig bessere Werte, so dass kein Zielkonflikt mehr bestehe. Der Evaluationsbericht hat nach der ebenfalls überzeugenden Einschätzung des Sachverständigen eine sichere empirische Grundlage für die Beurteilung der Berechnungsmethode des BVA als fehlerhaft geliefert, indem er die verfälschenden Auswirkungen der fehlenden Annualisierung erstmals anhand realer Daten aus dem deutschen Gesundheitssystem nachgewiesen hat. Das hat das BVA in seinem Entwurf der Festlegungen auch eingeräumt.
Diese Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie unter anderem hinsichtlich des von § 31 Abs. 4 Satz 1 RSAV genannten Regressionsverfahrens den Stand der Gesundheitsökonomie widerspiegelt, den die Festlegungen bei der Ausgestaltung des Klassifikationsmodells zugrundezulegen haben (Senat, Urteil vom 06.06.2013 - L 16 KR 24/09 KL, juris Rn. 74).
Aufgrund der beschriebenen Auswirkungen setzt das Regressionsverfahren in seiner gegenwärtig vom BVA angewendeten Form genau die Anreize zur Risikoselektion, die der Gesetzgeber unbedingt vermeiden wollte. § 268 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V definiert es als eines, wenn nicht das maßgebliche Ziel des RSA, Anreize zur Risikoselektion zu verringern (vgl. auch BT-Drs. 16/3100, 204). Die dem BVA übertragene Weiterentwicklung des RSA sollte ein Interesse der Krankenkassen daran, bestimmte Versicherte nicht in ihre Versichertengemeinschaft aufzunehmen bzw. zu behalten, nach der Vorstellung des Gesetzgebers sogar ganz ausschließen (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 268 SGB V, BT-Drs. 14/6432, 14). Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass es für den RSA wichtig sei, wie sich das Berechnungsverfahren auf ex ante identifizierbare Versichertengruppen auswirkt. Es liegt auf der Hand, dass Selektionsanreize bestehen, wenn bekannt ist, dass jüngere Altersgruppen Überdeckungen und umgekehrt ältere Altersgruppen Unterdeckungen aufweisen, weil es damit für die Kassen "lukrativ" ist, gezielt um die Versicherten mit Überdeckungen zu werben. Ebenso leuchtet der Hinweis des Sachverständigen ein, dass aus gesundheitsökonomischer Sicht speziell für Gruppen mit chronischen Krankheiten eine möglichst 100-prozentige Deckung erreicht werden solle, damit für die Kassen beim Versorgungsmanagement ein Anreiz bestehe, spezielle Angebote für diese Versicherten zu machen. Demgegenüber gestaltet das vom BVA praktizierte Verfahren den Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen anhand des Parameters Morbidität zum Teil in einer Weise, die der erklärten Absicht des Gesetzgebers zuwiderläuft.
Gegen die Annualisierung der Ausgaben Verstorbener spricht auch nicht das Argument, es komme dadurch zu einer Überschätzung der Ausgaben Verstorbener. Nicht nur hat der Sachverständige diesen Einwand als unbegründet und interessengeleitet bezeichnet, vor allem zeigen die Berechnungen im Evaluationsbericht, dass es bei einer Annualisierung zu einer Verbesserung der Deckungsquoten nicht nur bei den Altersgruppen, sondern auch bei Morbiditätsgruppen mit hoher Mortalität kommt (s. Tabelle 54 des Evaluationsberichts). Selbst wenn daher durch die Hochrechnung höhere Kosten als die durchschnittlichen Kosten der im Dezember eines Jahres Verstorbenen berücksichtigt würden (s. die Stellungnahme der Siemens BKK im Anhörungsverfahren, S. 3 f), spräche dies nicht gegen die Annualisierung, da die mit dem Verzicht auf die Hochrechnung verbundene Untererfassung sich - wie dargelegt - negativ auf den RSA auswirkt, so dass eine mögliche Übererfassung methodisch der Untererfassung vorzuziehen wäre.
Andere Unzulänglichkeiten des RSA wie etwa Unter- bzw. Überdeckungen bei der Gruppe der Auslandsversicherten oder beim Krankengeld gleichen diese Wettbewerbsverzerrung nicht aus. Denn sie stehen damit, wie der Sachverständige Prof. Dr. X. für den Senat ebenfalls überzeugend ausgeführt hat und wie auch die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben, in keinem sachlichen Zusammenhang. Mehr oder minder zufällige summenmäßige Entsprechungen der Vor- und Nachteile durch die unterschiedlichen Unzulänglichkeiten des RSA ("ausgleichende Ungerechtigkeiten") bei einzelnen, aber längst nicht bei allen Kassen vermögen daran nichts zu ändern.
Das BVA war daher aufgrund des Evaluationsberichts verpflichtet, das Regressionsverfahren entsprechend dem internationalen Standard der Gesundheitsökonomie zu ändern. Der Bericht war zum Zeitpunkt des Erlasses der Festlegungen für 2013 seit gut einem Jahr veröffentlicht, so dass seine Auswertung und die Auseinandersetzung mit den Ergebnissen durch alle beteiligten Kreise bis zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen war. Somit hätte dem durch den Bericht erlangten Erkenntnisfortschritt Rechnung getragen werden müssen. Nach den obigen Ausführungen stand dem BVA in Bezug auf das Regressionsverfahren kein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Gestaltungsspielraum zu.
2. Das BVA durfte auch nicht aus sonstigen Gründen von einer Änderung des Berechnungsverfahrens absehen.
a) In Bezug auf die Regressionsanalyse lässt sich aus Gesetz und Verordnung keine Befugnis des BVA ableiten, im Interesse übergeordneter Erwägungen vor allem mit Blick auf eine Gesamtverbesserung der Wirkungsweise des RSA auf die Korrektur eindeutig identifizierter Fehler des Berechnungsverfahrens zu verzichten, um damit Unzulänglichkeiten an anderer Stelle ganz oder teilweise zu kompensieren. Weder der Gesetz- noch der Verordnungsgeber haben dem BVA den dafür erforderlichen umfassenden politisch-planerischen Entscheidungsfreiraum (vgl. dazu allgemein Gerhard in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 114 Rn. 5 m.w.N.) bei der Gestaltung des Wettbewerbs zwischen den gesetzlichen Krankenversicherungen eingeräumt. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber, wie ausgeführt, von der Vorstellung einer aus Erfahrung gespeisten Optimierung eines wissenschaftlich fundierten "idealen" Modells des RSA leiten lassen. Anders als bei der für das Klassifikationsmodell erforderlichen Krankheitsauswahl, die das BVA im Wege der wertenden Abwägung zu treffen und dabei zu entscheiden hat, wie dem Willen des Gesetzgebers am besten entsprochen werden kann (Senat, Urteil vom 06.06.2013 - L 16 KR 24/09 KL, juris Rn. 83), hat dieser der Behörde hinsichtlich des Regressionsverfahrens, die der Gesetzgeber, wie ausgeführt, nur als eher untergeordnete technische Festlegung einstuft, keine vergleichbare Letztentscheidungsbefugnis eröffnet. Für den von der Beklagten beanspruchten weiten Entscheidungsspielraum eigener Art vermag der Senat daher insgesamt keine gesetzliche Grundlage und ebenso wenig eine inhaltliche Rechtfertigung zu erkennen.
Gesetz und Verordnung lässt sich, wie ausgeführt, auch nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber das Ziel, gesetzliche Kassen möglichst an einer Auswahl ihrer Versicherten nach deren Krankheitsrisiko zu hindern, in Konkurrenz zu anderen von ihm aufgestellten Zielvorgaben gesehen und damit einer Relativierung durch die Behörde im Sinne einer wertenden Abwägung gegen die Erreichung anderer Ziele geöffnet hat (vgl. Gerhard, a.a.O., § 114 Rn. 5 m.w.N.). Wie die Klägerin insoweit zutreffend argumentiert, fällt die Berücksichtigung des Krankengeldes ohnehin nicht in die Kompetenz des BVA, sondern müsste vom Verordnungsgeber geregelt werden. Zudem existieren nach der Aussage des Sachverständigen Prof. Dr. X. bisher noch keine überzeugenden Berechnungsmodelle, um eine wettbewerbsneutrale Berücksichtigung der durch das Krankengeld verursachten Kosten zu erreichen. Schließlich setzt die derzeitige Berücksichtigung des Krankengeldes anders als die unterbliebene Annualisierung der Kosten verstorbener Versicherter keine vom Gesetzgeber nicht gewünschten Anreize zur Risikoselektion.
b) Entgegen der Ansicht der Beklagten verlangen weder Gesetz noch Verordnung für eine Änderung der Festlegungen einen Konsens aller in den RSA einbezogenen gesetzlichen Krankenkassen. Ein solcher Konsens wäre in einem auf Wettbewerb ausgerichteten System, in dem häufig die Vorteile des einen Wettbewerbers spiegelbildliche Nachteile seiner Konkurrenten mit sich bringen werden, auch schwerlich zu erreichen. Ebenso ist unerheblich, ob der GKV-Spitzenverband (wozu er an sich verpflichtet wäre, da er unabhängig von den divergierenden Interessen seiner Mitglieder zu handeln hat), eine eindeutige Position bezogen hat. Erforderlich und ausreichend ist vielmehr die Durchführung des in § 31 Abs. 4 RSAV vorgeschriebenen Anhörungsverfahrens.
c) Die dem BVA erteilte Weisung des BMG, eine Annualisierung trotz nunmehr entgegenstehender fachlicher Einschätzung des BVA weiterhin zu unterlassen, vermag den aufgezeigten Fehler nicht zu heilen. Die Weisung einer übergeordneten Behörde kann eine gesetzlich begrenzte Befugnis der angewiesenen Behörde in deren Wirkungskreis nicht erweitern. Eine tragfähige inhaltliche Rechtfertigung für die Weisung hat das BMG schließlich weder gegeben, noch ist sie nach dem oben Gesagten vorstellbar.
Daher ist unerheblich, dass die Bundesregierung nach Vorliegen des Evaluationsberichts keinen Anlass für wesentliche Änderungen des Morbi-RSA gesehen hat und daher von der Umsetzung von Einzelmaßnahmen mit finanzrelevanten Umverteilungen Abstand nehmen wollte (vgl. die Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Flach vom 10.01.2012 auf die Fragen der Abgeordneten Bas, BT-Drucks. 17/8322, 9f). Davon abgesehen, dass der Sachverständige Prof. Dr. X. überzeugend einen inhaltlichen Zusammenhang mit den weiteren im Evaluationsbericht genannten Problemfeldern (insbesondere der Berücksichtigung des Krankengeldes im RSA) verneint hat, können diese politischen Überlegungen der Bundesregierung das Handeln des BVA nicht steuern. Im Rahmen seiner Befugnis steht ihm ein solcher Entscheidungsspielraum nicht zu. Es kann offen bleiben, ob dem BMG, wenn es selbst von der Verordnungsermächtigung in § 268 Abs. 2 SGB V auch in Bezug auf die Festlegung des Klassifikationsmodells Gebrauch machen würde, bei den Festlegungen ein weiterer Gestaltungsfreiraum einzuräumen wäre und ob dieser so weit reichen würde, als geboten erkannte Änderungen des Berechnungsverfahrens bis zur Vornahme einer "Paketlösung" zurückzustellen. Im Rahmen des § 94 Abs. 2 SGB IV ist dem BMG jedenfalls kein solch weit reichender Freiraum einzuräumen; insoweit kann im Rahmen der Fachaufsicht die Befugnis der Aufsichtsbehörde nicht weiter reichen als die der nachgeordneten Behörde.
Nach alledem vermag der Senat nicht zu erkennen, woraus sich eine Befugnis des BVA ergeben sollte, den beschriebenen, eindeutig identifizierten und erkannten Fehler des Regressionsverfahrens vorläufig weiterhin bestehen zu lassen, nachdem der Evaluationsbericht des Wissenschaftlichen Beirats diesen Fehler anhand konkreter Berechnungen für das Ausgleichsjahr 2009 eindeutig untermauert und das von der RSAV vorgesehene dialogische Verfahren über die Ergebnisse dieser Evaluation stattgefunden hat. Übergeordnete planend-politische Erwägungen, welche die Korrektur dieses Fehlers mit anderen, sachlich damit nicht zusammenhängenden Unzulänglichkeiten des RSA verknüpfen, sind jedenfalls auf der Ebene des BVA, wie ausgeführt, ohne Belang und rechtfertigen keine weitere Untätigkeit der Behörde. Sollte der Gesetzgeber zu dem Ergebnis gelangen, dass durch eine nach dem Stand der Gesundheitswissenschaft gebotene Annualisierung der Kosten Verstorbener das gesamte System des RSA ganz oder teilweise die von ihm angestrebte Wirkung verfehlt, steht es ihm frei, die vom BVA und vom BMG ins Auge gefasste Gesamtlösung im Rahmen seiner weiten gesetzgeberischen Entscheidungsfreiheit zu suchen und den RSA dementsprechend neu zu regeln. Bis zu einer solchen möglichen gesetzlichen Neuregelung verpflichten die gesetzlichen Vorschriften und die RSAV das BVA, den RSA gemäß dem gesetzgeberischen Auftrag im Einklang mit der Evaluierung durch den Wissenschaftlichen Beirat des BVA zu verbessern.
Dabei kann das BVA entweder im Rahmen des bisherigen Regressionsverfahrens die Kosten für unterjährig Verstorbene wie diejenigen anderer Versicherter mit unvollständigen Versichertenepisoden auf das gesamte Jahr hochrechnen (Annualisierung) oder eine der Annualisierung funktional gleichwertige Berechnungsmethode wählen. Soweit die für den Streitfall erheblichen Festlegungen des BVA für das Jahr 2013 auf eine solche Annualisierung verzichten, sind sie rechtswidrig und damit trotz ihres Charakters als grundsätzlich verbindliche Außenrechtssätze nichtig, weil sie gegen wissenschaftliche Grundsätze verstoßen, die hier zwingend zu beachten sind. Der auf den Festlegungen fußende Grundlagenbescheid ist somit mangels wirksamer Rechtsgrundlage rechtswidrig. Mit welcher Berechnungsmethode das BVA den aufgezeigten Fehler beseitigt, indem es die Festlegungen für das Jahr 2013 insoweit insgesamt korrigiert, und die Klägerin auf dieser Grundlage neu bescheidet, liegt in seinem fachlichen, vom Gericht nicht zu ersetzenden Ermessen. Auch deshalb hatte der Senat sich auf ein Bescheidungsurteil zu beschränken.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus 52 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Klägerin beziffert ihre Belastung aufgrund des von ihr angegriffenen Morbi-RSA auf rund 73 Millionen EUR.
Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache für das gesamte System des Risikostrukturausgleichs zuzulassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für das Jahr 2013 und in diesem Zusammenhang über die Berücksichtigung der Kosten verstorbener Versicherter.
Seit 1994 findet zum Ausgleich der unterschiedlichen Risikostrukturen zwischen den gesetzlichen Krankenkassen jährlich ein Risikostrukturausgleich (RSA) statt. Er zielt darauf ab, die finanziellen Auswirkungen von Unterschieden in der Verteilung der Versicherten auf nach Alter und Geschlecht getrennte Versichertengruppen und Morbiditätsgruppen zwischen den Krankenkassen auszugleichen.
Die gesetzlichen Regelungen der §§ 266 ff Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sehen seit dem 1.1.2009 vor, die Versichertengruppen und die Gewichtungsfaktoren nach Klassifikationsmerkmalen zu bilden, die zugleich die Morbidität der Versicherten unmittelbar berücksichtigen (so genannter Morbi-RSA). Die zur Bestimmung der Einzelheiten ergangene Regelung des § 31 Risikostrukturausgleichsverordnung (RSAV) macht dazu in Abs. 1 nähere Vorgaben für das Versichertenklassifikationsmodell (u.a. Begrenzung auf 50-80 Krankheiten) und regelt in Abs. 2 und 3 die Berufung eines Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesversicherungsamt (BVA), der Vorschläge für die Anpassung eines Klassifikationsmodells an die GKV und dessen Weiterentwicklung erarbeiten soll. Gemäß Abs. 4 legt das hierzu ermächtigte BVA auf der Grundlage dieser Empfehlung die zu berücksichtigenden Krankheiten, die aufgrund dieser Krankheiten zugrundezulegenden Morbiditätsgruppen, den Algorithmus für die Zuordnung der Versicherten zu den Morbiditätsgruppen, das Regressionsverfahren zur Ermittlung der Gewichtungsfaktoren und das Berechnungsverfahren zu Ermittlung der Risikostrukturzuschläge nach Anhörung der Spitzenverbände der Krankenkassen fest und gibt diese Festlegungen in geeigneter Weise bekannt. Das Festlegungsverfahren ist dokumentiert auf der Homepage des BVA unter "Risikostrukturausgleich" - "Festlegungen".
Die dem Risikostrukturausgleich dienenden Zuschläge für alle Risikogruppen werden dabei durch ein für den Morbi-RSA in § 34 Abs. 1 Satz 1 RSAV vorgeschriebenes Regressionsverfahren ermittelt. Mittels dieses statistischen Verfahrens wird der quantitative Zusammenhang zwischen einer oder mehreren unabhängigen Variablen und einer abhängigen Variablen ermittelt. Die Ausgaben je Versichertem bilden die abhängige Variable, während die Zuordnung der Versicherten zu den Risikogruppen die unabhängige Variable bildet. Die sich ergebenden Regressionskoeffizienten sind als Anteile an den Ausgaben eines Versicherten zu interpretieren, die der jeweiligen Risikogruppe zugerechnet werden können. Sie werden als Jahreswerte ermittelt; da aber Zuweisungen taggenau (je Versichertentag) zugewiesen werden, werden die ermittelten Regressionskoeffizienten durch 365 geteilt. Da im Regressionsverfahren jeder Versicherte unabhängig von der Dauer der Versicherung gleichwertig berücksichtigt wird, also die Ausgaben für einen Versicherten, der nur einen Tag versichert war, ebenso in die "Durchschnittsbildung" eingehen wie die Ausgaben für einen ganzjährig Versicherten, wird in der internationalen Gesundheitsökonomie empfohlen, zur Vermeidung einer Unterschätzung der Ausgaben die Ausgaben von Versicheren mit unvollständigen Versichertenepisoden vor Durchführung der Regression auf das Gesamtjahr hochzurechnen (annualisieren) und im Gegenzug bei der Durchführung des Regressionsverfahrens mit dem Kehrwert des Hochrechnungsfaktors der Annualisierung zu gewichten.
Das BVA hat in den Festlegungen vom 03.07.2008 für das Ausgleichsjahr 2009 dieses Verfahren zwar grundsätzlich angewandt, jedoch nicht im Falle der im Ausgleichsjahr Verstorbenen. Deren Ausgaben werden nicht annualisiert und gehen auch nicht in die Regression abgewichtet ein. Vielmehr erhalten diese Ausgaben das Gewicht 1, werden also so behandelt, als seien sie im Gesamtjahr angefallen. Auf diese Weise gehen die Ausgaben der im Ausgleichsjahr Verstorbenen nur zur Hälfte in die Berechnung der Zuschläge für die jeweilige Risikogruppe eingehen, da solche Versicherte statistisch gesehen im Durchschnitt in der Jahresmitte verstorben sind. Zum Ausgleich werden über einen Korrekturfaktor die Zuschläge aller Risikogruppen proportional angehoben.
Zur Begründung hatte das BVA in den Erläuterungen zum Entwurf, der zur Anhörung gestellt worden war, ausgeführt, hinsichtlich der Ausgaben von Versicherten mit unvollständigen Versichertenepisoden seien verschiedene Varianten im Hinblick auf die Prognosegüte des Modells verglichen worden. Dabei sei man zu dem Ergebnis gelangt, die Ausgaben der unterjährig Versicherten mit Ausnahme der Verstorbenen auf das Jahr hochzurechnen und die Versicherten in der Regression durch ein Gewicht, das dem Kehrwert des Annualisierungsfaktors entspreche, zu gewichten. Die Ausgaben Verstorbener würden nicht annualisiert, da es ansonsten zu einer Überschätzung der Ausgaben käme. In der Anhörung hatten keine der sich äußernden Kassen und keiner ihrer Verbände diesem Vorgehen widersprochen.
In den Folgejahren hielt das BVA an dem Berechnungsverfahren fest, obwohl ein Teil der Kassen die Annualisierung auch der Ausgaben der Verstorbenen gefordert und sich auch der Wissenschaftliche Beirat für eine entsprechende Änderung des Verfahrens ausgesprochen hatte. Das BVA wies zuletzt im Zusammenhang mit den Festlegungen für 2012 darauf hin, im Hinblick auf die in Auftrag gegebene Evaluation des Jahresausgleichs 2009 solle diese Frage im größeren Kontext der Weiterentwicklung des RSA diskutiert werden.
In dem "Evaluationsbericht zum Jahresausgleich 2009 im Risikostrukturausgleich" von Drösler et. al. (Evaluationsbericht) vom 22.06.2011 wird festgestellt, dass es infolge der fehlenden Annualisierung zu einer systematischen Überdeckung jüngerer Altersgruppen und Unterdeckung älterer Altersgruppen komme, ebenso zu Überdeckungen bei Krankheiten mit geringer Mortalität und Unterdeckungen bei Krankheiten mit höherer Mortalität. Eine Annualisierung auch der Ausgaben Verstorbener beseitige diese Über- und Unterdeckungen und führe auch auf Kassenebene zu zielgenaueren Zuweisungen.
Im Verfahren der Festlegungen für 2013 forderte der Wissenschaftlichen Beirat unter dem 24.06.2012 das BVA auf, das Regressionsverfahren zur Berechnung der Gewichtungsfaktoren umzustellen und künftig als abhängige Variable für alle Versicherten die Leistungsausgaben je Kalendertag zu verwenden. Zu diesem Zweck seien für alle Versicherten die tatsächlichen Leistungsausgaben durch die Versichertentage zu dividieren. Eine gesonderte Behandlung von Versicherten mit unvollständigen Versichertenzeiten sei in diesem Verfahren nicht länger erforderlich. In der Regression sei für alle Versicherten eine Gewichtung vorzunehmen, bei der die Versichertentage durch 365 dividiert würden. Der Wissenschaftliche Beirat führte dazu aus, das gegenwärtig durchgeführte Regressionsverfahren sei fehlerhaft, das Evaluationsgutachten habe gezeigt, dass das Vorgehen zu erheblichen Fehlzuweisungen für bestimmte Versichertengruppen führe. Daher solle das BVA ein Regressionsverfahren verwenden, bei dem eine gesonderte Behandlung von Versicherten mit unvollständigen Versichertenzeiten nicht mehr erforderlich sei. Das vorgeschlagene Verfahren sei funktional äquivalent zu einem dem internationalen Standard der Gesundheitsökonomie entsprechenden Hochrechnungsverfahren der Leistungsausgaben von Versicherten mit unvollständigen Versicherungszeiten, das der wissenschaftliche Beirat ebenfalls für geeignet erachte. Das BVA führte dazu aus, bislang habe man eine Änderung des Verfahrens aufgrund der anhaltenden Sachverhaltsermittlung und Diskussionen nicht vorgenommen. Der Evaluationsbericht zeige auf, dass das gegenwärtige Vorgehen zu signifikanten Verzerrungen führe. Der RSA schaffe es in der derzeitigen Gestaltung nicht mehr, die auf dem Faktor Alter beruhenden Ausgabenunterschiede vollständig auszugleichen, es komme vielmehr zu systematischen Über- und Unterdeckungen. Es sei beabsichtigt, der Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats zu folgen. Das vorgeschlagene Vorgehen sei sachgerecht. Der Vorschlag des Beirats führe rechnerisch zu denselben Ergebnissen wie eine Annualisierung der Ausgaben Verstorbener. Dieses Vorgehen mache deutlich, dass es keineswegs um die Schaffung eines "fiktiven Behandlungsbedarfs" gehe, wie die Kritiker des Vorgehens argumentierten, sondern vielmehr um die richtige Zurechnung von Ausgaben zu den Risikogruppen. Bislang würden die Gewichtungsfaktoren als Jahreswerte ermittelt. Die Umrechnung auf Zu- und Abschläge je Tag erfolge durch eine Division mit der Zahl der Kalendertage im Jahr. Diese Division sei aber nur richtig, wenn sich die Größe im Zähler auch auf ein volles Jahr bezöge. Daher bestehe die sachliche Notwendigkeit einer Annualisierung der Ausgaben. Würden die Gewichtungsfaktoren auf der Basis von Pro-Tag-Werten ermittelt, entfalle die Notwendigkeit einer Annualisierung. Alle Versicherten mit unvollständigen Versichertenepisoden gingen im Nenner mit ihren tatsächlichen Versichertentagen und im Zähler mit ihren tatsächlichen Ausgaben ein. Das BVA halte die Umsetzung der Empfehlung des wissenschaftlichen Beirats "angesichts der sich verdichtenden Faktenlage" für sachlich und rechtlich geboten.
Im Anhörungsverfahren erfolgten kontroverse Stellungnahmen von Krankenkassen und -verbänden zu der beabsichtigten Änderung der Regressionsberechnung. Dabei wurde u.a. geltend gemacht, in dem Evaluationsbericht würden noch weitere Unschärfen des RSA benannt; angesichts des mit der Änderung verbundenen Umverteilungsvolumens von mehreren 100 Millionen Euro sei die isolierte Neuregelung abzulehnen und solle erst im Zuge einer breit angelegten Revision der Schwachstellen des derzeitigen RSA erfolgen. Der GKV-Spitzenverband hielt die Änderung rechtlich nicht für notwendig. In der Sache werde der vom Wissenschaftlichen Beirat identifizierte Korrekturbedarf in Übereinstimmung mit der weit übereinstimmenden Mehrheit seiner Mitglieder grundsätzlich anerkannt. Es bestünden allerdings unterschiedliche Auffassungen darüber, wie mit diesem Korrekturbedarf umgegangen werden solle. Einerseits werde gefordert, "offenkundige Fehler" umgehend zu beseitigen, andererseits werde eine Veränderung nur im Gesamtpaket als sinnvoll angesehen. Da jede Veränderung Gewinner und Verlierer zur Folge habe, müsse sich der GKV-Spitzenverband zu dieser Frage wettbewerbsneutral verhalten.
Mit Schreiben vom 31.08.2012 hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) auf der Grundlage des § 94 Abs. 2 Satz 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) das BVA angewiesen, das Berechnungsverfahren zum Umgang mit unvollständigen Versichertenepisoden für das Ausgleichsjahr 2013 nicht zu ändern. Das BVA hat daher in den Festlegungen vom 28.09.2012 an dem bisherigen Berechnungsverfahren festgehalten und verzichtet allein bei unterjährig Verstorbenen auf die ansonsten durchgeführte Annualisierung bei unvollständigen Versichertenepisoden.
Mit Bescheid vom 15.11.2012 erließ die Beklagte auf der Grundlage der Festlegungen vom 28.09.2012 den Grundlagenbescheid I/2013 an die Klägerin, mit dem sie die kassenindividuellen Werte für die monatlichen Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds festlegte.
Die Klägerin hat aus diesem Grund am 12.12.2012 gegen den Grundlagenbescheid I/2013 Klage erhoben, die sie auf die im Laufe des Verfahrens ergangenen weiteren Grundlagen-, Zuweisungs- und Korrekturbescheide erweitert hat. Die Festlegungen der Beklagten wiesen einen logisch-mathematischen Fehler auf, der allein die Klägerin jährlich rechtswidrig mit 73 Millionen EUR belaste. Aufgrund der Weisung des BMG sei eine Annualisierung der Ausgaben von im Ausgleichsjahr verstorbenen Versicherten - anders als bei allen anderen Versicherten mit unvollständigen Versichertenepisoden - unterblieben. Dies widerspreche den wiederholten und seit langem bekannten Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats und inzwischen sogar der eigenen fachlichen Einschätzung des BVA. Wie die Evaluation für das Ausgleichjahr 2009 durch den Wissenschaftlichen Beirat ergeben habe, führe dies zu einer Unterdeckung der Ausgaben ab einem Lebensjahr von 60 Jahren bei männlichen und 70 Jahren bei weiblichen Versicherten und damit zu einer gesetzeswidrigen Begünstigung der Risikoselektion anhand des Merkmals Alter. Dadurch würden Krankenkassen mit überdurchschnittlich vielen alten Versicherten benachteiligt und solche mit jüngeren Versicherten begünstigt. Die aufgrund der Festlegungen des BVA zu niedrigen Zuweisungen für alte und kranke Versicherte verstießen gegen die höherrangigen gesetzlichen Vorgaben von § 266 Abs. 1 S. 2 SGB V und § 31 Abs. 1 RSAV. Sie verfehlten die gesetzliche Zielsetzung des Risikostrukturausgleichs, die unterschiedlichen Risiken aufgrund von Alter, Geschlecht und Morbidität zwischen den Krankenkassen auszugleichen und erzeugten umgekehrt entgegen § 31 Abs. 1 RSAV Anreize zur Risikoselektion. Die Festlegungen seien als verwaltungsinterne Vorbereitungshandlungen im Rahmen der Überprüfung der darauf beruhenden Bescheide gerichtlich vollständig auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Hinreichende normative Ansatzpunkte für die Einräumung eines gerichtlich nur eingeschränkt kontrollierbaren Beurteilungsspielraums seien dem SGB V nicht zu entnehmen. Selbst wenn man die Festlegungen - aus Sicht der Klägerin zu Unrecht - als so genannte normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften qualifizierten wollte, ändere dies nichts an ihrer Rechtswidrigkeit, weil Rechenfehler und die Verwendung nicht anerkannter Berechnungsmethoden stets zur Rechtswidrigkeit des behördlichen Handelns führten.
Der logisch-mathematische Fehler der Festlegungen werde auch nicht dadurch ausgeglichen, dass unter Umständen weiterer Änderungsbedarf bestehe oder möglicherweise sogar andere Regelungen ebenfalls rechtswidrig seien. Für die in diesem Zusammenhang diskutierten Krankengeldzuweisungen bestehe noch erheblicher Forschungsbedarf. Zudem betreffe dieser Komplex nicht die Ebene der Festlegung durch das BVA, sondern die RSAV selber. Auch könnten selbst weitere Rechtswidrigkeiten einen feststehenden Fehler nicht beseitigen - erst recht nicht, wenn es keine Anhaltspunkte für eine gegenseitige Neutralisierung der Fehlerwirkungen gebe. Die Festlegungen für das Ausgleichsjahr 2013 seien auf jeden Fall rechtswidrig, weil spätestens mit dem Abschlussbericht des Beirats vom 22.06.2011 ein Erkenntnisstand erreicht worden sei, der eine Änderung im Rahmen der erst über 15 Monate später am 28.09.2012 erlassenen Festlegungen zwingend geboten habe.
Die Klägerin beantragt,
den Grundlagenbescheid II/2013 vom 28.03.2013 und den Korrekturbescheid I/2013 vom 15.04.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die vorläufige Höhe der Zuweisungen für das Jahr 2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu ermitteln.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Berechnung der Zuweisungen im angegriffenen Grundlagenbescheid sei ebenso wie die zu Grunde liegenden Festlegungen für das Ausgleichsjahr 2013 rechtmäßig. Hinsichtlich der Festlegungen stehe dem BVA ein Konkretisierungs- bzw. Entscheidungsspielraum eigener Art zu, der sich nicht ohne weiteres in die herkömmlichen Kategorien der Ermessensverwaltung einordnen lasse. Von diesem Spielraum, der durch eine zulässige fachaufsichtliche Einzelweisung durch das BMG ausgefüllt worden sei, habe das BVA daher rechtmäßig Gebrauch gemacht und aus Zweckmäßigkeitsgründen von einer Änderung der Festlegungen abgesehen. Das BVA müsse zwar den aktuellen Stand der Wissenschaft berücksichtigen, sei aber nicht zu einer automatischen Umsetzung der Empfehlungen seines Wissenschaftlichen Beirats verpflichtet. Der Festlegungsprozess sei ausdrücklich als ein konsensorientiertes Zusammenwirken mehrerer Beteiligter konzipiert. Bei der breit gefächerten Diskussion zur Berücksichtigung unvollständiger Versichertenepisoden hätten sich indes die Anhörungspartner des BVA stets äußerst kontrovers positioniert; der GKV-Spitzenverband habe kein einheitliches Votum abgegeben. Von einer Änderung des Berechnungsverfahrens habe das BVA daher abgesehen, weil im Interesse der erforderlichen Akzeptanz der immer noch kontrovers diskutierten Änderung unter den beteiligten Krankenkassen eine Überarbeitung in einem größeren, übergreifenden Kontext vorzunehmen sei. Einseitige Verfahrenskorrekturen führten zu finanziellen Verschiebungen, die Einfluss auf den Wettbewerb hätten. Der von der Klägerin bezifferte Betrag von 73 Millionen Euro werde nicht bestritten, sei jedoch in Relation zur weitaus größeren Summe der an sie erfolgten Gesamtzuweisungen etwa von 6,244 Milliarden Euro (im Ausgleichjahr 2011) zu setzen.
Der Senat hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 04.07.2013 Professor Dr. K. X., Universität E.-F. als Sachverständigen gehört. Der Sachverständige hat u.a. ausgeführt: Der Evaluationsbericht habe ergeben, dass zwar gegenüber dem Alt-RSA Fortschritte gemacht worden sind. Die Berechnungen des Beirats mit einer Annualisierung hätten aber gezeigt, dass sich dadurch noch Verbesserungen ergeben. Es habe sicher schon vor dem Evaluationsbericht Indizien für die Unrichtigkeit der Berechnung des BVA gegeben, durch die systematische Aufbereitung der Daten und deren Untersuchung im Evaluationsbericht sei aber eine noch sicherere Datenbasis für die Beurteilung geschaffen worden. Im Evaluationsbericht seien erstmals Echtdaten aus dem Jahre 2009 mit dem Modell verglichen worden. Es handele sich im Gegensatz zu früheren Berechnungen um die erstmalige Überprüfung anhand der realen Daten, hinsichtlich der Evidenz biete der Evaluationsbericht eine Kategorie mehr. Er kenne die Berechnung des BVA nicht, wolle aber nicht ausschließen, dass dessen Berechnung damals für die Kennziffer R² ein schlechteres Ergebnis erbracht habe. Insoweit gebe es bei statistischen Berechnungsmethoden häufig Zielkonflikte, bei denen es nicht um "schwarz" oder "weiß" gehe. Vielmehr müsse man sich dann entscheiden, welchen Wert man für bedeutender hält. Hinsichtlich der Annualisierung gelte das nicht mehr für den Zeitpunkt nach Vorlage des Evaluationsberichts. Nach dem Evaluationsbericht hätten sich alle statistischen Kennziffern bei einer Annualisierung verbessert, so dass er es jetzt für eindeutig halte, dass entsprechend zu verfahren sei. Der Fehler durch die unterbliebene Annualisierung könne - anders als andere vom Evaluationsbericht aufgezeigte Defizite des RSA etwa beim Krankengeld - durch eine Änderung der Berechnungsformel beseitigt werden. Bezüglich der Ausführungen des Sachverständigen im Einzelnen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 04.07.2013 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Gegenstand des Verfahrens bilden noch der Grundlagenbescheid II/2013 sowie der Korrekturbescheid I/2013 der Beklagten, auf die die Klägerin ihre Klage zuletzt zulässigerweise beschränkt hat. Der zunächst ebenfalls mit der Klage angegriffene Grundlagenbescheid I/2013 ist durch den Grundlagenbescheid II/2013 im Sinne von § 96 Sozialgerichtgesetz (SGG) vollständig ersetzt worden. Nach § 266 Abs. 6 Satz 2 SGB V erhalten die Krankenkassen monatliche Zuweisungen, die auf der Grundlage der vorläufig festgestellten Werte ergehen (Satz 1 a.a.O., § 39 Abs. 2 Satz 1 RSAV). Die kassenindividuellen Zuweisungsgrundlagen werden in sogenannten Grundlagenbescheiden festgestellt; auf diesen kassenindividuellen Werten basieren die monatlichen Zuweisungsbescheide, mit denen - angepasst an die aktuellsten Versichertenzahlen - die monatlichen Zuweisungen festgesetzt werden. Die im ersten Grundlagenbescheid festgestellten Werte werden nachfolgend drei Mal zu bestimmten Terminen (§ 39 Abs. 2 Satz 1 RSAV) durch neu ermittelte Werte ersetzt, die dann jeweils Grundlage sowohl der bis dahin geleisteten (§ 39 Abs. 3 Satz 4 RSAV) als auch der bis zur nächsten Anpassung gezahlten Zuweisungen werden. Durch einen Korrekturbescheid erfolgt nach § 39 Abs. 3a RSAV die Anpassung der bislang geleisteten Zuweisungen an die die neu ermittelten Werte (s. dazu eingehend Sichert/Göpffarth, SGb 2010, 394, 395 ff.).
Die monatlichen Zuweisungsbescheide der Beklagten für das Ausgleichsjahr 2013 sind lediglich akzessorische Umsetzungen des genannten Grundlagen- bzw. Korrekturbescheids und hängen in ihrem rechtlichen Bestand vollständig davon ab. Die Beklagte hat diesem Umstand durch ihre in der mündlichen Verhandlung erneuerte Verpflichtung Rechnung getragen, im Fall einer Änderung des angefochtenen Grundlagenbescheids auch die darauf aufbauenden Zuweisungsbescheide aufzuheben. Sie brauchten deshalb nicht mehr zum Verfahrensgegenstand gemacht werden.
2. Die Klage ist mit dem beschriebenen Streitgegenstand zulässig.
Sie bedurfte gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGG keines Vorverfahrens und ist bei dem nach § 29 Abs. 3 Nr. 1 SGG funktionell zuständigen Gericht erhoben worden. Die Klägerin durfte ihre mit dem Aufhebungsantrag verbundene und letztlich auf höhere Zuweisungen für Leistungsausgaben zielende Verpflichtungsklage (vgl. BSG SozR 4-2500 § 266 Nr. 2 Rdn. 16 (unter Verweis auf § 54 Abs. 4 SGG)) auf die Verpflichtung zur Neubescheidung beschränken. Mit dem angefochtenen Verwaltungsakt hat das BVA zwar eine gebundene Entscheidung getroffen, denn die Höhe der Zuweisungen steht nicht im Ermessen der Beklagten. Der Klägerin ist jedoch eine Konkretisierung der von ihr beanspruchten Zuweisungshöhe gegenwärtig nicht möglich, weil die Auswirkungen der von ihr angenommenen Unwirksamkeit der Festlegungen des BVA von ihr nicht zu beziffern sind.
II. Die Klage ist begründet, weil die angefochtenen Bescheide rechtswidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen. Die Festlegungen der Beklagten nach § 31 Abs. 4 RSAV für das Ausgleichsjahr 2013, die diesen Bescheiden zu Grunde liegen und von ihnen für den Einzelfall der Klägerin umgesetzt werden, verstoßen wegen ihres Verzichts auf die Annualisierung der Kosten unterjährig verstorbener Versicherter gegen § 266 Abs. 1 Satz 2, § 268 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V i.V.m. § 31 RSAV. Sie verfehlen insbesondere das von diesen Vorschriften formulierte zentrale Gesetzesziel, bei der Ausgestaltung des nach § 266 Abs. 1 Satz 2 SGB V durchzuführenden RSA zwischen den gesetzlichen Krankenkassen Anreize zur Auswahl ihrer Versicherten nach Morbidität (Risikoselektion) zu verringern (dazu 1.). Diese Rechtswidrigkeit der Festlegungen teilt der angefochtene Bescheid. Auf einen gerichtlich nicht voll nachprüfbaren Entscheidungsspielraum eigener Art kann die Beklagte sich insoweit nicht berufen; ebenso wenig durfte aus sonstigen Gründen von der Änderung des Berechnungsverfahrens abgesehen werden. (dazu 2.).
1. a) Bei den Festlegungen des BVA handelt es sich um außenverbindliche Rechtssätze, die in ihrer Funktion einer zwischengeschalteten Regelungsebene (vgl. Gerhard, NJW 1989, S. 2233, 2236) zwischen Gesetz bzw. Verordnung und Verwaltungsakt weitgehend den im Umweltrecht anerkannten normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften entsprechen (vgl. im einzelnen Senat, Urteil vom 06.06.2013 - L 16 KR 24/09 KL, juris Rn. 72 ff.). Der Verordnungsgeber hat dem BVA daher beim Erlass dieser Festlegungen in einem begrenzten Umfang eine Befugnis zur letztverbindlichen Entscheidung (vgl Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 19 Abs. 4 Rn. 180 m.w.N.) eingeräumt. Sie ergibt sich aus dem gesetzgeberischen Auftrag an die Verwaltung, für den RSA im Ausland vorhandene Modelle unter Beachtung des Stands der Gesundheitswissenschaft auf deutsche Verhältnisse zu übertragen, zu diesem Zweck Regeln für einen funktionsfähigen Risikostrukturausgleich aufzustellen und diese jährlich im Sinne eines auf ständige Überprüfung und Verbesserung angelegten lernenden Systems neu zu justieren (vgl. Senat, Urteil vom 06.06.2013 - L 16 KR 24/09 KL, juris Rn. 74; vgl. BT-Drs. 16/3100, 205 sowie BT-Drs. 14/6432, 15). Der Gesetzgeber hat damit auf außerrechtliche, d.h. gesundheitsökonomische Vorgaben Bezug genommen, über die anfangs für das deutsche Gesundheitssystem noch kein abgesicherter Konsens und keine ausreichenden Erfahrungen bestanden. Dadurch hat er das Modell des RSA insoweit als unvollständig sowie ergänzungsbedürftig angelegt und es so einer Ausgestaltung und Implementierung durch die vollziehende Gewalt geöffnet, die allerdings nur innerhalb der Bandbreite des wissenschaftlichen Meinungsspektrums erfolgen darf. Denn der Gesetzgeber hat sich bei den Regelungen des RSA auf das Beispiel gesundheitsökonomischer Modelle aus dem Ausland bezogen und die Berücksichtigung wissenschaftlichen Sachverstands insbesondere durch den Wissenschaftlichen Beirat beim BVA institutionalisiert (vgl. Senat, Urteil vom 06.06.2013 - L 16 KR 24/09 KL, juris Rn. 74 sowie BVerfGE 113,167,264).
Das für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidende Verfahren der Regressionsanalyse hat der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang sogar nur als untergeordnete technische Festlegung (BT-Drs. 16/3100, 205) angesehen. Sie ist damit den maßgeblichen und in erheblich höherem Maße wertungsoffenen Entscheidungen des Klassifikationsmodells etwa über die Auswahl der zu berücksichtigenden Krankheiten (vgl. dazu Senat, Urteil vom 06.06.2013 - L 16 KR 24/09 KL, juris Rn. 83) nachgeordnet. Bereits dies engt die Konkretisierungsbefugnis der Verwaltung etwa im Vergleich zum Kern des Klassifikationsmodells weitgehend ein.
Der genannte gesetzgeberische Optimierungsauftrag und die für die Legitimation normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geforderte Partizipation einschlägigen Sachverstands (vgl. Senat, Urteil vom 06.06.2013 - L 16 KR 24/09 KL, juris Rn. 74) beschränken noch zusätzlich den behördlichen Entscheidungsspielraum. Das Ausgleichsverfahren ist auch für die Sachgerechtigkeit des Berechnungsverfahrens auf wissenschaftlichen Sachverstand, empirische Forschung und Statistik angewiesen (Schmehl in:Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 39 Rn. 72). Das BVA darf daher mit seinen Festlegungen weder die anerkannten Standards der Gesundheitswissenschaft noch die zu ihrer Umsetzung erforderlichen Regeln der Versicherungsmathematik und der Statistik verletzen. Seine fachlichen Festlegungen müssen vielmehr wissenschaftlichen Anforderungen an eine sachgerechte Ausgestaltung der direkten Morbiditätsorientierung des RSA entsprechen (vgl. Senat, Urteil vom 06.06.2013 - L 16 KR 24/09 KL, juris Rn. 74) und insoweit stets dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt Rechnung tragen. Dies gilt von dem Zeitpunkt an, in dem die Festlegungen - wie hier - das von Gesetz und Verordnung vorgesehene, für allgemeine Verwaltungsvorschriften charakteristische dialogische Verfahren zur Wissenserzeugung ordnungsgemäß durchlaufen haben (vgl. zu dieser zeitlichen Zäsur Urteile des Senats vom 04.07.2013 - L 16 KR 646/12 KL und L 16 KR 756/12 KL zum Ausgleichsjahr 2012). Das Gericht kann die genannten wissenschaftlichen Standards und Regeln jedenfalls für das vorliegend streitige Verfahren der Regressionsanalyse mit sachverständiger Hilfe feststellen und ihre korrekte Anwendung beim Erlass der Feststellungen durch das BVA überprüfen (vgl. BVerwGE 107,338, 341). Deshalb liegt keine Konstellation vor, bei der die entscheidende Behörde aufgrund persönlichen Eindrucks, besonderer Erfahrung oder nicht ersetzbarer Sachkunde für die Beurteilung außerrechtlicher Gesichtspunkte vorrangig berufen erscheint, um verbindliche Qualifikationen vorzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 27.01.1977 - 12 RAr 83/76, juris Rn. 19 m.w.N.; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 54 Rn. 31c m.w.N.). Insbesondere eine nur eingeschränkt überprüfbare Fachkompetenz des BVA, die externem Sachverstand durch ein vom Gericht eingeholtes Sachverständigengutachten nicht zugänglich wäre, etwa wegen besonderer Komplexität der fachlichen Wertungszusammenhänge, ist nicht ersichtlich (vgl. Gerhard in: Schoch/Schneider/Bier/, VwGO, § 114 Rn. 60 m.w.N. sowie BVerfG, Beschluss vom 22.10.1991 - 1 BvR 393/85,1 BvR 610/85, juris Rn. 76 f.).
b) Gemessen an diesen Vorgaben sind die Festlegungen des BVA für den Jahresausgleich 2013 und damit auch die darauf gestützten Bescheide vom 28.03.2013 und vom 15.04.2013 rechtswidrig. Im Evaluationsbericht vom 22.06.2011 sind die Auswirkungen eines Verzichts auf die unterlassene Annualisierung untersucht worden (Evaluationsbericht S. 61 und S. 142 ff.). Der Wissenschaftliche Beirat hat festgestellt, dass in Risikogruppen mit einem hohen Anteil Verstorbener ein größerer Anteil der Ausgaben fehle, als durch die proportionale Anhebung kompensiert werde. Umgekehrt würden in Risikogruppen mit einem unterdurchschnittlichen Anteil Verstorbener die wenigen fehlenden Ausgaben durch die proportionale Anhebung überkompensiert. Die Folge seien Überdeckungen in jungen Altersgruppen und Unterdeckungen in höheren Altersgruppen, Überdeckungen bei Krankheiten mit geringer Mortalität und Unterdeckungen bei Krankheiten mit hoher Mortalität, aber auch übermäßige Überdeckungen bei Kassenwechslern, Überlebenden oder Kostenerstattern. Bei einer Annualisierung auch der Ausgaben Verstorbener verbesserten sich die Gütemaße zur Messung der Zielgenauigkeit der Zuweisungen auf der Individualebene; auch auf der Ebene von Gruppen von Versicherten ergäben sich durchweg Verbesserungen der Zielgenauigkeit. Auf der Ebene der Krankenkassen komme es überwiegend zu einer Verbesserung der Zielgenauigkeit, allerdings sei das Ergebnis nicht einheitlich. Die im Jahresausgleich 2009 beobachtete Tendenz von mit der durchschnittlichen Kassenmorbidität zunehmenden Unterdeckungen würde vollständig beseitigt. Dieses Ergebnis hat der Sachverständige Prof. Dr. X. in der mündlichen Senatsverhandlung für den Senat überzeugend bestätig; nach seiner Darstellung widerspricht das vom BVA in den Festlegungen für das Ausgleichsjahr 2013 praktizierte Regressionsverfahren eindeutig und nach jeder Betrachtungsweise dem Stand der internationalen Gesundheitswissenschaft, indem es - anders als bei allen anderen Versicherten mit unvollständigen Versichertenepisoden - auf eine Annualisierung der Kosten ausschließlich bei unterjährig verstorbenen Versicherten verzichtet. Zwar hatte das BVA im Rahmen der Festlegungen für das Jahr 2009 bei seinen Untersuchungen der Frage, wie die Ausgaben von Versicherten, die nicht im ganzen Ausgleichsjahr versichert waren, im Regressionsverfahren behandelt werden sollten, auf der Grundlage der Daten aus 2005 für die Variante ohne Annualisierung einen geringfügig besseren Wert für die Prognosegüte des Modells errechnet. Der Sachverständige hat insoweit eingeräumt, dass der Wert seinerzeit ohne Annualisierung etwas besser gewesen sein möge, die Berechnungen mit den Daten aus 2009 ergäben aber jetzt mit Annualisierung bei allen statistischen Kennziffern eindeutig bessere Werte, so dass kein Zielkonflikt mehr bestehe. Der Evaluationsbericht hat nach der ebenfalls überzeugenden Einschätzung des Sachverständigen eine sichere empirische Grundlage für die Beurteilung der Berechnungsmethode des BVA als fehlerhaft geliefert, indem er die verfälschenden Auswirkungen der fehlenden Annualisierung erstmals anhand realer Daten aus dem deutschen Gesundheitssystem nachgewiesen hat. Das hat das BVA in seinem Entwurf der Festlegungen auch eingeräumt.
Diese Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie unter anderem hinsichtlich des von § 31 Abs. 4 Satz 1 RSAV genannten Regressionsverfahrens den Stand der Gesundheitsökonomie widerspiegelt, den die Festlegungen bei der Ausgestaltung des Klassifikationsmodells zugrundezulegen haben (Senat, Urteil vom 06.06.2013 - L 16 KR 24/09 KL, juris Rn. 74).
Aufgrund der beschriebenen Auswirkungen setzt das Regressionsverfahren in seiner gegenwärtig vom BVA angewendeten Form genau die Anreize zur Risikoselektion, die der Gesetzgeber unbedingt vermeiden wollte. § 268 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V definiert es als eines, wenn nicht das maßgebliche Ziel des RSA, Anreize zur Risikoselektion zu verringern (vgl. auch BT-Drs. 16/3100, 204). Die dem BVA übertragene Weiterentwicklung des RSA sollte ein Interesse der Krankenkassen daran, bestimmte Versicherte nicht in ihre Versichertengemeinschaft aufzunehmen bzw. zu behalten, nach der Vorstellung des Gesetzgebers sogar ganz ausschließen (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 268 SGB V, BT-Drs. 14/6432, 14). Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass es für den RSA wichtig sei, wie sich das Berechnungsverfahren auf ex ante identifizierbare Versichertengruppen auswirkt. Es liegt auf der Hand, dass Selektionsanreize bestehen, wenn bekannt ist, dass jüngere Altersgruppen Überdeckungen und umgekehrt ältere Altersgruppen Unterdeckungen aufweisen, weil es damit für die Kassen "lukrativ" ist, gezielt um die Versicherten mit Überdeckungen zu werben. Ebenso leuchtet der Hinweis des Sachverständigen ein, dass aus gesundheitsökonomischer Sicht speziell für Gruppen mit chronischen Krankheiten eine möglichst 100-prozentige Deckung erreicht werden solle, damit für die Kassen beim Versorgungsmanagement ein Anreiz bestehe, spezielle Angebote für diese Versicherten zu machen. Demgegenüber gestaltet das vom BVA praktizierte Verfahren den Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen anhand des Parameters Morbidität zum Teil in einer Weise, die der erklärten Absicht des Gesetzgebers zuwiderläuft.
Gegen die Annualisierung der Ausgaben Verstorbener spricht auch nicht das Argument, es komme dadurch zu einer Überschätzung der Ausgaben Verstorbener. Nicht nur hat der Sachverständige diesen Einwand als unbegründet und interessengeleitet bezeichnet, vor allem zeigen die Berechnungen im Evaluationsbericht, dass es bei einer Annualisierung zu einer Verbesserung der Deckungsquoten nicht nur bei den Altersgruppen, sondern auch bei Morbiditätsgruppen mit hoher Mortalität kommt (s. Tabelle 54 des Evaluationsberichts). Selbst wenn daher durch die Hochrechnung höhere Kosten als die durchschnittlichen Kosten der im Dezember eines Jahres Verstorbenen berücksichtigt würden (s. die Stellungnahme der Siemens BKK im Anhörungsverfahren, S. 3 f), spräche dies nicht gegen die Annualisierung, da die mit dem Verzicht auf die Hochrechnung verbundene Untererfassung sich - wie dargelegt - negativ auf den RSA auswirkt, so dass eine mögliche Übererfassung methodisch der Untererfassung vorzuziehen wäre.
Andere Unzulänglichkeiten des RSA wie etwa Unter- bzw. Überdeckungen bei der Gruppe der Auslandsversicherten oder beim Krankengeld gleichen diese Wettbewerbsverzerrung nicht aus. Denn sie stehen damit, wie der Sachverständige Prof. Dr. X. für den Senat ebenfalls überzeugend ausgeführt hat und wie auch die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben, in keinem sachlichen Zusammenhang. Mehr oder minder zufällige summenmäßige Entsprechungen der Vor- und Nachteile durch die unterschiedlichen Unzulänglichkeiten des RSA ("ausgleichende Ungerechtigkeiten") bei einzelnen, aber längst nicht bei allen Kassen vermögen daran nichts zu ändern.
Das BVA war daher aufgrund des Evaluationsberichts verpflichtet, das Regressionsverfahren entsprechend dem internationalen Standard der Gesundheitsökonomie zu ändern. Der Bericht war zum Zeitpunkt des Erlasses der Festlegungen für 2013 seit gut einem Jahr veröffentlicht, so dass seine Auswertung und die Auseinandersetzung mit den Ergebnissen durch alle beteiligten Kreise bis zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen war. Somit hätte dem durch den Bericht erlangten Erkenntnisfortschritt Rechnung getragen werden müssen. Nach den obigen Ausführungen stand dem BVA in Bezug auf das Regressionsverfahren kein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Gestaltungsspielraum zu.
2. Das BVA durfte auch nicht aus sonstigen Gründen von einer Änderung des Berechnungsverfahrens absehen.
a) In Bezug auf die Regressionsanalyse lässt sich aus Gesetz und Verordnung keine Befugnis des BVA ableiten, im Interesse übergeordneter Erwägungen vor allem mit Blick auf eine Gesamtverbesserung der Wirkungsweise des RSA auf die Korrektur eindeutig identifizierter Fehler des Berechnungsverfahrens zu verzichten, um damit Unzulänglichkeiten an anderer Stelle ganz oder teilweise zu kompensieren. Weder der Gesetz- noch der Verordnungsgeber haben dem BVA den dafür erforderlichen umfassenden politisch-planerischen Entscheidungsfreiraum (vgl. dazu allgemein Gerhard in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 114 Rn. 5 m.w.N.) bei der Gestaltung des Wettbewerbs zwischen den gesetzlichen Krankenversicherungen eingeräumt. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber, wie ausgeführt, von der Vorstellung einer aus Erfahrung gespeisten Optimierung eines wissenschaftlich fundierten "idealen" Modells des RSA leiten lassen. Anders als bei der für das Klassifikationsmodell erforderlichen Krankheitsauswahl, die das BVA im Wege der wertenden Abwägung zu treffen und dabei zu entscheiden hat, wie dem Willen des Gesetzgebers am besten entsprochen werden kann (Senat, Urteil vom 06.06.2013 - L 16 KR 24/09 KL, juris Rn. 83), hat dieser der Behörde hinsichtlich des Regressionsverfahrens, die der Gesetzgeber, wie ausgeführt, nur als eher untergeordnete technische Festlegung einstuft, keine vergleichbare Letztentscheidungsbefugnis eröffnet. Für den von der Beklagten beanspruchten weiten Entscheidungsspielraum eigener Art vermag der Senat daher insgesamt keine gesetzliche Grundlage und ebenso wenig eine inhaltliche Rechtfertigung zu erkennen.
Gesetz und Verordnung lässt sich, wie ausgeführt, auch nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber das Ziel, gesetzliche Kassen möglichst an einer Auswahl ihrer Versicherten nach deren Krankheitsrisiko zu hindern, in Konkurrenz zu anderen von ihm aufgestellten Zielvorgaben gesehen und damit einer Relativierung durch die Behörde im Sinne einer wertenden Abwägung gegen die Erreichung anderer Ziele geöffnet hat (vgl. Gerhard, a.a.O., § 114 Rn. 5 m.w.N.). Wie die Klägerin insoweit zutreffend argumentiert, fällt die Berücksichtigung des Krankengeldes ohnehin nicht in die Kompetenz des BVA, sondern müsste vom Verordnungsgeber geregelt werden. Zudem existieren nach der Aussage des Sachverständigen Prof. Dr. X. bisher noch keine überzeugenden Berechnungsmodelle, um eine wettbewerbsneutrale Berücksichtigung der durch das Krankengeld verursachten Kosten zu erreichen. Schließlich setzt die derzeitige Berücksichtigung des Krankengeldes anders als die unterbliebene Annualisierung der Kosten verstorbener Versicherter keine vom Gesetzgeber nicht gewünschten Anreize zur Risikoselektion.
b) Entgegen der Ansicht der Beklagten verlangen weder Gesetz noch Verordnung für eine Änderung der Festlegungen einen Konsens aller in den RSA einbezogenen gesetzlichen Krankenkassen. Ein solcher Konsens wäre in einem auf Wettbewerb ausgerichteten System, in dem häufig die Vorteile des einen Wettbewerbers spiegelbildliche Nachteile seiner Konkurrenten mit sich bringen werden, auch schwerlich zu erreichen. Ebenso ist unerheblich, ob der GKV-Spitzenverband (wozu er an sich verpflichtet wäre, da er unabhängig von den divergierenden Interessen seiner Mitglieder zu handeln hat), eine eindeutige Position bezogen hat. Erforderlich und ausreichend ist vielmehr die Durchführung des in § 31 Abs. 4 RSAV vorgeschriebenen Anhörungsverfahrens.
c) Die dem BVA erteilte Weisung des BMG, eine Annualisierung trotz nunmehr entgegenstehender fachlicher Einschätzung des BVA weiterhin zu unterlassen, vermag den aufgezeigten Fehler nicht zu heilen. Die Weisung einer übergeordneten Behörde kann eine gesetzlich begrenzte Befugnis der angewiesenen Behörde in deren Wirkungskreis nicht erweitern. Eine tragfähige inhaltliche Rechtfertigung für die Weisung hat das BMG schließlich weder gegeben, noch ist sie nach dem oben Gesagten vorstellbar.
Daher ist unerheblich, dass die Bundesregierung nach Vorliegen des Evaluationsberichts keinen Anlass für wesentliche Änderungen des Morbi-RSA gesehen hat und daher von der Umsetzung von Einzelmaßnahmen mit finanzrelevanten Umverteilungen Abstand nehmen wollte (vgl. die Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Flach vom 10.01.2012 auf die Fragen der Abgeordneten Bas, BT-Drucks. 17/8322, 9f). Davon abgesehen, dass der Sachverständige Prof. Dr. X. überzeugend einen inhaltlichen Zusammenhang mit den weiteren im Evaluationsbericht genannten Problemfeldern (insbesondere der Berücksichtigung des Krankengeldes im RSA) verneint hat, können diese politischen Überlegungen der Bundesregierung das Handeln des BVA nicht steuern. Im Rahmen seiner Befugnis steht ihm ein solcher Entscheidungsspielraum nicht zu. Es kann offen bleiben, ob dem BMG, wenn es selbst von der Verordnungsermächtigung in § 268 Abs. 2 SGB V auch in Bezug auf die Festlegung des Klassifikationsmodells Gebrauch machen würde, bei den Festlegungen ein weiterer Gestaltungsfreiraum einzuräumen wäre und ob dieser so weit reichen würde, als geboten erkannte Änderungen des Berechnungsverfahrens bis zur Vornahme einer "Paketlösung" zurückzustellen. Im Rahmen des § 94 Abs. 2 SGB IV ist dem BMG jedenfalls kein solch weit reichender Freiraum einzuräumen; insoweit kann im Rahmen der Fachaufsicht die Befugnis der Aufsichtsbehörde nicht weiter reichen als die der nachgeordneten Behörde.
Nach alledem vermag der Senat nicht zu erkennen, woraus sich eine Befugnis des BVA ergeben sollte, den beschriebenen, eindeutig identifizierten und erkannten Fehler des Regressionsverfahrens vorläufig weiterhin bestehen zu lassen, nachdem der Evaluationsbericht des Wissenschaftlichen Beirats diesen Fehler anhand konkreter Berechnungen für das Ausgleichsjahr 2009 eindeutig untermauert und das von der RSAV vorgesehene dialogische Verfahren über die Ergebnisse dieser Evaluation stattgefunden hat. Übergeordnete planend-politische Erwägungen, welche die Korrektur dieses Fehlers mit anderen, sachlich damit nicht zusammenhängenden Unzulänglichkeiten des RSA verknüpfen, sind jedenfalls auf der Ebene des BVA, wie ausgeführt, ohne Belang und rechtfertigen keine weitere Untätigkeit der Behörde. Sollte der Gesetzgeber zu dem Ergebnis gelangen, dass durch eine nach dem Stand der Gesundheitswissenschaft gebotene Annualisierung der Kosten Verstorbener das gesamte System des RSA ganz oder teilweise die von ihm angestrebte Wirkung verfehlt, steht es ihm frei, die vom BVA und vom BMG ins Auge gefasste Gesamtlösung im Rahmen seiner weiten gesetzgeberischen Entscheidungsfreiheit zu suchen und den RSA dementsprechend neu zu regeln. Bis zu einer solchen möglichen gesetzlichen Neuregelung verpflichten die gesetzlichen Vorschriften und die RSAV das BVA, den RSA gemäß dem gesetzgeberischen Auftrag im Einklang mit der Evaluierung durch den Wissenschaftlichen Beirat des BVA zu verbessern.
Dabei kann das BVA entweder im Rahmen des bisherigen Regressionsverfahrens die Kosten für unterjährig Verstorbene wie diejenigen anderer Versicherter mit unvollständigen Versichertenepisoden auf das gesamte Jahr hochrechnen (Annualisierung) oder eine der Annualisierung funktional gleichwertige Berechnungsmethode wählen. Soweit die für den Streitfall erheblichen Festlegungen des BVA für das Jahr 2013 auf eine solche Annualisierung verzichten, sind sie rechtswidrig und damit trotz ihres Charakters als grundsätzlich verbindliche Außenrechtssätze nichtig, weil sie gegen wissenschaftliche Grundsätze verstoßen, die hier zwingend zu beachten sind. Der auf den Festlegungen fußende Grundlagenbescheid ist somit mangels wirksamer Rechtsgrundlage rechtswidrig. Mit welcher Berechnungsmethode das BVA den aufgezeigten Fehler beseitigt, indem es die Festlegungen für das Jahr 2013 insoweit insgesamt korrigiert, und die Klägerin auf dieser Grundlage neu bescheidet, liegt in seinem fachlichen, vom Gericht nicht zu ersetzenden Ermessen. Auch deshalb hatte der Senat sich auf ein Bescheidungsurteil zu beschränken.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus 52 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Klägerin beziffert ihre Belastung aufgrund des von ihr angegriffenen Morbi-RSA auf rund 73 Millionen EUR.
Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache für das gesamte System des Risikostrukturausgleichs zuzulassen.
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