Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 20 SO 67/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 214/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 16/18 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenübernahme für die Anschaffung und den Umbau eines behindertengerechten Kraftfahrzeuges (Kleinbus).
Die 1969 geborene Klägerin ist seit einer eingetretenen Lähmung beider Beine auf den Rollstuhl angewiesen bei der Diagnose Dissoziativer Bewegungsstörung der Beine (psychogene Parese), Kombinierte Persönlichkeitsstörung und Transsexualität. Für sie sind ein Grad der Behinderung mit 100 sowie die Merkzeichen G, aG, H, RF und B vergeben. Sie erhält von dem Beklagten Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung aufstockend zur Erwerbsunfähigkeitsrente sowie Leistungen der Eingliederungshilfe.
Seit Mai 2004 fährt die Klägerin – zunächst nach Anschaffung auf eigene Kosten durch Leasing, später bei Kostenübernahme durch den seinerzeit zuständigen Landeswohlfahrtsverband nach gerichtlichem Urteilsspruch - einen neuen behindertengerecht umgebauten VW Polo, für dessen Beschaffung und Unterhaltung die Klägerin Eingliederungshilfe erhielt. Aufgrund der gesetzlichen Änderung der Zuständigkeit werden die Leistungen zur Unterhaltung des Kraftfahrzeuges im Rahmen der Eingliederungshilfe inzwischen von dem Beklagten erbracht.
Am 29.11.2007 beantragte die Klägern bei dem Beklagten die Neufinanzierung und den Umbau eines behindertengerechten Fahrzeuges unter Vorlage von drei Kostenvoranschlägen über jeweils 20.000,- EUR ca. für den Umbau sowie zwischen 34.658,- für einen Kleinbus Opel Vivaro Life, 36.354,50 EUR für einen Kleinbus Mercedes Viano sowie 39.131,14 EUR für einen Kleinbus VW Multivan. Der Bedarf zur Neuanschaffung werde damit begründet, dass zwar das vorhandene Fahrzeug VW Polo noch fahrbereit sei, die Klägerin den Rollstuhl jedoch nicht mehr allein in das Fahrzeug heben könne. Sie sei darauf angewiesen, direkt in das Fahrzeug hinein zu fahren bzw. hineingehoben zu werden. Sie sei aufgrund der Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes hinsichtlich Arthrose nicht mehr in der Lage, den Klapprollstuhl selbst zu verladen. Derzeit sei sie jeweils auf eine weitere Person angewiesen zur Hilfestellung bei Ein- und Aussteigen und Verladen des Rollstuhls. Wenn eine solche Person nicht zur Verfügung stehe, sei sie darauf angewiesen, den Alltag verstärkt allein zu bewältigen. Sie benötige daher einen elektrischen Rollstuhl, jedoch zusätzlich weiterhin den Starrrahmenrollstuhl für das Funktionstraining im Reha-Sport, weswegen sie zur Verladung beider Rollstühle auf ein größeres Fahrzeug bzw. einen Kleinbus angewiesen sei (vgl. Bl. 24 ff. der Verwaltungsakte des Beklagten). Hinsichtlich des Bedarfs an notwendigerweise durchzuführenden Fahrten machte die Klägerin im Rahmen der Antragstellung folgende Angaben:
- Behandlung Schuppenflechte Uni-Klinik FFM 30 km: 1 x monatlich
- Reha-Sport BGU-Klinik 20 km: 4 x wöchentlich
- Schwimmen/Mobilisierung Schwimmbad A-Stadt: 6 km: 2 x wöchentlich
- Therapie KPP C-Stadt 25 km: 2-3 x wöchentlich
- Einkaufen DX. D-Stadt 20 km: 2-3 x wöchentlich
- Soziale Kontakte E-Stadt 50 km: 1 x wöchentlich
- Behandlung der Schuppenflechte, F-Stadt, FX. 30 km: 2 x wöchentlich
- Besuch der Eltern/Familie in G-Stadt 250 km: 1 x monatlich
- Hautärztin Blutkontrolle, Dr. H., H-Stadt 20 km: 1 x monatlich
Mit Bescheid vom 08.07.2008 lehnte der Beklagte die Finanzierungshilfe zur Neuanschaffung eines Kleinbusses und zum behindertengerechten Umbau ab, da die Voraussetzungen der Maßnahme der Eingliederungshilfe nicht gegeben seien. Bei der beantragten Hilfe handele es sich um eine Maßnahme gemäß § 53 Sozialgesetzbuch, 12. Buch – SGB XII – in Verbindung mit § 10 Abs. 6 der Verordnung zu § 60 SGB XII. Kraftfahrzeughilfen könnten nur gewährt werden, wenn die medizinischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt seien und das Fahrzeug im Einzelnen erforderlich und geeignet sei, eine wesentliche körperliche Behinderung auszugleichen. Zum Zwecke der Eingliederung müsse der Behinderte auf die Benutzung des Fahrzeugs angewiesen sein und zwar nach der geltenden Rechtsprechung aus gewichtigen Gründen, die der Eingliederung in das Arbeitsleben vergleichbar seien. Die Notwendigkeit der Benutzung müsse ständig, nicht nur vereinzelt und gelegentlich, wegen regelmäßiger Beschäftigung außerhalb des häuslichen Bereichs erforderlich sein. Hierfür reiche nicht die Notwendigkeit für den allgemeinen Zweck, um die Beweglichkeit des Behinderten wesentlich zu verbessern und damit die Folgen der Behinderung deutlich zu mindern. Fahrten zu ärztlichen Behandlungen und ärztlich verordneten Maßnahmen wie Schwimmen, Therapien, Krankengymnastik und Massagen seien hierbei nicht zu berücksichtigen, da sie der Erhaltung und Besserung des Gesundheitszustandes dienten, sodass die hiermit in Zusammenhang stehenden Fahrtkosten nach §§ 60 ff. Sozialgesetzbuch, 5. Buch – SGB V – von der Krankenkasse zu tragen seien. Diese Fahrten seien daher mit einem Taxi, Mietwagen oder Krankenwagen durchzuführen. Die Einkaufsfahrten dienten nicht dem Eingliederungsgedanken, sondern seien eine erforderliche Tätigkeit zum Lebensunterhalt. Die Eingliederung werde im Übrigen bereits durch die Vergabe der Merkzeichen, insbesondere der Notwendigkeit einer ständigen Begleitperson – Merkzeichen B – sowie durch das Merkzeichen H gewährleistet. Die gelegentlichen Fahrten zur sozialen Eingliederung – wie den Besuch von Eltern und Familie sowie soziale Kontakte – rechtfertigten nicht die Gewährung von Kraftfahrzeughilfe. Vielmehr sei es hier Aufgabe des örtlichen Sozialhilfeträgers, für die gelegentliche Nutzung von Behindertenfahrdiensten oder die Nutzung von Taxis zu sorgen.
Die Klägerin erhob am 16.07.2008 Widerspruch und verwies auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 12.01.2005. Sie machte geltend, der Beklagte habe sich mit ihrem Beschwerdebild und den rechtlichen Gesichtspunkten der Finanzierungshilfe für Kfz nicht auseinandergesetzt. Weder der VGH noch das VG Gießen hätten grundsätzliche Bedenken zur Anspruchsberechtigung geäußert. Die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, ihren Alltag zu bewältigen. Sie benötige krankheitsbedingt ein Fahrzeug, in das sie hineinfahren könne.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2008 zurück und führte zu Begründung unter Darlegung der gesetzlichen Bestimmungen aus, die Klägerin gehöre zum Kreis der antragsberechtigten Personen im Sinne § 53 Abs. 1 SGB XII. Die Nutzung des Kfz erfolge überwiegend zum Erreichen ärztlicher Behandlungen und medizinischer Rehabilitation sowie zwei- bis dreimal pro Woche zum Einkaufen, einmal wöchentlich für Besuche zur Pflege sozialer Kontakte in E-Stadt und einmal pro Monat zum Besuch der Eltern in G-Stadt. Eine nach § 8 der Eingliederungshilfe-Verordnung vergleichbare Gewichtung bei der Notwendigkeit des KFZ wie zu der dort genannten Teilhabe am Arbeitsleben und wie sie von der Rechtsprechung gefordert werde, könne darin nicht gesehen werden. Die Fahrten zur medizinischen Rehabilitation gehörten nicht zu den Aufgaben der Eingliederungshilfe im Sinne § 8 EinglH-VO bei der Beschaffung eines Kraftfahrzeuges. Für die Fahrten sei der Einsatz von Behindertenfahrdiensten und Krankenfahrten möglich, sodass dieser Bedarf in anderer Weise gedeckt werde. Der Mobilitätsbedarf werde überwiegend hierfür geltend gemacht. Bei Abwägung der Kosten für die geringfügig anfallenden Fahrten zur eigentlichen Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, die bei der beantragten Hilfe mindestens 55.000,- EUR betragen würden, könne die Maßnahme nicht als verhältnismäßig angesehen werden. Die Fahrten zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft könnten mit Taxi, Fahrdiensten und öffentlichen Verkehrsmitteln durchgeführt werden. Der Bahnverkehr sei bei entsprechender Planung behindertengerecht ausgestattet, sodass auch Fahrten zur Familie nach G-Stadt möglich seien.
Mit der am 25.02.2009 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und verweist zur Begründung auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren. Das Verwaltungsgericht Gießen habe seinerzeit entschieden, ihr ein Fahrzeug zu finanzieren, da die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben gewesen seien. Der VW Polo werde weiterhin von der Klägerin genutzt. Entsprechende Tests hätten seinerzeit auch die Fahrfähigkeit der Klägerin belegt. Der dem Grunde nach festgestellte Eingliederungsbedarf bestehe weiterhin. Sie sei aufgrund ihrer Gesundheitseinschränkungen nicht in der Lage, einen Rollstuhl selbständig aufzubauen und müsse daher in das Fahrzeug hineinfahren können. Sie legt eine weitere Aufstellung der aus ihrer Sicht gewünschten und notwendigen Fahrten mit dem Kfz vor und trägt vor, sie würde gern in Zoos und Parks fahren, wozu sie aber einen Bus brauche, um mit dem Elektrorollstuhl hineinzufahren. Sie sei andernfalls ständig auf fremde Hilfe beim Verladen des Rollstuhls angewiesen, was sie psychisch runterziehe, da sie selbständig sein wolle. Mit dem mechanischen Rollstuhl sei das wegen starker Schmerzen in Armen und Schultern nicht möglich. Sie habe inzwischen einen Elektrorollstuhl und sei auf das Ersatzfahrzeug angewiesen, da allein die Reifen ein Gewicht von 16 kg hätten. Wegen der inzwischen erforderlich gewordenen Reparaturkosten sei es auch unwirtschaftlich geworden, das bisherige Fahrzeug weiter zu nutzen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 08.07.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Hilfe zur Beschaffung und zum behindertengerechten Umbau eines Kraftfahrzeuges (Kleinbusses) als Maßnahme der Eingliederungshilfe zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und trägt im Übrigen vor, es sei der Klägerin neben der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel auch zumutbar, den Behindertenfahrdienst des Beklagten in Anspruch zu nehmen. Hierfür würden 60 Fahrscheine pro Jahr vergeben, wobei die Kosten bis zum 40. Kilometer von dem Beklagten getragen würden. Auch bei der Deutschen Bundesbahn gebe es Hilfe für mobilitätseingeschränkte Reisende, die in Anspruch genommen werden könnten. Fahrten zum Einkaufen unterfielen nicht der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Sinne der genannten Rechtsnormen. Ein entsprechender Bedarf werde auch im Rahmen der hauswirtschaftlichen Versorgung bei der bewilligten Pflegestufe durch die Pflegekasse berücksichtigt, wozu auf Ziffer 5.4 des der Klägerin vorliegenden MDK-Gutachtens vom 15.09.2006 zur Feststellung der Pflegestufe verwiesen werde. Die von der Klägerin vorgelegte Fahrtenaufstellung sei im Übrigen nicht plausibel. Hieraus ergebe sich eine wöchentliche Fahrleistung von 650 km bzw. 3140 km im Monat und damit ein Jahreswert von 37.000 km. Aus den in der Verwaltungsakte durch das Autohaus J. dokumentierten Km-Ständen des VW Polo ergebe sich jedoch nur eine monatliche Fahrleistung von 545 km bzw. 6540 km Jahresleistung. Es sei daher unerheblich, welchen neuen Rollstuhl die Klägerin konkret benutze und ob es ggfs. bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen dem Grunde nach ein anderes geeignetes und wirtschaftlicheres Fahrzeugmodell auf dem Markt gebe. Der Beklagte weist darauf hin, dass die Reparaturkosten von dem Beklagten getragen worden seien.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Akte des Versorgungsamtes, des Verwaltungsgerichts Gießen sowie Einholung eines Befundberichts der Hausärztin Dr. K. vom 01.02.2010, wonach sich die erhobenen Befunde seit Januar 2004 nicht wesentlich verändert hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 08.07.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Diese hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Eingliederungshilfe in Form der Hilfe bzw. Kostenübernahme für die Neuanschaffung eines behindertengerechten Kraftfahrzeuges KFZ – (Kleinbus) als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht nachgewiesen sind. Insbesondere konnte sich das Gericht nach Prüfung der Sach- und Rechtslage und Würdigung des Vortrages der Klägerin sowie der beigezogenen Unterlagen nicht davon überzeugen, dass die Klägerin prognostisch ausgehend von dem am 28.11.2007 gestellten Antrag auf die Anschaffung und Benutzung des von ihr gewünschten Fahrzeuges in der Weise angewiesen ist, dass ohne dessen Anschaffung und behindertengerechtem Umbau sowie dann folgender Nutzung eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben im Sinne der Eingliederungshilfe und der gesetzlichen Vorgaben nicht möglich sei.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Bewilligung der Kosten für die Anschaffung und den Umbau eines gemäß dem Antrag der Klägerin geeigneten Fahrzeuges ist § 53 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, 12. Buch – SGB XII – in Verbindung mit §§ 33 und 55 Sozialgesetzbuch, 9. Buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – SGB IX -. Nach § 60 SGB XII i. V. m. § 8 Abs. 1 Eingliederungshilfe-Verordnung (EinglhVO) – vorliegend anzuwenden in der Fassung des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. 3022, 3059) - gilt die Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i. V. m. §§ 33 und 55 SGB IX. Sie wird im angemessenen Umfang gewährt, wenn der behinderte Mensch wegen Art oder Schwere seiner Behinderung insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Benutzung des Kraftfahrzeuges angewiesen ist; bei Teilhabe am Arbeitsleben findet die Kraftfahrzeughilfe-Verordnung Anwendung.
Sinn und Zweck des § 8 Abs. 1 Satz 2 EinglhVO besteht darin, den Behinderten durch die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und durch Eingliederung in das Arbeitsleben nach Möglichkeit einem Nichtbehinderten gleichzustellen. Allerdings liegt der vom Gesetz vorgesehene Schwerpunkt der Versorgung mit einem Kraftfahrzeug in der Eingliederung in das Arbeitsleben, sodass andere Gründe für die Gewährung einer Eingliederungshilfe zur Teilhabe zwar nicht ausgeschlossen sind, jedoch ähnlich gewichtig sein müssen oder mindestens vergleichbar gewichtig wie der Teilhabeanspruch am Arbeitsleben (so auch Hess. LSG Beschluss vom 17.01.2008 – L 7 SO 115/07 ER - ; Hess. LSG, Urteil vom 24.10.2012 – L 4 SO 198/11 - ); entgegen der zuletzt genannten Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts vom 24.10.2012 ist jedoch hierfür gemäß der Entscheidung des Bundessozialgerichts durch Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R , verfügbar in juris, nicht mehr erforderlich, dass die Nutzung ständig regelmäßig und damit nahezu täglich erfolgen müsse; mithin reicht eine auch nur vereinzelte oder gelegentliche Nutzung aus.
Im Hinblick auf das bei jeder Eingliederungsmaßnahme zu prüfende Merkmal der Notwendigkeit (§ 4 Abs. 1 SGB IX) ist allerdings ein Angewiesensein auf ein Kraftfahrzeug – KFZ – nur dann zu bejahen, wenn dieses als grundsätzlich geeignete Eingliederungsmaßnahme unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele ist, wobei ein individueller Maßstab im Hinblick auf die personenzentrierten Zwecke der Eingliederungshilfe anzulegen ist (vgl. Urteil des BSG vom 12.12.2013 a. a. O.; Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 8 EinglHV). In welchem Maß und durch welche Aktivitäten ein behinderter Mensch am Leben in der Gemeinschaft teilnimmt, ist abhängig von seinen individuellen Bedürfnissen unter Berücksichtigung seiner Wünsche; demnach gilt ein individueller und personenzentrierter Maßstab (vgl. BSG: a. a. O. sowie BSG, Urteil vom 23.08.2013 – B 8 SO 24/11 R – im Hinblick auf § 9 Abs. 1 EinglhVO für Hilfe durch besondere Bedienungseinrichtungen; verfügbar in juris).
Nach den in der Vergangenheit getroffenen und ärztlichen Feststellungen zählt die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankungen und der hieraus resultierenden Einschränkungen ihrer Beweglichkeit zum berechtigten Personenkreis der Eingliederungshilfe. Auch ist nach dem gegebenen Sachverhalt und den Darlegungen der Klägerin hinsichtlich des persönlichen Eingliederungszwecks vorwiegend durch Betätigungen sportlicher Art, Behindertensport, Besuche bei Freunden und Familie, Besuch kultureller und sportlicher Veranstaltungen etc. die Anschaffung eines behindertengerechten Kraftfahrzeuges zum Erreichen dieser Eingliederungsziele grundsätzlich geeignet.
Darüber hinaus müsste die Klägerin jedoch auf die Nutzung und damit Anschaffung eines behindertengerechten KFZ – wie von ihr beantrag in Form eines Kleinbusses - zum Erreichen der Eingliederungsziele angewiesen sein, d. h. die Anschaffung und Nutzung eines KFZ müsste unentbehrlich (gewesen) sein, was nur der Fall wäre, wenn die Teilhabeziele mit dem öffentlichen Personennahverkehr und ggfs. unter ergänzender Inanspruchnahme eines Behindertenfahrdienstes und der konkreten individuellen und persönlichen Gegebenheiten nicht zumutbar verwirklicht werden könnten (vgl. BSG vom 12.12.2013: a. a. O.). Die Kammer konnte sich nach den Darlegungen der Klägerin und dem gegebenen Sachverhalt nicht davon überzeugen, dass sie in diesem Sinne zur Erreichung der von ihr angestrebten Eingliederungs- und Teilhabeziele unentbehrlich auf die Nutzung eines KFZ in der Weise angewiesen war bzw. ist und dass eine Verwirklichung dieser Ziele durch die Inanspruchnahme des Personennahverkehrs sowie der Behindertenfahrdienste bzw. Taxidienste nicht möglich und zumutbar (gewesen) wäre. Nach den Darlegungen der Klägerin selbst benutzt diese nach wie vor das ihr bereits zur Verfügung gestellte finanzierte und inzwischen auch reparierte und wiederum fahrtüchtige KFZ. Soweit sie angibt, Passanten beim Verladen des Rollstuhls nicht um Hilfe bitten zu wollen bzw. auf weitere Hilfe angewiesen sein zu wollen, kann dies die Notwendigkeit einer Eingliederungsmaßnahme im Umfang von ca. 55.000,- EUR nicht begründen. Auch ist in keiner Weise dargelegt, warum die Klägerin nicht in der Lage sein sollte, öffentliche Verkehrsmittel, Behindertenfahrdienste oder Taxisdienste unter Verwendung entsprechender Berechtigungsscheine zu nutzen. Gesundheitliche Hindernisse sind hierfür weder erkennbar noch vorgetragen. Im Ergebnis kommen damit zumutbare Alternativen zur Benutzung eines KFZ zum Erreichen des Eingliederungszweckes in Betracht.
Ein über derartig bestehende Mobilitätshilfen und Förderungsmaßnahmen der Beklagten hinausgehende Bedarf der Klägerin an Mobilität ist, soweit überhaupt vorhanden, seitens der Gesellschaft nicht durch Anschaffung und Unterhaltung eines KFZ zu finanzieren (so im Ergebnis auch: Hess. LSG, Urteil vom 24.10.2012 – L 4 SO 198/11 – verfügbar in juris). Das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass die nach den Schilderungen der Klägerin im Rahmen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu berücksichtigenden Fahrten zu Freunden, Sport und Familie nicht durch die Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel oder entsprechender Planung zur Nutzung von Behinderten- und Taxifahrdiensten möglich gemacht werden könnten bzw. dass andernfalls das persönliche Leben der Klägerin im Hinblick auf das Eingliederungsziel der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft unzumutbar eingeschränkt würde. Allerdings ist der Klägerin hier wie auch den übrigen einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen eine gewisse Einschränkung in der alltäglichen Gestaltung ihrer Lebenswirklichkeit im Hinblick auf Spontaneität, ständige Verfügbarkeit und Erreichbarkeit sowie Inanspruchnahme von Hilfeleistungen anderer abzuverlangen; andernfalls müsste jedem Menschen mit vergleichbaren Einschränkungen und Behinderungen zur Entfaltung seiner Persönlichkeit und individuellen Freiheit ein KFZ zur Verfügung gestellt werden. Diese Zielsetzung hat die Eingliederungshilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach dem Gesetz jedoch nicht. Entsprechend lautende Vorgaben sind auch nicht in Art. 20 des am 26.03.2009 ratifizierten Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN Behindertenrechtskonvention) enthalten.
Soweit die Klägerin Einkaufsfahrten als Teilhabeziel geltend macht, sind diese von vornherein nicht geeignet, einen entsprechenden Anspruch zu stützen, da sie zum einen allgemeinen Zwecken dienen und nicht dem Bedarf der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft unterfallen, und zum anderen dem Bedarf im Rahmen der hauswirtschaftlichen Versorgung zuzurechnen sind bei Zuordnung der Pflegestufe und Gewährung von Leistungen aus der Pflegeversicherung oder im Rahmen der Hilfe zu Pflege nach § 61 SGB XII zu berücksichtigen wären. Unberücksichtigt bei der Prüfung der Notwendigkeit und der Frage des Angewiesenseins auf ein KFZ bleiben auch Fahrten zu Ärzten und Therapien, die bei entsprechendem Bedarf über die Krankenkasse abgerechnet werden können (§ 60 SGB V in Verbindung mit den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten) oder evtl. über einen ergänzenden Anspruch im Rahmen § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII.
Es ist für die Klägerin im Ergebnis zur Überzeugung des Gerichts nicht notwendig, zum Erreichen des Eingliederungszieles der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und zur Teilnahme an diesem Leben in ausreichendem Maße unter Berücksichtigung eines für sie geltenden individuellen und personenzentrierten Maßstabes ein anderes KFZ in Form eines Kleinbusses zur ständigen Nutzung zu erhalten unter Bewilligung einer entsprechenden Finanzierung.
Die Klage war abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz – SGG -.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenübernahme für die Anschaffung und den Umbau eines behindertengerechten Kraftfahrzeuges (Kleinbus).
Die 1969 geborene Klägerin ist seit einer eingetretenen Lähmung beider Beine auf den Rollstuhl angewiesen bei der Diagnose Dissoziativer Bewegungsstörung der Beine (psychogene Parese), Kombinierte Persönlichkeitsstörung und Transsexualität. Für sie sind ein Grad der Behinderung mit 100 sowie die Merkzeichen G, aG, H, RF und B vergeben. Sie erhält von dem Beklagten Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung aufstockend zur Erwerbsunfähigkeitsrente sowie Leistungen der Eingliederungshilfe.
Seit Mai 2004 fährt die Klägerin – zunächst nach Anschaffung auf eigene Kosten durch Leasing, später bei Kostenübernahme durch den seinerzeit zuständigen Landeswohlfahrtsverband nach gerichtlichem Urteilsspruch - einen neuen behindertengerecht umgebauten VW Polo, für dessen Beschaffung und Unterhaltung die Klägerin Eingliederungshilfe erhielt. Aufgrund der gesetzlichen Änderung der Zuständigkeit werden die Leistungen zur Unterhaltung des Kraftfahrzeuges im Rahmen der Eingliederungshilfe inzwischen von dem Beklagten erbracht.
Am 29.11.2007 beantragte die Klägern bei dem Beklagten die Neufinanzierung und den Umbau eines behindertengerechten Fahrzeuges unter Vorlage von drei Kostenvoranschlägen über jeweils 20.000,- EUR ca. für den Umbau sowie zwischen 34.658,- für einen Kleinbus Opel Vivaro Life, 36.354,50 EUR für einen Kleinbus Mercedes Viano sowie 39.131,14 EUR für einen Kleinbus VW Multivan. Der Bedarf zur Neuanschaffung werde damit begründet, dass zwar das vorhandene Fahrzeug VW Polo noch fahrbereit sei, die Klägerin den Rollstuhl jedoch nicht mehr allein in das Fahrzeug heben könne. Sie sei darauf angewiesen, direkt in das Fahrzeug hinein zu fahren bzw. hineingehoben zu werden. Sie sei aufgrund der Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes hinsichtlich Arthrose nicht mehr in der Lage, den Klapprollstuhl selbst zu verladen. Derzeit sei sie jeweils auf eine weitere Person angewiesen zur Hilfestellung bei Ein- und Aussteigen und Verladen des Rollstuhls. Wenn eine solche Person nicht zur Verfügung stehe, sei sie darauf angewiesen, den Alltag verstärkt allein zu bewältigen. Sie benötige daher einen elektrischen Rollstuhl, jedoch zusätzlich weiterhin den Starrrahmenrollstuhl für das Funktionstraining im Reha-Sport, weswegen sie zur Verladung beider Rollstühle auf ein größeres Fahrzeug bzw. einen Kleinbus angewiesen sei (vgl. Bl. 24 ff. der Verwaltungsakte des Beklagten). Hinsichtlich des Bedarfs an notwendigerweise durchzuführenden Fahrten machte die Klägerin im Rahmen der Antragstellung folgende Angaben:
- Behandlung Schuppenflechte Uni-Klinik FFM 30 km: 1 x monatlich
- Reha-Sport BGU-Klinik 20 km: 4 x wöchentlich
- Schwimmen/Mobilisierung Schwimmbad A-Stadt: 6 km: 2 x wöchentlich
- Therapie KPP C-Stadt 25 km: 2-3 x wöchentlich
- Einkaufen DX. D-Stadt 20 km: 2-3 x wöchentlich
- Soziale Kontakte E-Stadt 50 km: 1 x wöchentlich
- Behandlung der Schuppenflechte, F-Stadt, FX. 30 km: 2 x wöchentlich
- Besuch der Eltern/Familie in G-Stadt 250 km: 1 x monatlich
- Hautärztin Blutkontrolle, Dr. H., H-Stadt 20 km: 1 x monatlich
Mit Bescheid vom 08.07.2008 lehnte der Beklagte die Finanzierungshilfe zur Neuanschaffung eines Kleinbusses und zum behindertengerechten Umbau ab, da die Voraussetzungen der Maßnahme der Eingliederungshilfe nicht gegeben seien. Bei der beantragten Hilfe handele es sich um eine Maßnahme gemäß § 53 Sozialgesetzbuch, 12. Buch – SGB XII – in Verbindung mit § 10 Abs. 6 der Verordnung zu § 60 SGB XII. Kraftfahrzeughilfen könnten nur gewährt werden, wenn die medizinischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt seien und das Fahrzeug im Einzelnen erforderlich und geeignet sei, eine wesentliche körperliche Behinderung auszugleichen. Zum Zwecke der Eingliederung müsse der Behinderte auf die Benutzung des Fahrzeugs angewiesen sein und zwar nach der geltenden Rechtsprechung aus gewichtigen Gründen, die der Eingliederung in das Arbeitsleben vergleichbar seien. Die Notwendigkeit der Benutzung müsse ständig, nicht nur vereinzelt und gelegentlich, wegen regelmäßiger Beschäftigung außerhalb des häuslichen Bereichs erforderlich sein. Hierfür reiche nicht die Notwendigkeit für den allgemeinen Zweck, um die Beweglichkeit des Behinderten wesentlich zu verbessern und damit die Folgen der Behinderung deutlich zu mindern. Fahrten zu ärztlichen Behandlungen und ärztlich verordneten Maßnahmen wie Schwimmen, Therapien, Krankengymnastik und Massagen seien hierbei nicht zu berücksichtigen, da sie der Erhaltung und Besserung des Gesundheitszustandes dienten, sodass die hiermit in Zusammenhang stehenden Fahrtkosten nach §§ 60 ff. Sozialgesetzbuch, 5. Buch – SGB V – von der Krankenkasse zu tragen seien. Diese Fahrten seien daher mit einem Taxi, Mietwagen oder Krankenwagen durchzuführen. Die Einkaufsfahrten dienten nicht dem Eingliederungsgedanken, sondern seien eine erforderliche Tätigkeit zum Lebensunterhalt. Die Eingliederung werde im Übrigen bereits durch die Vergabe der Merkzeichen, insbesondere der Notwendigkeit einer ständigen Begleitperson – Merkzeichen B – sowie durch das Merkzeichen H gewährleistet. Die gelegentlichen Fahrten zur sozialen Eingliederung – wie den Besuch von Eltern und Familie sowie soziale Kontakte – rechtfertigten nicht die Gewährung von Kraftfahrzeughilfe. Vielmehr sei es hier Aufgabe des örtlichen Sozialhilfeträgers, für die gelegentliche Nutzung von Behindertenfahrdiensten oder die Nutzung von Taxis zu sorgen.
Die Klägerin erhob am 16.07.2008 Widerspruch und verwies auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 12.01.2005. Sie machte geltend, der Beklagte habe sich mit ihrem Beschwerdebild und den rechtlichen Gesichtspunkten der Finanzierungshilfe für Kfz nicht auseinandergesetzt. Weder der VGH noch das VG Gießen hätten grundsätzliche Bedenken zur Anspruchsberechtigung geäußert. Die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, ihren Alltag zu bewältigen. Sie benötige krankheitsbedingt ein Fahrzeug, in das sie hineinfahren könne.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2008 zurück und führte zu Begründung unter Darlegung der gesetzlichen Bestimmungen aus, die Klägerin gehöre zum Kreis der antragsberechtigten Personen im Sinne § 53 Abs. 1 SGB XII. Die Nutzung des Kfz erfolge überwiegend zum Erreichen ärztlicher Behandlungen und medizinischer Rehabilitation sowie zwei- bis dreimal pro Woche zum Einkaufen, einmal wöchentlich für Besuche zur Pflege sozialer Kontakte in E-Stadt und einmal pro Monat zum Besuch der Eltern in G-Stadt. Eine nach § 8 der Eingliederungshilfe-Verordnung vergleichbare Gewichtung bei der Notwendigkeit des KFZ wie zu der dort genannten Teilhabe am Arbeitsleben und wie sie von der Rechtsprechung gefordert werde, könne darin nicht gesehen werden. Die Fahrten zur medizinischen Rehabilitation gehörten nicht zu den Aufgaben der Eingliederungshilfe im Sinne § 8 EinglH-VO bei der Beschaffung eines Kraftfahrzeuges. Für die Fahrten sei der Einsatz von Behindertenfahrdiensten und Krankenfahrten möglich, sodass dieser Bedarf in anderer Weise gedeckt werde. Der Mobilitätsbedarf werde überwiegend hierfür geltend gemacht. Bei Abwägung der Kosten für die geringfügig anfallenden Fahrten zur eigentlichen Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, die bei der beantragten Hilfe mindestens 55.000,- EUR betragen würden, könne die Maßnahme nicht als verhältnismäßig angesehen werden. Die Fahrten zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft könnten mit Taxi, Fahrdiensten und öffentlichen Verkehrsmitteln durchgeführt werden. Der Bahnverkehr sei bei entsprechender Planung behindertengerecht ausgestattet, sodass auch Fahrten zur Familie nach G-Stadt möglich seien.
Mit der am 25.02.2009 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und verweist zur Begründung auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren. Das Verwaltungsgericht Gießen habe seinerzeit entschieden, ihr ein Fahrzeug zu finanzieren, da die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben gewesen seien. Der VW Polo werde weiterhin von der Klägerin genutzt. Entsprechende Tests hätten seinerzeit auch die Fahrfähigkeit der Klägerin belegt. Der dem Grunde nach festgestellte Eingliederungsbedarf bestehe weiterhin. Sie sei aufgrund ihrer Gesundheitseinschränkungen nicht in der Lage, einen Rollstuhl selbständig aufzubauen und müsse daher in das Fahrzeug hineinfahren können. Sie legt eine weitere Aufstellung der aus ihrer Sicht gewünschten und notwendigen Fahrten mit dem Kfz vor und trägt vor, sie würde gern in Zoos und Parks fahren, wozu sie aber einen Bus brauche, um mit dem Elektrorollstuhl hineinzufahren. Sie sei andernfalls ständig auf fremde Hilfe beim Verladen des Rollstuhls angewiesen, was sie psychisch runterziehe, da sie selbständig sein wolle. Mit dem mechanischen Rollstuhl sei das wegen starker Schmerzen in Armen und Schultern nicht möglich. Sie habe inzwischen einen Elektrorollstuhl und sei auf das Ersatzfahrzeug angewiesen, da allein die Reifen ein Gewicht von 16 kg hätten. Wegen der inzwischen erforderlich gewordenen Reparaturkosten sei es auch unwirtschaftlich geworden, das bisherige Fahrzeug weiter zu nutzen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 08.07.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Hilfe zur Beschaffung und zum behindertengerechten Umbau eines Kraftfahrzeuges (Kleinbusses) als Maßnahme der Eingliederungshilfe zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und trägt im Übrigen vor, es sei der Klägerin neben der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel auch zumutbar, den Behindertenfahrdienst des Beklagten in Anspruch zu nehmen. Hierfür würden 60 Fahrscheine pro Jahr vergeben, wobei die Kosten bis zum 40. Kilometer von dem Beklagten getragen würden. Auch bei der Deutschen Bundesbahn gebe es Hilfe für mobilitätseingeschränkte Reisende, die in Anspruch genommen werden könnten. Fahrten zum Einkaufen unterfielen nicht der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Sinne der genannten Rechtsnormen. Ein entsprechender Bedarf werde auch im Rahmen der hauswirtschaftlichen Versorgung bei der bewilligten Pflegestufe durch die Pflegekasse berücksichtigt, wozu auf Ziffer 5.4 des der Klägerin vorliegenden MDK-Gutachtens vom 15.09.2006 zur Feststellung der Pflegestufe verwiesen werde. Die von der Klägerin vorgelegte Fahrtenaufstellung sei im Übrigen nicht plausibel. Hieraus ergebe sich eine wöchentliche Fahrleistung von 650 km bzw. 3140 km im Monat und damit ein Jahreswert von 37.000 km. Aus den in der Verwaltungsakte durch das Autohaus J. dokumentierten Km-Ständen des VW Polo ergebe sich jedoch nur eine monatliche Fahrleistung von 545 km bzw. 6540 km Jahresleistung. Es sei daher unerheblich, welchen neuen Rollstuhl die Klägerin konkret benutze und ob es ggfs. bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen dem Grunde nach ein anderes geeignetes und wirtschaftlicheres Fahrzeugmodell auf dem Markt gebe. Der Beklagte weist darauf hin, dass die Reparaturkosten von dem Beklagten getragen worden seien.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Akte des Versorgungsamtes, des Verwaltungsgerichts Gießen sowie Einholung eines Befundberichts der Hausärztin Dr. K. vom 01.02.2010, wonach sich die erhobenen Befunde seit Januar 2004 nicht wesentlich verändert hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 08.07.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Diese hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Eingliederungshilfe in Form der Hilfe bzw. Kostenübernahme für die Neuanschaffung eines behindertengerechten Kraftfahrzeuges KFZ – (Kleinbus) als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht nachgewiesen sind. Insbesondere konnte sich das Gericht nach Prüfung der Sach- und Rechtslage und Würdigung des Vortrages der Klägerin sowie der beigezogenen Unterlagen nicht davon überzeugen, dass die Klägerin prognostisch ausgehend von dem am 28.11.2007 gestellten Antrag auf die Anschaffung und Benutzung des von ihr gewünschten Fahrzeuges in der Weise angewiesen ist, dass ohne dessen Anschaffung und behindertengerechtem Umbau sowie dann folgender Nutzung eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben im Sinne der Eingliederungshilfe und der gesetzlichen Vorgaben nicht möglich sei.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Bewilligung der Kosten für die Anschaffung und den Umbau eines gemäß dem Antrag der Klägerin geeigneten Fahrzeuges ist § 53 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, 12. Buch – SGB XII – in Verbindung mit §§ 33 und 55 Sozialgesetzbuch, 9. Buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – SGB IX -. Nach § 60 SGB XII i. V. m. § 8 Abs. 1 Eingliederungshilfe-Verordnung (EinglhVO) – vorliegend anzuwenden in der Fassung des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. 3022, 3059) - gilt die Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i. V. m. §§ 33 und 55 SGB IX. Sie wird im angemessenen Umfang gewährt, wenn der behinderte Mensch wegen Art oder Schwere seiner Behinderung insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Benutzung des Kraftfahrzeuges angewiesen ist; bei Teilhabe am Arbeitsleben findet die Kraftfahrzeughilfe-Verordnung Anwendung.
Sinn und Zweck des § 8 Abs. 1 Satz 2 EinglhVO besteht darin, den Behinderten durch die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und durch Eingliederung in das Arbeitsleben nach Möglichkeit einem Nichtbehinderten gleichzustellen. Allerdings liegt der vom Gesetz vorgesehene Schwerpunkt der Versorgung mit einem Kraftfahrzeug in der Eingliederung in das Arbeitsleben, sodass andere Gründe für die Gewährung einer Eingliederungshilfe zur Teilhabe zwar nicht ausgeschlossen sind, jedoch ähnlich gewichtig sein müssen oder mindestens vergleichbar gewichtig wie der Teilhabeanspruch am Arbeitsleben (so auch Hess. LSG Beschluss vom 17.01.2008 – L 7 SO 115/07 ER - ; Hess. LSG, Urteil vom 24.10.2012 – L 4 SO 198/11 - ); entgegen der zuletzt genannten Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts vom 24.10.2012 ist jedoch hierfür gemäß der Entscheidung des Bundessozialgerichts durch Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R , verfügbar in juris, nicht mehr erforderlich, dass die Nutzung ständig regelmäßig und damit nahezu täglich erfolgen müsse; mithin reicht eine auch nur vereinzelte oder gelegentliche Nutzung aus.
Im Hinblick auf das bei jeder Eingliederungsmaßnahme zu prüfende Merkmal der Notwendigkeit (§ 4 Abs. 1 SGB IX) ist allerdings ein Angewiesensein auf ein Kraftfahrzeug – KFZ – nur dann zu bejahen, wenn dieses als grundsätzlich geeignete Eingliederungsmaßnahme unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele ist, wobei ein individueller Maßstab im Hinblick auf die personenzentrierten Zwecke der Eingliederungshilfe anzulegen ist (vgl. Urteil des BSG vom 12.12.2013 a. a. O.; Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 8 EinglHV). In welchem Maß und durch welche Aktivitäten ein behinderter Mensch am Leben in der Gemeinschaft teilnimmt, ist abhängig von seinen individuellen Bedürfnissen unter Berücksichtigung seiner Wünsche; demnach gilt ein individueller und personenzentrierter Maßstab (vgl. BSG: a. a. O. sowie BSG, Urteil vom 23.08.2013 – B 8 SO 24/11 R – im Hinblick auf § 9 Abs. 1 EinglhVO für Hilfe durch besondere Bedienungseinrichtungen; verfügbar in juris).
Nach den in der Vergangenheit getroffenen und ärztlichen Feststellungen zählt die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankungen und der hieraus resultierenden Einschränkungen ihrer Beweglichkeit zum berechtigten Personenkreis der Eingliederungshilfe. Auch ist nach dem gegebenen Sachverhalt und den Darlegungen der Klägerin hinsichtlich des persönlichen Eingliederungszwecks vorwiegend durch Betätigungen sportlicher Art, Behindertensport, Besuche bei Freunden und Familie, Besuch kultureller und sportlicher Veranstaltungen etc. die Anschaffung eines behindertengerechten Kraftfahrzeuges zum Erreichen dieser Eingliederungsziele grundsätzlich geeignet.
Darüber hinaus müsste die Klägerin jedoch auf die Nutzung und damit Anschaffung eines behindertengerechten KFZ – wie von ihr beantrag in Form eines Kleinbusses - zum Erreichen der Eingliederungsziele angewiesen sein, d. h. die Anschaffung und Nutzung eines KFZ müsste unentbehrlich (gewesen) sein, was nur der Fall wäre, wenn die Teilhabeziele mit dem öffentlichen Personennahverkehr und ggfs. unter ergänzender Inanspruchnahme eines Behindertenfahrdienstes und der konkreten individuellen und persönlichen Gegebenheiten nicht zumutbar verwirklicht werden könnten (vgl. BSG vom 12.12.2013: a. a. O.). Die Kammer konnte sich nach den Darlegungen der Klägerin und dem gegebenen Sachverhalt nicht davon überzeugen, dass sie in diesem Sinne zur Erreichung der von ihr angestrebten Eingliederungs- und Teilhabeziele unentbehrlich auf die Nutzung eines KFZ in der Weise angewiesen war bzw. ist und dass eine Verwirklichung dieser Ziele durch die Inanspruchnahme des Personennahverkehrs sowie der Behindertenfahrdienste bzw. Taxidienste nicht möglich und zumutbar (gewesen) wäre. Nach den Darlegungen der Klägerin selbst benutzt diese nach wie vor das ihr bereits zur Verfügung gestellte finanzierte und inzwischen auch reparierte und wiederum fahrtüchtige KFZ. Soweit sie angibt, Passanten beim Verladen des Rollstuhls nicht um Hilfe bitten zu wollen bzw. auf weitere Hilfe angewiesen sein zu wollen, kann dies die Notwendigkeit einer Eingliederungsmaßnahme im Umfang von ca. 55.000,- EUR nicht begründen. Auch ist in keiner Weise dargelegt, warum die Klägerin nicht in der Lage sein sollte, öffentliche Verkehrsmittel, Behindertenfahrdienste oder Taxisdienste unter Verwendung entsprechender Berechtigungsscheine zu nutzen. Gesundheitliche Hindernisse sind hierfür weder erkennbar noch vorgetragen. Im Ergebnis kommen damit zumutbare Alternativen zur Benutzung eines KFZ zum Erreichen des Eingliederungszweckes in Betracht.
Ein über derartig bestehende Mobilitätshilfen und Förderungsmaßnahmen der Beklagten hinausgehende Bedarf der Klägerin an Mobilität ist, soweit überhaupt vorhanden, seitens der Gesellschaft nicht durch Anschaffung und Unterhaltung eines KFZ zu finanzieren (so im Ergebnis auch: Hess. LSG, Urteil vom 24.10.2012 – L 4 SO 198/11 – verfügbar in juris). Das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass die nach den Schilderungen der Klägerin im Rahmen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu berücksichtigenden Fahrten zu Freunden, Sport und Familie nicht durch die Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel oder entsprechender Planung zur Nutzung von Behinderten- und Taxifahrdiensten möglich gemacht werden könnten bzw. dass andernfalls das persönliche Leben der Klägerin im Hinblick auf das Eingliederungsziel der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft unzumutbar eingeschränkt würde. Allerdings ist der Klägerin hier wie auch den übrigen einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen eine gewisse Einschränkung in der alltäglichen Gestaltung ihrer Lebenswirklichkeit im Hinblick auf Spontaneität, ständige Verfügbarkeit und Erreichbarkeit sowie Inanspruchnahme von Hilfeleistungen anderer abzuverlangen; andernfalls müsste jedem Menschen mit vergleichbaren Einschränkungen und Behinderungen zur Entfaltung seiner Persönlichkeit und individuellen Freiheit ein KFZ zur Verfügung gestellt werden. Diese Zielsetzung hat die Eingliederungshilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach dem Gesetz jedoch nicht. Entsprechend lautende Vorgaben sind auch nicht in Art. 20 des am 26.03.2009 ratifizierten Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN Behindertenrechtskonvention) enthalten.
Soweit die Klägerin Einkaufsfahrten als Teilhabeziel geltend macht, sind diese von vornherein nicht geeignet, einen entsprechenden Anspruch zu stützen, da sie zum einen allgemeinen Zwecken dienen und nicht dem Bedarf der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft unterfallen, und zum anderen dem Bedarf im Rahmen der hauswirtschaftlichen Versorgung zuzurechnen sind bei Zuordnung der Pflegestufe und Gewährung von Leistungen aus der Pflegeversicherung oder im Rahmen der Hilfe zu Pflege nach § 61 SGB XII zu berücksichtigen wären. Unberücksichtigt bei der Prüfung der Notwendigkeit und der Frage des Angewiesenseins auf ein KFZ bleiben auch Fahrten zu Ärzten und Therapien, die bei entsprechendem Bedarf über die Krankenkasse abgerechnet werden können (§ 60 SGB V in Verbindung mit den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten) oder evtl. über einen ergänzenden Anspruch im Rahmen § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII.
Es ist für die Klägerin im Ergebnis zur Überzeugung des Gerichts nicht notwendig, zum Erreichen des Eingliederungszieles der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und zur Teilnahme an diesem Leben in ausreichendem Maße unter Berücksichtigung eines für sie geltenden individuellen und personenzentrierten Maßstabes ein anderes KFZ in Form eines Kleinbusses zur ständigen Nutzung zu erhalten unter Bewilligung einer entsprechenden Finanzierung.
Die Klage war abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz – SGG -.
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