L 7 AS 1045/16 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 19 AS 1993/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 1045/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 30.05.2016 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Kosten der Unterkunft nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften vom 26.04.2016 bis zum 31.10.2016 zu zahlen.

Der Antragsgegner hat die Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren über die Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Die am 00.00.1991 geborene Antragstellerin ist griechische Staatsangehörige und verfügt über eine in Griechenland abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung. Sie reiste im Jahr 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und übt seitdem keine Beschäftigung aus. Bis zum 24.02.2016 bezog sie als Angehörige der Bedarfsgemeinschaft ihrer Mutter Leistungen nach dem SGB II vom Antragsgegner. In der Zeit vom 08.12.2015 bis zum 10.06.2016 nahm sie an dem vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge organisierten Programm "Berufsbezogene Sprachförderung für Migrantinnen im Bereich Pflege und Soziales" teil, in dessen Rahmen sie auch ein fünfwöchiges Praktikum im L-Krankenhaus E absolvierte. Ein Vergütungsanspruch gegenüber dem Praktikumsbetrieb bestand nicht.

Den am 18.03.2016 gestellten Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 04.04.2016 ab. Zur Begründung führte er an, die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf Leistungen, weil sie ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland allein zum Zwecke der Arbeitsuche habe. Am 22.04.2016 legte die Antragstellerin hiergegen Widerspruch ein.

Am 26.04.2016 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Dortmund beantragt, den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, Leistungen nach dem SGB II zumindest vorläufig zu gewähren. Sie ist der Ansicht, im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG sei davon auszugehen, dass kein Ausschlusstatbestand hinsichtlich der Bewilligung von Leistungen vorliegt. Der Träger der Leistungen nach dem SGB XII habe bei einer Vorsprache der Antragstellerin am 25.04.2016 die Leistungsgewährung ebenfalls abgelehnt.

Durch Beschluss vom 30.05.2016 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, weil sie vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II erfasst werde. Danach seien Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen von der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Als griechische Staatsagehörige und mangels anderweitigen Aufenthaltsrechts habe der Antragsgegner zu Recht eine Leistungsbewilligung abgelehnt. Im Hinblick auf das zeitgleich gegen den Träger von Leistungen nach dem SGB XII eingeleitete Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (S 62 SO 255/16 ER) hat das Sozialgericht von dessen Beiladung und eine Entscheidung über die Verpflichtung zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII abgesehen.

Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 31.05.2016 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 31.05.2016 Beschwerde eingelegt, zu deren Begründung sie den bisherigen Vortrag wiederholt.

Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen und nimmt zur Begründung auf die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss Bezug. Sowohl der Sprachkurs als auch das Praktikum seien keine Schul- oder Berufsausbildung.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht mit dem angefochtenen Beschluss den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 ZPO). Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln. Können ohne Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - Rn. 24 f). Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange der Antragsteller umfassend zu berücksichtigen hat (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - Rn. 26; vgl. auch Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 86 b Rn. 29 a).

Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund iSd § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG glaubhaft gemacht.

Dabei kann der Senat jedoch offen lassen, ob die Antragstellerin gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II als griechische Arbeitsuchende von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Senats im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (vergl. Beschlüsse vom 16.12.2015 - L 7 AS 1466/15 B ER, vom 17.12.2015 - L 7 AS 1711/15 B ER, vom 04.03.2016 - L 7 AS 2143/15 B ER, vom 22.03.2016 - L 7 AS 354/16 B ER, vom 05.04.2016 - L 7 AS 453/16 und vom 07.04.2016 - L 7 AS 288/16 B ER) ist der Antragsgegner als Träger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (§§ 6, 44b Abs. 1 SGB II) nach § 43 SGB I zur Erbringung vorläufiger Leistungen verpflichtet.

Besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen und ist zwischen mehreren Leistungsträgern streitig, wer zur Leistung verpflichtet ist, kann gem. § 43 SGB I der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen, deren Umfang er nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmt. Er hat gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I Leistungen zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt; die vorläufigen Leistungen beginnen spätestens nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des Antrags.

Die Antragstellerin hat dem Grunde nach einen Anspruch auf existenzsichernde Sozialleistungen (zur Notwendigkeit der Zweckidentität von vorgeleisteter und ggfs. endgültig zustehender Leistung Grube, in: JurisPK, § 102 SGB X Rn. 37). Sie ist mangels ausreichenden eigenen Einkommens und Vermögens hilfebedürftig und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Insofern erfüllt sie sowohl die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 SGB II als auch die Voraussetzungen des §§ 19 Abs. 1, 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Sie bewegt sich innerhalb der Altersgrenzen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II; für Leistungen nach dem SGB XII sind Altersgrenzen nicht vorgegeben (lediglich die Leistungsart ist gem. § 19 Abs. 2 SGB XII altersabhängig). Der Umstand, dass die Antragstellerin sowohl nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II als auch nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII als Person, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus der Arbeitsuche ergibt, möglicherweise von existenzsichernden Leistungen ausgeschlossen ist, steht der höchstrichterlichen Rechtsprechung zufolge einem Anspruch nicht entgegen. Das BSG hat mit Urteilen vom 03.12.2015 (B 4 AS 59/13 R, B 4 AS 44/15 R und B 4 AS 43/15 B ER), vom 16.12.2015 (B 14 AS 15/14 R, B 14 AS 18/14 R, B 14 AS 33/14 R), vom 20.01.2016 (B 14 AS 15/15 R und B 14 AS 35/15 R), vom 17.02.2016 (B 4 AS 24/14 R) sowie vom 17.03.2016 (B 4 AS 32/15 R) entschieden, dass sowohl für Arbeitsuchende, als auch für Personen, die in Ermangelung von Erfolgsaussichten bei der Arbeitsuche nicht über eine Freizügigkeitsberechtigung verfügen, zumindest Sozialhilfeleistungen im Ermessenswege zu erbringen sind, wenn - wie bei der Antragstellerin - ein verfestigter Aufenthalt (über sechs Monate) vorliegt. Das in der Norm vorgesehene Ermessen ist aufgrund der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Existenzminium in der Weise reduziert, dass regelmäßig zumindest Hilfe zum Lebensunterhalt zu leisten ist.

Der Senat folgt der abweichenden Rechtsprechung einiger Instanzgerichte in Eilverfahren (vergl. ua LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.01.2016 - L 29 AS 20/16 ER; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.02.2016 - L 3 AS 668/15 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.02.2016 - L 9 AS 1335/15 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.03.2016 - L 12 SO 79/16 B ER) nicht. Auch für den Fall, dass ein Gericht der zitierten Rechtsprechung des BSG nicht zu folgen bereit ist, sind im einstweiligen Rechtsschutzverfahren dennoch Leistungen jedenfalls im Wege der Folgenabwägung zuzusprechen Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Art. 19 Abs. 4 GG, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es - wie hier - im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschlüsse des Senats vom 09.11.2015 - L 7 AS 1234/15 B ER, vom 04.05.2015 - L 7 AS 139/15 B ER, vom 22.01.2015 - L 7 AS 2162/14 und vom 10.09.2014 - L 7 AS 1385/14 B ER). Ist eine abschließende Prüfung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist im Wege der Folgenabwägung zu entscheiden, in die insbesondere die grundrechtlich relevanten Belange des Antragstellers einzustellen sind (BVerfG, Beschlüsse vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 und 06.02.2013 - 1 BvR 2366/12; Beschluss des Senats vom 11.07.2014 - L 7 AS 1035/14 B ER). Die Abwägung führt hier zum Leistungsanspruch, da ein Obsiegen der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren jedenfalls gegenüber dem Sozialhilfeträger angesichts der zitierten feststehenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts mindestens wahrscheinlich ist.

Es liegt zwischen dem Antragsgegner und dem Sozialhilfeträger ein negativer Komptenzkonflikt iSd § 43 SGB I vor. Dies folgt aus § 21 Satz 1 SGB XII. Nach dieser Regelung erhalten Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII. Umstritten ist, ob das Tatbestandsmerkmal dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II nur allgemein die Leistungssysteme des SGB II einerseits und des SGB XII andererseits nach dem Kriterium der Erwerbsfähigkeit abgrenzt mit der Folge, dass erwerbsfähige Personen keinen Anspruch nach dem SGB XII geltend machen können, auch nicht bei Eingreifen eines Leistungsausschlusses (so zB LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23.05.2014 - L 8 SO 129/14 BER mwN auch zur Gegenauffassung), oder ob die Vorschrift den Zugang zum SGB XII eröffnet, wenn Hilfebedürftige aufgrund eines negativen Tatbestandsmerkmals keinen Zugang zu SGB II-Leistungen haben (so ua LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.11.2012 - L 19 AS 1917/12 B ER). Seit dem Urteil des BSG vom 03.12.2015 (B 4 AS 44/15 R) ist höchstrichterlich entschieden, dass jedenfalls auch erwerbsfähige Personen mit einem verfestigten Aufenthalt Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII haben können. Damit ist die Frage, ob Antragsteller dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II unterfallen, - ähnlich wie die Frage der Erwerbsfähigkeit iSd § 8 Abs. 1 SGB II (vergl. § 44 a Abs. 1 Satz 7 SGB II) - (lediglich) maßgeblich für die Bestimmung des zuständigen Leistungsträgers. Unterliegt die Antragstellerin dem Leistungsausschluss nicht, weil sie auch über ein anderweitiges Aufenthaltsrecht verfügt, ist der Antragsgegner für die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zuständig. Unterliegen die Antragsteller hingegen dem Leistungsausschluss, ist der Sozialhilfeträger bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen für die Erbringung von Hilfe zum Lebensunterhalt zuständig.

Der Antragsgegner ist zuerst angegangener Leistungsträger iSd § 43 SGB I. Die Antragstellerin hat bei ihm bereits am 18.03.2016 und somit zeitlich vor der Vorsprache beim Sozialamt am 25.04.2016 existenzsichernde Leistungen beantragt. Unbeachtlich ist, dass der Antragsgegner seine Leistungspflicht aufgrund der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II bereits mit Bescheid vom 04.04.2016 abgelehnt hat. Eine - der Sache nach wegen fehlender Zuständigkeit - bereits ergangene Ablehnungsentscheidung steht einer Vorleistungspflicht nach § 43 SGB I jedenfalls solange die Ablehnungsentscheidung (wie hier) noch nicht bestandskräftig geworden ist, nicht entgegen. Vorläufigen Entscheidungen nach dem Sozialgesetzbuch kommt nach Zweck und Bindungswirkung allein die Funktion zu, eine (Zwischen-)Regelung bis zur endgültigen Klärung der Sach- und Rechtslage zu treffen. Vorläufig bewilligte Leistungen sind daher als aliud gegenüber endgültigen Leistungen anzusehen, deren Bewilligung keine Bindungswirkung für die endgültige Leistung entfaltet (BSG, Urteil vom 29.04.2015 - B 14 AS 31/14 R mwN) und die daher unabhängig von der Ablehnung endgültig zustehender Leistungen erbracht werden können.

In dem Leistungsantrag ist im Zweifel auch ein Antrag iSd § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I zu sehen, vorläufige Leistungen zu erbringen. Ein Antrag ist jede gegenüber dem erstangegangenen Leistungsträger abgegebene Willenserklärung, aus der - erforderlichenfalls durch Auslegung - zu entnehmen ist, dass der Berechtigte zumindest vorläufige Leistungen wünscht (Lilge, SGB I, § 43 Rn. 40). Dies ist bei einem Antrag auf existenzsichernde Leistungen im Regelfall zu bejahen.

Einer Anwendung von § 43 SGB I steht nicht entgegen, dass die Bewilligung von Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII grundsätzlich im Ermessen des Sozialhilfeträgers steht. Zwar trifft zu, dass § 43 SGB I nach wohl herrschender Meinung nicht angewendet werden kann, wenn die Leistung des einen Trägers eine gebundene Leistung ist, während die Leistung des anderen Trägers in dessen Ermessen steht (Wagner, in: JurisPK, § 43 SGB I Rn. 23 mit Hinweisen auf die Gegenauffassung). Vorliegend ist jedoch maßgeblich, dass nach der zitierten Rechtsprechung des BSG eine Ermessensreduktion auf Null anzunehmen ist. Insoweit ist der Anwendungsbereich von § 43 SGB I damit eröffnet.

Die Rechte des Antragsgegners sind gewahrt, weil er für den Fall, dass die Antragstellerin von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen ist, einen Erstattungsanspruch nach § 102 SGB X gegenüber dem Sozialhilfeträger geltend machen kann. Der aus der Anwendung von § 43 SGB I folgende Erstattungsanspruch nach § 102 SGB X erfordert die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der vorläufig erbrachten Leistungen (allg. Meinung, vergl. nur LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.04.2013 - L 20 SO 453/11 mwN). Sie ist gegeben, weil es sich bei der Frage, ob der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II eingreift, in Folge der zitierten Rechtsprechung des BSG nicht um den Streit um eine materielle Anspruchsvoraussetzung, sondern um die Eröffnung eines Kompetenzkonfliktes handelt. Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den Antragsgegner geltenden Rechtsvorschriften (§ 102 Abs. 2 SGB X). Der Sozialhilfeträger kann diese evtl. erweiterte Erstattungspflicht vermeiden, indem er den Leistungsfall übernimmt und den negativen Kompetenzkonflikt damit beendet.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (grundlegend Beschluss vom 04.05.2015 - L 7 AS 139/15 B ER mit zustimmender Anmerkung Siebold, ASR 2015,109; vergl. auch Beschlüsse vom 16.11.2015 - L 7 AS 1729/15 B ER, vom 04.03.2016 - L 7 AS 2143/15 B ER und vom 13.04.2016 - L 7 AS 507/16 B ER) ist der Antragsgegner zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Kosten der Unterkunft zu verpflichten.

Die Verpflichtung des Antragsgegners lediglich dem Grunde nach folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 130 SGG.

Die Begrenzung des Bewilligungszeitraums orientiert sich ausgehend vom Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes am 26.04.2016 an der Regelung des § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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