L 11 KA 102/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 16 KA 315/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 102/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen. Der Beklagte und die beigeladene Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe tragen die Kosten des zweiten Rechtszugs zu je ½ als Gesamtschuldner. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Sonderbedarfszulassung des Klägers als Facharzt für Chirurgie in G mit hälftigem Versorgungsauftrag neben bestehender, auf die Hälfte zu reduzierender (bisher voller) Zulassung als Hausarzt am selben Arztsitz.

Der Kläger ist seit dem 30.10.1999 Facharzt für Chirurgie und seit dem 30.06.2001 auch Facharzt für Allgemeinmedizin. Er verfügt über die Zusatzbezeichnung Chirotherapie. Seit dem 23.07.2001 nimmt er in einer hausärztlichen Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) in G als Facharzt für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Seit dem 01.04.2011 ist er dort auch Durchgangsarzt. Wegen der schlechten chirurgischen Versorgung vor Ort wurde der Kläger befristet zur Erbringung spezifisch fachärztlicher Leistungen, insbesondere teilradiologischer Leistungen (von 01.01.2003 bis 31.12.2010) und ambulanter Operationen (01.04.2005 bis 31.03.2012) zugelassen (§ 73 Abs. 1a Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)).

Am 03.02.2011 beantragte der Kläger beim Zulassungsausschuss, ihn für den Vertragsarztsitz der BAG als Facharzt für Chirurgie - unter Reduzierung des hausärztlichen Versorgungsauftrags auf die Hälfte - im Wege einer Sonderbedarfsfeststellung gemäß § 26 i.V.m. § 24a Bedarfsplanungs-Richtlinie Ärzte (BedarfsplRL-Ä) zur fachärztlichen Versorgung mit hälftigem Versorgungsauftrag nach § 19a Abs. 2 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) zuzulassen. Der Bedarf für sein fachärztliches Tätigwerden bestehe weiterhin. Genehmigungen nach § 73 Abs. 1a Satz 3 SGB V könnten ihm als Allgemeinmediziner nach der neueren Rechtsprechung des BSG allerdings nicht mehr erteilt werden.

Unter dem 09.02.2011 sprach sich die zu 6.) beigeladene Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KV WL) für eine solche Zulassung mit dauerhafter Bindung an die Gemeinde G aus. Der Kreis Olpe (139.666 Einwohner) sei mit Chirurgen zwar etwas überversorgt, in der kreiszugehörigen Gemeinde G (17.706 Einwohner) gäbe es jedoch keinen Chirurgen und von den anderen sei nur Dr. B in B in zumutbarer Zeit (ca. 30 min) mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar.

Gleichwohl lehnte der Zulassungsausschuss den Antrag mit der Begründung ab, dass der aktuelle Versorgungsgrad mit Chirurgen im Planungsbereich Olpe bei 167 % liege und die entsprechenden Praxen von G aus auch zumutbar erreicht werden könnten (Beschluss vom 23.03.2011).

Gegen diesen Beschluss legte der Kläger am 21.04.2011 Widerspruch ein und führte aus: Durch seine hälftige chirurgische Sonderbedarfszulassung sollten auch künftig das ambulante Operieren sowie Röntgenleistungen in G sichergestellt bleiben. Die dort lebenden Versicherten könnten nicht auf Praxen anderer Chirurgen verwiesen werden. Insbesondere für Versicherte aus Gemeinden nördlich von G seien andere chirurgische Praxen nicht binnen 45 Minuten mit dem ÖPNV zu erreichen. Auch stehe nicht fest, dass die bisher von ihm chirurgisch und radiologisch versorgten Versicherten von anderen Praxen aufgefangen werden könnten. Die Beigeladene zu 6) teilte mit, dass die zugelassenen Chirurgen im Kreis Olpe der hälftigen Zulassung des Klägers einhellig zugestimmt hätten.

Der Beklagte wies den Widerspruch dennoch zurück (Beschluss vom 28.09.2011). Er führte aus, dass ein und derselbe Arzt nicht gleichzeitig - mit jeweils hälftigem Versorgungsauftrag - an der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung teilnehmen könne. Die Trennung der beiden Versorgungsbereiche, wie sie sich aus §§ 73 Abs. 1 Satz 1, 87 Abs. 2a Satz 5 SGB V ergebe und nur unter den vorliegend nicht gegebenen Voraussetzungen des § 73 Abs. 1a SGB V durchbrochen werden könne, begegne nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Auf die tatsächliche Bedarfssituation, die man nicht abschließend ermittelt habe, komme es deshalb nicht an. Auch eine Umwidmung zur fachärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a Satz 5 SGB V scheide aus.

Mit seiner hiergegen erhobenen Klage macht der Kläger geltend, die in § 73 SGB V angelegte Trennung in einen hausärztlichen und einen fachärztlichen Versorgungsbereich schließe nicht aus, dass ein Arzt jeweils zur Hälfte in beiden Versorgungsbereichen tätig sein könne. Ein für zwei Fachgebiete qualifizierter Vertragsarzt könne ohne weiteres für jedes Teilgebiet hälftig zugelassen werden. § 73 Abs. 1a SGB V stehe dem nicht entgegen, sondern solle allein verhindern, dass ein Arzt im Rahmen seiner hausärztlichen Tätigkeit zusätzlich auch fachärztliche Leistungen erbringe. Das strebe er gerade nicht an. Die sich aus der Auffassung der Beklagten ergebende Beschränkung entweder auf den haus- oder auf den fachärztlichen Versorgungsbereich stellten sich insbesondere nach der Legitimation von Teilzulassungen durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG) als unzulässige Beschränkung der Berufsfreiheit dar. Das Bundessozialgericht (BSG) habe immer wieder betont, dass die Zuordnung zum hausärztlichen oder fachärztlichen Versorgungsbereich ausschließlich vergütungsrechtliche Konsequenzen habe, aber den berufsrechtlichen Status unberührt lasse.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

den Beschluss des Beklagten vom 28.09.2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, über den Widerspruch des Klägers gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 23.03.2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er sich auf seine Ausführungen im angefochtenen Bescheid und auf das Urteil des BSG vom 27.06.2007 - B 6 KA 24/06 R - gestützt. Danach sei es Ärzten der dem haus- oder dem fachärztlichen Versorgungsbereich zugeordneten Arztgruppen grundsätzlich nicht gestattet, Leistungen auch aus dem jeweils anderen Versorgungsbereich abzurechnen.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Das Sozialgericht (SG) Dortmund hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 24.09.2014). Der Kläger habe Anspruch auf die begehrte Neubescheidung, denn der Beklagte hätte seinen Widerspruch nicht mit der Begründung zurückweisen dürfen, dass ein und derselbe Arzt nicht jeweils mit hälftigem Versorgungsauftrag als Hausarzt und als Facharzt (Chirurg) zugelassen werden könne. Die beantragte Teilzulassung in der vorliegenden Konstellation sei nicht von vornherein aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Ein zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Arzt sei verpflichtet, die vertragsärztliche Tätigkeit vollzeitig auszuüben (§ 19a Abs. 1 Ärzte-ZV). Damit gelte weiterhin der verfassungsrechtlich zulässige Grundsatz, dass einem Arzt (nur) ein Vertragsarztsitz und (nur) ein voller Versorgungsauftrag zugeordnet werde. Ein Vertragsarzt, der mit vollem Versorgungsauftrag an einem Vertragsarztsitz für zwei Fachgebiete zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, könne deshalb diesen Status nicht in zwei hälftige, fachlich unterschiedliche Versorgungsaufträge aufteilen und für einen dieser beiden den Vertragsarztsitz verlegen. Wie sich aus § 19 a Abs. 2 Ärzte-ZV dieser durch das VÄndG zum 01.01.2007 eingefügten Vorschrift ergebe, sei der Arzt jedoch berechtigt, durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Zulassungsausschuss seinen Versorgungsauftrag auf die Hälfte zu beschränken. Die Beschränkung könne unmittelbar bei Neuzulassung erfolgen oder - wie hier - von dem bereits zugelassenen Vertragsarzt nachträglich beantragt werden. Dies gelte auch für Sonderbedarfszulassungen, wobei diese Möglichkeit zwar nicht ausdrücklich im Gesetz vorgesehen sei, aber von § 1a Nr. 15 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Bundesmantelvertrag Ersatzkassen/Ärzte (BMV-Ä/EKV) jedenfalls vorausgesetzt werde. Für die Möglichkeit von zwei Teilzulassungen sprächen auch die Gesetzesmaterialien, in denen die Streichung des § 4 Abs. 1 Satz 3 Ärzte-ZV damit begründet werde, dass "nach künftig geltendem Recht ein Vertrags(zahn)arzt in Bezirken verschiedener Kassen(zahn)ärztlicher Vereinigungen sog. Teilzulassungen erhalten (könne). Dieser Vertrags(zahn)arzt solle nicht nur in beiden Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen Mitglied sein, sondern auch in zwei (Zahn)Arztregister eingetragen werden." Die Ermöglichung von zwei Teilzulassungen entspreche auch dem Sinn und Zweck der Regelungen über Zulassungen mit hälftigem Versorgungsauftrag. Wie sich aus den Materialien des VÄndG (Bundestagsdrucksache (BT-Drucks.) 16/2474, S. 21) ergebe, sei eine solche Zulassung vorgesehen worden zur "Flexibilisierung der beruflichen Betätigungsmöglichkeiten (insbesondere auch zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie) sowie zur besseren Bewältigung von Unterversorgungssituationen". Die Möglichkeit zweier Teilzulassungen werde dabei vor allem dem Anliegen einer besseren Bewältigung von Unterversorgungssituationen gerecht.

Dass ein Vertragsarzt somit zwei hälftige Teilzulassungen erhalten könne, umfasse grundsätzlich auch die hier strittige Möglichkeit, einem Vertragsarzt am selben Vertragsarztsitz je eine Teilzulassung für die hausärztliche und für die fachärztliche Versorgung zu erteilen. Das gelte, obwohl § 73 Abs. 1 SGB V für das Vertragsarztrecht die Trennung zwischen haus- und fachärztlichem Versorgungsbereich vorsehe und alle Arztgruppen entweder dem einen oder dem anderen Bereich zuweise. Für beide Bereiche sei eine getrennte Verteilung der Gesamtvergütung vorgesehen und der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) sei nach Leistungen der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung gegliedert. Daher könne ein Hausarzt als solcher weder fachärztliche Leistungen vornehmen noch abrechnen; auch komme für ihn bei vollem Versorgungsauftrag als Hausarzt keine gleichzeitige Zulassung als Facharzt in Betracht. § 73 SGB V trenne indes nur die Versorgungsbereiche, schränke damit jedoch nicht bezogen auf den einzelnen Arzt seine Zulassung zur haus- und fachärztlichen Versorgung ein. In der vom Beklagten angeführten Entscheidung des BSG vom 27.06.2007 - B 6 KA 24/06 R - werde die Gesetzesbegründung zu § 73 SGB V zwar zutreffend dahingehend zitiert, dass diese Bestimmung "alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte" erfassen und sie "entweder der hausärztlichen oder der fachärztlichen Versorgung zuordne". Hieraus lasse sich für die vorliegend strittige Konstellation aber schon deshalb nichts herleiten, weil zu dem vom BSG entschiedenen Zeitraum die gesetzliche Möglichkeit einer nur hälftigen Zulassung noch gar nicht bestanden habe. Ähnliches gelte für das Urteil des BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 31/10 R -. Dort habe das BSG eine sachlich-rechnerische Richtigstellung der Abrechnung des ausschließlich hausärztlich zugelassenen Praxispartners einer BAG bestätigt, soweit dieser seinen fachärztlichen Praxispartner auch bei Leistungen vertreten habe, die ausschließlich dem fachärztlichen Versorgungsbereich vorbehaltenen seien. Dass auch insoweit die Trennung der beiden Versorgungsbereiche zu beachten sei, liege auf der Hand. Die Frage, ob diese Grundsätze einer jeweils hälftigen Zulassung als Haus- und Facharzt entgegenstünden, werde jedoch nicht beantwortet. Warum dies der Fall sein solle, sei nicht zu erkennen. Abrechnungsrechtliche Erwägungen seien insoweit nicht entscheidend. So bestehe z.B. für Mund-, Kiefer- und Gesichts-Chirurgen (MKG-Chirurgen) die Möglichkeit der Doppelzulassung in den (ebenfalls) voneinander getrennten Versorgungsbereichen der vertragsfach- und der vertragszahnärztlichen Versorgung. Weiter könne in dem vom BSG entschiedenen Sachverhalt einer BAG, geführt von einem hausärztlichen und einem fachärztlichen Partner, unter einer gemeinsamen Abrechnungsnummer abgerechnet werden. Da eine solche BAG zwischen Haus- und Facharzt unstreitig zulässig sei, könne auch nicht damit argumentiert werden, dass durch die jeweils hälftige Zulassung des Klägers als Haus- und Facharzt seine Lotsenfunktion als Hausarzt ausgehebelt werde, zumal sich durch entsprechende Nebenbestimmungen im Rahmen der Zulassung als Chirurg eine auch äußerliche Trennung von der hausärztlichen Tätigkeit erzielen lasse. Wenn die Aufgliederung in haus- und fachärztlichen Versorgungsbereich und die sich aus dieser Trennung ergebenden Folgen auch nicht die Berufswahl, sondern (nur) die Berufsausübung beträfen, so müsste deren Einschränkung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen, an dem es hier nach der Einführung des § 19a Abs. 2 Ärzte-ZV fehle.

Gegen das ihm am 04.11.2014 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 26.11.2014 Berufung eingelegt und ausgeführt: Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 SGB V sei die vertragsärztliche Versorgung in die Versorgungsbereiche der haus- und der fachärztlichen Versorgung gegliedert. Die Vertragsarztgruppe, der der jeweilige Arzt angehöre, werde dem einen oder dem anderen Versorgungsbereich zugeordnet (§ 73 Abs. 1a Sätze 1 und 2 SGB V). Grund für diese Aufteilung sei nicht zuletzt die Honorierung der erbrachten Leistungen aus dem "Topf/Budget" der Haus- oder dem der Fachärzte. Das wiederum habe zur Folge, dass der jeweilige Arzt auch nur Leistungen abrechnen und vergütet bekommen könne, die seinem Versorgungsbereich - von den in § 73 Abs. 1a Sätze 3 bis 5 SGB V abschließend eng geregelten Ausnahmen abgesehen - zugeordnet seien. Der jeweilige Topf sei mit einem Deckel versehen, was bedeute, dass lediglich der jeweilige Inhalt zur Verteilung an die zu diesem Versorgungsbereich gehörenden Ärzte zur Verfügung stehe. Hieran ändere auch der Umstand nichts, dass mit Wirkung ab dem 01.01.2007 die Möglichkeit einer Zulassung mit halbem Versorgungsauftrag bestehe. Zwar weise das SG zutreffend darauf hin, dass auch zwei Zulassungen mit jeweils halbem Versorgungsauftrag möglich seien, dies aber stets nur in ein und demselben Versorgungsbereich. Der Hinweis des SG auf die Doppelzulassung von MKG-Chirurgen in zwei Versorgungsbereichen gehe in diesem Zusammenhang fehl, denn diese Ärzte seien (in aller Regel) doppelt approbiert. Ihnen stehe deshalb das Recht zu, sowohl als Vertragszahnarzt als auch als Vertragsarzt doppelt und jeweils mit vollem Versorgungsauftrag zugelassen zu werden. Wie das BSG nicht zuletzt in seinem Urteil vom 27.06.2001 - B 6 KA 43/00 R - deutlich gemacht habe, müsse der MKG-Chirurg seine Behandlungsfälle entweder vertragsärztlich oder vertragszahnärztlich abrechnen. Vorliegend verfüge der Kläger lediglich über eine Zulassung als Vertragsarzt. Die mit Wirkung ab dem 01.01.2007 geschaffene Möglichkeit einer oder auch zweier Zulassungen mit je hälftigem Versorgungsauftrag habe zudem weder den Gesetzgeber zu einer Ergänzung/Änderung der Gesetzeslage im Sinne des SG veranlasst noch das BSG zur Änderung seiner Rechtsprechung. Nach aller Erfahrung könne nicht davon ausgegangen werden, dass sowohl der Gesetzgeber als auch das höchste Fachgericht über dieses Problem "hinweg geschlafen" haben. Nichts anderes folge aus dem Urteil des BSG vom 11.02.2015 - B 6 KA 11/14 R - wonach ein Arzt zwei Zulassungen mit je einem halben Versorgungsauftrag an zwei Arztsitzen besitzen könne, dies jedoch nur auf ein und demselben Fachgebiet. Hinzu käme das Problem der faktischen Umsetzung: Damit erbrachte Leistungen aus dem jeweiligen Topf arztbezogen honoriert werden könnten, erhalte jeder Arzt bei seiner Eintragung in ein Arztregister eine lebenslange Arztnummer (LA-Nr.). Anhand dieser LA-Nr. lasse sich nicht feststellen, ob ein Arzt hausärztlich oder fachärztlich tätig (geworden) sei. Wäre der Arzt - wie vom Kläger begehrt - in beiden Versorgungsbereichen tätig, könnte bei der Abrechnung das Honorar für die jeweilige Leistung keinem der oben so bezeichneten "Töpfe" zugerechnet werden. Dadurch ergäben sich nicht kontrollierbare und deshalb nicht hinnehmbare Verwerfungen innerhalb des einen und/oder des anderen Topfes. Das Problem könne auch nicht mit einer zweiten Arztnummer gelöst werden, denn ausweislich der Richtlinie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung nach § 75 Abs. 7 SGB V zur Vergabe der Arzt-, Betriebsstätten- sowie der Praxisnetznummern und der darauf basierenden Auskunft der Beigeladenen zu 6) vom 22.07.2015 könne ein Arzt in einem KV-Bezirk lediglich eine LA-NR. besitzen.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 6.) beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 24.09.2014 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die übrigen Beigeladenen stellen keine Anträge.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte argumentiere vordergründig damit, dass sich im Fall seiner Zulassung zu zwei unterschiedlichen Versorgungsbereichen anhand der Abrechnung und der LA-Nr. nicht feststellen lasse, ob er im Einzelfall hausärztlich oder fachärztlich tätig geworden sei. Dem sei entgegenzutreten. § 73 Abs. 1a Satz 4 SGB V sehe für an der hausärztlichen Versorgung teilnehmende Kinderärzte ausdrücklich vor, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen auch an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen könnten. Für einen solchen Fall müsse sich der Beklagte fragen lassen, wie denn die Abrechnungen dieser Ärzte bewerkstelligt werden. Gebe er doch an, dass die Tätigkeit in zwei Versorgungsbereichen zwingend zu "nicht kontrollierbaren und nicht hinnehmbaren Verwerfungen innerhalb des einen und/oder des anderen Topfes" führe. Tatsächlich sei eine LA-Nr. nicht so "fix", wie der Beklagte angebe. Vielmehr markierten die letzten beiden Ziffern dieser Nummer das jeweilige Fachgebiet, für welches der Vertragsarzt zugelassen sei. Bei einer Doppelzulassung müsste und könnte ein und derselbe Arzt zwei LA-Nr. erhalten, die sich nur bezüglich dieser Ziffern unterschieden. Auf diese Art und Weise könne bei der Abrechnung von Leistungen unproblematisch zwischen dem haus- und dem fachärztlichen Versorgungsbereich unterschieden werden. Fakt sei weiter, dass MKG-Chirurgen bereits jetzt versorgungsbereichsübergreifend tätig würden und daraus keine ungelösten Abrechnungsprobleme entstünden. In diesem Zusammenhang habe das BSG in seiner Entscheidung vom 11.02.2015 - B 6 KA 11/14 R - festgestellt, dass die praktischen Probleme der Zulassung mit zwei "halben" Vertrags(zahn)arztsitzen lösbar seien. Es sei Aufgabe der Selbstverwaltung, hier dauerhafte Lösungen zu erarbeiten, solange der Gesetzgeber sie nicht vorgebe. Im selben Urteil habe das BSG klargestellt, dass einem Vertrags(zahn)arzt, der die ihm erteilte Zulassung gemäß § 19a Abs. 2 Ärzte-ZV/Zahnärzte-ZV auf einen hälftigen Versorgungsauftrag beschränke oder dem von vorneherein nur eine Zulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag erteilt worden sei, bei Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen im Übrigen ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer zweiten Zulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag zustehe. Das BSG weise darauf hin, dass sich weder dem Gesetz noch den Gesetzesmaterialien ein gegenteiliger Wille des Gesetzgebers entnehmen lasse. In der Gesetzesbegründung werde als ein Zweck des Gesetzes die bessere Bewältigung von Unterversorgungssituationen genannt, genau die strebe er mit der begehrten hälftigen Zulassung als Chirurg im Kreis Olpe mit Arztsitz in G an. Das BSG differenziere in seinem Urteil nicht in Bezug auf den fach- und den hausärztlichen Versorgungsbereich. Auch der Gesetzesbegründung lasse sich nicht entnehmen, dass die versorgungsbereichsübergreifende Flexibilisierung der beruflichen Betätigungsmöglichkeiten nicht gewünscht sei. Weiter habe das BSG in seinem Urteil festgestellt, dass auch die gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen des Vertragsarztrechts der Erteilung einer weiteren Zulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag nicht entgegenstünden. Eine vertrags(zahn)ärztliche Tätigkeit, die aufgrund einer weiteren Zulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag ausgeübt werde, stelle keine Tätigkeit im Sinne des § 20 Ärzte/Zahnärzte-ZV dar, die eine Nichteignung des Vertrags(zahn)arztes begründe. Der Erteilung einer zweiten Zulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag stehe auch nicht das "Wesen" der Zulassung bzw. des Vertragsarztsitzes entgegen; insbesondere sei nicht davon auszugehen, dass der Zulassungsstatus des § 95 Abs. 3 SGB V seinem Wesen nach unteilbar sei und deshalb auch nicht zwei Mal zugleich an dieselbe Person verliehen werden könne. Zudem führe nach Auffassung des BSG die Auslegung der vorhandenen Rechtsvorschriften nicht dazu, dass sie vor dem Hintergrund der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG)) ein gesetzlich nicht normiertes Verbot der Doppelzulassung im Wege der Normauslegung rechtfertigen können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist nicht begründet.

Das SG hat in seinem Urteil vom 24.09.2014 zu Recht den Beschluss vom 28.09.2011 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, über den Widerspruch des Klägers gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 23.03.2011 neu zu entscheiden. Es hat ebenfalls zu Recht den Beklagten verpflichtet, dabei zu berücksichtigen, dass grundsätzlich ein und derselbe Arzt mit jeweils hälftigen Versorgungsauftrag (vergleiche zu I.) sowohl an der haus- als auch an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen kann (vergleiche zu II.). Ob ein Sonderbedarf für die vom Kläger begehrte hälftige Zulassung als Chirurg mit Arztsitz in G besteht, wird der Beklagte dabei nach umfassender Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts zu beurteilen haben (vergleiche zu III.). Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffende Begründung im angefochtenen Urteil des SG Dortmund, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG) und merkt an:

I. Einem Arzt können zwei Zulassungen mit jeweils hälftigem Versorgungsauftrag erteilt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Vertragsarztsitze - wie hier vom Kläger begehrt - im Bezirk derselben oder zweier Kassenärztlicher Vereinigungen (KVen) liegen (BSG, Urteil vom 11.02.2015 - B 6 KA 11/14 R -).

1. Rechtsgrundlage für das Tätigwerden eines Arztes im System der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist das Zulassungsrecht als Teil des übergreifenden Vertragsarztrechts. Die normativen Strukturen werden durch die §§ 95 ff. SGB V vorgegeben. Die Zulassungsverordnungen regeln das Nähere über die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, die erforderliche Bedarfsplanung und die Beschränkung von Zulassungen (§ 98 Abs. 1 S. 1 SGB V).

Der Gesetzgeber hat durch das VÄndG vom 22.12.2006 (BGBl. I 3439, 3441) u.a. § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V mit Wirkung zum 01.01.2007 dahingehend geändert, dass der Vertragsarzt infolge seiner Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Umfang seines aus der Zulassung folgenden zeitlich vollen oder hälftigen Versorgungsauftrags berechtigt und verpflichtet ist. Die in § 98 Abs. 2 Nr. 10 SGB V enthaltene Vorgabe, dass die Zulassungsverordnungen die Voraussetzungen für die nähere Bestimmung des zeitlichen Umfangs des Versorgungsauftrags aus der Zulassung enthalten müssen, ist in § 19a Ärzte-ZV umgesetzt worden. Danach ist ein Arzt grundsätzlich verpflichtet, seine vertragsärztliche Tätigkeit vollzeitig auszuüben (Abs. 1 a.a.O.), er ist jedoch nach Abs. 2 Satz 1 a.a.O. berechtigt, durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Zulassungsausschuss seinen Versorgungsauftrag auf die Hälfte des Versorgungsauftrags nach Absatz 1 zu beschränken.

Eine solche Erklärung hat der Kläger abgegeben. Dass dies unter der Bedingung seiner gleichzeitigen Zulassung als Chirurg am Arztsitz in G geschah, ist unschädlich. Hinter der nachträglichen Beschränkung der Zulassung auf die Hälfte steckt allerdings ein teilweiser Verzicht auf die volle Zulassung, denn ein Anspruch auf "Aufstockung" auf eine volle oder eine zweite halbe Zulassung besteht nur bei Erfüllung aller (weiteren) Zulassungsvoraussetzungen (BSG, Urteil vom 11.02.2015 - B 6 KA 11/14 R -). Ein solcher Teilverzicht auf die Zulassung als Hausarzt ist als rechtsgestaltende Willenserklärung grundsätzlich bedingungsfeindlich (Pawlita in jurisPK, SGB V, 3. Auflage, 2016, § 95 Rdn. 560). Davon gilt aber nach einhelliger Rechtsprechung und Schrifttum im Falle eines Verzichts, der im Zusammenhang mit einem Praxisnachfolgeverfahren erklärt wird, eine Ausnahme (vgl. z.B. Senat, Beschluss vom 12.05.2010 - L 11 KA 9/10 B ER -; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 10.11.2010 - L 3 KA 75/07 -; Flint in Hauck/Noftz, SGB V, § 103 Rdn. 38 f; Krauskopf/Clemens in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Auflage, 2010, § 29 Rdn. 47 i.V.m. 120). Dasselbe muss für die vorliegende Fallgestaltung gelten, denn auch hier - ebenso wie bei Praxisnachfolgeregelungen - entspricht eine solche Ausnahme einem dringenden praktischen Bedürfnis: Müsste der seine Zulassung als Hausarzt auf die Hälfte beschränkende Kläger seinen darin liegenden Teilverzicht unbedingt erklären, würde er danach aber nicht hälftig als Facharzt für Chirurgie mit Sitz in G zugelassen - was aus vielerlei Gründen denkbar ist -, so hätte er seine Zulassung ohne jeden Wertausgleich verloren. Dies würde den Kläger und andere Vertragsärzte mit voller Zulassung von einer Beschränkung der bisherigen Zulassung aller Voraussicht nach regelhaft abhalten und insoweit die vom VÄndG beabsichtigte Flexibilisierung der beruflichen Tätigkeit von (Vertrags-) Ärzten (Regierungsentwurf zum VÄndG, BT-Drucks. 16/2474, S. 21) und die bessere Bewältigung von Unterversorgungssituationen, die nach den bisherigen Ermittlungen des Beklagten in G bzgl. der strittigen chirurgischen Versorgung bestehen könnte (Allgemeinen Teil der Begründung unter II. 1., a.a.O. S. 16 sowie Beschlussempfehlung des 14. Ausschusses, BT-Drucks. 16/3157, S. 16), leer laufen lassen.

Dem Kläger steht entsprechend - bei Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen im Übrigen - grundsätzlich ein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer zweiten Zulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag zu (BSG, Urteil vom 11.02.2015 - B 6 KA 11/14 R - mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus Rspr. und Literatur). Seine bisherige Zulassung mit (nach Reduktion) hälftigem Versorgungsauftrag lässt insoweit schon rein zeitlich Raum für eine weitere berufliche Betätigung. Zwar fehlt eine ausdrückliche, zwei hälftige vertragsärztliche Zulassungen in der Person ein und desselben Arztes erlaubende gesetzliche Regelung, doch entspricht diese Möglichkeit zumindest der Auffassung der Bundesmantelvertragspartner im ärztlichen Bereich. Dort wird unter dem Punkt "Begriffsbestimmungen (Glossar)" als "KV-bereichsübergreifende Tätigkeit" u.a. der Sachverhalt erfasst, dass jemand gleichzeitig als Vertragsarzt mit zwei Teilzulassungen nach § 19a Ärzte-ZV in Bereichen von mindestens zwei KVen tätig ist (§ 1a Nr. 15 Satz 1 Nr. 1 BMV-Ä, Stand 01.01.2015).

2. Aufgrund der Gewährleistung der Berufsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) bedürfen im Übrigen nicht die vom Kläger begehrten zwei jeweils hälftigen Zulassungen einer gesetzlichen Regelung, sondern allenfalls solchen Zulassungen entgegenstehende Verbote oder Einschränkungen (LSG Sachsen, Urteil vom 02.10.2013 - L 8 KA 48/11 -). Denn der Schutz des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG erstreckt sich auf jede berufliche Betätigung und erfasst sowohl die Beschränkung des beruflichen Betätigungsfeldes (BSG, Urteil vom 26.01.2000 - B 6 KA 53/98 R -) als auch die Betätigung in einem zweiten Beruf (BSG, Urteil vom 17.11.1999 - B 6 KA 15/99 R -). Eingriffe in dieses Grundrecht sind nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung zulässig, aus der sich hinreichend deutlich die Entscheidung des Gesetzgebers über den Umfang und die Grenzen des Eingriffs erkennen lässt.

a.) An einem ausdrücklichen Verbot vertragsärztlicher Tätigkeit mit zwei jeweils hälftigen Zulassungen fehlt es. Ein solches Verbot lässt sich auch nicht durch Auslegung von Rechtsvorschriften unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens nach anerkannten Auslegungsgrundsätze gewinnen (BSG, Urteil vom 15.08.2012 - B 6 KA 47/11 R - unter Bezugnahme auf BVerfG (Kammer) vom 06.12.2011 - 1 BvR 2280/11 -).

Dass der Gesetzgeber durch die Zulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag lediglich eine Beschränkung der vertragsärztlichen Tätigkeit hat ermöglichen wollen, nicht hingegen deren Aufteilung auf zwei Versorgungsaufträge, lässt sich dem Wortlaut der maßgeblichen Normen nicht (sicher) entnehmen. Zwar spricht § 19a Abs. 2 Ärzte-ZV von einer "Beschränkung des Versorgungsauftrags", doch enthält § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V keine entsprechende Einschränkung, sondern erwähnt lediglich einen "zeitlich vollen oder hälftigen Versorgungsauftrag", § 98 Abs. 2 Nr. 10 SGB V spricht schließlich von einer "Bestimmung des zeitlichen Umfangs des Versorgungsauftrages" (BSG, Urteil vom 11.02.2015 - B 6 KA 11/14 R -).

b.) Auch den Gesetzesmaterialien lässt sich kein Hinweis dafür entnehmen, dass die zeitlichen Freiräume des Arztes, die aus der nunmehr möglichen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit mit hälftigem Versorgungsauftrag resultieren, nicht dafür genutzt werden dürfen, eine weitere Zulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag auszuüben. Das Fehlen expliziter ("positiver") Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren zu § 103 SGB V genügt nicht für die Annahme, der Gesetzgeber habe weder gewollt noch gesehen, dass die Einführung "hälftiger" Zulassungen und Versorgungsaufträge nicht nur eine Reduzierung der vertragsärztlichen Tätigkeit, sondern auch zwei (Teil-)Zulassungen mit jeweils hälftigem Tätigkeitsumfang ermöglicht. Einer solchen Annahme stehen zudem die Ausführungen in den Gesetzesmaterialien zur Aufhebung des bisherigen § 4 Abs. 1 Satz 3 Ärzte-ZV entgegen, welcher die Eintragung in ein weiteres Arztregister ausschloss. Diese Aufhebung wurde ausdrücklich damit begründet, dass "nach künftig geltendem Recht ein Vertragsarzt in Bezirken verschiedener Kassenärztlicher Vereinigungen sog. Teilzulassungen erhalten" könne (Beschlussempfehlung des 14. Ausschusses, BT-Drucks. 16/3157, S. 19 und 20).

c.) Der Erteilung einer zweiten Zulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag steht auch nicht der Zweck entgegen, den das VÄndG mit der nun möglichen Beschränkung des Versorgungsauftrags verfolgt, im Gegenteil. Nach der Gesetzesbegründung (Regierungsentwurf zum VÄndG, BT-Drucks. 16/2474, S. 21) dient die Möglichkeit, den sich aus der Zulassung ergebenden Versorgungsauftrag auf die Hälfte einer vollzeitigen Tätigkeit zu beschränken, der Flexibilisierung der beruflichen Betätigungsmöglichkeiten. Im Allgemeinen Teil der Begründung (unter II. 1., a.a.O., S. 16) sowie in der Beschlussempfehlung des 14. Ausschusses (BT-Drucks. 16/3157 S. 16) wird als weiterer Zweck die bessere Bewältigung von Unterversorgungssituationen genannt. Beiden Gesichtspunkten wird durch die Möglichkeit zweier hälftiger (Teil-) Zulassungen besser Rechnung getragen als durch ein Verbot dieser Möglichkeit.

d.) Die gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen des Vertragsarztrechts stehen der Erteilung einer weiteren (zweiten) Zulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag ebenfalls nicht entgegen.

aa.) Eine vertragsärztliche Tätigkeit, die aufgrund einer weiteren Zulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag ausgeübt wird, stellt keine Tätigkeit im Sinne des § 20 Ärzte-ZV dar, die eine Nichteignung des Vertragsarztes begründen würde (BSG, Urteil vom 11.02.2015 - B 6 KA 11/14 R -).

Wie das BSG bereits mit Urteil vom 13.10.2010 - B 6 KA 40/09 R - dargelegt hat, ist neben der Wahrnehmung eines hälftigen Versorgungsauftrags zwar eine vollzeitige Beschäftigung ausgeschlossen. Ein hälftiger Versorgungsauftrag lässt jedoch bereits nach dem Wortlaut Raum für eine andere Hälfte und ermöglicht damit auch eine zur vertragsärztlichen Tätigkeit gleichgewichtige (Zweit-)Beschäftigung (BSG, Urteil vom 13.10.2010 - B 6 KA 40/09 R -). Auch ist für einen halben Versorgungsauftrag nicht zu fordern, dass von der weiteren Erwerbstätigkeit keine prägende Wirkung für den beruflichen Status ausgehen darf; bei einer Halbierung des Versorgungsauftrags und damit notwendiger Reduzierung des Einkommens des Vertragsarztes muss die vertragsärztliche Tätigkeit nicht mehr als Hauptberuf ausgeübt werden. Als derartige (Zweit-)Beschäftigung kommt nicht allein eine Tätigkeit in Krankenhäusern oder - wie in dem vom BSG entschiedenen Fall - in Einrichtungen z.B. des Strafvollzuges in Betracht, sondern gleichermaßen auch eine weitere vertragsärztliche Tätigkeit im Umfang eines hälftigen Versorgungsauftrags, weil sie sich - jedenfalls in Bezug auf die in Rede stehende "Verfügbarkeit" des Arztes - nicht wesentlich von einer Tätigkeit in Krankenhäusern und Einrichtungen unterscheidet (BSG, Urteil vom 11.02.2015 - B 6 KA 11/14 R -).

Auch § 20 Abs. 2 Satz 1 Ärzte-ZV steht dem nicht entgegen. Eine an einem anderen Vertragsarztsitz ausgeübte weitere vertragsärztliche Tätigkeit fällt ersichtlich nicht unter die in der Norm genannten ärztlichen Tätigkeiten, die ihrem Wesen nach mit einer Tätigkeit des Vertragsarztes am Vertragsarztsitz nicht vereinbar sind (BSG, Urteil vom 11.02.2015 - B 6 KA 11/14 R -).

bb.) Der Erteilung einer zweiten Zulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag steht auch nicht das "Wesen" der Zulassung bzw. des Vertragsarztsitzes entgegen; insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass der Zulassungsstatus des § 95 Abs. 3 SGB V seinem Wesen nach unteilbar ist und deshalb auch nicht zweimal zugleich an dieselbe Person verliehen werden kann.

Die Begriffe "Zulassung" sowie "Vertragsarztsitz" sind nicht in dem Sinne zu verstehen, dass sie nur einmal einer Person (bzw. einer Kooperation) zugeordnet werden können. Die Zulassung als Vertragsarzt beinhaltet die Zuerkennung einer öffentlich-rechtlichen Berechtigung durch Stellen staatlicher Verwaltung (BSG, Urteil vom 10.05.2000 - B 6 KA 67/98 R -). Mit ihr wird dem Berechtigten die Befugnis übertragen, im System der gesetzlichen Krankenversicherung die Versicherten gesetzlicher Krankenkassen mit Wirkung für diese zu behandeln (BSG a.a.O. sowie Urteil vom 11.02.2015 - B 6 KA 11/14 R -). Die Annahme, dass eine derartige Berechtigung nur einmal erteilt werden kann, war jedoch (nur) solange folgerichtig, wie mit ihr zwingend eine Vollzeittätigkeit verbunden war. Das Leitbild, dass die vertragsärztliche Tätigkeit in Vollzeit auszuüben ist (§ 19a Abs.1 Ärzte-ZV) und den Schwerpunkt der Tätigkeit bilden muss, hat jedoch durch die zeitliche Flexibilisierung des Tätigkeitsumfangs erheblich an Bedeutung verloren. Schließlich lässt sich auch nichts daraus herleiten, dass das Gesetz die Begrifflichkeiten "Zulassung" sowie "Vertragsarztsitz" im Singular verwendet; vielmehr sind die Vorschriften im Sinne eines "jeweils" zu lesen, sie beziehen sich also auf die jeweilige (Teil-)Zulassung.

cc.) Auch der Umstand, dass weder im Gesetz noch in den Zulassungsverordnungen Umsetzungsvorschriften für den Fall zweier Zulassungen mit hälftigem Versorgungsauftrag enthalten sind, ist nicht von einem solchen Gewicht, dass dies eine weitere Zulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag ausschließt. Durch eine Tätigkeit des Vertragsarztes an zwei Vertragsarztsitzen - namentlich in verschiedenen KV-Bezirken - können sich in Bezug auf die Abrechnung der Leistungen und deren Überprüfung Probleme ergeben. Dementsprechend hat der Gesetzgeber für die - durch das VÄndG erstmals zugelassene - überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft (üBAG), die es deren Mitgliedern ermöglicht, auch in Bezirken unterschiedlicher KVen tätig zu werden (§§ 33 Abs. 2 Satz 2, 24 Abs. 3 Satz 7 Ärzte-ZV), entsprechende Regelungen eingeführt (BSG, Urteil vom 11.02.2015 - B 6 KA 11/14 R -). Solche Regelungen für den Fall zweier Zulassungen mit hälftigem Versorgungsauftrag in der Person eines Vertragsarztes fehlen weitgehend. Dieses Defizit, dem erforderlichenfalls der Gesetzgeber durch Rechtssetzungsermächtigungen an den Verordnungsgeber und/oder die Partner der Bundesmantelverträge abhelfen kann, geht nicht soweit, dass die mit einer zweiten Zulassung verbundenen Probleme praktisch nicht gelöst werden können. In der für den ärztlichen Bereich zentral wichtigen Bedarfsplanung wird schon gegenwärtig auf den Umfang des Versorgungsauftrags abgestellt. Die praktischen Probleme der Zulassung auf zwei "halben" Vertrags(zahn)arztsitzen sind lösbar; das gilt auch für die der Bedarfsplanung unterfallende ärztliche Tätigkeit.

e.) Dass gesetzliche Anforderungen an eine vertragsärztliche Tätigkeit durch eine weitere Zulassung mit einem hälftigen Versorgungsauftrag u.U. umgangen werden können, ist zwar nicht völlig auszuschließen, rechtfertigt ein Verbot der Doppelzulassung jedoch nicht. Auch Bedarfsplanungsgesichtspunkte stehen einer zweiten Teilzulassung nicht entgegen. Die dem Versorgungauftrag entsprechende Berücksichtigung der Tätigkeit wird dadurch gewährleistet, dass hälftig zugelassene Ärzte mit dem Faktor 0,5 zu berücksichtigen sind (§ 21 Abs. 2 BedarfsplRL-Ä).

Sicherzustellen ist allerdings, dass eine zweite Zulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag die vertragsärztliche Versorgung nicht beeinträchtigt. Jedenfalls dann, wenn ein Arzt jeweils in Einzelpraxis tätig werden will, muss er gewährleisten, dass er an beiden Vertragsarztsitzen - jeweils im Umfang hälftigen Versorgungsauftrags - für die Versorgung der Patienten zur Verfügung steht. Eine ärztliche Praxis muss in den Zeiten, in denen kein Notfalldienst eingerichtet ist, grundsätzlich für die Versorgung der Versicherten erreichbar sein und darf nicht nur Sprechstunden an einzelnen Wochentagen anbieten. Dass dies beim Kläger problematisch sein könnte, ist nicht vorgetragen und auch nicht zu erkennen. Er ist Mitglied einer BAG, an deren Sitz beide vertragsärztlichen Tätigkeiten ausgeübt werden sollen. Insoweit ähnelt die Situation des Klägers derjenigen eines MKG-Chirurgen, der beide volle Zulassungen - die vertragsärztliche und die vertragszahnärztliche - am selben Arztsitz ausübt. Letzterer steht - so das BSG - in der Praxis jederzeit für die gerade gefragte Tätigkeit zur Verfügung (BSG, Urteil vom 17.11.1999 - B 6 KA 15/99 R - m.w.N.). Zumindest stellt sich die Einhaltung beider versorgungsaufträge durch den Kläger bei zweifacher hälftiger (teil-) Zulassung nicht schwieriger da, als bei gesetzlich zugelassenen Tätigkeiten an weiteren Orten (§ 24 Abs. 3 Ärzte-ZV).

f.) Nicht vom Senat zu entscheiden ist, ob die Möglichkeit der Zulassung mit zwei hälftigen Versorgungsaufträgen versorgungspolitisch sinnvoll oder grundrechtlich geboten ist. Da diese Form der beruflichen Betätigung mit den derzeit geltenden Vorschriften über die vertragszahnärztliche Tätigkeit nicht von vornherein inkompatibel ist, müsste der Gesetzgeber sie ausdrücklich ausschließen, wenn er sie nicht wünscht. Das ist nicht der Fall (BSG, Urteil vom 11.02.2015 - B 6 KA 11/14 R -)

II. Entgegen der Auffassung des Beklagten steht der doppelten Zulassung des Klägers zur vertragsärztlichen Tätigkeit mit jeweils hälftigem Versorgungsauftrag auch nicht entgegen, dass neben der bereits bestehenden Tätigkeit als Hausarzt eine solche als Facharzt (Chirurg) angestrebt wird, also Tätigkeiten aus unterschiedlichen Versorgungsbereichen i.S.v. § 73 Abs. 1 SGB V.

Ausgangspunkt der insoweit vorzunehmenden Prüfung möglicherweise miteinander inkompatibler Arten vertragsärztlicher Tätigkeiten ist dabei - ebenso wie bei der vorrangigen, unter I. bejahten Frage nach der grundsätzlichen Zulässigkeit zweier hälftiger vertragsärztlicher Zulassungen - derselbe: Der Schutz des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG erstreckt sich auf jede berufliche Betätigung und erfasst sowohl die Beschränkung des beruflichen Betätigungsfeldes (BSG, Urteil vom 26.01.2000 - B 6 KA 53/98 R -) als auch die Betätigung in einem zweiten Beruf (BSG, Urteil vom 17.11.1999 - B 6 KA 15/99 R -). Grundrechtseingriffe sind insoweit nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung zulässig, aus der sich hinreichend deutlich die Entscheidung des Gesetzgebers über den Umfang und die Grenzen des Eingriffs erkennen lässt. Dabei muss sich das Verbot zumindest durch Auslegung von Rechtsvorschriften unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens nach anerkannten Auslegungsgrundsätze sicher gewinnen lassen (BSG, Urteil vom 15.08.2012 - B 6 KA 47/11 R - unter Bezugnahme auf BVerfG (Kammer) vom 06.12.2011 - 1 BvR 2280/11 - BSG, Urteil vom 15. August 2012 - B 6 KA 47/11 R -).

Daran fehlt es hier jedoch ebenso wie an einem ausdrücklichen Verbot der gleichzeitigen Teilnahme desselben Arztes am haus- und fachärztlichen Versorgungssystem (mit jeweils hälftigem Versorgungsauftrag). Die vom Beklagten insoweit ins Feld geführte Trennung dieser beiden Versorgungsbereiche in § 73 Abs. 1 SGB V steht weder nach ihrem Wortlaut (vgl. zu 1.) noch nach Sinn und Zweck (vgl. zu 4.) und auch nicht nach historischer (vgl. zu 3.) oder systematischer Auslegung (vgl. zu 2.) der begehrten Doppelzulassung entgegen. Auch aus der Rechtsprechung des BSG (vgl. zu 5.) oder anderen Gesichtspunkten (vgl. zu 6.) folgt für diese Auffassung nichts. Im Gegenteil, Auslegungsmethoden, Rechtsprechung des BSG und weitere Gesichtspunkte sprechen eher für die begehrte jeweils hälftige Zulassung als Haus- und Facharzt als gegen sie. Im Einzelnen:

1. Der Wortlaut des § 73 Abs. 1 und 1a SGB V lautet bezüglich der hier allein interessierenden Trennung von haus- und fachärztlicher Versorgung:

"(1) Die vertragsärztliche Versorgung gliedert sich in die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung. Die hausärztliche Versorgung beinhaltet insbesondere
1. die allgemeine und fortgesetzte ärztliche Betreuung eines Patienten in Diagnostik und Therapie bei Kenntnis seines häuslichen und familiären Umfeldes; Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen,
2. die Koordination diagnostischer, therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen,
3. die Dokumentation, insbesondere Zusammenführung, Bewertung und Aufbewahrung der wesentlichen Behandlungsdaten, Befunde und Berichte aus der ambulanten und stationären Versorgung,
4. die Einleitung oder Durchführung präventiver und rehabilitativer Maßnahmen sowie die Integration nichtärztlicher Hilfen und flankierender Dienste in die Behandlungsmaßnahmen.

(1a) An der hausärztlichen Versorgung nehmen
1. Allgemeinärzte,
2. Kinderärzte,
3. Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung, die die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung gewählt haben,
4. Ärzte, die nach § 95a Abs. 4 und 5 Satz 1 in das Arztregister eingetragen sind und
5. Ärzte, die am 31. Dezember 2000 an der hausärztlichen Versorgung teilgenommen haben, teil (Hausärzte).
Die übrigen Fachärzte nehmen an der fachärztlichen Versorgung teil. "

Nach seinem Wortlaut trennt § 73 Abs. 1 SGB V ("Die vertragsärztliche Versorgung gliedert sich in ") somit nicht Haus- von Fachärzten, sondern die haus- von der fachärztlichen "Versorgung". Dieser Teil der Norm trifft also über die Frage, welcher Arzt unter welchen Voraussetzungen an welcher Versorgung teilnehmen darf, bereits nach seinem Wortlaut keine Aussage. Nichts anderes folgt aus § 73 Abs. 1a Satz 1 und 2 SGB V. Dort wird zwar abschließend aufgeführt, welche Ärzte an der hausärztlichen Versorgung teilnehmen (im Wesentlichen Allgemeinärzte, Kinderärzte und Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung) und welche ("die übrigen Fachärzte") an der fachärztlichen Versorgung. Der Kläger ist jedoch sowohl Facharzt für Allgemeinmedizin als auch Facharzt für Chirurgie, kann damit grundsätzlich beiden Versorgungsbereichen zugeordnet werden.

Auch aus dem Urteil des BSG vom 27.06.2007 - B 6 KA 24/06 R - folgt insoweit nichts anderes. Dort hat das Gericht zwar ausgeführt: "Er (Anmerkung des Senats: der Gesetzgeber) hat in § 73 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 bis 5 SGB V zahlreiche einzelne Arztgruppen aufgeführt und deren Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung vorgeschrieben. Für alle "übrigen Fachärzte" hat er in Satz 2 a.a.O. die Zuordnung zur fachärztlichen Versorgung vorgenommen. Damit hat der Gesetzgeber ausweislich der Begründung, die er im Verfahren zur Änderung dieser Bestimmung durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 vom 22.12.1999 (BGBl. I 2626) gegeben hat, "alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte" erfassen und sie "entweder der hausärztlichen oder der fachärztlichen Versorgung" zuordnen wollen (Beschlussempfehlung und Bericht des BT-Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 14/1977, S 163 zu § 73 Abs. 1a)." Die daraus abgeleitete Annahme des Beklagten, dass eine Zulassung (auch heute noch) zu einem Versorgungsbereich nur einmal, den jeweils anderen Versorgungsbereich ausschließend erteilt werden könne, war aber nur solange folgerichtig, wie mit der Zulassung zwingend eine Vollzeittätigkeit verbunden war. Dies ist - wie oben dargelegt - seit Inkrafttreten des VÄndG zum 01.01.2007 nicht mehr der Fall. Seither ist, so das BSG im Urteil vom 11.02.2015 - B 6 KA 11/14 R -, bei lediglich hälftiger Zulassung als Vertragsarzt eine begehrte weitere Zulassung anhand der allgemein gültigen Zulassungsvoraussetzungen unabhängig von der bereits bestehenden hälftigen Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit zu prüfen.

2. Weiter spricht die Gesetzessystematik dagegen, dass sich aus der Trennung von haus- und fachärztlicher Tätigkeit in § 73 Abs. 1 SGB V etwas Einschränkendes für die vom Kläger erstrebte Sonderbedarfszulassung ergeben könnte. Die Vorschrift steht im "Vierten Kapitel Erster Titel: Sicherstellung der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung" und nicht im "Siebten Titel: Voraussetzungen und Formen der Teilnahme von Ärzten und Zahnärzten an der Versorgung.", den §§ 95 ff SGB V. Sie regeln also nur (abstrakt) die vertragsärztliche Versorgung, nicht aber die vorliegend strittige Art der Teilnahme einzelner Ärzte an dieser Versorgung.

Der § 73 Abs. 1 SGB V vermag auch nicht über die Zulassungsregelung in § 20 Abs. 2 Satz 1 Ärzte-ZV ("Für die Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit ist nicht geeignet ein Arzt, der eine ärztliche Tätigkeit ausübt, die ihrem Wesen nach mit der Tätigkeit des Vertragsarztes am Vertragsarztsitz nicht zu vereinbaren ist.") Einfluss auf die vom Kläger begehrte hälftige Zulassung als Facharzt (Chirurg) zu gewinnen. Eine weitere vertragsärztliche Tätigkeit fällt - wie bereits das BSG festgestellt hat - ersichtlich nicht unter die in der Norm genannten ärztlichen Tätigkeiten, die ihrem Wesen nach mit einer Tätigkeit des Vertragsarztes am Vertragsarztsitz nicht vereinbar sind (BSG, Urteil vom 11.02.2015 - B 6 KA 11/14 R -).

Die Gliederung in haus- und fachärztliche Versorgung wirkt sich allerdings unmittelbar auf die in §§ 85 ff. SGB V geregelte Gesamtvergütung und Honorarverteilung aus. So trägt der zur Bestimmung des Gesamthonorars des einzelnen Vertragsarztes zugrunde zu legende Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) der inhaltlichen Aufteilung durch voneinander abgegrenzte hausärztliche, fachärztliche sowie übergreifende Kapitel Rechnung (Warner in BeckOK, SGB V, Stand 01.01.2016, § 73 Rdn. 2; Henke in Peters, Handbuch der Krankenversicherung - SGB V, Stand 01.07.2009, § 73 Rdn. 6), von Hausärzten bzw. Fachärzten sollen jeweils nur hausärztliche bzw. fachärztliche Leistungen abgerechnet werden dürfen (§ 87 Abs. 2a Satz 1 SGB V; Adolf in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Auflage, 2016, § 73 Rdn. 56), die Gesamtvergütung ist getrennt für die hausärztliche und fachärztliche Versorgung zu verteilen (§ 87b Abs. 1 Satz 1 SGB V - der Beklagte spricht insoweit von "zwei Töpfen mit Deckeln drauf") etc. Damit soll ein angemessener Honoraranteil der Hausärzte gesichert werden, die der Gesetzgeber in ihrer "Lotsenfunktion" stärken will (FraktE GKV-GRG 2000, BT-Drucks. 14/1245, S. 56; Freudenberg in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Auflage, 2016, § 87b Rdn. 37).

Aber: Auch die §§ 85 ff. SGB V stehen nicht im Vierten Kapitel Siebter Titel ("Voraussetzungen und Formen der Teilnahme von Ärzten und Zahnärzten an der Versorgung"), sondern im Dritten Titel ("Verträge auf Bundes- und Landesebene"), regeln von daher nicht die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung. Mangels Bezugnahme der Zulassungsvorschriften auf diese Normen fehlt es auch an einer mittelbaren Regelung.

Der Umstand, dass weder im Gesetz noch in den Zulassungsverordnungen Umsetzungsvorschriften für den Fall jeweils einer hälftigen Zulassung zur haus- und zur fachärztlichen Versorgung enthalten sind, ist nicht von einem solchen Gewicht, dass dies die vom Kläger begehrte (Sonderbedarfs-)Zulassung ausschließt. Durch die Tätigkeit des Klägers am selben Arztsitz in G zugleich als Haus- und Facharzt können sich zwar in Bezug auf die Lotsenfunktion seiner hausärztlichen Tätigkeit, der Abrechnung der Leistungen und deren Überprüfung Probleme ergeben. Dass diese nicht lösbar sind, haben weder der Beklagte noch die Beigeladene zu 6) konkret dargelegt noch ist das für den Senat erkennbar (ebenso das BSG zu der gleichgelagerten Problematik einer doppelten hälftigen Zulassung im selben Versorgungsbereich: BSG, Urteil vom 11.02.2015 - B 6 KA 11/14 R -). Insbesondere stellt sich bei der begehrten Doppelzulassung die Situation nicht erkennbar wesentlich anders da, als in den unstreitig zulässigen und händelbaren Fällen einer BAG bestehend aus Haus- und Fachärzten (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2011 - B 6 KA 31/10 R -).

3. Auch der Wille des historischen Gesetzgebers steht der Zulassung des Klägers zu beiden Versorgungsbereichen, dem haus- und dem fachärztlichen, mit jeweils hälftigem Versorgungsauftrag nicht entgegen.

Vor dem 01.01.1993 hatte sich der Gesetzgeber damit begnügt, den Vertragspartnern der Bundesmantelverträge durch § 73 Abs. 1 SGB V die Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung in hausärztliche und fachärztliche Versorgung programmatisch vorzugeben. Im Übrigen hatte er es aber ihnen überlassen, Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung im Rahmen der Selbstverwaltung zu bestimmen. Die von der Politik erwartete Aufwertung der hausärztlichen Versorgung ist auf der Ebene der Vertragspartner des BMV-Ä jedoch nicht erreicht worden, hauptsächlich, weil auf Seiten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) innerhalb der Berufsverbände der Hausärzte und der Fachärzte unterschiedliche Auffassungen über Vergütung, Macht- und Marktanteile der haus- und der fachärztlichen Versorgung innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung herrschten. Mit der wiederholt erfolgten gesetzlichen Neufassung des § 73 Abs. 1 SGB V und der Neufassung des § 73 Abs. 1a SGB V zum 01.01.2000 wurden immer neue Anläufe unternommen, der hausärztlichen Versorgung einen höheren Stellenwert zu verschaffen. Ziel sollte sein, eine dem ganzen Krankheitsfall zugewandte hausärztliche Versorgung zu fördern (BT-Drucks. 12/3608 S. 83) und über diesen Weg dem zum Teil unerwünschten und zu unnötigen Ausgaben führenden Trend entgegenzuwirken, dass sich die Vertragsärzte immer häufiger auf bestimmte Gebiete oder Teilgebiete der Medizin beschränken, dabei die ganzheitliche Behandlung ihrer Patienten aus den Augen verlieren und deswegen zum Teil doppelte und damit unwirtschaftliche diagnostische und therapeutische Leistungen und Verordnungen produzieren. Mit der funktionalen Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung in die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung war eine langfristige, erst ab 01.01.2003 in vollem Umfang gültige Entwicklung der ambulanten ärztlichen Versorgung eingeleitet worden, für deren Wirksamkeit und Qualität die Durchführung der hausärztlichen Aufgaben durch entsprechend versierte und qualifizierte niedergelassene Vertragsärzte von entscheidender Bedeutung ist (Limpinsel in Sommer, SGB V, Stand 27.11.2012, § 73 Rdn. 15; Adolf in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Auflage, 2016, § 73 Rdn. 72; vgl. auch Henke in Peters, SGB V, Stand Juli 2006, § 73 Rdn. 2).

Den Zielen des Gesetzgebers (Förderung der hausärztlichen Versorgung und Entgegenwirken einer weiteren Ausbreitung fachärztlicher Tätigkeit mit zum Teil doppelten und damit unwirtschaftlichen diagnostischen sowie therapeutischen Leistungen) steht die vom Kläger begehrte jeweils hälftige Zulassung als Haus- und Facharzt neutral gegenüber. Die hälftige Doppelzulassung als solche fördert weder die Haus- noch die Facharztzulassung. Ob sie faktisch zu einem erhöhten Zulassungsanteil an Haus- oder an Fachärzten führen wird, lässt sich nicht (sicher) prognostizieren. Etwaige Verschiebungen zugunsten des einen oder anderen Versorgungsbereichs dürften wirtschaftliche Gründe haben. Diese beruhen indes nicht auf der hier allein interessierenden rechtlichen Zulässigkeit einer Doppelzulassung, sondern auf der jeweiligen Vergütung der Versorgungsbereiche. Insofern besteht für den Gesetzgeber, den Verordnungsgeber sowie die Partner von Bundesmantel- und diejenigen von Honorarverteilungsverträgen die Möglichkeit entgegenzusteuern, bspw. über die Bedarfsplanung (§ 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V i.V.m. der BedarfsplRL-Ä) oder über die Zuweisung von abrechnungsfähigen Leistungen (ausschließlich) zur hausärztlichen Versorgung (§ 87 Abs. 2a Satz 1 SGB V).

4. Das BVerfG hat in einem Beschluss vom 17.06.1999 - 1 BvR 2507/97 - ausgeführt, dass die Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung in einen haus- und einen fachärztlichen Versorgungsbereich in § 73 SGB V dem gesundheitspolitischen Ziel der Qualitätsverbesserung für die Versicherten und dem finanzpolitischen Ziel der Kostendämpfung diene (Limpinsel in Sommer, SGB V, Stand 27.11.2012, § 73 Rdn. 16). Auch aus diesen beiden Gesetzeszwecken lässt sich nichts entnehmen, was (zwingend) gegen die Zulässigkeit einer jeweils hälftigen Doppelzulassung als Fach- und Hausarzt spricht. Das Ziel der Kostendämpfung entspricht dabei dem vorbeschriebenen, einer Doppelzulassung nicht entgegenstehenden Willen des historischen Gesetzgebers. Die daneben bezweckte Qualität der vertragsärztlichen Tätigkeit leidet unter einer jeweils hälftigen Teilnahme an dem haus- und dem fachärztlichen Versorgungsbereich nicht mehr, als wenn dieselbe Tätigkeit nicht vertragsärztlich, sondern beispielsweise (privat-)ärztlich oder als angestellter Krankenhausarzt ausgeübt würde. Letztere Tätigkeiten sind indes grundsätzlich zulässig neben einer hälftigen vertragsärztlichen Tätigkeit und nur bei im konkreten Fall sich widersprechenden Interessenlagen auszuschließen (§ 20 Abs. 2 Ärzte-ZV; BSG, Urteile vom 30.01.2002 - B 6 KA 20/01 R - und 17.11.2015 - B 1 KR 12/15 R -). Solche im konkreten Einzelfall des Klägers sich widersprechenden Interessenlagen sind von den Beteiligten nicht vorgetragen worden und für den Senat nicht erkennbar.

Zur Erreichung der Gesetzeszwecke definiert § 73 SGB V den Umfang der vertragsärztlichen Versorgung und deren Aufgliederung in eine hausärztliche und eine fachärztliche Versorgung. Der hausärztlich tätige Vertragsarzt betreut den Patienten (vertrags-)ärztlich (§ 73 Abs. 1 Nr. 1 SGB V), koordiniert diagnostische, therapeutische und pflegerische Maßnahmen (§ 73 Abs. 1 Nr. 2 SGB V), dokumentiert wesentliche Behandlungsdaten, Befunde und Berichte aus der ambulanten und stationären Behandlung (§ 73 Abs. 1 Nr. 3 SGB V), leitet präventive sowie rehabilitative Maßnahmen ein und führt sie durch (§ 73 Abs. 1 Nr. 4 SGB V). Diese Definition und Aufgliederung ist bei der vorliegend strittigen doppelten, jeweils hälftigen Zulassung zur haus- und fachärztlichen Versorgung ebenso notwendig wie im Falle der nach Ansicht des Beklagten allein zulässigen vollen Zulassung zur haus- oder fachärztlichen Versorgung. In beiden Fällen müssen Grenzen gezogen werden, um - entsprechend des Ziels des Gesetzgebers - (finanzielle) Anreize für Ärzte zu schaffen, haus- und nicht als fachärztlich tätig zu sein. So sollen Patienten trotz grundsätzlich verbleibender freier Arztwahl (zunächst) zum Gang zum Hausarzt bewegt und durch die dortige bessere Dokumentation, Steuerung etc. unwirtschaftliche Behandlungen vermieden werden (Adolf in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Auflage, 2016, § 73 Rdn. 71, 76; Rademacker in KassKomm - SGB V, 89. Ergänzungslieferung, März 2016, § 73 Rdn. 2).

Bedenkt man schließlich Sinn und Zweck des zum 01.01.2007 in Kraft getretenen VÄndG, spricht dies nicht nur nicht gegen die angestrebte doppelte Zulassung, sondern für sie. Nach der Gesetzesbegründung (Regierungsentwurf zum VÄndG, BT-Drucks. 16/2474 Seite 21) dient nämlich die Möglichkeit, den sich aus der Zulassung ergebenden Versorgungsauftrag auf die Hälfte einer vollzeitigen Tätigkeit zu beschränken, u.a. der besseren Bewältigung von Unterversorgungssituationen. Dass dies - je nach Fallgestaltung - ggf. gerade durch die gleichzeitige, jeweils hälftige Zulassung sowohl zur haus- als auch zur fachärztlichen Versorgung am Besten erreicht werden kann, zeigt das Klagebegehren des Klägers eindrucksvoll. Soweit der Beklagte den entscheidungserheblichen Sachverhalt ermittelt hat, spricht nämlich einiges für einen Sonderbedarf in Bezug auf die vom Kläger beantragte hälftige Zulassung als Facharzt - Chirurg - in G.

Nach alledem trifft der Einwand des Beklagten nicht zu, der Gesetzeszweck der bereits seit dem 01.01.1989 geltenden Trennung von haus- und fachärztlicher Versorgung (§ 73 Abs. 1 SGB V) stehe einer jeweils hälftigen Zulassung eines Arztes zu beiden Versorgungsbereichen nach dem zum 01.01.2007 in Kraft getretenen VÄndG entgegen. Im Übrigen würde im Fall sich (tatsächlich) widersprechender Gesetze(szwecke) gelten, dass dem VÄndG als dem jüngeren Recht gegenüber dem § 73 Abs. 1 SGB V als dem älteren Recht der Vorrang einzuräumen ist (Lex-posterior-Grundsatz; zu dessen Gültigkeit im Bereich des SGB V: BSG, Urteile vom 22.06.2010 - B 1 KR 29/09 R -; und 06.03.2012 - B 1 KR 10/11 R -; hierzu auch Senat, Beschlüsse vom 20.11.2013 - L 11 KA 81/13 B ER-, 22.10.2012 - L 11 AS 1240/12 B, - 14.06.2010 - L 11 KR 199/10 KL -).

5. Auch aus der Rechtsprechung des BSG folgt nicht, dass ein Vertragsarzt ausschließlich entweder zur haus- oder fachärztlich Versorgung zugelassen werden kann.

a.) Zwar heißt es im Urteil des BSG vom 28.10.2009 - B 6 KA 22/08 R -: "Ausnahmen von dem Grundsatz, dass Vertragsärzte Leistungen nur in ihrem jeweiligen Versorgungsbereich erbringen dürfen, sind nur in engem Rahmen vorgesehen (BSG SozR 4-2500 § 73 Nr. 1 Rdn. 12; BSG SozR 4-2500 § 73 Nr. 3 Rdn. 14) und vorliegend nicht einschlägig. So bestimmt § 73 Abs. 1a Satz 3 SGB V, dass der Zulassungsausschuss für Kinderärzte und Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung eine von § 73 Abs. 1a Satz 1 SGB V abweichende befristete Regelung treffen kann, wenn eine bedarfsgerechte Versorgung nicht gewährleistet ist. Gemäß § 73 Abs. 1a Satz 4 SGB V können Kinderärzte mit Schwerpunktbezeichnung auch an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen. Den Interessen von Allgemeinärzten, die im Wesentlichen spezielle Leistungen erbringen, wird dadurch Rechnung getragen, dass ihnen der Zulassungsausschuss auf ihren Antrag hin die Genehmigung zur ausschließlichen Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung erteilen kann (§ 73 Abs. 1a Satz 5 SGB V). Damit hat der Gesetzgeber die Zuordnung zur haus- oder fachärztlichen Versorgung umfassend und abschließend geregelt; weitere Ausnahmen sind auch unter verfassungsrechtlichen Erwägungen nicht erforderlich (s BSG SozR 4-2500 § 73 Nr. 1 Rdn. 16 f; BSG SozR 4-2500 § 73 Nr. 3 Rdn. 18 f). Anhaltspunkte dafür, dass die Regelung lückenhaft sein könnte, bestehen nicht (BSG, a.a.O. Rdn. 16 bzw. Rdn. 18). Dies steht, wie der Senat ebenfalls bereits entschieden hat (BSG, a.a.O., Rdn. 16 bzw. Rdn. 18), auch einer analogen Anwendung des § 73 Abs. 1a Satz 3 SGB V entgegen.

Ebenso wenig kommt eine partielle Einbeziehung der Allgemeinärzte in die fachärztliche Leistungserbringung unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots des Art 3 Abs. 1 GG in Betracht. Wie der Senat bereits entschieden hat (BSG SozR 4-2500 § 73 Nr. 1 Rdn. 17; BSG SozR 4-2500 § 73 Nr. 3 Rdn. 19) ist die Begrenzung der Regelung des § 73 Abs. 1a Satz 3 SGB V auf Kinderärzte und Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung durch einen ausreichenden sachlichen Grund gerechtfertigt. Insoweit kann auf die angeführten Entscheidungen Bezug genommen werden."

Um eine Ausnahme vom Grundsatz, dass Vertragsärzte Leistungen nur in ihrem jeweiligen Versorgungsbereich erbringen und abrechnen dürfen, wie sie § 73 Abs. 1a Satz 3 ff. SGB V beispielsweise für Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung und Kinderärzte zulässt, geht es dem Kläger jedoch nicht. Er strebt kein gleichzeitiges Tätigwerden als Haus- und Facharzt im Rahmen des einzelnen Behandlungsfalls an und - anders als der Kläger in dem vom BSG entschiedenen Fall - auch keine Abrechnung fachärztlicher Leistungen bei alleiniger Zulassung zum hausärztlichen Versorgungsbereich. Vielmehr geht es dem Kläger vorliegend um ein Tätigwerden als Vertragsarzt, bei dem er entweder als Facharzt (Chirurg) oder als Hausarzt (Allgemeinmediziner) die Patienten behandelt und entsprechend haus- oder fachärztlich abrechnet. Mit den Worten des Beklagten gesprochen: Der Kläger wünscht eine Beteiligung nur an Töpfen, zu denen er zugelassen ist (hausärztlich) bzw. werden will (fachärztlich/chirurgisch), und auch nur in dem Umfang, in dem er zugelassen ist bzw. werden will (jeweils hälftig).

b.) Entsprechendes gilt für die Rechtsprechung des BSG im Hinblick auf Umgehungsmöglichkeiten betreffend die gesetzlichen Anforderungen an die vertragsärztliche Tätigkeit sowie die Trennung der Versorgungsbereiche bei einer BAG bestehend aus Fach- und Hausärzten. Das BSG hat im Urteil vom 14.12.2011 - B 6 KA 31/10 R - insoweit ausgeführt:

"Gerade bei fach- und versorgungsbereichsübergreifenden Gemeinschaftspraxen ist eine eindeutige Abgrenzung der jeweiligen Leistungs- und Versorgungsbereiche erforderlich, weil die Gefahr besteht, dass andernfalls die Fachgebietsgrenzen, insbesondere aber die gesetzlich vorgegebene Trennung der haus- und fachärztlichen Versorgungsbereiche unterlaufen würde. Dies gilt namentlich bei Gemeinschaftspraxen zwischen haus- und fachärztlich tätigen Internisten, denn es liegt nahe, dass Internisten, die sich aufgrund rechtlicher Vorgaben für eine ausschließlich hausärztliche bzw. ausschließlich fachärztliche Tätigkeit entscheiden mussten, bei einer Außerkraftsetzung der Versorgungsbereichsgrenzen für Gemeinschaftspraxen - sei es aus fachlichem Interesse, sei es aus praktischen Erwägungen - die Gelegenheit nutzen werden, zwischen den Versorgungsbereichen zu wechseln.

Gegenüber den mit der generalisierenden Trennung der Versorgungsbereiche verbundenen Zielen müssen die Interessen der Gemeinschaftspraxispartner an einfachen "Vertretungs"möglichkeiten, aber auch die Interessen der Patienten an einer Behandlung durch einen ihnen vertrauten Leistungserbringer zurücktreten. Damit werden die Patienten einer Gemeinschaftspraxis gegenüber den in Einzelpraxen behandelten Patienten keineswegs schlechter, sondern diesen lediglich gleichgestellt, da auch Patienten eines in hausärztlicher Einzelpraxis tätigen Internisten nicht beanspruchen können, von diesem auch fachärztlich behandelt zu werden."

Das BSG fordert aufgrund naheliegender Gestaltungsmöglichkeiten einer BAG also nicht deren Verbot oder das Verbot der gegenseitigen Vertretung, sondern eine eindeutige Abgrenzung der jeweiligen Leistungs- und Versorgungsbereiche und Ziele sowie ein Zurücktreten der Interessen der Gemeinschaftspraxispartner an einfachen "Vertretungs"möglichkeiten und den Interessen der Patienten an einer Behandlung durch einen ihnen vertrauten Leistungserbringer.

6. Auch andere Gesichtspunkte sprechen nicht für die Zulassung des Klägers entweder allein als Haus- oder als Facharzt, im Gegenteil:

a.) So wird das Begehren des Klägers nach einer Doppelzulassung dadurch getragen, dass ihm seine auf einen hälftigen Versorgungsauftrag zu reduzierende Tätigkeit als Hausarzt mit Sitz in G ausreichend Zeit für die weitere fachärztliche Tätigkeit als Chirurg mit ebenfalls hälftigem Versorgungsauftrag und identischem Arztsitz gibt.

b.) Insbesondere stehen der vom Kläger begehrten jeweils hälftigen Zulassung als Haus- und Facharzt keine unüberwindbaren Umsetzungsschwierigkeiten entgegen.

aa.) Der Beklagte meint, solche Schwierigkeiten im Bereich der LA-NR. erkannt zu haben. Dabei übersieht er, dass es sich bei der gemäß § 75 Abs. 7 SGB V vom Vorstand der KBV beschlossenen Richtlinie zur Vergabe der Arzt-, Betriebsstätten- sowie Praxisnetznummern um eine untergesetzliche Norm handelt. Sie kann dem VÄndG nicht entgegenstehen, weil die rangniedrigere Richtlinie dem höherrangigen formellem Gesetz im Fall von Widersprüchen weichen muss (Hesral in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Auflage, 2016, § 75 Rdn. 188).

Zudem handelt es sich bei der Richtlinie um "dienendes" Recht; sie soll insbesondere ein effektives Verfahren zur Auswertung und Aufbereitung der Daten über (zahn)ärztliche Leistungen und die von den Ärzten verordneten und veranlassten Leistungen durch die Vergabe eindeutig zuordenbarer Arztnummern ermöglichen (Peters in KassKomm - SGB V, SGB V, 89. Ergänzungslieferung, März 2016, § 293 Rdn. 6-7). Infolgedessen kann aus der Richtlinie auch nicht auf die (Un-) Zulässigkeit einer jeweils hälftigen Zulassung zur haus- und fachärztlichen Versorgung geschlossen werden. Vielmehr wäre gegebenenfalls die Richtlinie anzupassen, falls sich tatsächlich sonst nicht zu beseitigende Widersprüche ergäben. Solche kann der Senat indes nicht erkennen.

So folgt aus der Richtlinie zunächst einmal kein (ausdrückliches) Verbot, einem Arzt mehr als nur eine Nummer zuzuordnen. Dem steht nicht entgegen, dass z.T. - beispielsweise bei den Regelungen zur Zusammensetzung und Vergabe der Arztnummer - nur im Singular von "einer" oder "der" Arztnummer die Rede ist. Damit kann die im Einzelfall zusammenzusetzende bzw. zu vergebende Arztnummer gemeint sein und nicht, dass grundsätzlich nur eine Nummer für jeden Arzt zusammengesetzt und vergeben werden darf.

Dass ein Arzt mehrere Arztnummern haben kann, legt dabei die in den §§ 2 und 3 der Richtlinie beschriebene Zusammensetzung der Arztnummern nahe. Danach ist nur im Zusammenhang mit den ersten sechs Ziffern der LA-NR. von einer "eindeutigen Ziffernfolge" die Rede und einer an siebter Stelle folgenden Prüfziffer. Die letzte zweistellige Ziffernfolge kennzeichnet hingegen den Arztgruppenschlüssel, könnte also durchaus sowohl im Fall des Klägers als auch grundsätzlich danach differieren, ob der Arzt einer oder mehreren unterschiedlichen Arztgruppen zugeordnet ist.

Ob so im Zuständigkeitsbereich des Beklagten und der Beigeladenen zu 6.) verfahren wird, kann der Senat offen lassen, da es nur auf die grundsätzliche Möglichkeit der Vergabe mehrerer Arztnummern und nicht auf die insoweit bisher geübte Praxis ankommt.

Festzuhalten ist, dass es mit den MKG-Chirurgen bereits heute (Zahn-) Ärzte gibt, die an zwei unterschiedlichen Versorgungsbereichen teilnehmen und die entsprechend zwei unterschiedliche (Zahn-) Arztnummern zugewiesen erhalten. Ob dies rechtliche Folge der doppelten Approbation ist, wie der Beklagte meint, kann an dieser Stelle offen bleiben, denn die grundsätzliche Zulässigkeit der begehrten jeweils hälftigen Zulassung des Klägers steht nach den vorangegangenen Ausführungen fest. Hier geht es nur (noch) darum, ob unüberwindbare Umsetzungsschwierigkeiten infolge der doppelten Zulassung in Bezug auf die LA-NR. entstehen können. Das ist zu verneinen.

bb.) Unüberwindbare Schwierigkeiten bei der zutreffenden Erfassung von durch den Kläger im Falle seiner doppelten Zulassung erbrachten Leistungen sind auch nicht etwa deshalb zu erwarten, weil bei ihm - anders als bei den MKG-Chirurgen - der haus- und der fachärztliche Versorgungsbereich betroffen wäre, also zwei ärztliche Versorgungsbereiche. Wie der Kläger zutreffend geltend macht, gibt es bereits heute Ärzte, die sowohl haus- und als fachärztliche Leistungen erbringen und abrechnen dürfen (§ 73 Abs. 1a Satz 3 ff. SGB V). Dass es sich dabei um gesetzliche Ausnahmefälle handelt, ist nicht von Belang, da es an dieser Stelle der Prüfung nicht (mehr) um die grundsätzliche Zulässigkeit der vom Kläger begehrten doppelten Zulassung geht, sondern um ihre praktische Umsetzbarkeit. Diese bereitet keine vom Beklagten oder der Beigeladenen zu 6.) konkret benennbare Schwierigkeiten.

III. Der strittige Anspruch des Klägers auf Sonderbedarfszulassung richtet sich nach den Vorgaben der BedarfsplRL-Ä in der jeweils einschlägigen Fassung.

1. Im Hinblick auf die für die Gruppe der Chirurgen wegen Überversorgung angeordneten Zulassungsbeschränkungen im Planungsbereich Olpe kommt eine Zulassung des Klägers nur wegen eines besonderen Versorgungsbedarfs in Betracht. § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V bestimmt, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in Richtlinien für die ausnahmsweise Besetzung zusätzlicher Vertragsarztsitze Vorgaben beschließt, soweit diese zur Wahrung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung in einem Versorgungsbereich unerlässlich sind. Diese Ausnahme dient dem Ziel, auch im Einzelfall sicherzustellen, dass angeordnete Zulassungssperren nicht unverhältnismäßig - weil in der konkreten örtlichen Situation ein Versorgungsdefizit besteht - die Berufsausübung beschränken. Zugleich wird dem GBA die Aufgabe übertragen, nähere Vorgaben für diese Zulassungen zu normieren. Gegen diese Übertragung der Befugnis zur Normkonkretisierung bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken, zumal der Gesetzgeber Inhalt, Zweck und Ausmaß der Regelung präzise vorgegeben und damit die wesentlichen Fragen selbst entschieden hat (st. Rspr., vgl. BSG, Urteil vom 05.11.2008 - B 6 KA 10/08 R - m.w.N.).

Im vertragsärztlichen Bereich hat der GBA diesen Normsetzungsauftrag mit den §§ 24 bis 26 BedarfsplRL-Ä 2007 bzw. ab 01.01.2013 mit den §§ 36 und 37 BedarfsplRL-Ä 2012 umgesetzt.

2. Ob danach ein Sonderbedarf für die vom Kläger begehrte hälftige Zulassung als Chirurg mit Arztsitz in G besteht, hat der Beklagte in seinem Beschluss vom 23.03.2011 ausdrücklich offen gelassen und die vom Kläger begehrte weitere hälftige Zulassung als Facharzt (Chirurg) neben seiner auf die Hälfte zu reduzierenden Zulassung als Hausarzt (Allgemeinmediziner) bereits aus grundsätzlichen Überlegungen abgelehnt. Da diese Überlegungen nicht greifen, wird der Beklagte den insoweit entscheidungserheblichen Sachverhalt, insbesondere zu den Besonderheiten des maßgeblichen Planungsbereichs (z.B. Struktur, Zuschnitt, Lage, Infrastruktur, geografische Besonderheiten, Verkehrsanbindung, Verteilung der niedergelassenen Ärzte und den insoweit (nicht) gegebenen zumutbaren Zugang der Versicherten zur vertragsärztlichen Versorgung, § 6 Abs. 4 Satz 1 BedarfsplRL-Ä) umfassend ermitteln müssen.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 und 3 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Beigeladene zu 6.) hat in zweiter Instanz ebenso wie der Beklagte beantragt, das Urteil des SG abzuändern und die Klage abzuweisen. Sie unterliegt damit im zweiten Rechtszug im gleichen Umfang wie der Beklagte und trägt daher die Kosten dieses Rechtszugs zusammen mit diesem zu je ½ als Gesamtschuldner.

V. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen vor; die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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