L 11 KR 10/17

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 148/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 10/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 72/19 B
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 01.12.2016 geändert und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten insbesondere über den Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Kosten für selbstbeschaffte Liposuktionen an Ober- und Unterschenkeln sowie am Gesäß nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch (SGB V).

Die am 00.00.1980 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin wurde im Jahr 1999 mit einer Gastroplastik (Magenverkleinerung) sowie im Jahr 2002 mit einer Fettschürzenoperation und einer Straffungsoperation an den Innenseiten der Oberschenkel versorgt.

Mit bei der Beklagten am 08.08.2014 eingegangenem Schreiben vom 02.08.2014 beantragte sie unter Vorlage eines Arztbriefes die Übernahme der Kosten für eine Oberschenkelkorrektur. Sie habe nach Durchführung der Gastroplastik annähernd 60 kg abgenommen, ihre Ernährung umgestellt und treibe regelmäßig Sport. Den größten Gewichtsverlust habe sie am Oberkörper erzielt, während an den Oberschenkeln noch immer unproportionierte Körpermaße bestünden. Ober- und Unterkörper seien derart unterschiedlich, dass sie nicht mehr zusammenpassten. Sie habe Probleme beim Laufen und leide unter Schmerzen, weil die Oberschenkel ständig aneinander scheuerten.

Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Erstattung eines Gutachtens nach Aktenlage und informierte die Klägerin mit Schreiben vom 12.08.2014 über dessen Beteiligung. In ihrem nach Aktenlage erstatteten Gutachten vom 22.08.2014 verneinte Frau C, MDK Nordrhein, die medizinische Indikation für eine Gewebeabsaugung und Oberschenkelstraffung. Der bei der Klägerin bestehende Hautweichteilüberschuss nach erheblicher Gewichtsreduktion stelle ebenso wenig eine Erkrankung dar, wie die überproportionale Gewichtung der unteren Extremität. Bei der begehrten Maßnahme handele es sich primär um eine ästhetisch-kosmetische Operation. Hauterscheinungen an den Oberschenkeln seien dermatologisch behandelbar und rechtfertigten keine operative Maßnahme zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung.

Gestützt auf diese medizinische Beurteilung lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für die begehrte Oberschenkelstraffung ab (Bescheid vom 28.08.2014). Bei dieser Operation handele es sich um eine Änderung der äußeren Körperform im Sinne einer ästhetischen Maßnahme. Auf die weitere Begründung des Bescheides wird Bezug genommen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 23.09.2014 Widerspruch, zu dessen Begründung sie im Wesentlichen auf den Inhalt eines Attests des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. H, C, vom 02.09.2014 verwies. In diesem beschrieb der behandelnde Hausarzt einen erheblichen Hautweichteilüberschuss an beiden Oberschenkeln, der die Beweglichkeit einschränke und eine Wundbildung in den Hautfalten auslöse. Eine weitere Gewichtsreduktion sei nicht möglich.

In dem sodann aufgrund ambulanter Untersuchung der Klägerin erstatteten Gutachten vom 02.12.2014 bekräftigte Frau Dr. M, MDK Nordrhein, die fehlende medizinische Indikation für die beantragte Oberschenkelkorrektur mit Volumenabsaugung. Die geplante Änderung der Körperkontur im Sinne einer plastisch-ästhetischen Operation sei nicht wegen einer Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung erforderlich.

Dieser Beurteilung trat die Klägerin unter Verweis auf einen Befundbericht des Herrn Prof. Dr. L, Chefarzt der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der I-Klinik P entgegen. Dieser habe festgestellt, dass sie nicht nur unter einer ausgeprägten Lipohypertrophie leide; vielmehr sei es infolge der Fettverteilungsstörung bereits zu Folgeschäden in Form einer Achsenfehlstellung der Beine und einer Bewegungseinschränkung gekommen. Da die Klägerin bereits unter Schmerzen leide, bestehe auch die Möglichkeit, dass sich die Lipohypertrophie zu einem Lipödem fortentwickelt habe. Beide Formen der Erkrankung seien nur durch eine Liposuktion behandelbar.

In ihren nach Auswertung dieses Berichtes erstatteten weiteren Gutachten vom 22.06.2015 bekräftigte Frau Dr. M ihre bereits zuvor verneinte Indikation zur Durchführung einer Liposuktion. Auch unter Zugrundelegung der Leitlinien der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie, Lipödem der Beine, Stand 25.06.2009, bestehe keine medizinische Notwendigkeit für eine Volumenabsaugung und Hautstraffung an den Oberschenkeln. Zu empfehlen sei eine Bewegungstherapie und Kompressionsbehandlung. Das Krankheitsbild eines Lipödems sei auch nach Einschätzung des Herrn Prof. Dr. L nicht festzustellen. In einer weiteren sozialmedizinischen Einschätzung hielt Frau Dr. M an dieser medizinischen Beurteilung fest (Gutachten vom 30.10.2015).

Nach Zurückweisung des Widerspruchs (Bescheid vom 21.01.2016) hat die Klägerin mit der am 16.02.2016 zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhobenen Klage das zunächst auf die Übernahme der "Kosten einer Liposuktion im Bereich der Oberschenkel mit anschließender Oberschenkelstraffung" gerichtete Begehren weiterverfolgt. Die entstellend wirkende Disproportionalität von Ober- und Unterkörper löse eine solche psychische Belastung aus, dass sie sich seit Dezember 2013 einer richtlinienkonformen Psychotherapie unterziehen müsse. Zudem schmerzten die betroffenen Körperregionen und seien überempfindlich; bereits bei geringen mechanischen Einwirkungen komme es zu blauen Flecken; die Oberschenkelinnenseiten seien permanent entzündet. Schließlich liege eine Erkrankung in Gestalt eines Lipödems vor, das sich ständig verschlimmere und nur mittels Liposuktion behandelt werden könne. Dieses habe auch Herr Dr. X, Oberarzt im G Krankenhaus E unter dem 16.06.2016 attestiert.

Die Klägerin hat im anhängigen erstinstanzlichen Rechtszug den Sachantrag erweitert und neben der ursprünglich beanspruchten Übernahme der Kosten für eine Liposuktion der Oberschenkel nebst Oberschenkelstraffung die Erstattung von Kosten einer stationären Liposuktion der Unterschenkel und des Gesäßes begehrt (Schriftsatz vom 10.10.2016).

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2016 zu verurteilen, die Kosten einer stationären Liposuktion an Oberschenkel, Unterschenkel und Gesäß sowie einer Oberschenkelstraffung zu übernehmen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist dem Klagebegehren entgegen getreten. Die konservativen Behandlungsmöglichkeiten seien nicht ausgeschöpft. Zudem sei eine ambulante Liposuktion ohne Genehmigung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen erfasst. Die grundsätzlich ambulant durchführbaren Liposuktionen könnten nicht formal in eine stationäre Behandlung "verlagert" werden, damit sie von einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung zu übernehmen seien.

Das Gericht hat zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts von Amts wegen Befund- und Behandlungsberichte der behandelnden Ärzte beigezogen, auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.

Sodann hat das SG von Amts wegen ein Sachverständigengutachten von Herrn Dr. I, Facharzt für Chirurgie, Gefäßchirurgie, Phlebologie, Lymphologie, C eingeholt. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 15.09.2016 eine Lipohypertrophia dolorosa (schmerzhafte Vermehrung des Fettgewebes), besonders der Gesäßregion, der Oberschenkel und Unterschenkel beidseits in Verbindung mit einem Lipödem mit daraus resultierenden Bewegungseinschränkungen sowie eine sog. Pseudo-X-Beinstellung fest. Die konservativen Behandlungsmaßnahmen seien ausgeschöpft und erfolglos geblieben. Das Leiden sei progredient und habe zu erheblichen psychischen Beeinträchtigungen geführt. Eine Liposuktion sei medizinisch notwendig, jedoch nicht notwendigerweise stationär, sondern in ambulanter Form. Der Umfang der erforderlichen Liposuktionen beziehe sich auf Gesäß, Ober- und Unterschenkel. Eine auf die Oberschenkel beschränkte Liposuktion sei nicht ausreichend. Es sei bekannt, dass nur durch eine ausgedehnte Entfernung des krankhaften Fettgewebes, im vorliegenden Fall im Wesentlichen an Gesäß, den Ober- und Unterschenkeln, eine Besserung oder sogar Beseitigung der Beschwerden zu erreichen sei. Bei einer nur begrenzten Operation komme es zu einer überschießenden Fettgewebeneubildung in den nicht operierten Bereichen.

Mit Urteil vom 01.12.2016 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.01.2016 verurteilt, die Kosten einer stationären Liposuktion an Oberschenkel, Unterschenkel und Gesäß zu übernehmen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf den Inhalt der Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das Urteil hat die Beklagte am 04.01.2017 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen eingelegt. Die Voraussetzungen des § 137c Abs. 3 SGB V seien nicht erfüllt. Es sei schon fraglich, ob bei der Klägerin eine Krankheit im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V vorliege. So sei der Sachverständige Dr. I zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin unter einer Lipohypertrophie dolorosa in Verbindung mit einem Lipödem leide. In dem Gutachten der Sozialmedizinischen Expertengruppe des MDK zur Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen (Stand 15.01.2015) werde angenommen, dass eine Lipohypertrophie keine Krankheit, sondern lediglich eine Fettgewebsvermehrung der Extremitäten darstelle. Die Lipohypertrophie sei auch nicht in der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD) enthalten.

Ungeachtet dessen sei die begehrte Liposuktion nicht alternativlos. Der erstinstanzlich gehörte Sachverständige habe darauf hingewiesen, dass die bei der Klägerin bestehenden Gewebewassereinlagerungen durch eine komplexe physikalische Entstauungstherapie sowie manuelle Lymphdrainagen und Kompressionsbestrumpfung behandelbar seien, auch wenn diese Form der Behandlung dauerhaft und konsequent durchgeführt werden müsse. Ergänzende Rehabilitationsmaßnahmen könnten kurzfristig eine Umfangsreduktion und Beschwerdeverbesserung bewirken. Ein solches medizinisches Vorgehen sei zumutbar und stehe der Annahme einer Alternativlosigkeit der Liposuktion entgegen. Letztere führe im Übrigen nicht zu einer dauerhaften Linderung oder gar Heilung. Der Sachverständige habe das Phänomen beschrieben, dass entferntes Fettgewebe an anderen Körperstellen wieder auftrete. Auch bzgl. des Lipödems seien die Ursachen noch nicht bekannt. Eine kausale Therapie sei ebenfalls nicht möglich, dauerhafte Therapiefreiheit bzw. Heilung durch eine Liposuktion seien nicht zu erwarten. Die Liposuktion sei nach alledem keine echte Behandlungsalternative.

Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb die Klägerin stationär behandelt werden müsse (§ 39 Abs. 1 SGB V). Nach den vom SG selbst zitierten Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie zur Liposuktion ("DGÄC-Leitlinien") sei eine Fettabsaugung mit einem reinen Fettaspirat von mehr als 4.000 ml pro Sitzung als chirurgisch experimentell anzusehen und nur in bestimmten Operationszentren mit angeschlossener intensivmedizinischer Betreuungsmöglichkeit durchzuführen. Vor diesem Hintergrund sei zweifelhaft, weshalb die Notwendigkeit bestanden haben solle, eine Menge von 6.000 ml pro Sitzung abzusaugen. Eine ambulant mögliche Absaugung von (nur) 2.000 ml sei mutmaßlich die sicherere Vorgehensweise. Die Entfernung noch größerer Fettmengen überschreite die empfohlenen Höchstdosen der verwendeten Lokalanästhetika. Nach Auffassung des Bundessozialgerichts ((BSG), Verweis auf Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KR 11/08 R -) könne die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung auch nicht damit begründet werden, dass eine grundsätzlich ambulant durchführbare, aber nicht anerkannte Behandlungsmethode, für die der G-BA kein Negativvotum im Sinne des § 137c Abs. 1 SGB V abgegeben habe, stationär durchgeführt werde.

Schließlich sei zu bedenken, dass § 137c Abs. 3 SGB V nicht jede Erforderlichkeit der stationären Behandlung ausreichen lasse. Aus der Gesetzesbegründung zur Einführung des Absatzes 3 in § 137c SGB V werde die Intention des Gesetzgebers deutlich, wonach sich die Regelung an schwer Erkrankte mit einem besonderen Versorgungsbedarf richte. Dieses werde durch die Gesetzesbegründung zur weiteren Konkretisierung des § 137c Abs. 3 SGB V (BT-Drs. 18/5123, S. 135) bestätigt. Vor diesem Hintergrund habe das LSG Niedersachsen-Bremen mit Urteil vom 30.08.2016 - L 16/1 KR 303/15 - entschieden, dass der Gesetzeszweck des § 137c Abs. 3 SGB V einen Anspruch auf eine stationäre Liposuktion nicht erfasse. Aus der Formulierung des Gesetzgebers ("den typischerweise schwerer erkrankten Versicherten mit besonderem Versorgungsbedarf") folge, dass § 137c Abs. 3 SGB V in Fortführung des Gedankens des Nikolausbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darauf gerichtet sei, schwer erkrankten Versicherten den Zugang zu erfolgsversprechenden neuen Verfahren nicht öffnen. Weder ein Lipödem und schon gar nicht eine Lipohypertrophie seien derart schwere Erkrankungen.

Aus der Gesetzesbegründung zum § 137c Abs. 3 SGB V (BT-Drs. 18/4095, S. 121) ergebe sich weiter, dass bei der Beurteilung einer neuen Behandlungsmethode sowohl der G-BA als auch die Krankenkasse denselben Maßstab anzulegen habe. Dieser Maßstab ergebe sich aus § 137c Abs. 1 SGB V. Danach überprüfe der G-BA, ob eine neue Behandlungsmethode für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sei. Mit diesem Wortlaut verweise die Norm ausdrücklich auf § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 12 SGB V. Soweit eine Krankenkasse bei ihrer Entscheidung über die Ablehnung diesen Maßstab zu berücksichtigen habe, müsse dies auch durch das Gericht überprüfbar sein, andernfalls würde ein rechtsfreier Raum geschaffen. Bei dem Begriff des "allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse" handele es sich um einen gerichtlich unbegrenzt überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff. Die Liposuktion erfülle diese Wirksamkeits- und Qualitätsanforderungen nach der Rechtsprechung nicht (Verweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.09.2012 - L 4 KR 4045/11 -; LSG Hessen, Urteil vom 29.01.2015 - L 8 KR 339/11 -; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.03.2015 - L 5 KR 241/13 -; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30.08.2016 - L 16/1 KR 303/15 -). Auch das Gutachten der Expertengruppe des MDK (Aktualisierungsstand 15.01.2015) gelange zu demselben Ergebnis. Danach ließen die Ergebnisse aus Publikationen sowie die verfügbaren evidenzbasierten Leitlinien und zahlreichen Reviews nicht den Schluss zu, dass es sich bei der Liposuktion um eine etablierte Standardtherapie handele und einen patientenrelevanten Vorteil gegenüber einer konventionellen Therapie biete. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des nicht unerheblichen Eingriffsrisikos der invasiven Therapie seien die Ergebnisse weiterhin nicht geeignet, die für eine Therapieempfehlung belastbare Nutzen-Risiko-Abschätzung vorzunehmen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 01.12.2016 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen und die Beklagte zu verurteilen, an sie bisher verauslagte Kosten einer stationären Liposuktion an Oberschenkel, Unterschenkeln und Gesäß in Höhe von 19.946,34 EUR zu zahlen sowie darüber hinaus zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 28.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2016 die weiter entstehenden Kosten einer stationären Liposuktion an Oberschenkel, Unterschenkel und Gesäß zu übernehmen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Der Sachverständige Dr. I habe eine schmerzhafte Fettverteilungsstörung in Gestalt einer Lipohypertrophie dolorosa besonders der Gesäßregion, der Oberschenkel und Unterschenkel in Verbindung mit einem Lipödem mit Bewegungsbehinderung und sog. Pseudo-X-Beinstellung diagnostiziert. Die von der Beklagten geäußerten Zweifel an dem Vorliegen einer Krankheit seien deshalb nicht begründet. Zudem seien die konservativen Behandlungsmöglichkeiten erfolglos ausgeschöpft, das Leiden weiterhin progredient. Die Liposuktion sei die einzige dauerhaft wirksame Therapie.

Dem Behandlungsanspruch stehe auch nicht entgegen, dass die Liposuktion ambulant durchgeführt werden könne und gemäß § 135 SGB V ohne Erlaubnis des G-BA keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe. Hinzu komme, dass eine physikalische Behandlung lebenslang und konsequent durchgeführt werden müsse und keine gleichwertige Behandlungsalternative darstelle. Falsch sei auch, dass die Liposuktion keine dauerhafte Linderung oder Heilung bewirke. Im Übrigen bestehe ein Behandlungsanspruch auch, wenn eine Linderung oder Heilung nicht erreicht werden könne, aber der progrediente Verlauf der Krankheit durch medizinische Maßnahmen (Liposuktion) verzögert werde. Dies sei bei der Lipohyperplasia dolorosa unzweifelhaft der Fall.

Hinsichtlich einer Rezidivgefahr sei anzumerken, dass Rückfälle durchaus vorkämen, aber nichts daran änderten, dass eine medizinische Maßnahme aktuell erforderlich sei. Auch eine Krebserkrankung werde trotz der Gefahr eines Rezidivs behandelt. Die Notwendigkeit hinsichtlich der ambulanten oder stationären Versorgung bei einer durchzuführenden Liposuktion werde lediglich an der Gesamtmenge des abzusaugenden Fettgewebes festgemacht. Im vorliegenden Fall gingen die Fachgutachter übereinstimmend von einer abzusaugenden Fettmenge von mindestens 6.000 ml pro Operation aus, wobei lediglich die befallenden Bereiche der Oberschenkel, der Hüftregion und des Gesäßes in die Berechnung einbezogen seien. Durch eine Serie ambulanter Absaugungsmaßnahmen könne zwar das Risiko jedes einzelnen Eingriffs gemindert werden, dennoch steige die Zahl der chirurgischen Eingriffe und damit die mit jedem Eingriff verbundenen Risiken. Werde pro Sitzung lediglich eine Menge von 2.000 ml abgesaugt, müsse sie mindestens zehn Mal operiert werden. Dies sei unzumutbar.

Der Senat hat eine Auskunft des G-BA zum Stand des am 22.05.2014 gemäß §§ 135 Abs. 1 und 137c Abs. 1 SGB V angenommenen Antrags auf Bewertung der Liposuktion bei Lipödem eingeholt und zum Stand des Bewertungsverfahrens befragt. Wegen des Ergebnisses wird auf den Inhalt der Auskünfte vom 07.02.2017 und vom 05.07.2017 verwiesen.

Der Senat hat sodann von Amts wegen ein plastisch-chirurgisches Sachverständigengutachten von Frau Dr. E, Fachärztin für Chirurgie und Ärztin für Sozialmedizin sowie Ernährungsmedizin XXX vom 20.02.2018 eingeholt. Die Sachverständige beschreibt in ihrem aufgrund ambulanter Untersuchung vom 26.10.2017 erstatteten Gutachten ein Mischbild zwischen Adipositas und Lipohypertrophie, hauptsächlich im Bereich der Beine, insbesondere der Oberschenkel und des Gesäßes, etwas weniger im Bereich der Oberarme. Die Lipohypertrophie weise nur im Bereich der Unterschenkel eine diskrete zusätzliche Ödemausbildung auf. Bei Fehlen nennenswerter Ödeme sei eine Liposuktion nicht indiziert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sachverständigengutachtens der Frau Dr. E Bezug genommen.

Sodann hat der Senat auf Antrag der Klägerin Herrn Dr. S, Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie, Ärztlicher Leiter der L Klinik, Privatklinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie, E, sachverständig gehört. Dieser führt in seinem Gutachten (September 2018) aus, dass bei der Klägerin ein Lipödem mit schmerzhafter Disproportion und Betonungen der Extremitäten sowie des Gesäßes vorliege. Sie könne nur eingeschränkt gehen, laufen oder stehen. Das Gewicht sei diätresistent, weil aufgrund der Magenoperation nur eine eingeschränkte Kalorienaufnahme von 1.000 kcal möglich sei. Das Übergewicht sei auf das Lipödem zurückzuführen. Die Ursache sei nicht behandelbar. Konservative Behandlungsmethoden seien ausgeschöpft. Eine Volumenreduktion und damit eine Entlastung des Lymphsystems seien nur operativ zu erreichen. Eine Behandlung sei indiziert am gesamten Oberschenkel, dem Gesäß sowie dem Übergang vom Innenknie zur medialen oberen Wade. Da großräumig behandelt werden müsse, seien zwei bis drei stationäre Aufenthalte notwendig. Auf den weiteren Inhalt des Gutachtens wird Bezug genommen.

Auf Nachfrage des Senats hat die Klägerin erklärt, die begehrten Liposuktionen seien seit Mai 2018 im Rahmen von drei Eingriffen in der L Klinik, E, durchgeführt worden. Zum Nachweis der entstandenen Kosten hat die Klägerin auf Rechnungen der L Klinik, E, verwiesen. Die Rechnungen, denen Leistungsziffern nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) nicht zu entnehmen sind, enthalten auszugsweise folgenden Inhalt:

(Im Original: Tabelle)

Rechnungsdatum - Bezeichnung der Leistung - Rechnungsbetrag - Gesamtbetrag
Gesamtbetrag 19.614,00 EUR

Darüber hinaus macht die Klägerin Aufwendungen für Arzneimittel in Höhe von 132,18 EUR sowie Zuzahlungen zur Physiotherapie in Höhe von 200,16 EUR geltend. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kostenaufstellung vom 31.05.2019 nebst Anlagen Bezug genommen.

Im Anschluss an einen am 05.06.2019 durchgeführten Termin zur mündlichen Verhandlung, zu dem die Klägerin erkrankungsbedingt nicht erschienen ist, haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) durch den Berichterstatter (§ 155 Abs. 3, Abs. 4 SGG) einverstanden erklärt (Schriftsätze vom 08.07.2019 bzw. 09.07.2019).

Wegen des weiteren Inhalts des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann über die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG) durch den Berichterstatter (§ 155 Abs. 3, Abs. 4 SGG) entscheiden, da sich die Beteiligten mit dieser Entscheidungsform einverstanden erklärt haben. Bei der Ausübung des Ermessens (hierzu BSG, Urteil vom 08.11.2007 - B 9/9a SB 3/06 R -; BSG, Urteil vom 29.01.2019 - B 2 U 5/18 R -) hat das Gericht berücksichtigt, dass die Angelegenheit keine besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Zudem ist die Sach- und Rechtslage im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 05.06.2019 in voller Senatsbesetzung erörtert und eine vorläufige Rechtsauffassung des Senats als Ergebnis einer Zwischenberatung bereits dargelegt worden. Neue Gesichtspunkte tatsächlicher oder rechtlicher Art sind im Anschluss an den vertagten Verhandlungstermin von den Beteiligten nicht aufgeworfen worden.

I. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten für selbstbeschaffte Liposuktionen an Oberschenkeln, Unterschenkeln und Gesäß in Höhe von 19.946,34 EUR. Darüber hinaus begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Übernahme von "weiter entstehenden Kosten" einer stationären Liposuktion an den v.g. Körperarealen.

1. Die ursprüngliche Erweiterung des Klageantrags auf Liposuktionen des Gesäßes und der Unterschenkel im erstinstanzlichen Rechtszug war prozessual zulässig. Hierbei bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob dies bereits aus § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG folgt, wonach es als Änderung der Klage nicht anzusehen ist, wenn der Klageantrag in der Hauptsache ohne Änderung des Klagegrundes erweitert wird. Die Klageänderung ist jedenfalls deshalb zulässig, weil sich die Beklagte auf die Klageerweiterung bereits in erster Instanz rügelos eingelassen hat (§ 99 Abs. 1 und 2 SGG).

2. Die weitere Umstellung von der ursprünglich begehrten Versorgung mit Liposuktionen als Sachleistung zum Kostenerstattungsantrag bei gleichgebliebenem Klagegrund ist gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG fiktiv nicht als Klageänderung anzusehen (BSG, Urteil vom 26.02.2019 - B 1 KR 24/18 R - m.w.N.).

II. Die am 04.01.2017 bei dem LSG Nordrhein-Westfalen schriftlich eingelegte Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Düsseldorf vom 01.12.2016 ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 143, 144 SGG ohne gerichtliche Zulassung statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 151 Abs. 1, Abs. 3, 64 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, 63 SGG).

III. Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Die Klägerin kann eine Kostenerstattung für die selbstbeschafften Liposuktionen an Oberschenkeln, Unterschenkeln und am Gesäß in Höhe von 19.946,34 EUR nicht beanspruchen (hierzu nachfolgend 1.). Auch eine Verurteilung der Beklagten zur Erstattung "weiter entstehender" Kosten stationärer Liposuktionen scheidet aus (hierzu nachfolgend 2.).

1. Die Klägerin kann von der Beklagten die Erstattung verauslagter Kosten selbstbeschaffter Liposuktionen in Höhe von 19.946,34 EUR nicht beanspruchen.

a) Für das auf die Erstattung entstandener Kosten für selbstbeschaffte Liposuktionen gerichtete Klagebegehren ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft (§ 54 Abs. 4 SGG; BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 10/17 R -). Diese Klage ist jedenfalls dann die zutreffende Klageart, wenn das Leistungsbegehren - wie hier - nicht auf den Eintritt einer fingierten Genehmigung des Antrags nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V gestützt wird (BSG, Urteil vom 26.02.2019 - B 1 KR 33/17 R -).

Die Klage ist am 16.02.2016 fristgerecht binnen eines Monats nach Bekanntgabe des zurückweisenden Widerspruchsbescheides vom 21.01.2016 erhoben worden (§ 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2; § 90; § 78 Abs. 1 Satz 1; § 85 Abs. 3 Satz 1 SGG).

Der Senat kann aus den nachfolgend unter b) dargestellten Erwägungen offen lassen, ob der Zulässigkeit der Klage entgegen steht, dass die Klägerin unter dem 02.08.2014 wörtlich nur eine Liposuktion der Oberschenkel beantragt und die Beklagte - ausgehend von dieser sprachlichen Fassung des Antrags - mit Bescheid vom 28.08.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2016 einen Versorgungsanspruch hinsichtlich der Oberschenkel abgelehnt hat. Für die Annahme, dass gleichwohl ein für die (kombinierte) Anfechtungsklage notwendiger Klagegegenstand im Sinne von § 54 Abs. 1 SGG vorliegt, spricht allerdings, dass die Klägerin bei sachgerechter Auslegung ihres Leistungsbegehrens zwar in erster Line eine Liposuktion der Oberschenkel anstrebte; über die wörtliche Fassung des Antrags indes hinausgehend unter Einbeziehung solcher angrenzender Körperareale, deren "Mitbehandlung" aus Anlass der Versorgung der Oberschenkel aus medizinischen Erwägungen geboten ist. Hierfür spricht auch, dass dem Antrag der Klägerin nicht entnommen werden kann, dass diese ihren Versorgungswunsch ausdrücklich auf die Oberschenkel begrenzen wollte. Unter Zugrundelegung eines so verstandenen Leistungsbegehrens hat die Beklagte den Versorgungsanspruch der Klägerin hinsichtlich der unteren Extremitäten und des Gesäßes geprüft, weshalb ein für die (kombinierte) Anfechtungsklage notwendiger Klagegegenstand vorliegen dürfte. Für diese Sichtweise spricht auch, dass die Einbeziehung der Körperareale Unterschenkel und Gesäß erkennbar der vor dem Hintergrund der Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. I erfolgten, der die medizinische Notwendigkeit einer Liposuktion im Bereich der Oberschenkel bejahte, dies indes unter der medizinischen Prämisse einer Erweiterung auf die o.g. angrenzenden Körperareale.

b) Die auf die Erstattung der Kosten für die durchgeführten Liposuktionen gerichtete Klage ist unbegründet. Die Klägerin kann eine Erstattung weder nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V beanspruchen (hierzu nachfolgend aa)); noch steht ihr ein Anspruch nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V zu (hierzu nachfolgend bb)).

aa) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war (§ 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V). Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden nach § 15 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) erstattet (§ 13 Abs. 3 Satz 2 SGB V).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Beklagte hat die - nicht im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V "unaufschiebbare" - Versorgung mit stationären Liposuktionen nicht zu Unrecht abgelehnt.

(1) Soweit die Klägerin den unter dem 02.08.2014 gestellten Antrag ursprünglich nicht ausdrücklich auf eine stationäre Versorgung beschränkt hat und dieser daher auch die Auslegung zugunsten einer Versorgung in ambulanter Form ermöglicht, hat die Beklagte den Leistungsanspruch zutreffend verneint.

Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (§ 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies ist - wie hier - bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der G-BA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw.) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (st.Rspr., vgl. z.B. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R; Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KR 11/08 R -, jeweils m.w.N.; Senat, Urteil vom 12.07.2017 - L 11 KR 28/16 -). Ärztliche "Behandlungsmethoden" im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung sind medizinische Vorgehensweisen, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll. "Neu" ist eine Methode, wenn sie - wie hier die Liposuktion - zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist (vgl. BSG, Urteil vom 27.09.2005 - B 1 KR 28/03 R -; BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KR 11/08 R -). Als nicht vom G-BA empfohlene neue Methode ist die ambulante Fettabsaugung bei Lipödemen mithin grundsätzlich kein Leistungsgegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung.

Ausnahmefälle, in denen es keiner Empfehlung des GBA bedarf (vgl. dazu zusammenfassend BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KR 11/08 R -), lagen im Falle der Klägerin nicht vor. Für einen Seltenheitsfall, bei dem eine Ausnahme von diesem Erfordernis erwogen werden könnte, ist nichts vorgetragen, ebenso wenig für ein Systemversagen. Auch Anhaltspunkte für eine gebotene grundrechtsorientierte Auslegung nach § 2 Abs. 1a SGB V sind weder vorgebracht worden noch ersichtlich. Die verfassungskonforme Auslegung setzt u.a voraus, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegt. Bei einem Lipödem sind diese Voraussetzungen nicht gegeben (BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 10/17 R -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12.07.2018 - L 16 KR 680/17 -). Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass im Fall der Klägerin ein derart schwerer Krankheitsverlauf objektiv besteht.

(2) Die Klägerin konnte die Versorgung mit Liposuktionen auch nicht als Regelversorgung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V beanspruchen. Der hieraus folgende Anspruch Versicherter auf stationäre Krankenhausbehandlung unterliegt nach Wortlaut, Regelungssystem und Regelungszweck gleichermaßen den sich aus dem Qualitätsgebot ergebenden Einschränkungen (hierzu umfassend BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 13/16 R -). Eine Absenkung der Qualitätsanforderungen für die stationäre Versorgung auf Methoden mit dem bloßen Potential einer Behandlungsalternative ergibt sich nicht aus § 137c Abs. 3 SGB V (i.d.F. durch Art 1 Nr. 64 Buchst b GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG)). Allein Hinweise in den Gesetzesmaterialien genügen nicht, um das Ergebnis aller anderen Auslegungsmethoden zu überspielen (BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 13/16 R -).

Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V umfasst die Krankenbehandlung auch die Krankenhausbehandlung. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Die Krankenhausbehandlung umfasst im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind (§ 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V; BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 13/16 R -).

Krankenhausbehandlung ist im Sinne von § 39 SGB V erforderlich, wenn die Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht und notwendig ist (st. Rspr, BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 13/16 R - m.w.N.). Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenhausbehandlung unterliegt nach dem Gesetzeswortlaut und dem Regelungssystem wie jeder Anspruch auf Krankenbehandlung grundsätzlich den sich aus dem Qualitäts- und dem Wirtschaftlichkeitsgebot ergebenden Einschränkungen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V und § 12 Abs. 1 SGB V). Er umfasst in diesem Rahmen nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 13/16 R - m.w.N.; Hauck, NZS 2007, 461, 466 ff). Ausnahmen vom Qualitätsgebot bestehen im Rahmen grundrechtsorientierter Leistungsauslegung - sei es verfassungsunmittelbar oder nach § 2 Abs. 1a SGB V - und bei Seltenheitsfällen (st. Rspr., BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 13/16 R - m.w.N.) mit Auswirkungen sowohl für den Leistungsanspruch der Versicherten als auch für die Rechte und Pflichten der Leistungserbringer als auch der Krankenkassen.

Das SGB V sichert auch im Recht der Leistungserbringung in seinem Vierten Kapitel "Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern" die Beachtung des Qualitätsgebots. So haben die Krankenkassen und die Leistungserbringer eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Versorgung der Versicherten muss ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muss in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden (vgl. § 70 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V). Die Pflicht des zugelassenen Krankenhauses im Rahmen seines Versorgungsauftrags zur Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) der Versicherten richtet sich hieran aus (vgl. § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V; BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 13/16 R -).

Gleiches gilt nach der Rechtsprechung des BSG auch für die Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsverfahren im Krankenhaus (BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 13/16 R -). Der G-BA überprüft auf Antrag des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der G-BA eine entsprechende Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der G-BA eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e SGB V. Nach Abschluss der Erprobung erlässt der G-BA eine Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf, wenn die Überprüfung unter Hinzuziehung der durch die Erprobung gewonnenen Erkenntnisse ergibt, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht. Ist eine Richtlinie zur Erprobung nicht zustande gekommen, weil es an einer nach § 137e Abs. 6 SGB V erforderlichen Vereinbarung fehlt, gilt S. 4 entsprechend (vgl. § 137c Abs. 1 Satz 1 bis 5 SGB V). Die zugrunde liegende Änderung des § 137c SGB V und Einfügung der Regelung des § 137e SGB V durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (Art. 1 Nr. 54 und Nr. 56 GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG - vom 22.12.2011, BGBl. I 2011, 2983) hat insofern an der bisherigen Grundkonzeption nichts geändert. Sie hat lediglich Raum für den G-BA geschaffen, Richtlinien zur Erprobung nach § 137e SGB V zu beschließen, wenn die Überprüfung im Rahmen des § 137c SGB V ergibt, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet. Abgesehen von der speziell geregelten Modifizierung durch die zeitlich begrenzte Erprobung (§ 137e Abs. 1 Satz 2 SGB V) noch nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechender Methoden verbleibt es auch im stationären Sektor beim Qualitätsgebot des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V (BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 13/16 R - m.w.N.; BSG Beschluss vom 15.7.2015 - B 1 KR 23/15 B -). Eine weitere Ausnahme hat der Gesetzgeber mit dem Anspruch auf zulassungsüberschreitende Anwendung von Arzneimitteln im Rahmen klinischer Studien in § 35c SGB V geregelt (vgl. BSG Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 17/17 R -).

Nach Wortlaut und Regelungssystem ändert auch die Norm des § 137c Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB V an den Anforderungen des Anspruchs Versicherter auf Krankenhausbehandlung nichts (BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 13/16 R -). Nach dieser Bestimmung dürfen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der G-BA bisher keine Entscheidung nach Abs. 1 getroffen hat, im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Abs. 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Abs. 1 noch nicht abgeschlossen ist (vgl. § 137 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB V). Die Regelung trifft keine Aussage zu Leistungsansprüchen der Versicherten; sie setzt diese vielmehr voraus. Sie können sich etwa aus Ansprüchen Versicherter auf Krankenhausbehandlung bei grundrechtsorientierter Leistungsauslegung ergeben (vgl. z.B. § 2 Abs. 1a i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 1, § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 und § 39 Abs. 1 SGB V).

Zweck der Ausrichtung der Leistungsansprüche der Versicherten am Qualitätsgebot ist es, im Interesse des Patientenschutzes und des effektiven Einsatzes der Mittel der Beitragszahler zu gewährleisten, dass eine nicht ausreichend erprobte Methode nicht zulasten der Krankenkassen abgerechnet werden darf (BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 13/16 R -; Urteil vom 27.03.2007 - B 1 KR 17/06 R -; zustimmend BVerfG, Beschluss vom 30.06.2008 - 1 BvR 1665/07 - und Gesetzesbegründung im Entwurf der Bundesregierung eines GKV-VStG, BR-Drucks 456/11 Satz 74, zum Off-Label-Use von Arzneimitteln). Eine Behandlungsmethode gehört dementsprechend grundsätzlich erst dann zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn die Erprobung abgeschlossen ist und über Qualität und Wirkungsweise der neuen Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Das setzt einen Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen voraus. Dabei muss sich der Erfolg aus wissenschaftlich einwandfrei geführten Statistiken über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der neuen Methode ablesen lassen (st. Rspr, BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 13/16 R -). Diese Anforderung darf aber nicht als starrer Rahmen missverstanden werden, der unabhängig von den praktischen Möglichkeiten tatsächlich erzielbarer Evidenz gilt (BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 13/16 R -).

Das Gesetz garantiert zugleich mit der Sicherung des Qualitätsgebots die Gleichbehandlung der Versicherten, um den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) zu beachten. Der Gesetzgeber muss den Versicherten Rechtsanwendungsgleichheit im Leistungsrecht gewährleisten (BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 13/16 R - m.w.N.). Um das Ziel der Rechtsanwendungsgleichheit im Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung zu erreichen, regelt das Gesetz nicht nur gleiche Rechtsansprüche der Versicherten auf Krankenbehandlung. Es garantiert den Versicherten auch deren Realisierung, nach Wortlaut, Regelungssystem und Regelungszweck einheitlich und eindeutig ausgerichtet am Qualitätsgebot (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V), erweitert um die Fälle grundrechtsorientierter Auslegung (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 20.03.2018 - B 1 KR 4/17 R -): Kommt es entgegen der Gewährleistungspflicht der Krankenkassen für eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung (vgl. § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB V) zu einer Lücke im Versorgungssystem, hat der betroffene Versicherte Anspruch auf Kostenerstattung wegen Systemversagens (vgl. § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V). Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen (vgl. § 13 Abs. 4 Satz 6 SGB V).

Das Gesetz sieht Abweichungen von den aufgezeigten Garantien der Krankenbehandlung Versicherter nach dem Qualitätsgebot nur außerhalb der Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung bei einer Zusatzversorgung aus besonderen sachlichen Gründen vor. So eröffnet die Regelung der Erprobungsrichtlinien (vgl. § 137e SGB V) des G-BA den Versicherten - bei überschießender Nachfrage im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens der Krankenkassen - die Möglichkeit, trotz zur Verfügung stehender qualitätsgerechter Leistungen an der Anwendung nicht dem allgemeinen Erkenntnisstand entsprechender Methoden zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung teilzunehmen, um innovative Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit Potential zeitlich begrenzt zwecks Erkenntnisgewinns zum Nutzen der Gesamtheit der Versicherten und Beitragszahler unter strukturierten Bedingungen zu erproben (vgl. Gesetzentwurf der BReg eines GKV-VStG, BT-Drucks 17/6906 Satz 87 zu Nummer 56 (§ 137e); Hauck, GesR 2014, 257, 261).

Die Gewährleistungspflicht und der dementsprechende Sicherstellungsauftrag der Krankenkassen und Leistungserbringer erstreckt sich nicht - von Fällen grundrechtsorientierter Leistungsauslegung und Seltenheitsfällen abgesehen - auf davon abweichende Erprobungssituationen (BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 13/16 R -).

Nach dieser Maßgabe konnte die Klägerin auch eine Versorgung mit unter stationären Bedingungen durchzuführenden Liposuktionen bei Lipödem nicht als Regelleistung beanspruchen.

(a) Soweit die Klägerin die Liposuktionen in stationärer Form beanspruchte, entsprach diese Maßnahme entspricht nicht den Anforderungen des Qualitätsgebots. Die Anforderungen des Qualitätsgebots werden gewahrt, wenn die "große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler)" die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht (BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 13/16 R -). Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode - die in ihrer Gesamtheit und nicht nur in Bezug auf Teilaspekte zu würdigen ist - zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (st. Rspr., BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 13/16 R - m.w.N.).

Die von der Klägerin begehrten Liposuktionen erfüllten auch unter stationären Bedingungen diese Voraussetzungen nicht. Nach dem Gutachten "Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen" der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 des MDK vom 06.10.2011 nebst seiner Aktualisierung vom 15.01.2015 (abrufbar unter www.mds-ev.de/richtlinien-publikationen/gutachten-nutzenbewertungen.html dort Gutachten Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen) gewährleistet diese Versorgungsform die in §§ 2 und 12 SGB V geforderten Anforderungen an Qualität und Wirtschaftlichkeit nicht. Aus diesem Grund kann eine Liposuktion auch unter stationären Bedingungen nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden (BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 13/16 R -). Dies entspricht der Beurteilung des G-BA in den "Tragenden Gründen zum Beschluss des G-BA über eine Änderung der Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung: Liposuktion bei Lipödem vom 20.07.2017" (abrufbar unter www.g-ba.de/informationen/beschluesse/3013/; zur Möglichkeit, Erkenntnisse auf Beschlüsse des G-BA zu stützen: BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 13/16 R - m.w.N.).

(b) Auch die Voraussetzungen einer grundrechtsorientierten Leistungsauslegung im Sinne von § 2 Abs. 1a SGB V liegen nicht vor, weil ein Lipödem weder eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche noch eine hiermit wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung ist (BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 10/17 R -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12.07.2018 - L 16 KR 680/17 -).

bb) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V (Art. 2 Nr. 1 Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (PatRVerbG) vom 20.02.2013, BGBl I 277, m.W.v. 26.02.2013), weil die begehrte Versorgung mit einer Liposuktion nicht fiktiv genehmigt worden ist.

Nach § 13 Abs. 3a SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Wenn die Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu informieren (Satz 2). Kann die Beklagte Fristen u.a. nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Beklagte zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7).

(1) Die Regelung erfasst die am 08.08.2018 beantragte Leistung der stationären Krankenbehandlung sowohl zeitlich als auch ihrer Art nach (BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 10/17 R -; Urteil vom 11.07.2017 - B 1 KR 26/16 R - m.w.N.). § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V erfasst u.a. Ansprüche auf Krankenbehandlung, nicht dagegen Ansprüche gegen Krankenkassen, die unmittelbar auf eine Geldleistung oder auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gerichtet sind (BSG, Urteil vom 06.11.2018 - B 1 KR 13/17 R -; BSG, Urteil vom 26.02.2019 - B 1 KR 20/18 R -). Bei dem verfolgten Anspruch auf Krankenbehandlung in Form von Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 39 SGB V) handelt es sich weder um eine Geldleistung, noch um eine in den Anwendungsbereich des § 14 SGB IX fallende Leistung zur medizinischen Rehabilitation.

(2) Die Klägerin ist als bei der Beklagten Versicherte leistungsberechtigt im Sinne des § 13 Abs. 3a SGB V. "Leistungsberechtigt" ist derjenige, der berechtigt ist, Leistungen nach dem SGB V zu beanspruchen. Hierzu zählen u.a. in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherte im Verhältnis zu ihrer jeweiligen Krankenkasse (BSG, Urteil vom 26.02.2019 - B 1 KR 20/18 R -).

(3) Die begehrte Liposuktion gilt jedoch deshalb nicht als genehmigt, weil die Beklagte den bei ihr am 08.08.2014 wirksam gestellten Antrag (Schreiben vom 02.08.2014) rechtzeitig beschieden hat. Sie hat die Klägerin mit Schreiben vom 12.08.2014 - also selbst unter Berücksichtigung des Zeitpunkts der Bekanntgabe innerhalb der ursprünglichen Dreiwochenfrist - darüber informiert hat, dass ein Gutachten des MDK eingeholt werden muss, um über die begehrte Leistung (Liposuktion) entscheiden zu können. Folglich lief ab dem 08.08.2014 eine Fünfwochenfrist. Diese hat die Beklagte mit Erlass des Bescheides vom 28.08.2014 gewahrt.

cc) Da ein Anspruch auf Kostenerstattung aus den vorstehenden Gründen bereits mangels Sachleistungsanspruch ausscheidet, kann die Frage offen bleiben, ob und ggf. inwieweit die begehrte Zahlung der Aufwendungen der Klägerin in der bezifferten Höhe auch deshalb ausgeschlossen ist, weil die Klägerin wegen fehlender formeller Ordnungsmäßigkeit der Rechnungen der L Klinik E keiner fälligen Forderung ausgesetzt war (vgl. BSG, Urteil vom 11.07.2017 - B 1 KR 1/17 R - m.w.N.).

b) Soweit die Klägerin zudem eine Verurteilung der Beklagten zur Erstattung "weiter entstehender" Kosten einer Liposuktion an Oberschenkel, Unterschenkel und Gesäß begehrt, scheidet ein solcher Anspruch - ungeachtet der Tatsache, dass durch eine Selbstbeschaffung insoweit "Kosten" überhaupt noch nicht entstanden sind - aus den unter a) dargestellten Erwägungen ebenfalls aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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