L 7 BK 4/20 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 42 SF 236/17 E
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 BK 4/20 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Landes Nordrhein-Westfalen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 12.12.2019 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Im Klageverfahren S 42 BK 22/16 begehrte der durch die Erinnerungsführerin und Beschwerdegegnerin vertretene Kläger die Auszahlung von mit Bescheid vom 19.02.2016 bewilligtem Kinderzuschlag (Klage vom 19.05.2016). Mit Schriftsatz vom 14.07.2016 teilte die Beklagte mit, die Auszahlung für Februar 2016 sei bereits am 25.02.2016 erfolgt. Die Auszahlung für März 2016 und April 2016 sei am 22.06.2016 erfolgt. Die Beklagte erklärte sich zur Übernahme von 2/3 der Kosten des Klägers bereit. Nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe (Beschluss vom 07.09.2016) erklärte der durch die Erinnerungsführerin vertretene Kläger das Verfahren für erledigt.

Am 12.09.2016 beantragt die Erinnerungsführerin die Festsetzung der PKH-Vergütung iHv insgesamt 737,80 EUR einschließlich einer Einigungsgebühr iHv 300 EUR. Mit Beschlüssen vom 01.12.2016, 13.12.2016 und 06.04.2017 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Sozialgerichts (UdG) die Vergütung auf insgesamt 499,80 EUR fest unter Ansatz einer Einigungsgebühr iHv 200 EUR. Mit Erinnerung vom 13.04.2017 begehrte die Rechtsanwältin, die PKH-Vergütung wie ursprünglich beantragt auf 737,80 EUR festzusetzen.

Mit Beschluss vom 12.12.2019 (der Staatskasse zugestellt am 20.12.2019) hat das Sozialgericht die Erinnerung zurückgewiesen. Zu Recht habe der UdG die von der Erinnerungsführerin beanspruchten Gebühren auf 2/3 gekürzt. Die angesetzte Mittelgebühr sei nach Maßgabe der Kriterien des § 14 RVG unbillig. Es habe sich um eine insgesamt unterdurchschnittliche Angelegenheit gehandelt. Zwar bestünden erhebliche Zweifel, ob die Einigungsgebühr tatsächlich angefallen sei. Da auch Im Erinnerungsverfahren das Gebot der reformatio in peius gelte, scheide eine entsprechende Änderung zulasten der Erinnerungsführerin jedoch aus.

Hiergegen richtet sich die am 30.12.2020 erhobene Beschwerde des Bezirksrevisors als Vertreter der Staatskasse, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Eine Einigungs- oder Erledigungsgebühr sei nicht angefallen, da im Hauptsacheverfahren weder ein Vergleich geschlossen worden sei noch die Bevollmächtigte an der Erledigung des Verfahrens besonders mitgewirkt habe. Das Verbot der reformatio in peius könne im Erinnerungsverfahren keine Geltung beanspruchen. Ein Bevollmächtigter müsse nach Einlegung der Erinnerung damit rechnen, dass eine Vergütungsfestsetzung auch zu seinem Nachteil geändert werden kann.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 56 Abs. 2 RVG iVm § 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt. Zwar wendet sich der Bezirksrevisor nur gegen die Festsetzung der Einigungs- bzw. Erledigungsgebühr iHv 200 EUR. Jedoch ist die Umsatzsteuer bei der Ermittlung des Wertes des Beschwerdegegenstandes zu berücksichtigen. Maßgeblich ist, dass die Umsatzsteuer vom Rechtsanwalt zunächst zu vereinnahmen ist. Die Umsatzsteuer ist insoweit untrennbarer Bestandteil der dem Rechtsanwalt zu erstattenden Gebühren und Auslagen. Der Wert des Beschwerdegegenstandes errechnet sich damit grundsätzlich nach der Differenz zwischen der geltend gemachten Kostenfestsetzung und den nachfolgend durch das Gericht tatsächlich festgesetzten Gebühren und Auslagen (so zutreffend LSG Nordrhein-Westfalen Beschlüsse vom 11.03.2015 - L 9 AL 277/14 B und vom 28.09.2011 - L 20 SO 424/11 B).

Die auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zwar nimmt die Beschwerde - wie bereits das Sozialgericht in der Begründung seiner Entscheidung - zu Recht an, dass die Voraussetzungen einer Einigungs- bzw. Erledigungsgebühr nach VV 1006/1005 VV RVG nicht vorliegen, da die Beteiligten weder einen Vergleich geschlossen haben noch die Bevollmächtigte bei der unstreitigen Erledigung besonders mitgewirkt hat. Einer Änderung zu Lasten der Erinnerungsführerin und Beschwerdegegnerin steht indes der Grundsatz der reformatio in peius (Verschlechterungsverbot) entgegen, der auch im Erinnerungsverfahren nach § 56 RVG Geltung beansprucht (LSG Nordrhein-Westfalen Beschlüsse vom 22.08.2011 - L 19 AS 634/10 B und vom 25.10.2010 - L 19 AS 1513/10 B; LSG Thüringen Beschluss vom 15.04.2015 - L 6 SF 331/15 B; ebenso LAG Hamm Beschluss vom 28.01.2008 - 13 Ta 754/07). Der diesem Grundsatz zugrunde liegende Rechtsgedanke, dass die Einlegung eines Rechtsmittels - hier die Erinnerung der Bevollmächtigten gegen die Vergütungsfestsetzungsbeschlüsse - dem Rechtsmittelführer nicht zu Nachteil gereichen soll, um diesen nicht von der Wahrnehmung seiner prozessualen Rechte aus Furcht vor einer Verschlechterung seiner Rechtsposition abzuhalten, beansprucht auch im Erinnerungsverfahren nach § 56 RVG Gültigkeit. Das Verbot der Schlechterstellung des Rechtsmittelführers erstreckt sich auf den der Disposition der Beteiligten unterliegenden Verfahrensgegenstand, der durch das Rechtsmittel in die höhere Instanz gelangt ist. Es gilt nur für solche Entscheidungen nicht, die der Disposition der Beteiligten entzogen und daher ohne Rücksicht auf den Willen der Beteiligten von Amts wegen zu treffen sind (BSG Urteil vom 10.09.1987 - 10 RAr 10/86 zur Kostenentscheidung im Urteil). Da die Einlegung und Aufrechterhaltung der Erinnerung indes der Disposition der Bevollmächtigten unterlag, kommt eine Verschlechterung zu ihren Lasten im Erinnerungsverfahren nicht in Betracht.

Das Verfahren ist gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG).

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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