L 11 KR 444/17

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 3 KR 724/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 444/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 8. Juni 2017 abgeändert. Die Klagen werden abgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung im Zeitraum vom 1. April 2015 bis zum 31. Juli 2016.

Der Kläger ist freiwilliges Mitglied der Beklagten und der Beigeladenen (als Rechtsnachfolgerin der BKK Essanelle und der Deutschen BKK).

Entsprechend seinen Angaben zu seinen Einkünften 2013 und 2014 bezog der Kläger eine vorgezogene Altersrente i.H.v. 1165,69 EUR im Jahr 2013 und i.H.v. 1190,14 EUR im Jahr 2015. Hinzu trat eine betriebliche Altersversorgung i.H.v. 499,97 EUR. Ferner erzielte er Mieteinkünfte aus einem vermieteten Reihenhaus (483,33 EUR monatlich). Seine Eltern hätten früher einen landwirtschaftlichen Betrieb gehabt, der vollständig verpachtet worden sei. Der Betrieb sei im Jahr 2007 auf ihn übertragen, der Mutter jedoch ein so genannter Vorbehaltsnießbrauch eingeräumt worden. Alle Einkünfte aus dem landwirtschaftlichen Betrieb flössen der Mutter zu. Er lebe mit seiner Mutter gemeinsam in einem Haus, welches dringend reparaturbedürftig sei. Um die Reparaturen zu bezahlen, hätten sie im Jahr 2013 ein Waldgrundstück für 20.000 EUR verkauft. Aus diesem Verkauf seien ihm 17.000 EUR und seiner Mutter 3000 EUR im September 2013 zugeflossen. Im Oktober 2013 hätten sie ein weiteres Grundstück für 78.000 EUR verkauft, wovon er im Februar 2014 68.500 EUR erhalten habe. Die Gelder seien in das von der Mutter bewohnte Haus investiert worden und als zusätzliche Rücklage zum Lebensunterhalt zurückgelegt worden. Außerdem seien Verbindlichkeiten getilgt worden.

Mit Bescheid vom 20. Januar 2015 setzte die Beklagte die vom Kläger zu zahlenden Beiträge zur Kranken-und Pflegeversicherung anhand der im Einkommensteuerbescheid (ESt-Bescheid) 2012 ausgewiesenen Einkünfte fest.

Mit Schreiben vom 19. Januar 2015 forderte die Beklagte den Kläger auf, den ESt-Bescheid für das Jahr 2013 zu übersenden. Der am 16. März 2015 ausgestellte ESt-Bescheid 2013 ging bei der Beklagten am 25. März 2015 ein. Er weist Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 43.066 EUR sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 5.720 EUR aus. Daneben bezog der Kläger eine Rente der Deutschen Rentenversicherung.

Mit Bescheid vom 23. April 2015 setzte die Beklagte die vom Kläger ab dem 1. April 2015 zu zahlenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung anhand der Beitragsbemessungsgrenze (2015 = 4.125 EUR) fest. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 16. Juni 2015 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Überprüfungsantrag betreffend den Beitragsbescheid vom 23. April 2015. Er gab zur Begründung an, die Beklagte sei von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Er verfüge nicht über Einkünfte in der ausgewiesenen Höhe, sondern beziehe lediglich eine monatliche Altersrente in Höhe von 1.165,69 EUR sowie jährliche Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 5.720 EUR. Die im ESt-Bescheid des Jahres 2013 ausgewiesenen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft resultierten aus Grundstücksverkäufen. Mit den Verkaufserlösen seien Investitionen getätigt, Rücklagen gebildet und Verbindlichkeiten getilgt worden. Das Finanzamt Minden habe die Verkaufserlöse zur Hälfte als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft angerechnet. Tatsächlich sei aber der gesamte Verkaufserlös als Einmalbetrag steuerlich zu berücksichtigen. Für die Beitragsbemessung spiele dieses Einkommen jedoch keine Rolle, da es sich nicht um Arbeitseinkommen, sondern um die Verwertung von vorhandenem Vermögen handele. Dem Schreiben beigefügt waren Kopien der notariellen Verträge.

Mit Bescheid vom 6. August 2015 setzte die Beklagte die ab dem 1. Juli 2015 zu zahlenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze fest. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte erneut geltend, nicht über die von der Beklagten zugrunde gelegten Einkünfte zu verfügen.

Mit Bescheid vom 22. September 2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, eine Überprüfung habe die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides vom 23. April 2015 ergeben. Zu den beitragspflichtigen Einnahmen freiwilliger Mitglieder gehörten alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht würden oder verbraucht werden könnten. Gewinne aus der Veräußerung von Grund und Boden gehörten zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13a EStG) und unterlägen der Beitragspflicht. Auch hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.

Die Widersprüche gegen die Bescheide vom 6. August 2015 und 22. September 2015 wies die Beklagte (auch im Namen der Pflegekasse) mit Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2015 als unbegründet zurück. Für die Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder sei deren gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Das über den letzten ESt-Bescheid festgesetzte Arbeitseinkommen bleibe bis zur Erteilung des nächsten ESt-Bescheids für die Beitragsberechnung maßgebend. Da das im letzten ESt-Bescheid ausgewiesene Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze liege, sei letztere der Berechnung zugrunde zu legen. Abzüglich der bei der Beitragsbemessung zuerst zu berücksichtigenden Rente und des Versorgungsbezugs verbleibe eine Differenz von 2.459,34 EUR. In dieser Höhe seien die sonstigen Einnahmen zur Beitragsberechnung heranzuziehen. Die im ESt-Bescheid für das Jahr 2013 ausgewiesenen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft könnten nicht außer Betracht bleiben, da sie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers mitbestimmten. Eine die beitragspflichtigen Einnahmen mindernde Berücksichtigung von Zwecksetzungen (Investitionen, Rücklagen etc.) für einzelne Einnahmen finde nicht statt. Bis zur Erteilung eines aktuelleren ESt-Bescheides blieben diese Einkünfte maßgeblich.

Am 17. Dezember 2015 hat der Kläger dagegen Klage erhoben.

Mit Bescheid vom 18. Januar 2016 setzte die Beklagte die vom Kläger ab dem 1. Januar 2016 zu zahlenden Beiträge unter Berücksichtigung der neuen Beitragssätze auf (650 KV +110,18 PV =) 760,18 EUR fest.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er überreichte der Beklagten am 10. Februar 2016 den ESt-Bescheid für das Jahr 2014 vom 2. Februar 2016, aus dem sich Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 43.066 EUR, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 5.800 EUR und der Jahresbetrag der Rente in Höhe von 13.873 EUR ergeben.

Den ESt-Bescheid für das Jahr 2015 vom 14. Juli 2016 überreichte der Kläger der Beklagten im August 2016 (zusammen mit dem aktuellen Rentenbescheid). Hieraus resultierten keine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 5.800 EUR und Renteneinkünfte in Höhe von 14.134 EUR.

Mit Bescheid vom 26. Juli 2016 setzte die Beklagte die vom Kläger ab dem 1. August 2016 zu zahlenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aufgrund von monatlichen Einkünften aus der Rente, aus einem Versorgungsbezug und aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von insgesamt 2.223,96 EUR neu fest.

Den Widerspruch gegen den Beitragsbescheid vom 18. Januar 2016 wies die Beklagte (auch im Namen der Pflegekasse) mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2016 als unbegründet zurück. Zum 1. August 2015 seien die Beiträge aufgrund der Vorlage des ESt-Bescheids für das Jahr 2015 herabgesetzt worden.

Am 4. November 2016 hat der Kläger Klage erhoben. Das Sozialgericht (SG) hat die Klagen vom 17. Dezember 2015 und 4. November 2016 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.

Zur Begründung seiner Klagen hat der Kläger vorgetragen, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft seien keine beitragspflichtigen Einkünfte, da lediglich vorhandenes Vermögen verwertet worden sei. Unstreitig sei, dass für die Beitragsbemessung seine Einkünfte aus der Rente, den Versorgungsbezügen sowie aus Vermietung und Verpachtung heranzuziehen seien. Im Jahr 2015 habe er keine Einnahmen aus Land- und Forstwirtschaft bezogen. § 7 Abs. 7 Satz 2 der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (BeitrVerfGrsSz) sei verfassungswidrig, soweit nicht die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Beitragszahlers berücksichtigt werde. Im Übrigen sei § 6 Abs. 6 i.V.m. § 7 Abs. 7 BeitrVerfGrsSz für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nicht anwendbar. Gegen den ESt-Bescheid für 2013 habe er keinen Einspruch eingelegt. Den Rechtsstreit hat er auf die Beiträge bis zum 31. Juli 2016 begrenzt.

Der Kläger hat beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 6. August 2015 und 22. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2015 aufzuheben, die Beklagte zu verurteilen, die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung im Zeitraum vom 1. April 2015 bis zum 31. Dezember 2015 unter Abänderung des Bescheides vom 23. April 2015 aufgrund der tatsächlichen Einkünfte gemäß Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2015 festzusetzen, den Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2016 aufzuheben und die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Juli 2016 zunächst vorläufig bis zur Erteilung und Vorlage des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2016 aufgrund der Einkünfte für das Jahr 2015 festzusetzen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen. Der Kläger verkenne, dass als beitragspflichtige Einnahmen alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht würden oder verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf die steuerliche Behandlung zugrunde zu legen seien. Die im ESt-Bescheid ausgewiesenen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft seien solche Einnahmen und Geldmittel, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden könnten. Es spiele keine Rolle, ob es sich dabei um laufende oder einmalige Einnahmen handele.

Das SG hat der Klage mit Urteil vom 8. Juni 2017 stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, § 6 Abs. 5 BeitrVerfGrsSz, der beim Fehlen eines Nachweises über das tatsächliche Einkommen auch für nicht selbstständig Erwerbstätige Einnahmen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze unterstelle, sei von der Ermächtigungsgrundlage in § 240 Abs. 1 S. 1 SGB V nicht gedeckt (Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18. Dezember 2013 - B 12 KR 15/11 R -). Hieran ändere auch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts- Weiterentwicklungsgesetz) vom 21. Juli 2014 nichts. Die Regelung des § 6 Abs. 5 Satz 2 BeitrVerfGrsSz sei nicht in die gesetzliche Regelung aufgenommen worden. § 6 Abs. 5 BeitrVerfGrsSz regele im Kern eine Sanktion des Verstoßes gegen Mitwirkungspflichten des Versicherten. Dies sei nicht mehr Gegenstand einer Beitragsbemessung. Verfahrensregelungen zu Verstößen gegen Mitwirkungspflichten seien von § 240 Abs. 1 SGB V nicht erfasst. Damit hätten die Krankenkassen bei den nicht hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen im Ergebnis auch rückwirkend Beitragskorrekturen vorzunehmen, wenn entsprechende Beitragsnachweise in Form von ESt-Bescheiden bis zur Rechtskraft der Beitragsbescheide vorgelegt würden. Für den vorliegenden Fall bedeute dies, dass der Beitragsbemessung für die Zeit vom 1. April 2015 bis 31. Dezember 2015 die sich aus dem ESt-Bescheid vom Juli 2016 ergebenden Einkünfte des Jahres 2015 zugrunde zu legen seien. Bis zur Vorlage des ESt-Bescheides für das Jahr 2016 seien die Beiträge für die Zeit ab 1. Januar 2016 vorläufig zu bemessen.

Gegen das am 27. Juni 2017 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 12. Juli 2017. Sie weist darauf hin, dass das vom SG herangezogene Urteil des BSG § 6 Abs. 5 BeitrVerfGrsSz betreffe. Vorliegend habe der Kläger aber ausweislich der ESt-Bescheide 2012, 2013 und 2014 tatsächlich Einnahmen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze erzielt. Es gehe also nur um die Frage, zu welchem Zeitpunkt die im ESt-Bescheid für 2015 vom 14. Juli 2016 dokumentierte Verminderung der Einnahmen zu berücksichtigen sei. Maßgeblich dafür seien § 6 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 7 Satz 2,3,4 BeitrVerfGrsSz. Zur Vereinbarkeit dieser Vorschrift mit höherrangigem Recht habe sich das BSG nicht geäußert. Dass zur Feststellung der Höhe variabler Einkünfte nur amtliche Unterlagen, wie z.B. der letzte ESt-Bescheid, dienten, habe das BVA als zuständige Aufsichtsbehörde ausdrücklich und unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG (z.B. Urteil vom 26. September 1996 - 12 RK 46 / 95 -) betont und die Beklagte diesbezüglich unmissverständlich angewiesen, die Einstufung insoweit nur auf dieser Grundlage festzulegen.

Aktuelle Angaben zu variablen Einkünften könnten somit regelmäßig nur für die Zukunft bei der Beitragsfestsetzung Berücksichtigung finden, so dass die Einstufung insoweit bindend bleibe und Veränderungen sich in der Regel mit zeitlicher Verzögerung auswirkten. Diesen Grundsatz habe das BSG in ständiger Rechtsprechung entwickelt und fortlaufend bestätigt. Sie, die Beklagte, habe daher zutreffend die aus dem ESt-Bescheid für das Jahr 2015 hervorgehende Verminderung des Einkommens erst ab dem 1. August 2016 berücksichtigt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 8. Juni 2017 abzuändern und die Klagen abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Beklagte verkenne unverändert, dass der Erlös aus dem Verkauf des Grundstücks i.H.v. 78.000 EUR sozialversicherungsrechtlich nicht als Einkommen berücksichtigt werden dürfte. Es handele sich um eine Verwertung von vorhandenem Vermögen. Gleiches gelte für das Waldgrundstück. Die Grundstücke hätten sich bereits vor dem Verkauf in seinem Vermögen befunden. Das Vermögen sei lediglich kapitalisiert worden. Dass eine steuerliche Berücksichtigung dieser Verkaufserlöse erfolgt sei, beruhe auf Vorschriften des Einkommensteuerrechts sowie darauf, dass es sich um ein Waldgrundstück gehandelt habe. Dies sei aber beitragsrechtlich unerheblich. Wäre ein anderes Grundstück verkauft worden, wäre der Verkaufserlös unstreitig nicht bei der Ermittlung der Beitragshöhe berücksichtigt worden. Diese Ungleichbehandlung stelle einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) dar. Er hat den ESt-Bescheid für das Jahr 2016 vom 7. Mai 2018 vorgelegt. Daraus ergeben sich Einkünfte i.H.v. 14.457 EUR.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist begründet. Das Urteil des SG ist abzuändern. Die Bescheide der Beklagten vom 6. August 2015 und 22. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Dezember 2015 und der Bescheid vom 18. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Oktober 2016 sind rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht; die Beitragsberechnung ist zutreffend erfolgt.

Dabei kann betreffend den Bescheid vom 22. September 2015 dahin stehen, ob hier die sog. "Vorprüfungsvoraussetzungen" des § 44 SGB X, d.h. ob das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde, erfüllt sind bzw. ob diese Voraussetzungen wegen einer inhaltlichen Neuentscheidung durch die Beklagte im Bescheid vom 22. September 2015 nicht zu überprüfen sind. Jedenfalls ist die Beitragsfestsetzung nach § 240 SGB V in Verbindung mit den BeitrVerfGsSz rechtsfehlerfrei erfolgt.

Rechtsgrundlage der Beitragsbemessung sind die vom GKV-Spitzenverband auf Grundlage des § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V erlassenen BeitrVerfGrsSz (vom 27. Oktober 2008, eBAnz VB 4.11.2008; hier idF der Sechsten Änderung vom 10. Dezember 2014, eBAnz VB 15.12.2014). Nach § 3 Abs. 1 BeitrVerfGrsSz sind der Beitragsbemessung das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen.

Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit umfasst dabei nicht nur Einnahmen aus einer beruflichen Tätigkeit wie Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) oder Arbeitseinkommen (§ 15 SGB IV), sondern es sind alle Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts zu berücksichtigen. Zu diesen zählen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) auch Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und damit insbesondere auch Gewinne aus der Veräußerung oder Entnahme von Grund und Boden (§ 13, § 14 oder § 13a Abs. 7 Nr. 1a) EStG).

Nach § 6 Abs. 6 BeitrVerfGrsSz, die als untergesetzliche Normen auch die Versicherten wie den Kläger binden und als solche grds. verfassungsgemäß sind (vgl. BSG, Urteil vom 19. Dezember 2012 - B 12 KR 20/11 R -), ist der Nachweis über das sonstige Arbeitseinkommen über den ESt-Bescheid zu führen (§ 6 Abs. 6 i.V.m. § 7 Abs. 7). Dieser ist bis zur Erteilung des nächsten ESt-Bescheids zugrunde zu legen. Zum Arbeitseinkommen zählt auch das Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft. Das ergibt sich aus § 15 Abs. 2 SGB IV. Hier ist allerdings nicht der Wert nach § 32 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte anzusetzen, weil kein Fall des § 13a EStG, sondern des § 13 EStG vorliegt. Dafür spricht bereits der Hinweis im ESt-Bescheid 2014, dass der Freibetrag nach § 13 Abs. 3 EStG nicht habe gewährt werden können. Eindeutig ergibt es sich aus § 13a Abs. 1 Nr. 2 und 4 EStG: Der Kläger hat den Betrieb nicht selbst bewirtschaftet. Der Nießbrauchüberlasser, hier der Kläger, hat aber einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb.

Die Bestellung des Nießbrauchs hat bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben grundsätzlich zur Folge, dass zwei Betriebe entstehen, und zwar ein ruhender in der Hand des nunmehrigen Eigentümers (und Nießbrauchsverpflichteten) und ein wirtschaftender in der Hand des Nießbrauchsberechtigten und Hofübergebers. Die Bestellung eines Nießbrauchs an einem verpachteten Betrieb führt dazu, dass drei Betriebe entstehen, ein ruhender in der Hand des nunmehrigen Eigentümers (und Nießbrauchsverpflichteten) sowie ein ruhender in der Hand des Nießbrauchsberechtigten und bisherigen Eigentümers und ein wirtschaftender in der Hand des Pächters. So lange der neue Eigentümer und Nießbrauchsverpflichtete die Betriebsaufgabe nicht ausdrücklich erklärt, ist er Inhaber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes. Verkauft der Eigentümer im Fall einer Nießbrauchsbestellung zum Betrieb gehörende Grundstücke, so muss er die Veräußerungsgewinne versteuern (BFH, Urteil vom 8. Mai 2019 - VI R 26/17 -, BFHE 265, 82; BFH, Urteil vom 28. September 1995 - IV R 7/94 -, BFHE 180, 255, BStBl II 1996, 440. BFH, Urteil vom 26. Februar 1987 - IV R 325/84 -, BFHE 150, 321, BStBl II 1987, 772). Zum zu versteuernden Gewinn gehört auch der Gewinn aus dem Grundstücksverkauf (§ 13, 4, 14 EStG).

Durch die Vorgaben in § 6 Abs. 6, 7 Abs. 7 BeitrVerfGsSz sind die Grenzen untergesetzlicher Normgebung, die insbesondere auch durch die zu § 240 SGB V bisher ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung konkretisiert werden (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2013 - B 12 KR 15/11 R -; Urteil vom 19. Dezember 2012 - B 12 KR 20/11 R -), nicht verletzt. Dass die Einnahmen auch bei nicht hauptberuflich selbstständig erwerbstätigen freiwilligen Versicherten durch den Einkommensteuerbescheid nachzuweisen sind, entspricht ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 28. Mai 2015 - B 12 KR 12/13 R -; Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 12 KR 21/11 R -).

Dass damit die Einkommenssituation des Klägers nach der bis zum 31. Dezember 2017 gültigen Fassung der BeitrVerfGsSz und des § 240 SGB V nur zeitversetzt berücksichtigt wurde, ist nicht zu beanstanden. Auf einen längeren Zeitraum gesehen wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zutreffend berücksichtigt, denn es erfolgt ein Ausgleich der wechselnden Einnahmen, indem sowohl die nachgewiesene Erhöhung der Einnahmen als auch deren nachgewiesene Verringerung für die zukünftige Beitragsfestsetzung jeweils bis zum Nachweis einer Änderung berücksichtigt wird (BSG, Urteil vom 2. September 2009 - B 12 KR 21/08 R -).

Soweit der Kläger meint, für das Vorliegen von Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 1 SGB IV sei entscheidend, dass der Betroffene seine eigene Arbeitskraft einsetze (und das auch noch bezüglich jeder dem Gewinn zugrunde liegenden Einnahme), trifft das nicht zu. Auf den persönlichen Einsatz von Arbeitskraft kommt es nicht an (BSG Urteil vom 23. Januar 2008 - B 10 KR 1/07 R -; Urteil vom 25. Februar 2004 - B 5 RJ 56/02 R -). Das Gesetz lässt für die Begründung eines eigenen sozialversicherungsrechtlichen Begriffs des "Arbeitseinkommens aus selbstständiger Tätigkeit" neben dem steuerrechtlichen Begriff der Gewinneinkünfte aus selbstständiger Tätigkeit keinen Raum. Selbst die Frage, ob überhaupt eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, wird nicht mehr von den Sozialleistungsträgern entschieden (BSG, Urteil vom 17. Februar 2005 - B 13 RJ 43/03 R -; Urteil vom 7. Oktober 2004 - B 13 RJ 13/04 R -).

Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nicht. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG wegen unterschiedlicher Behandlung von pflichtversicherten Mitgliedern einerseits und freiwillig versicherten Mitgliedern andererseits vor (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. April 2013 - L 1 KR 2/12 - m.w.N.).

Die Höhe der Beiträge zur Pflegeversicherung folgt aus §§ 55, 57 Abs. 4 SGB XI. Da § 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI auf § 240 SGB V verweist, gelten die gleichen Erwägungen wie vorstehend.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved