L 19 AS 931/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 29 AL 231/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 931/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 27.03.2019 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung einer Mahngebühr in Höhe von 5,00 EUR.

Der am 00.00.1995 geborene Kläger bezog fortlaufend Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 28.08.2015 setzte der Beigeladene u.a. die Höhe der Leistungsansprüche des Klägers endgültig für die Zeit vom 01.08.2014 bis 31.01.2015 fest. Mit Bescheid vom 31.10.2016 forderte der Beigeladene vom Kläger die Erstattung von in der Zeit vom 01.08.2014 bis 31.01.2015 überzahlten Leistungen i.H.v. insgesamt 712,13 EUR. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beigeladene mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 17.01.2017 zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Betreuer des Klägers per Postzustellungsurkunde am 19.01.2017 zugestellt. Mit Schreiben vom 17.01.2017 forderte der Beigeladene den Kläger zur Zahlung der Erstattungsforderung bis zum 27.02.2017 auf und teilte mit, für den Einzug der Forderung sei die Agentur für Arbeit, Inkasso-Service, zuständig ist.

Beim Beigeladenen handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung i. S. v. § 44b SGB II. Am 11.12.2014 stimmte dessen Trägerversammlung einstimmig der Übertragung von Dienstleistungen aus dem Service Portfolio auf die Bundesagentur für Arbeit gemäß Anlage 1 zu der der Verwaltungsvereinbarung gemäß § 44b Abs. 4 und 5 SGB II zu. Ferner stimmte sie einstimmig dem Abschluss der Zusatzvereinbarung "Forderungseinzug" wie vorgelegt zu.

Der Beigeladene, vertreten durch seinen Geschäftsführer, schloss mit der Beklagten, vertreten durch den Vorsitzenden der Geschäftsführung der Arbeitsagentur für Arbeit C, am 06.01.2015 eine Verwaltungsvereinbarung ab. Im § 1 Abs. 1 war geregelt, dass die Verwaltungsvereinbarung die Übernahme von Serviceangeboten nach § 44b Abs. 5 SGB II und operativen Angeboten der Bundesagentur für Arbeit nach § 44b Abs. 4 SGB II für den Beigeladenen im Rahmen der Umsetzung der Grundsicherung für Arbeitssuchende und deren Abnahme durch den Beigeladenen im vereinbarten Umfang regelt. Nach § 3 wurden infolge der Neuausrichtung der Serviceleistungen O.8 - Forderungseinzug dem Fachbereich Inkasso für die Aufgabenübertragung nach § 44b Abs. 4 SGB II hoheitliche Befugnisse im Rahmen einer Zusatzverwaltungsvereinbarung übertragen. Die Laufzeit der Verwaltungsvereinbarung war befristet bis zum 31.12.2017.

Des Weiteren schlossen der Beigeladene und die Beklagte eine Zusatzverwaltungsvereinbarung nach § 44b Abs. 4 SGB II zum Angebot O.8 Forderungseinzug - des Service-Portfolios der Bundesagentur für Arbeit ab. In § 2 Abs. 1 war geregelt, dass die Durchführung des Forderungseinzuges sowie die Bearbeitung von Widersprüchen und Klagen gegen Verwaltungsakte im Zusammenhang mit der Durchführung des Forderungseinzuges bis maximal zum 31.12.2016 nach § 44b Abs. 4 SGB II auf die zuständige Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit übertragen wird. § 2 Abs. 2 bestimmte, dass im Rahmen der Übertragung der Durchführung des Forderungseinzuges nach § 44b Abs. 4 SGB II die Dienststelle der Beklagten im Namen des Beigeladenen handelt. Insoweit könne sie Mahnungen, Stundungs- und Erlassbescheide, die im Namen des Beigeladenen ergehen, durch den regionalen Inkasso-Service der Beklagten erlassen. Im Rahmen der Übertragung der Widerspruchs- und Klageverfahren gegen Verwaltungsakte im Zusammenhang mit der Durchführung des Forderungseinzuges nach § 44b Abs. 4 SGB II handele die Dienststelle im Namen der gemeinsamen Einrichtung, insbesondere erlasse sie Widerspruchsbescheide durch die Rechtsbehelfsstelle des operativen Service der Beklagten und übernehme die Vertretung im Klageverfahren im Namen des Beigeladenen.

Die Trägerversammlung des Beigeladenen fasste am 08/10.12.2016 im Wege des Umlaufverfahrens folgenden Beschluss:

"Die Trägerversammlung beschließt die beigefügte 2. Änderungsvereinbarung zur Verwaltungsvereinbarung vom 06.01.2015 sowie Zusatzverwaltungsvereinbarungen nach § 44b Abs. 4 SGB II zum Angebot O.8- Forderungseinzug - des Service-Portfolio der Bundesagentur für Arbeit zwischen der Bundesagentur für Arbeit und dem Jobcenter I für die Dauer vom 01.01.2017 bis zum 31.12.2017."

Am 21.12.2016 schlossen der Beigeladene, vertreten durch den Geschäftsführer und die Beklagte, vertreten durch den Vorsitzenden der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit C, eine 2. Änderungsvereinbarung zur Verwaltungsvereinbarung vom 06.01.2015, zuletzt geändert durch die Änderungsvereinbarung vom 18.01.2016, ab. In § 1 war vereinbart, dass die Serviceleistung O.8 - "Forderungseinzug" über den 31.12.2016 hinaus für ein weiteres Jahr (01.01.2017 - 31.12.2017) inklusive der Module "Bearbeitung für Widersprüche", "Bearbeitung für Klageverfahren" sowie "Einziehung von rückständigen Unterhaltsansprüchen" gewählt wird. Die für die Aufgabenübertragung nach § 44b Abs. 4 SGB II erforderlichen hoheitlichen Befugnisse würden im Rahmen einer Zusatzverwaltungsvereinbarung übertragen.

Des Weiteren schlossen der Beigeladene, vertreten durch seinen Geschäftsführer, und die Beklagte, vertreten durch den Vorsitzenden der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit C, am 21.12.2016 eine Zusatzverwaltungsvereinbarung nach § 44b Abs. 4 SGB II zum Angebot O.8 - Forderungseinzug- des Service-Portfolios der Bundesagentur für Arbeit ab. Im § 2 war geregelt, dass die Durchführung des Forderungseinzuges sowie die Bearbeitung von Widersprüchen und Klagen gegen Verwaltungsakten im Zusammenhang mit der Durchführung des Forderungseinzuges ab Vertragsunterzeichnung bis zum 31.12.2017 nach § 44b Abs. 4 SGB II auf die zuständige Dienststelle der Beklagten übertragen wird. Im Rahmen der Übertragung der Durchführung des Forderungseinzuges nach § 44b Abs. 4 SGB II handele die Dienststelle der Beklagten im Namen des Beigeladenen und insoweit könne sie Mahnungen, die im Namen des Beigeladenen ergingen, durch den Inkasso-Service der Beklagten erlassen. Im Rahmen der Übertragung der Widerspruchs- und Klageverfahren gegen Verwaltungsakte im Zusammenhang der Durchführung des Forderungseinzuges nach § 44b Abs. 4 SGB II handele die Dienststelle im Namen des Beigeladenen und insoweit erlasse sie Widerspruchsbescheide durch die Rechtsbehelfsstelle des operativen Services der Beklagten und übernehme die Vertretung in Klageverfahren im Namen des Beigeladenen (§ 2 Abs. 2).

Im Service Portfolio O.8, Stand 29.08.2016, gültig ab 01.01.2017, hieß es u.a. den Fachbereichen Inkasso obliege ab dem Zeitpunkt der Zahlungsgestörtheit einer Forderung alle notwenigen Aufgaben, die bis zum endgültigen Abschluss eines Einziehungsverfahrens notwendig sind. In Folge der Neuausrichtung des Serviceleistung Forderungseinzug werde der Fachbereich Inkasso künftig im Rahmen der Aufgabenübertragung nach § 44b Abs. 4 S. 1 SGB II tätig. Hierzu seien hoheitliche Befugnisse im Rahmen einer Zusatzverwaltungsvereinbarung sowohl für als Alt- auch für Neuverträge zu übertragen. Mit jeder neuen Beauftragung sei die im Anhang befindliche Generalvollmacht zu erteilen, damit der Fachbereich Inkasso eigenständig und zeitnah agieren könne. Nachfolgende Inhalte gelten auch für die Vereinbarung, die in den Vorjahren geschlossen wurden.

Mit Bescheid vom 22.03.2017 mahnte die Dienststelle der Beklagten - Agentur für Arbeit, Inkasso-Service - die Zahlung der Erstattungsforderung bis zum 05.04.2017 an und erhob eine Mahngebühr i.H.v. 5,00 EUR nach § 19 Abs. 2 VwVG. Der Beigeladene habe der Beklagten mit der Wahrnehmung des Forderungseinzugs beauftragt (§ 44c Abs. 2 S. 2 Nr. 4 i.V.m. § 44b Abs. 4 SGB II)

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Die Existenz eines wirksamen Beschlusses der Trägerversammlung des Beigeladenen bezüglich einer Beauftragung der Beklagten werde bestritten. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2017 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Rechtsgrundlage der erhobenen Mahngebühr sei das VwVG. Die Vollstreckungsanordnung vom 22.03.2017 sei von ihr als der zuständigen, nach § 44b Abs. 4 SGB II vom Beigeladenen beauftragten Behörde erlassen worden. Nach § 44b Abs. 4 SGB II habe die gemeinsame Einrichtung - der Beigeladene - die Möglichkeit, einzelne Aufgaben durch die Träger übernehmen zu lassen. Nach § 6 Abs. 1 SGB II sei neben dem kommunalen Träger auch die Beklagte Träger i.S.d. § 44b Abs. 4 SGB II. Das Bundessozialgericht habe in der Entscheidung vom 26.05.2011 (B 14 AS 54/10 R) auch bestätigt, dass durch § 44b Abs. 4 SGB II die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen worden sei, der Beklagten die Aufgabe des Forderungseinzuges zu übertragen. Grundlage für die Forderung des Jobcenters sei ein bestandskräftiger Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31.10.2016. Die Forderung sei fällig und Zahlungen seien nicht innerhalb der Zahlungsfristen eingegangen. Daher sei eine Mahnung versandt worden verbunden mit einer Mahngebühr nach § 19 Abs. 2 VwVG.

Am 20.07.2017 hat der Kläger Klage erhoben und sich gegen die Auferlegung der Mahngebühren gewandt. Es werde bestritten, dass die Trägerversammlung des Forderungsinhabers die Beklagte wirksam mit dem Forderungseinzug beauftragt habe. Es fehle nach bisherigen Ermittlungen an einer ordnungsgemäßen Ladung zu der Trägerversammlung. Eine Tagesordnung, aus der die Beabsichtigung der Aufgabenübertragung nach § 44b Abs. 4 SGB II hervorgehe, sei nicht mitübersandt worden. Da bezüglich der Trägerversammlung das Vereinsrecht heranzuziehen sei bzw. zumindest dessen Grundsätze, sei der auf Grundlage der fehlerhaften Einladung zustande gekommene Beschluss nichtig. Kosten und zeitlicher Umfang der beabsichtigten Aufgabenübertragung ergäben sich weder aus der Beschlussvorlage noch aus dem Versammlungsprotokoll. Zur Gültigkeit eines Beschlusses einer Mitgliederversammlung sei aber nach § 32 Abs. 1 S. 2 BGB erforderlich, dass der Gegenstand im Rahmen der Einberufung der Versammlung hinreichend bestimmt bezeichnet werde. Auch sei die Regelung entgegen der Rechtsprechung des BSG nicht bestimmt genug getroffen worden. Es werde zudem bestritten, dass die Versammlung paritätisch besetzt gewesen sei.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 22.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 26.06.2017 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Voraussetzung einer wirksamen Aufgabenübertragung als dargelegt angesehen.

Das Sozialgericht hat den Beschluss vom 12.12.2016 der Trägerversammlung des Beigeladenen über die 2. Änderungsvereinbarung zur Verwaltungsvereinbarung vom 06.01.2015 und über die Zusatzverwaltungsvereinbarung zum Angebot O.8 - Forderungseinzug des Service- Portofolios der Bundesagentur für Arbeit zwischen der Bundesagentur für Arbeit und dem Beigeladenen beigezogen.

Mit Urteil vom 27.03.2019 hat das Sozialgericht Gelsenkirchen die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 12.04.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.05.2019 Berufung eingelegt und sein Begehren weiterverfolgt, die Festsetzung der Mahngebühr von 5,00 EUR aufzuheben.

Die Beklagte sei nicht durch eine den Anforderungen des BSG im Urteil vom 14.02.2018 - B 14 AS 12/17 R standhaltende Aufgabenübertragung für die Erhebung einer Mahngebühr gegen ihn zuständig geworden. Es sei nicht erkennbar gewesen, für welche Einzelaufgaben unter Einschluss der Verhängung von Mahngebühren eine Aufgabenübertragung vorgenommen werden sollte. Rechte des kommunalen Aufgabenträgers seien verletzt worden. Vorsorglich werde bestritten, dass die für den kommunalen Träger an der Trägerversammlung teilnehmenden Mitglieder mandatiert worden seien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 22.03.2019 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom zwar 20.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.6.2017 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Der Senat hat mit Beschluss vom 29.07 2019 das Jobcenter I beigeladen. Der Beigeladene hat die Geschäftsordnung seiner Trägerversammlung vom 24.06.2015, das Protokoll über den Beschluss der Trägerversammlung vom 11.12.2014 betreffend die Aufgabenübertragung auf die Beklagte, die Verwaltungsvereinbarung vom 06.01.2015, die Zusatzverwaltungsvereinbarung vom 06.01.2015 sowie den Gesamtkatalog der BA für gemeinsame Einrichtungen 2017 inklusive Service-Portfolio und weiterer Angebote, Stand 29.08.2016, übersandt.

Der Senat hat eine Auskunft vom Vorsitzenden der Trägerversammlung des Beigeladenen im Jahr 2016, Stadtrat D, der das Dezernat IV der Stadt I , zuständig, u.a. für Soziales, leitet, eingeholt.

Zu weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind neben dem Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 27.03.2019 der Bescheid vom 02.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.06.2017, mit dem die Beklagte gegen den Kläger eine Mahngebühr i.H.v. 5,00 EUR festgesetzt hat. Hiergegen wendet sich der Kläger statthaft mit der reinen Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 SGG; zur Qualifizierung der Festsetzung von Mahngebühren als Verwaltungsakt: BSG, Urteil vom 14.02.2018 - B 14 AS 12/17 R m.w.N.).

Die vom Sozialgericht zugelassene Berufung ist nach § 144 Abs. 1 SGG statthaft, zudem form- und fristgerecht eingelegt worden

Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Kläger ist nicht beschwert i.S.v. § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Die Beklagte ist berechtigt, gegenüber dem Kläger eine Mahngebühr festzusetzen.

Die Festsetzung der Mahngebühr hat ihre Rechtsgrundlage in § 40 Abs. 8 1. HS SGB II (i.d.F. des Gesetzes vom 26.07.2016, BGBI 1824 m Wirkung zum 01.08.2016) i.V.m. § 19 Abs. 2 VwVG (i.d.F. des Gesetzes vom 25.11.2014, BGBl I 1770, mit Wirkung zum 29.11.2014).

Nach § 40 Abs. 8 SGB II gilt das Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach dem SGB II. Für die Mahnung im Rahmen von Vollstreckungsandrohungen nach § 3 Abs. 3 VwVG werden nach § 19 Abs. 2 VwVG Mahngebühren erhoben (§ 19 Abs. 2 S. 1 VwVG), deren Mindesthöhe fünf Euro beträgt (§ 19 Abs. 2 S. 2 VwVG).

Der angefochtene Bescheid ist als Mahngebührenbescheid formell (A) und materiell (B) rechtmäßig.

Der Beklagte ist für die Mahnung und den Erlass des angefochtenen Mahngebührenbescheides zuständig. § 3 Abs. 3 VwVG regelt, dass vor Anordnung der Vollstreckung der Schuldner mit einer Zahlungsfrist von einer weiteren Woche besonders gewarnt werden soll. § 3 Abs. 4 VwVG bestimmt, dass die Vollstreckungsanordnung von der Behörde erlassen wird, die den Anspruch geltend machen darf. Aus diesem Regelungssystem wird deutlich, dass die Behörde bei eigenen Ansprüchen zum Erlass der Vollstreckungsanordnung zuständig ist und die Vollstreckung einleitet. Des Weiteren ergibt sich, dass diese Behörde auch zur vorherigen Mahnung befugt ist.

Zwar ist der Beigeladene deshalb als gemeinsame Einrichtung nach § 44b Abs. 1 S. 2 Halbs. 1 SGB II für Mahnungen und Mahngebührenbescheide nach dem VwVG originär zuständig (BSG, Urteil vom 14.02.2018 - B 14 AS 12/17 R m.w.N).

Er hat jedoch seine originär eigene Zuständigkeit zur Erstellung von Mahnungen und Erhebung von Mahngebühren durch die am 01.01.2017 in Kraft getretene 2. Änderungsvereinbarung zur Verwaltungsvereinbarung vom 06.01.2015 und die Zusatzvereinbarung nach § 44b Abs. 4 SGB II zum Angebot 0.8 - Forderungseinzug des Service Portofolio wirksam auf die Beklagte übertragen.

Diese beiden Verwaltungsvereinbarungen stellen öffentlich-rechtliche Verträge i.S.v. § 53 SGB X dar. Mit diesen Vereinbarungen hat der Beigeladenen den Forderungseinzug sowie die Bearbeitung von Widersprüchen und Klagen gegen Verwaltungsakte im Zusammenhang mit der Durchführung des Forderungseinzugs bis zum 31.12.2017 auf die Dienststellen der Beklagten - einer seiner Träger (§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II) - übertragen. In der Zusatzverwaltungsvereinbarung ist ausdrücklich vereinbart, dass den Dienststellen der Beklagten die Erstellung von Mahnungen, der Erlass von Stundungs- und Erlassbescheiden und die Einleitung von öffentlich- rechtlichen Zwangsvollstreckungen übertragen wird und diese Dienststellen im Namen des Beigeladenen handeln.

Diese beiden Verwaltungsvereinbarungen sind wirksam zustande gekommen.

Die gemeinsame Einrichtung kann nach § 44b Abs. 4 S. 1 SGB II einzelne Aufgaben durch die Träger wahrnehmen lassen. Nach § 44b Abs. 5 SGB II stellt die Bundesagentur der gemeinsamen Einrichtung hierfür Angebote an Dienstleistungen zur Verfügung.

Der Geschäftsführer des Beigeladenen ist von der Trägerversammlung ermächtigt worden, die beiden Verwaltungsvereinbarungen abzuschließen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 14.02.2018 - B 14 AS 12/17 R).

Die Entscheidung über die Verlagerung von Aufgaben nach § 44b Abs. 4 SGB II obliegt der Trägerversammlung der gemeinsamen Einrichtung nach § 44c SGB II. Danach ist für jede gemeinsame Einrichtung eine Trägerversammlung zu bilden, die "über organisatorische personalwirtschaftliche, personalrechtliche und personalvertretungsrechtliche Angelegenheiten der gemeinsamen Einrichtung" zu entscheiden hat. Zu diesen Angelegenheiten zählen nach § 44c Abs. 2 S. 2 Nr. 4 SGB II insbesondere die "Entscheidungen nach §§ 6 Abs. 1 S. 2 und 44b Abs. 4 SGB II, ob einzelne Aufgaben durch die Träger oder durch Dritte wahrgenommen werden".

Durch Beschluss vom 12.12.2016 hat die Trägerversammlung dem Abschluss der 2. Änderungsvereinbarung zur Verwaltungsvereinbarung vom 06.01.2015 sowie über die Zusatzverwaltungsvereinbarung nach § 44b Abs. 4 SGB II zum Angebot O.8 - Forderungseinzug des Service-Portfolios der Bundesagentur für Arbeit (BA) und dem Jobcenter I" zugestimmt. Aus dem Wortlaut des Beschlusses "beigefügt" ergibt sich, dass der Inhalt der beiden Verwaltungsvereinbarungen Gegenstand der Beschlussfassung gewesen ist. Dies ergibt sich auch aus der dem Senat erteilten Auskunft des Stadtrates D, des Vorsitzender der Trägerversammlung. Damit ist aus den Anlagen zum Beschluss nach § 44c Abs. 2 S. 2 Nr. 4 SGB II - Entwurf der beiden Verwaltungsvereinbarungen - ohne weiteres die Art und der Umfang der zu übertragenden Aufgaben zu entnehmen.

Die im Beschluss vom 12.12.2016 in Bezug genommene 2. Änderungsvereinbarung zur Verwaltungsvereinbarung vom 06.01.2015, erstreckt die Anwendung der Verwaltungsvereinbarung vom 06.01.2015 bezüglich der Serviceleistung O.8 "Forderungseinzug" auf ein weiteres Jahr vom 01.01.2017 bis 31.12.2017 und weist darauf hin, dass die für die Aufgabenübertragung nach § 44b Abs. 4 SGB II erforderlichen hoheitlichen Befugnisse im Rahmen einer Zusatzverwaltungsvereinbarung übertragen werden. In der Zusatzverwaltungsvereinbarung werden die übertragenen Aufgaben detailliert aufgelistet.

Der von sechs namentlich bezeichneten Mitgliedern der Trägerversammlung des Beigeladenen unterzeichnete Beschluss vom 12.12.2016 ist wirksam zustande gekommen. Die Zusammensetzung der Trägerversammlung entspricht den Kriterien aus § 44c Abs. 1 S. 2 SGB II, wonach in der Trägerversammlung Vertreterinnen und Vertreter der Agentur für Arbeit und des kommunalen Trägers je zur Hälfte vertreten sein müssen. Das Quorum der Unterzeichner entspricht der Gesamtanzahl der drei Mitglieder pro Träger mit Ausnahme mit je einer Stimme und je drei Stellvertretern nach § 1 Abs. 1 der vorgelegten Geschäftsordnung der Trägerversammlung des Beigeladenen ebenso wie dem Mehrheitserfordernis (einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen) bei Beschlussfassungen in Sitzungen nach § 9 Abs. 1 der Geschäftsordnung, dieses wiederum der gesetzlichen Regelung in § 44c Abs. 1 S. 7 SGB II.

Der individuellen Mandatierung der für den kommunalen Träger an der Beschlussfassung mitwirkenden Mitglieder der Trägerversammlung nachzugehen, besteht kein Anlass. Die Berufung substantiiert ihre insoweit geäußerten Zweifel in keiner Weise; wesentliche Teile der im Verfahren erteilten Auskünfte stammen vom Vorsitzenden der Trägerversammlung, der selbst Entsandter des kommunalen Trägers ist und die ordnungsgemäße Zusammensetzung der Trägerversammlung kraft Wahrnehmung seines Amtes als Vorsitzender zu überwachen hat. Rechte des kommunalen Trägers einzufordern, ist der Kläger im Übrigen nicht klagebefugt.

Zweifel am wirksamen Zustandekommen des Beschlusses vom 12.12.2016 ergeben sich schließlich nicht aus dem Umstand, dass er im durch die Geschäftsordnung der Trägerversammlung nicht geregelten Umlaufverfahren gefasst worden ist.

Das Umlaufverfahren ist ein in vielen Teilrechtsordnungen übliches, mit Ausnahme sich aus gesetzlichen Vorgaben oder der zwingenden Wahrnehmung individueller Rechte im Rahmen präsenter Beschlussfassungen ergebenden Erfordernissen auch ohne normative Grundlage zulässiges Verfahren der Willensbildung bei Kollegialorganen (VG Hamburg, Urteil vom 20.10.2016 - 19 ZE 460/16 u.a. zur hochschulrechtlichen Präsenzpflicht bei Vergabeentscheidungen; BGH, Urteil vom 13.02.1959 - StR 446/58; zur Zulässigkeit von Präsidienbeschlüssen im Umlaufverfahren; BVerfG, Beschluss vom 11.10.1994 - 1 BvR 337/92 zur Unzulässigkeit der Zustimmungsfiktion im Rahmen des von der Bundesregierung praktizierten Umlaufverfahrens beim Erlass von Rechtsverordnungen; BVerwG, Beschluss vom 23.09.1991 - 2 B 99/91 zur Zulässigkeit des Umlaufverfahrens bei Beschlüssen gemäß § 130a VwGO bei Einverständnis aller beteiligten Richter).

Es ermöglicht eine unaufwändige und zeitnahe Willensbildung und Beschlussfassung ohne Bindung an einen Sitzungsturnus, bei dessen Einhaltung eine rechtzeitige Beschlussfassung nicht möglich ist und kein Diskussionsbedarf gesehen wird. Genau dieser Fall hat nach Auskunft des Vorsitzenden der Trägerversammlung des Beigeladenen vom 04.06.2020 bei der Fassung des Beschlusses vom 12.12.2016 vorgelegen. Dies ist ohne Weiteres nachvollziehbar, denn durch die Beschlussfassung wurde eine Erstreckung des bis zum 31.12.2016 bestehenden auslaufenden Rechtszustandes auf das nahende Jahr 2017 erst möglich. Insoweit hat der Vorsitzende der Trägerversammlung erläutert, dass die grundsätzliche Entscheidung zur Übertragung der Aufgaben zum Forderungseinzug auf den Beklagten auf der Sitzung der Trägerversammlung am 11.12.2014 getroffen worden war, diese Entscheidung durch den Abschluss von Verwaltungsvereinbarungen umgesetzt worden war und daher kein Diskussionsbedarf hinsichtlich der Verlängerung dieser Übertragungen über den 31.12.2016 bestand.

Zweifel an der Zulässigkeit des im konkreten Fall praktizierten Umlaufverfahrens ergäben sich auch nicht bei der von der Berufung zwecks Lückenschließung postulierten entsprechenden Anwendung des Vereinsrechts nach dem BGB. Hinsichtlich der Beschlussfassung bezüglich der Angelegenheiten eines Vereins im Rahmen einer Mitgliederversammlung bestimmt § 32 Abs. 1 S. 3 BGB, es entscheide die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. § 32 Abs. 2 BGB erklärt Beschlüsse auch ohne Versammlung der Mitglieder für gültig, wenn alle Mitglieder ihre Zustimmung zu dem Beschluss schriftlich erklären. Beiden Anforderungen genügt der einstimmig gefasste und von allen Mitgliedern der Trägerversammlung unterzeichnete Beschluss vom 12.12.2016.

Die Erhebung von Mahngebühren infolge der automatisierten Erstellung einer Mahnung ist durch § 31a SGB X (Gesetz vom 18.07.2016, BGBl. I 1679; mit Wirkung zum 01.01.2017) gedeckt.

B. Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.

Nach § 19 Abs. 2 VwVG wird für eine Mahnung nach § 3 Abs. 3 VwVG eine Mahngebühr erhoben, die ein halbes Prozent des Mahnbetrages, mindestens jedoch 5 Euro und höchstens 150 Euro, beträgt.

Im angefochtenen Bescheid hat der Beklagte die Erstattungsforderung i.S.v. § 3 Abs. 3 VwVG gemahnt. Vor Anordnung der Vollstreckung soll der Schuldner nach § 3 Abs. 3 VwVG mit einer Zahlungsfrist von einer weiteren Woche besonders gemahnt werden.

Die Voraussetzungen für die Anordnung der Vollstreckung haben zum Zeitpunkt der Mahnung vorgelegen. Nach § 1 Abs. 1 VwVG werden die öffentlich-rechtlichen Geldforderungen des Bundes und der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts nach den Bestimmungen des VwVG vollstreckt. Nach § 2 Abs. 1 Buchst. a VwVG kann als Vollstreckungsschuldner in Anspruch genommen werden, wer eine Leistung als Selbstschuldner schuldet. Nach § 3 Abs. 1 Halbs. 1 VwVG wird die Vollstreckung gegen den Vollstreckungsschuldner durch Vollstreckungsanordnung eingeleitet. Nach § 3 Abs. 2 VwVG sind Voraussetzungen für die Einleitung der Vollstreckung a) der Leistungsbescheid, durch den der Schuldner zur Leistung aufgefordert worden ist; b) die Fälligkeit der Leistung; c) der Ablauf einer Frist von einer Woche seit Bekanntgabe des Leistungsbescheides.

Die Tatbestandsvoraussetzungen nach §§ 1 bis 3 VwVG sind erfüllt. Bei den geltend gemachten Erstattungsforderung handelt es sich um öffentlich-rechtliche Geldforderungen des Beigeladenen als bundesunmittelbare juristische Personen des öffentlichen Rechts (§ 44b SGB II, siehe Weißenberger in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl., § 44b Rn. 12). Da sich die Erstattungsforderung gegen den Kläger selbst richtet, kann er als Vollstreckungsschuldner in Anspruch genommen werden. Die Vollstreckung ist durch Vollstreckungsanordnung eingeleitet worden. Der Kläger ist mit Bescheid vom 31.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2017 zur Leistung aufgefordert worden.

Die Erstattungsforderung ist fällig. Die Wochenfrist seit Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides (§ 3 Abs. 2c VwVG) ist zum Zeitpunkt der Mahnung (§ 3 Abs. 3 VwVG), dem 22.03.2017, bereits abgelaufen gewesen.

Es liegen auch keine Gründe für eine Unterlassung beziehungsweise Einstellung der Vollstreckung i.S.d. § 5 VwVG i.V.m. § 257 Abs. 1 AO und § 258 AO vor. Nach § 5 VwVG i.V.m. § 257 Abs. 1 AO ist die Vollstreckung einzustellen oder zu beschränken, sobald 1. die Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen des § 251 Abs. 1 AO weggefallen sind, 2. der Verwaltungsakt, aus dem vollstreckt wird, aufgehoben wird, 3. der Anspruch auf die Leistung erloschen ist, 4. die Leistung gestundet worden ist. Nach § 251 Abs. 1 Satz 1 AO können Verwaltungsakte vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist. Nach § 5 VwVG in Verbindung mit § 258 AO kann die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung einstweilen einstellen oder beschränken oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufheben, soweit sie im Einzelfall unbillig ist.

Die Voraussetzungen des § 257 AO liegen nicht vor. Die Vollziehung des Erstattungsbescheides vom 31.10.2016 ist weder ausgesetzt noch gehemmt. Auch ist der Erstattungsbescheid nicht aufgehoben worden. Die Erstattungsforderung ist weder erloschen noch gestundet. Anhaltspunkte für eine Unbilligkeit der Vollstreckung sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Anlass zur Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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