L 11 KR 694/17

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 23 KR 2081/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 694/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 11/20 R
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15. September 2017 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2017 wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung zur freiwilligen Krankenversicherung in dem Zeitraum vom 1. Juni 2016 bis zum 31. Dezember 2017.

Die Klägerin ist freiwilliges Mitglied der Beklagten. Letztere setzte den Beitrag zur freiwilligen Krankenversicherung seit 2013 zunächst in Höhe des Mindestbeitrages fest.

Im Rahmen eines vor dem Oberlandesgericht (OLG) geführten unterhaltsrechtlichen Verfahrens (Az.: 00 UF 00/14) schlossen die Klägerin als Antragstellerin und ihr geschiedener Ehemann, Herr Dr. K S, als Antragsgegner am 27. Mai 2014 einen Vergleich mit auszugsweise folgendem Inhalt:

1. Der Antragsgegner verpflichtet sich, an die Antragstellerin einen monatlichen nachehelichen Unterhalt für die Zeit von April 2012 bis einschließlich September 2012 in Höhe von 2.227,14 EUR, sodann bis einschließlich März 2013 in Höhe von 1.500,00 EUR und ab April 2013 in Höhe von 1.000,00 EUR, jeweils fällig bis zum 3. Werktag eines jeden Monats im Voraus zu zahlen; bereits geleistete Unterhaltszahlungen sind auf Nachweis anzurechnen. In den obigen Unterhaltsbeträgen ist der Versicherungsbeitrag von monatlich 419,19 EUR enthalten.

2. Die Antragstellerin verpflichtet sich, dem Antragsgegner Ende November 2014 ihre Erwerbsbemühungen um eine erweiterte Berufstätigkeit zu belegen. Dem Antragsgegner bleibt vorbehalten, eine Anpassung des Unterhalts unter den gesetzlichen Voraussetzungen sodann geltend zu machen.

3. ( ... ).

Im Mai 2016 übermittelte die Klägerin der Beklagten den am 12. Mai 2016 erlassenen Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes (FA) C für das Jahr 2014. In diesem stellte das FA zu versteuernde Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 409,00 EUR fest, die die Klägerin aus einer Tätigkeit als Änderungsnäherin erzielt hatte. Darüber hinaus ergaben sich aus dem Bescheid Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 1.212,00 EUR sowie sonstige Einkünfte von 7.969,00 EUR. Bei der Ermittlung der sonstigen Einkünfte legte das FA Einnahmen aus Unterhaltsleistungen in Höhe von 13.805,00 EUR zugrunde und brachte bei dieser Einkunftsart Werbungskosten von 5.836,00 EUR in Abzug.

Mit Bescheid vom 7. Juni 2016 setzte die Beklagte - zugleich im Namen der pronova BKK Pflegekasse - Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 1. Juni 2016 neu fest. Hierbei berücksichtigte sie die im Steuerbescheid des FA C vom 12. Mai 2016 festgestellten Einnahmen (Arbeitseinkommen von 34,08 EUR monatlich, Mieteinkünfte von 101,00 EUR monatlich und Unterhaltszahlungen von 1.154,42 EUR monatlich), wobei sie die von dem FA ermittelten Werbungskosten für Unterhaltsleistungen nicht abzog. Unter Zugrundelegung des nicht um Werbungskosten geminderten Unterhalts stellte sie einen monatlichen Beitrag zur Krankenversicherung von 196,00 EUR und zur Pflegeversicherung von 30,30 EUR fest. Auf den Inhalt des Bescheides wird wegen der Einzelheiten verwiesen.

Gegen den Bescheid erhob die Klägerin am 11. Juli 2016 schriftlich Widerspruch. Nach den finanzbehördlichen Feststellungen seien Werbungskosten in Höhe von 5.836,00 EUR pro Jahr in Abzug zu bringen, weshalb als "sonstige Einnahme" nur ein Betrag von 7.969,00 EUR pro Jahr bzw. 664,08 EUR monatlich maßgeblich sei. Das Arbeitseinkommen und die Mieteinkünfte seien indes zutreffend festgestellt worden.

Mit Bescheid vom 28. Juli 2016 änderte die Beklagte die Beitragsfestsetzung insoweit ab, als im Hinblick auf den erzielten Unterhalt lediglich ein Betrag von monatlich 1.150,42 EUR (13.805,00 EUR:12) zu berücksichtigen sei. Infolge der Korrektur des Eingabefehlers bei Erlass des Bescheides vom 7. Juni 2016 mindere sich die monatliche Beitragslast um 0,69 EUR. Eine weitergehende Abhilfe lehnte die Beklagte ab. Bei der Ermittlung der Einnahmen gelte das Bruttoprinzip ohne Rücksicht auf die steuerliche Behandlung. Insbesondere seien Werbungskosten, die das zu versteuernde Einkommen mindern könnten, bei der Beitragsbemessung nicht zu berücksichtigen.

Mit Schreiben vom 12. August 2016 bekräftigte die Klägerin unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. Oktober 2013 ihre Auffassung, wonach das Bruttoprinzip nicht gelte. Hiernach sei die Höhe der anzurechnenden Einnahmen ausschließlich auf Grundlage der Einkommensteuerbescheide zu ermitteln. Dieser Entscheidung folgend seien Werbungskosten bzw. Ausgaben bei Vermietung und Verpachtung in Abzug zu bringen und nur der einkommensteuerrechtlich ermittelte Gewinn zu berücksichtigen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. August 2016 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Das von der Klägerin benannte Urteil des BSG rechtfertige keine andere Beurteilung. Im Gegensatz zu der von dem BSG beurteilten beitragsrechtlichen Behandlung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sei im vorliegenden Verfahren die Verbeitragung von Unterhaltszahlungen streitig. Bei solchen Einkünften seien Werbungskosten bei der Beitragsberechnung zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht abzugsfähig. Wegen der weiteren Begründung wird auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides verwiesen.

Mit der am 21. September 2016 zum Sozialgericht (SG) Köln erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Rechtsschutzziel weiterverfolgt. Sie hat geltend gemacht, die Tätigkeit als Änderungsnäherin nur bis zu neun Stunden wöchentlich ausgeübt zu haben. Sie erhalte weiterhin Unterhaltszahlungen in Höhe von 1.000,00 EUR monatlich. Es sei unverständlich, weshalb die Beklagte die Berücksichtigung von Kosten, die mit der jeweiligen Einkunftsart zusammenhingen, verweigere. Ebenso wie bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung seien bei der Beitragsberechnung aus erzieltem Unterhalt die im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Werbungskosten in Abzug zu bringen. Im Übrigen habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass der vereinbarte Unterhaltsanspruch nach dem Inhalt des vor dem OLG geschlossenen Vergleichs vom 27. Mai 2014 auch einen Versicherungsbeitrag in Höhe von monatlich 419,19 EUR für ihre Altersvorsorge enthalte. Dieser Betrag stehe ihr zum Lebensunterhalt nicht zur Verfügung.

Am 3. Januar 2017 legte die Klägerin einen unter dem 2. Januar 2017 ergangenen Einkommensteuerbescheid des FA C für das Jahr 2015 vor, der neben Einkünften aus Gewerbebetrieb (42,00 EUR), Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (1.264,00 EUR) auch sonstige Einkünfte in Höhe von 11.276,00 EUR auswies. Letztere ergaben sich aus Unterhaltsleistungen in Höhe von 12.000,00 EUR abzüglich Werbungskosten in Höhe von 724,00 EUR.

Die Beklagte nahm daraufhin mit Bescheid vom 19. Januar 2017 im Hinblick auf eine Änderung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung eine Neuberechnung der monatlichen Beiträge mit Wirkung ab dem 1. Januar 2017 sowie ab dem 1. Februar 2017 unter Zugrundelegung des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2015 vor. Hiernach legte sie ein Arbeitseinkommen aus Gewerbebetrieb in Höhe von monatlich 3,50 EUR, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von monatlich 105,33 EUR sowie Unterhaltszahlungen in Höhe von monatlich 1.000,00 EUR zugrunde. Die im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 zur Erzielung der Unterhaltszahlungen berücksichtigten Werbungskosten brachte die Beklagte erneut nicht in Abzug. Auf dieser Grundlage stellte sie einen Beitrag zur Krankenversicherung in Höhe von monatlich 168,55 EUR und zur Pflegeversicherung von monatlich 28,28 EUR fest. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheides vom 19. Januar 2017 Bezug genommen.

Nach Zurückweisung des gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruchs (Widerspruchsbescheid vom 24. April 2017) hat die Klägerin mit - bei dem SG am 26. Mai 2017 eingegangenem Schriftsatz - die am 21. September 2017 erhobene Klage erweitert.

Die Klägerin hat beantragt,

- den Bescheid der Beklagten vom 7. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, auch für die Zeit vom 1. Juni 2016 nur die Beiträge jeweils in Höhe des niedrigeren monatlichen Mindestbeitrages zu erheben,

- den Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 24. April 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, auch für die Zeit vom 1. Januar 2017 die Beiträge jeweils in Höhe des niedrigeren monatlichen Mindestbeitrags zu erheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Sie sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht hauptberuflich selbstständig erwerbstätig gewesen sei. Die Tätigkeit sei nach ihrem zeitlichen Umfang und dem finanziellen Ertrag in einem lediglich nebenberuflichen Rahmen ausgeübt worden. Nach den "Einheitlichen Grundsätzen zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge" (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (BeitrVerfGrsSz)) sei ein Abzug von Werbungskosten als Ausnahmetatbestand nur bei bestimmten Einkunftsarten vorgesehen. Im Falle von Unterhaltszahlungen sei ein dahingehender Abzug unzulässig. Für die Beitragsbemessung sei nicht das Gesamteinkommen, sondern die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit entscheidend. Soweit die Klägerin infolge der Beitragszahlung hilfebedürftig werde, könne sie einen Beitragszuschuss nach § 26 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) beantragen.

Die Beteiligten haben sich im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 10. Januar 2017 im Wege eines Unterwerfungsvergleichs im Hinblick auf die Festsetzung der Beiträge zur Pflegeversicherung einer rechtskräftigen Entscheidung bezüglich der Festsetzung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung unterworfen.

Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 15. September 2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, als beitragspflichtige Einnahmen seien nach § 3 Abs. 1 BeitrVerfGrsSz alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen. Die Einnahmen seien nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten abzugrenzen; eine die beitragspflichtigen Einnahmen mindernde Berücksichtigung von Zwecksetzungen einzelner Einnahmen finde nicht statt, es sei denn, die Einnahmen würden wegen ihrer Zwecksetzung kraft einer gesetzlichen Regelung bei Bewilligung von einkommensabhängigen Sozialleistungen im gesamten Sozialrecht nicht als Einkommen berücksichtigt. Bei Unterhaltszahlungen handele es sich um Versorgungsbezüge, die der Klägerin zum Lebensunterhalt zur Verfügung stünden. Insofern sei auch unerheblich, auf welche Weise die Beträge im Rahmen des unterhaltsrechtlichen Vergleichs berechnet bzw. vereinbart worden seien. Insbesondere finde eine die beitragspflichtigen Einnahmen mindernde Berücksichtigung von Zwecksetzungen einzelner Einnahmen nicht statt. Sofern die Klägerin diese Beträge für die Altersvorsorge bzw. einen Versicherungsvertrag und somit für eine besondere Zwecksetzung verwende, führe dies nicht dazu, dass dieser Betrag nicht mehr als Einkunft zu qualifizieren sei. Von den Unterhaltszahlungen seien keine Werbungskosten in Abzug zu bringen. Entgegen der Auffassung der Klägerin seien die Beiträge der sonstigen freiwillig Versicherten im Wesentlichen nach den Bruttoeinnahmen zu bemessen, auf das zu versteuernde Einkommen komme es daher nicht an. Insbesondere Werbungskosten, die das zu versteuernde Einkommen mindern könnten, würden bei der Beitragsbemessung nicht berücksichtigt. Hierzu finde sich allein in § 3 Abs. 3 BeitrVerfGrsSz eine Ausnahme betreffend die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen. Wegen der weiteren Begründung wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gegen das ihr am 23. September 2017 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 23. Oktober 2017 beim SG Köln eingelegten Berufung. Zur Begründung verweist sie auf ihren bisherigen Vortrag und führt ergänzend aus, das SG habe verkannt, dass sie aufgrund des im unterhaltsrechtlichen Verfahren geschlossenen Vergleichs keine Wahl habe, ob sie die Beiträge, die sie zur Altersvorsorge verwende, für den Lebensunterhalt einsetze. Diese Beträge seien zwingend zur Altersvorsorge zu verwenden und stünden ihr zum Bestreiten des Lebensunterhaltes nicht zur Verfügung. Die BeitrVerfGrsSz seien aufgrund der Entscheidung des BSG vom 30. Oktober 2013 - B 12 KR 21/11 R - geändert worden, so dass Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und Kapitalvermögen zu berücksichtigen seien. Nach den grundsätzlichen Ausführungen des BSG seien diese Erwägungen auch auf sonstige Einkünfte, z.B. Unterhaltszahlungen, anzuwenden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15. September 2017 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 7. Juni 2016 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 28. Juli 2016 und des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 24. April 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2017 insoweit aufzuheben, als Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung aus Einnahmen oberhalb des 90. Teils der monatlichen Bezugsgröße festgesetzt worden sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Auf die Zwecksetzung der Unterhaltszahlungen im familiengerichtlichen Vergleich komme es nicht an. Etwas anderes gelte nur für Einnahmen, die wegen ihrer Zwecksetzung kraft einer gesetzlichen Regelung bei der Bewilligung von einkommensabhängigen Sozialleistungen im gesamten Sozialrecht nicht als Einkommen berücksichtigt würden. Einkünfte aus Unterhaltszahlungen einerseits und solche aus Kapitalvermögen oder aus Vermietung und Verpachtung andererseits seien nicht vergleichbar. Letzteren stehe ein Vermögenswert gegenüber, aus dem die Einkünfte generiert würden. Erforderliche Aufwendungen zum Erhalt dieser Vermögenswerte seien als Werbungskosten zu berücksichtigen. Die Unterhaltszahlungen resultierten indes aus einer geschiedenen Ehe. Der Anspruch auf Geschiedenenunterhalt sei mit einem Aktienfonds oder mit dem einer Immobilie innewohnenden Vermögenswert nicht vergleichbar. Die Leistungspflicht des Unterhaltspflichtigen ergebe sich zudem aus vielen verschiedenen Faktoren. Insoweit liege keine Ungleichbehandlung von im Wesentlichem Gleichem vor.

Mit Bescheid vom 19. Dezember 2017 hat die Beklagte festgestellt, dass der Beitrag unverändert bleibe. Ab 1. Januar 2018 hat die Beklagte die Beiträge der Klägerin - entsprechend der Änderung der Beitragsverfahrensgrundsätze - vorläufig neu festgesetzt (Bescheid vom 31. Januar 2018) und mit weiterem Bescheid vom 7. Februar 2018 die Beiträge unter Zugrundelegung der im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 getroffenen Feststellungen vorläufig ab dem 1. März 2018 neu festgesetzt.

Am 31. Januar 2018 hat die Klägerin eine Kapitalabfindung der Provinzial aus einer Rentenversicherung in Höhe von 41.413,62 EUR und am 1. Juli 2018 eine weitere Zahlung aus einer Lebensversicherung von der Debeka in Höhe von 123.893,44 EUR erhalten. Mit Bescheid vom 21. September 2018 hat die Beklagte die Beiträge ab 1. Februar 2018 bzw. ab 1. Juli 2018 vorläufig neu berechnet.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin den Rechtsstreit hinsichtlich der Anfechtung der vorläufigen Beitragsfestsetzung für den Zeitraum ab dem 1. August 2019 für erledigt erklärt. Im Übrigen hat der Senat das Verfahren getrennt, soweit es die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung für den Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis zum 31. Juli 2019 betrifft. Wegen der wesentlichen Erwägungen des Trennungsbeschlusses wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

I. Gegenstand des Verfahrens sind der Bescheid der Beklagten vom 7. Juni 2016 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 28. Juli 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2016 sowie der Bescheid vom 19. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2017, soweit mit diesen die Beitragserhebung zur freiwilligen Krankenversicherung für den Zeitraum vom 1. Juni 2016 bis zum 31. Dezember 2017 geregelt wurde. Der während des Berufungsverfahrens bekanntgegebene Verwaltungsakt vom 19. Dezember 2017 ist kraft Gesetzes (§§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) Gegenstand des Verfahrens geworden. Insoweit entscheidet der Senat erstinstanzlich auf Klage (vgl. BSG, Urteil vom 8. Oktober 2019 - B 12 KR 22/19 R - m.w.N.; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 - B 12 KR 19/14 R - ; BSG, Urteil vom 21. Dezember 2011 - B 12 KR 22/09 R -; BSG, Urteil vom 23. September 1999 - B 12 KR 12/98 R -).

Hinsichtlich der für den Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis zum 31. Juli 2019 geregelten Beitragserhebung zur freiwilligen Krankenversicherung hat der Senat das Verfahren getrennt (§ 202 SGG i.V.m. § 145 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO)).

Die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung zur Pflegeversicherung ist nicht (mehr) Gegenstand des Rechtsstreits, nachdem sich die Beteiligten insoweit der rechtskräftigen Entscheidung im vorliegenden Verfahren unterworfen haben (Unterwerfungsvergleich vom 10. Januar 2017).

II. Die am 23. Oktober 2017 beim SG Köln eingelegte Berufung gegen das ihr am 23. September 2017 zugestellte Urteil des SG Köln vom 15. September 2017 ist ohne gerichtliche Zulassung statthaft (§§ 143, 144 SGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 151 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, § 64 Abs. 1, Abs. 2, § 63 SGG).

III. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Köln vom 15. September 2017 sowie die Klage gegen den Bescheid vom 19. Dezember 2017 sind nicht begründet.

1. Die für das Begehren der Klägerin - die Teilaufhebung der verfahrensgegenständlichen Bescheide, soweit mit diesen Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung aus Einnahmen oberhalb des 90. Teils der monatlichen Bezugsgröße festgesetzt worden sind - ist die Teilanfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG) statthaft (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 17. März 2010 - B 12 KR 4/09 R -, SozR 4-2500 § 240 Nr. 14; BSG, Urteil vom 6. September 2001 - B 12 KR 14/00 R -, SozR 3-2500 § 240 Nr. 41). Diese sind auch form- und fristgerecht erhoben worden (§§ 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2; 90 SGG).

2. Die Anfechtungsklagen sind jedoch nicht begründet. Die Bescheide beschweren, soweit sie den Gegenstand des Streitverfahrens bilden, die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Beklagte hat die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung im Zeitraum vom 1. Juni 2016 bis zum 31. Dezember 2017 in rechtmäßiger Höhe festgestellt.

Nach § 220 Abs. 1 Satz 1 SGB V werden die Mittel der Krankenversicherung durch Beiträge und sonstige Einnahmen aufgebracht. Nach § 223 Abs. 2 Satz 1 SGB V werden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Für freiwillige Mitglieder - wie die Klägerin - richten sich die beitragspflichtigen Einnahmen nach § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Nach dieser Bestimmung wird die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Auf Grundlage dieser gesetzlichen Ermächtigung sind die BeitrVerfGrsSz vom 27. Oktober 2008 (eBAnz VB 4. November 2008; hier i.d.F. der Sechsten Änderung vom 10. Dezember 2014, eBAnz VB 15. Dezember 2014) erlassen worden (zur Wirksamkeit der BeitrVerfGrsSz als untergesetzliche Normen BSG, Urteil vom 19. Dezember 2012 - B 12 KR 20/11 R - SozR 4-2500 § 240 Nr. 17; BSG, Urteile vom 18. Dezember 2013 - B 12 KR 24/12 R -, SozR 4-2500 § 240 Nr. 20 u.a.; BSG, Urteil vom 15. Oktober 2014 - B 12 KR 10/ 12 R -, SozR 4-2500 § 240 Nr. 24). § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V ordnet insoweit gesetzlich an, dass bei der Beitragsbemessung sicherzustellen ist, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Nach § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V sind bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen.

Diesen gesetzlichen Regelungen folgend sind der Beitragsbemessung nach § 3 Abs. 1 BeitrVerfGrsSz das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen (zur Vereinbarkeit des § 3 Abs. 1 BeitrVerfGrsSz mit § 240 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 SGB V: BSG, Urteil vom 19. August 2015 - B 12 KR 11/14 R -, SozR 4-2500 § 240 Nr. 29).

Unter Zugrundelegung dieser Vorgaben hat die Beklagte die Höhe der beitragspflichtigen Einnahmen der Klägerin im Zeitraum vom 1. Juni 2016 bis zum 31. Dezember 2017 fehlerfrei festgestellt. Es ist weder zu beanstanden, dass die Beklagte bei der Ermittlung der Höhe der beitragspflichtigen Einkünfte eine etwaige Zweckbindung eines Teils des vereinbarten Unterhaltsanspruchs unberücksichtigt gelassen hat (hierzu a)), noch sind die steuerrechtlich berücksichtigten Werbungskosten bei der Feststellung der Höhe der beitragspflichtigen Einnahmen in Abzug zu bringen (hierzu b)).

a) Der Berücksichtigung als beitragspflichtige Einnahme steht zunächst die in Ziff. 1 Satz 2 des vor dem OLG geschlossenen Vergleichs vom 27. Mai 2014 angedeutete Zweckbindung eines Teils des vereinbarten Unterhalts nicht entgegen. Hierbei kann der Senat unbeantwortet lassen, ob der Inhalt des Vergleiches, der lediglich bestimmt, dass "in den [ ] Unterhaltsbeträgen der Versicherungsbeitrag von monatlich 419,19 EUR enthalten" ist, eine rechtlich verbindliche Zweckbindung überhaupt hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt. Selbst wenn der Vergleich ein dahingehendes Verständnis zulassen sollte, folgt aus einer dahingehenden Zweckbindung eines Teils des vereinbarten Unterhalts nicht, dass dieser Vermögenswert beitragsmindernd zu berücksichtigen ist.

aa) Die "gesamte" wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Sinne des § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V bzw. (untergesetzlich) § 3 Abs. 1 BeitrVerfGrsSz umfasst nicht nur Einnahmen aus einer beruflichen Tätigkeit wie Arbeitsentgelt (§ 14 Abs. 1 SGB IV) oder Arbeitseinkommen (§ 15 Abs. 1 SGB IV), sondern es sind (jedenfalls) alle Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts zu berücksichtigen. Zu diesen zählen auch Unterhaltsansprüche der Klägerin als sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Einkommensteuergesetz (EStG). Daher ist die Verbeitragung erzielter Einnahmen eines freiwilligen Mitglieds der gesetzlichen Krankenversicherung der Regelfall. Es ist nur in begrenzten Ausnahmefällen zulässig, bestimmte Einnahmen mit Blick auf deren spezielle Ziel- und Zwecksetzung von der Beitragspflicht auszunehmen. Demzufolge sind nur solche Einnahmen und Geldmittel beitragsfrei, die nicht in erster Linie auf die Befriedigung des allgemeinen Lebensunterhaltes ausgerichtet sind, sondern denen eine besondere Zweckbestimmung innewohnt und bei denen die Gefahr besteht, dass die Erfüllung des mit ihnen verfolgten Zwecks nicht mehr gewährleistet ist, wenn dem Betroffenen die Leistung nicht ungekürzt zur Verfügung steht (BSG, Urteil vom 7. Juni 2018 - B 12 KR 1/17 R - m.w.N., SozR 4-2500 § 240 Nr. 35). Eine beitragsrechtliche Privilegierung erfordert hiernach, dass die Einnahmen auf einer förmlichen gesetzlichen Grundlage beruhen, aus der sich unmittelbar bzw. ausnahmsweise mittelbar eine beitragsrechtliche Privilegierung durch eine anerkennenswerte (soziale) Zwecksetzung ableiten lässt (vgl. BSG, Urteil vom 7. Juni 2018 - B 12 KR 1/17 R - SozR 4-2500 § 240 Nr. 35 m.w.N.). Eine bloße Zweckbestimmung durch den Zuwendenden ist insoweit nicht ausreichend (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2013 - B 12 KR 3/12 R -, SozR 4-2500 § 240 Nr. 22, Rn. 23).

bb) Die Grenzziehung zwischen beitragspflichtigen und von der Beitragspflicht ausgenommenen Einnahmen des freiwillig Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung erfordert regelmäßig eine wertende Entscheidung dazu, ob die Leistungen dem Bestreiten des Lebensunterhalts zugeordnet werden können oder ob sie ausnahmsweise eine besondere, eigenständige Zweckbestimmung außerhalb des allgemeinen Lebensunterhalts aufweisen. Das BSG hat in seiner ständigen Rechtsprechung nur zwei Gruppen von Einnahmen von der Beitragspflicht ausgenommen. Dieses betrifft zum einen (Sozial-)Leistungen, die gerade der Kompensation eines bestehenden besonderen persönlichen Bedarfs dienen oder als "Hilfe in besonderen Lebenslagen" nicht für den "allgemeinen" Lebensbedarf des Betroffenen bestimmt sind, sondern dem Betroffenen ungekürzt erhalten bleiben sollen. Zum anderen sind bestimmte Geldleistungen des sozialen Entschädigungsrechts nicht zu verbeitragen, die in Ansehung eines in der Verantwortung der staatlichen Gemeinschaft erlittenen Sonderopfers gewährt werden und in nahezu der gesamten Rechtsordnung nicht als Einkommen gelten (BSG, Urteil vom 19. August 2015 - B 12 KR 11/14 R -, SozR 4-2500 § 240 Nr. 29 m.w.N).

Der zwischen der Klägerin und ihrem geschiedenen Ehemann vereinbarte Altersvorsorgeunterhalt ist mit keiner dieser Gruppen vergleichbar. Schon nach den Vorschriften des Familienrechts selbst umfasst der nacheheliche Unterhalt den gesamten Lebensbedarf (§ 1578 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Zum Lebensbedarf gehören auch die Kosten einer angemessenen Altersvorsorge (§ 1578 Abs. 3 BGB). Rein faktisch ist der Unterhaltsberechtigte in der tatsächlichen Verwendung der ihm für seinen Lebensunterhalt gewährten Unterhaltsleistungen frei (vgl. zur Beitragspflicht von Kranken- und Pflegevorsorgeunterhalt: BSG, Urteil vom 19. August 2015 - B 12 KR 11/14 R -, a.a.O.). Eine besondere, eigenständige Zweckbestimmung außerhalb des allgemeinen Lebensunterhalts wird folglich mit dem Altersvorsorgeunterhalt nicht verfolgt. Er prägt damit wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltsberechtigten im Sinne von § 240 Abs. 1 SGB V.

Auch steuerrechtlich ist der Anspruchsberechtigte wirtschaftlicher Inhaber der gesamten Unterhaltsforderung (§ 39 Abs. 1 Abgabenordnung (AO)). Soweit die BeitrVerfGrsSz bestimmen, dass Einnahmen und Geldmittel ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zur Beitragsbemessung heranzuziehen sind, hindert dieser Umstand gleichwohl nicht, die Wertung des Einkommensteuerrechts, eine Geldleistung sei eine Einnahme im Sinne des EStG, auch im Beitragsrecht zu berücksichtigen. Ziel der Regelung ist es, steuerrechtliche Vergünstigungen im Einkommensteuerrecht nicht auf die Beitragspflicht in der Krankenversicherung durchschlagen zu lassen. Im Hinblick auf das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit spricht die steuerrechtliche Zuordnung von Einnahmen als steuerbare Einkünfte jedoch in der Regel dafür, dass sie auch beitragsrechtlich als Einnahmen des Steuerpflichtigen zum Lebensunterhalt zu werten sind (vgl. zu vergleichbaren früheren Satzungsvorschriften: BSG, Urteil vom 17. März 2010 - B 12 KR 4/09 R -, SozR 4-2500 § 240 Nr. 14).

cc) Für den Senat ist kein sachlicher Grund ersichtlich, die der Klägerin zugeflossenen Unterhaltszahlungen anders zu bewerten. Im Rahmen von § 240 SGB V gilt vielmehr, dass eine zivilrechtliche Zweckbestimmung eine für die Beitragsbemessung grundsätzlich unbeachtliche Verwendung der Einnahmen ist (vgl. zu Abtretungen BSG, Urteil vom 17. März 2010 - B 12 KR 4/09 R -, a.a.O.; BSG, Urteil vom 21. Dezember 1993 - 12 RK 28/93 - SozR 3-2500 § 237 Nr. 3).

Die Klägerin verkennt bei ihrer Argumentation, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Sinne des § 240 Abs. 1 Satz 2 SGV bzw. - dieser gesetzlichen Anordnung folgend - § 3 Abs. 1 BeitrVerfGrsSz nicht von der Höhe der liquiden Mittel bestimmt wird. Im Beitragsrecht der freiwilligen Krankenversicherung können etwa auch Einnahmen, die der Erfüllung von Verbindlichkeiten dienen, zur Beitragsbemessung herangezogen werden (BSG, Urteil vom 17. März 2010 - B 12 KR 4/09 R -, SozR 4-2500 § 240 Nr. 14). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin durch die Einzahlungen in die Renten- bzw. Lebensversicherungsverträge nicht etwa geschmälert wurde. Vielmehr hat sie infolge der Zahlungen Forderungen gegen die Versicherungsunternehmen erworben.

b) Die nach den Feststellungen des FA C steuerrechtlich als Werbungskosten für die Unterhaltszahlungen ermittelten Ausgaben der Klägerin hat die Beklagte ebenfalls zu Recht bei der Bestimmung der beitragspflichtigen Einkünfte nicht in Abzug gebracht.

aa) Nach § 3 Abs. 1b) Satz 1 BeitrVerfGrsSz sind Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und Einnahmen aus Kapitalvermögen den beitragspflichtigen Einnahmen nach Abzug von Werbungskosten zuzurechnen. Diese Regelung stellt eine Ausnahmevorschrift dar, deren Anwendungsbereich auf die in dieser Vorschrift abschließend genannten Einkunftsarten beschränkt ist (hierzu (1)). Daher kommt eine beitragsrechtliche Privilegierung durch Abzug von Werbungskosten bei Einnahmen und Geldmitteln, die nicht in den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1b) Satz 1 BeitrVerfGrsSz fallen, im Rahmen einer analogen Anwendung der Norm nicht in Betracht (hierzu (2)).

(1) Die Beitragserhebung bei sonstigen, nicht hauptberuflich selbstständig tätigen freiwillig Versicherten wie der Klägerin folgt konzeptionell dem Bruttoprinzip. Auf das zu versteuernde Einkommen kommt es daher - wie dargelegt - grundsätzlich nicht an. Diesen beitragsrechtlichen Bemessungsmaßstab bildet auf einfachgesetzlicher Grundlage § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V ab; er wird untergesetzlich in § 3 Abs. 1 Satz 1 BeitrVerfGrsSz umgesetzt. Dem entsprechend werden Werbungskosten (vgl. § 9 EStG), die das zu versteuernde Einkommen mindern können, bei der Beitragsbemessung nicht berücksichtigt. Die Zugrundelegung des Bruttoprinzips ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 22. Mai 2001 - 1 BvL 4/96 -).

Insoweit stellt § 3 Abs. 1b) BeitrVerfGrsSz, wonach die Zurechnung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie bei Einnahmen aus Kapitalvermögen als beitragspflichtige Einnahme (erst) nach Abzug von Werbungskosten zu erfolgen hat, ersichtlich eine Ausnahmebestimmung dar. Bereits der Wortlaut der Vorschrift, der in enumerativer Benennung konkrete Einkunftsarten privilegiert, lässt aus Sicht des Senats allein den Schluss zu, dass nach dem Willen des Normgebers ein Abzug von Werbungskosten nur bei den ausdrücklich benannten Einkunftsarten statthaft ist.

(2) Eine Erweiterung der beitragsrechtlichen Privilegierung im Wege einer analogen Anwendung des § 3 Abs. 1b) BeitrVerfGrsSz verbietet sich. Insoweit mangelt es schon an einer für den Analogieschluss erforderlichen ungewollten Regelungslücke (hierzu (a)). Darüber hinaus sind die von § 3 Abs. 1b) BeitrVerfGrsSz erfassten Anwendungsfälle einerseits und der vorliegende Sachverhalt durch sachliche Unterschiede von einem solchen Gewicht gekennzeichnet, die einen Analogieschluss verbieten (hierzu (b)).

(a) Gegen die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke spricht schon, dass § 3 Abs. 1b) BeitrVerfGrsSz - wie dargelegt - als Ausnahmevorschrift ausgestaltet ist. Für den Senat ist vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich, dass die vom Normtext nicht erfasste Privilegierung von Unterhaltsleistungen auf einer unbewussten Lücke beruht. Hinzu kommt auch der Wortlaut von § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V, der - anders als etwa § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB V im Kontext zur Familienversicherung - auf die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und nicht auf das Gesamteinkommen abstellt. Als solches ist nach § 16 SGB IV die Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts zu verstehen, so dass bei dessen Bestimmung Werbungskosten im Sinne von § 9 EStG abzugsfähig sind. Das gilt hingegen nicht in gleicher Weise im Rahmen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Sinne des § 240 SGB V. Hieraus folgt, dass der Gesetzgeber zwischen dem "Bruttoprinzip" (Beitragsrecht) einerseits und dem "Nettoprinzip" (Gesamteinkommen) bewusst differenziert und (bereichsspezifisch) unterschiedliche rechtliche Konsequenzen knüpft. Dem entspricht es, dass zwischen dem Zugang zur Familienversicherung und dem Beitragsrecht der freiwilligen Versicherung teilweise keine Übereinstimmung besteht. Daraus, dass bei der Frage, ob eine Familienversicherung vorliegt, vom Unterhalt Werbungskosten abzuziehen sind (BSG, Urteil vom 3. Februar 1994 - 12 RK 5/92 -), lassen sich daher keine Rückschlüsse auf die Berücksichtigung von Werbungskosten bei der Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder ziehen. Die hieraus folgenden Inkongruenzen kann die Rechtsprechung nicht auflösen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Mai 2003 - B 12 KR 13/02 R -), insbesondere nicht, indem sie trotz des insoweit abweichenden Wortlauts der Vorschriften auch im Beitragsrecht auf das Gesamteinkommen abstellt.

Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass beim Arbeitseinkommen (§ 15 SGB IV), bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und solchen aus Kapitalvermögen das Nettoprinzip im Sinne eines Abzugs von Werbungskosten gilt (vgl. BSG, Urteil vom 23. September 1999 - B 12 KR 12/98 R -; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24. April 2008 - L 4 KR 386/04 -). Allerdings wird für die Beitragsbemessung beim Arbeitsentgelt (§ 14 Abs. 1 SGB IV), bei der Rente und bei Versorgungsbezügen auf den Bruttobetrag abgestellt (st. Rspr.; vgl. z.B. BSG, Urteil vom 22. Mai 2003 - B 12 KR 13/02 R -; BSG, Urteil vom 6. September 2001 - B 12 KR 5/01 R -). Zwar zählt der Unterhaltsanspruch bei versicherungspflichtig Beschäftigten nicht zu den beitragspflichtigen Einnahmen (§ 226 SGB V), so dass nach § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V nicht zwingend das Bruttoprinzip geboten ist (vgl. dazu BSG, Urteil vom 9. August 2006 - B 12 KR 8/06 R -). Insoweit könnte in den BeitrVerfGrsSz eine § 3 Abs. 1b) vergleichbare Regelung getroffen werden. Allerdings sind bei der Beurteilung, welcher Anteil der Einnahmen für den Lebensunterhalt zur Verfügung steht, vom Steuerrecht abweichende Regelungen zulässig (vgl. zu früheren Satzungsregelungen BSG, Urteil vom 23.September 1999 - B 12 KR 12/98 R -).

(b) Die beitragsrechtliche Behandlung von Unterhaltsleistungen einerseits und Einkünften aus Vermietung und Verpachtung oder aus Kapitalvermögen andererseits sind durch wesentliche sachliche Unterschiede gekennzeichnet. Letztere beruhen darauf, dass aus vorhandenen Vermögenswerten Einkünfte erzielt werden. Dazu sind zwingend - als Werbungskosten berücksichtigte - Aufwendungen erforderlich (BSG, Urteil vom 6. September 2001 - B 12 KR 5/01 R -; BSG, Urteil vom 9. August 2006 - B 12 KR 8/06 R -). Demgegenüber knüpfen Unterhaltsleistungen an einen familienrechtlichen Sachverhalt an und dienen - insoweit eher vergleichbar mit einer Hinterbliebenenrente, bei der im Zusammenhang mit der beitragsrechtlichen Beurteilung auf das Bruttoprinzip abgestellt wird - dem Lebensunterhalt des Berechtigten als Folge einer ehelichen bzw. verwandtschaftlichen Verantwortung.

Mit dem Erhalt von Unterhaltszahlungen sind - insoweit anders als bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung oder aus Kapitalvermögen - auch nicht zwangsläufig Aufwendungen verbunden. Der Unterhaltsanspruch besteht vielmehr kraft Gesetzes. Er setzt weder eine gerichtliche Auseinandersetzung noch sonstige Aufwendungen voraus. Immerhin gibt es auch Unterhaltsverpflichtete, die entsprechende Ansprüche erfüllen, ohne dass zu deren Realisierung Kosten entstehen.

Darüber hinaus sind Unterhaltsansprüche im Bereich der Krankenversicherung typischerweise ein Ersatz für die entfallene Teilhabe am Arbeitsentgelt des Unterhaltsverpflichteten. Auch dieses spricht dafür, bei Unterhaltsberechtigten - wie der Klägerin - vergleichbar mit abhängig Beschäftigten und Rentnern das Bruttoprinzip heranzuziehen.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

V. Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

Rechtskraft
Aus
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