L 16 KR 438/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 321/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 438/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 30.04.2019 wird zurückgewiesen. Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten für die Durchführung eines Oncotype DX Brustkrebstests in Höhe von 3.296,14 EUR.

Die im Jahr 1974 geborene Klägerin ist bei der Beklagten aufgrund ihrer Beschäftigung als Medizinisch-Technische-Assistentin gesetzlich krankenversichert. Bei ihr war im Juli 2017 ein Mammakarzinom rechts diagnostiziert worden.

Erstmals mit Schreiben vom 14.09.2017 beantragte das Abrechnungs- und Servicecenter T GmbH im Namen der Klägerin und unter Vorlage eines Kostenvoranschlages die Kostenübernahme für den Oncotype DX Brustkrebstest. Im Falle der Klägerin erlaubten die vorliegenden klinisch diagnostischen Daten keine klare Einschätzung, ob diese von einer Chemotherapie profitieren oder unnötigerweise unter deren Nebenwirkungen leiden würde. Um über die weiteren therapeutischen Maßnahmen entscheiden zu können, sei vom Tumorboard der behandelnden Klinik leitliniengerecht beschlossen worden, zusätzliche Informationen durch den Oncotype DX Brustkrebstest einzuholen. Um eine weitere leitliniengerechte Behandlung der Klägerin zu ermöglichen, werde um Entscheidung binnen 5 Tagen gebeten. Andernfalls werde dies als Ablehnung angesehen. Ebenfalls beigefügt war ein von der Klägerin am 13.09.2017 unterzeichneter "Behandlungsvertrag, Abtretung und Bevollmächtigung eines Abrechnungsdienstes", in dem die Klägerin ihren Anspruch auf Kostenerstattung für die Durchführung des Krebstests gegenüber der Beklagten an die T GmbH abtrat.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit an die Klägerin gerichtetem Bescheid vom 18.09.2017 ab. Sie könne sich an den Kosten des Oncotype DX Tests nicht beteiligen, da es sich um eine neue Untersuchungsmethode handele, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) bisher noch nicht bewertet worden sei.

Mit Schreiben vom 21.09.2017 beantragte die Klägerin erneut durch die T GmbH die Kostenübernahme. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit an die Klägerin gerichtetem Bescheid vom 22.09.2017 ab.

Mit Schreiben ebenfalls vom 22.09.2017 erhob die Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid vom 18.09.2017 Widerspruch, woraufhin die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) um Stellungnahme bat und die Klägerin hierüber unterrichtete.

Am 27.09.2017 führte die Klägerin den streitgegenständlichen Krebstest durch und überwies am 04.10.2017 die Kosten in Höhe von 3.296,14 EUR an die T GmbH.

Das Kompetenz-Centrum Onkologie (KCO) des MDK Nordrhein nahm in seinem Gutachten vom 24.10.2017 dahingehend Stellung, dass eine Kostenübernahme für den streitgegenständlichen Krebstest als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) weder evidenzbasiert-medizinisch noch sozialrechtlich begründet sei. Die Klägerin könne auf die vertragsärztlichen und vertraglichen Leistungen der Diagnostik und Therapie verwiesen werden. Das Bewertungsverfahren durch den GBA sei derzeit noch offen. Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag der Klägerin auf Kostenübernahme mit Bescheid vom 08.11.2017 erneut ab. Die Klägerin bat um zeitnahe Entscheidung über den Widerspruch.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2018 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Es fehle hinsichtlich des begehrten Krebstestes an einer positiven Empfehlung durch den GBA, die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V lägen nicht vor, denn es existiere eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Diagnostik.

Hiergegen hat die Kläger am 21.08.2018 Klage zu Sozialgericht Aachen erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V seien erfüllt. Beim Mammakarzinom handele es sich um eine lebensbedrohliche Erkrankung. Im Rahmen der Antragstellung sei ausgeführt worden, dass es keine andere Methode gebe, um eine Aussage zur Wirksamkeit einer Chemotherapie und der Wahrscheinlichkeit des Wiederauftretens der Erkrankung zu machen. In der aktuellen S3-Leitlinie (Stand September 2018) werde zur Risikoeinschätzung ausdrücklich auf die Möglichkeit von Multigentests wie dem Oncotype DX Krebstest verwiesen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 18.09.2017, 22.09.2017 und 08.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2018 zu verurteilen, ihr die Kosten für die Durchführung eines Onkotype DX - Brustkrebstestes in Höhe von 3.296,14 EUR zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen. Es bestünden hinsichtlich der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V bereits Zweifel, ob eine akut lebensbedrohliche Erkrankung vorliege. Darüber hinaus werde auf das Gutachten des MDK verwiesen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 30.04.2019 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Brustkrebstest um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handele, für die der GBA noch keine positive Empfehlung abgegeben habe. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V wie auch das eines Systemversagens hat das Sozialgericht verneint.

Gegen das ihr am 07.05.2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29.05.2019 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug genommen. Sie gehe vom Vorliegen eines Systemmangels aus. Zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung sei die positive Empfehlung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) - aus denen regelmäßig gleichlautend Entscheidungen des GBA resultierten - an den GBA bereits abzusehen gewesen. Diese Empfehlung beruhe auf der TAILORx-Studie, die gezeigt habe, dass diese nachweislich von diesem Test profitieren könne. Anhand dieser Studie hätten wissenschaftliche Erkenntnisse vorgelegen, die den Nutzen des Testes für diese belegten. Zudem sei durch andere Krankenkassen aus Anlass der TAILORx-Studie eine Kostenübernahme erfolgt. Inzwischen sei der streitgegenständliche Krebstest durch den GBA auch in den Leistungskatalog der GKV aufgenommen worden. Die Kosten einer Chemotherapie hätten die des Krebstestes zudem weit überstiegen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Aachen vom 30.04.2019 und der Bescheide vom 18.09.2017, 22.09.2017 und 08.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2018 zu verurteilen, ihr die Kosten für die Durchführung eines Onkotype DX - Brustkrebstestes in Höhe von 3.296,14 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Aus dem positiven GBA-Beschluss aus dem Jahr 2019 könne kein Anspruch der Klägerin auf Kostenübernahme für den bereits im Jahr 2017 durchgeführten Krebstest hergeleitet werden. Anhaltspunkte für ein Systemversagen lägen nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie der Prozessakte Bezug genommen, der der Entscheidung des Senats zu Grunde liegt.

II.

Der Senat konnte die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, weil er sie einstimmig zwar als zulässig erachtet, aber für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Er hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, weil der Fall keine Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht aufweist und zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes eine weitere mündliche Verhandlung nicht erforderlich erscheint. Die Beteiligten sind dazu schriftlich angehört worden.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthafte Klage mit dem angefochtenen Urteil zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.

Trotz der Abtretungserklärung vom 13.09.2017 - ihrem mit Schreiben vom 21.09.2017 gestellten Antrag lag keine solche Erklärung bei - ist die Klägerin aktivlegitimiert. Unabhängig davon, dass es an der erforderlichen Feststellung der Beklagten fehlte, dass die Übertragung - die grundsätzlich auch bezüglich zukünftiger Kostenerstattungsansprüche nach § 13 Abs. 3 SGB V möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 18.07.2006 - B 1 KR 24/05 -, BSGE 97, 6-16) - im wohlverstandenen Interesse der Klägerin lag und damit schwebend unwirksam war (Gutzler in: BeckOK SozR, SGB I, 56. Ed. 01.03.2020, § 53 Rn. 16), ist die Klägerin berechtigt, den Anspruch in eigenem Namen geltend zu machen, ohne dass der Abtretungsempfänger am Verfahren beteiligt werden müsste.

Die Abtretungserklärung kann nur dahin verstanden werden, dass der (zukünftige) Kostenerstattungsanspruch erfüllungshalber (§ 364 Abs. 2 BGB) abgetreten werden sollte, weil nicht davon auszugehen ist, dass der Leistungserbringer das Risiko des Ausfalls einer Kostenerstattung seitens der Beklagten übernehmen wollte. Die Abtretung führte daher nur dazu, dass der Gläubiger vorrangig den Dritten in Anspruch zu nehmen hatte, bevor er Erfüllung von der Schuldnerin verlangen konnte (BGH, Urteil vom 11.12.1992 - VIII ZR 31/91 - DB 1992,470,473). Mit der Erfüllung der Schuld durch die Klägerin (Überweisung der Klägerin an die T GmbH vom 04.10.2017) entfielen aber sowohl diese vorrangige Verpflichtung als auch die Berechtigung der Inanspruchnahme des Dritten seitens des Leistungserbringers.

Die Klägerin ist durch die Ablehnungsbescheide vom 18.09.2017, 22.09.2017 und 08.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2018 nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Beklagte hat die Übernahme der Kosten für die Durchführung des Brustkrebstestes Oncotype DX zu Recht abgelehnt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der ihr in diesem Zusammenhang entstandenen Kosten in Höhe von 3.296,14 EUR.

Als Anspruchsgrundlage kommt vorliegend allein § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Die Voraussetzungen für eine Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V liegen nicht vor, weil der auf den 14.09.2017 datierte Antrag der Klägerin bereits mit Bescheid vom 18.09.2017 beschieden wurde und ihr - dies folgt aus ihrem Widerspruch vom 22.09.2017 - auch innerhalb der maßgeblichen Dreiwochenfrist zugegangen ist. Den späteren, auf den 21.09.2017 datierten Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22.09.2017 und damit ebenfalls fristwahrend ab.

Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V besteht nicht. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Kostenerstattung, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (1.) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind (2.), soweit die Leistungen notwendig waren. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG reicht der Kostenerstattungsanspruch nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch (vgl. BSG, Urteil vom 27.03.2007 - B 1 KR 25/06 R -, SozR 4-2500 § 116b Nr. 1, Rn. 10). Er setzt voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. BSG, Urteil vom 07.05.2013 - B 1 KR 8/12 R -, SozR 4-2500 § 27a Nr. 14, Rn. 8).

Der Senat kann offen lassen, ob die Leistung unaufschiebbar i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt SGB V war, da es jedenfalls an einem Sachleistungsanspruch der Klägerin fehlte. Unaufschiebbarkeit liegt vor, wenn die Leistungserbringung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs bis zur Entscheidung der Krankenkasse mehr besteht (vgl. hierzu etwa BSG, Urteil vom 14.12.2006 - B 1 KR 8/06 R -, BSGE 98, 26-33, SozR 4-2500 § 13 Nr. 12, Rn. 23). Für das Vorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzung könnte sprechen, dass ausweislich der Antragsunterlagen vom 14.09.2017 die Entscheidung für oder gegen eine mögliche adjuvante Chemotherapie baldmöglichst nach der bei der Klägerin am 31.08.2017 durchgeführten Operation getroffen werden sollte bzw. die Testergebnisse spätestens zwei Wochen hiernach vorliegen musste, da die Tumorkonferenz zwischen zwei und drei Wochen nach der Operation über die Therapie entscheiden wollte, was eine sehr zeitnahe Beauftragung des Tests erforderte.

Angesichts des fehlenden Sachleistungsanspruchs kann der Senat gleichfalls dahinstehen lassen, ob vor dem Hintergrund des am 13.09.2017 und damit schon vor Antragstellung unterzeichneten Behandlungsvertrages der Beschaffungsweg eingehalten worden ist.

Die Beklagte war nicht gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V zur Kostenübernahme für den Oncotype DX Brustkrebstest verpflichtet. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Zur Krankheitserkennung gehören alle für die Erstellung der Diagnose und die Vorbereitung der Behandlung erforderlichen Maßnahmen, also die Erhebung der Anamnese, die klinische Untersuchung und gegebenenfalls eine genauere Befunderhebung mittels laborchemischer, apparativer, technischer, unter Umständen auch invasiver Untersuchungsverfahren (Steege in: Hauck/Noftz, SGB, 10/19, § 27 SGB V, Rn. 57). Zutreffend hat das Sozialgericht ausgeführt, dass der Behandlungs- und Versorgungsanspruch einer Versicherten den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen unterliegt und eine Kostenübernahme zunächst voraussetzt, dass die betreffende Untersuchungsmethode von der Leistungspflicht der GKV umfasst ist. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden - um die es sich bei dem Oncotype DX Brustkrebstest im maßgeblichen Zeitraum der Durchführung im September 2017 handelte - in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V grundsätzlich nur dann der Fall, wenn zunächst der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Zudem muss der Bewertungsausschuss sie zum Gegenstand des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM) gemacht haben (vgl. BSG, Urteil vom 07.05.2013 - B 1 KR 44/12 R -, BSGE 113, 241-250). Zwar hat der GBA zwischenzeitlich durch am 23.08.2019 in Kraft getretenen Beschluss entschieden, dass der Oncotype DX Brustkrebstest zukünftig Kassenleistung wird; im September 2017 lag eine solche Empfehlung aber noch nicht vor und war auch nicht absehbar.

Ein Systemversagen, für dessen Beurteilung auf den Zeitpunkt der Selbstbeschaffung der Leistung abzustellen ist (vgl. BSG, Urteil vom 11.05.2017 - B 3 KR 17/16 R Rn. 57, juris), lag nicht vor. Im September 2017 gab es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse und keine gesicherte Datenbasis, nach denen sich die Überprüfung der Methode durch den GBA oder eine Verfahrenseinleitung durch die insoweit antragsberechtigten Institutionen hätte aufdrängen müssen. Der GBA hatte infolge des vom GKV-Spitzenverband im Oktober 2013 gestellten Antrags auf Bewertung von biomarkerbasierten Tests zur Entscheidung für oder gegen eine adjuvante systematische Chemotherapie beim primären Mammakarzinom mit Beschluss vom 19.12.2013 die Einleitung des Beratungsverfahrens beschlossen. Er hat dem IQWiG am 22.04.2014 einen Auftrag zur Bewertung von biomarkerbasierten Tests zur Entscheidung für oder gegen eine adjuvante systemische Chemotherapie beim primären Mammakarzinom erteilt. Dieses kam in seinem Abschlussbericht vom 27.10.2016 zu dem Ergebnis, dass für einen Nutzen bzw. Schaden einer biomarkerbasierten Strategie zur Entscheidung für oder gegen eine adjuvante Chemotherapie beim primären Mammakarzinom derzeit kein Anhaltspunkt vorliege. Zu diesem Zeitpunkt lief die TAILORx-Studie noch, worauf das IQWiG in seinem Abschlussbericht hinwies. Nach deren Abschluss - die Ergebnisse wurden Anfang Juni 2018 und damit deutlich nach Durchführung des Tests durch die Klägerin veröffentlicht - legte das IQWiG im September 2018 die Auswertung neuer Studienergebnisse in einem Addendum zum Abschlussbericht vor.

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann ein Systemversagen in Ansehung der Veröffentlichung der Ergebnisse der TAILORx-Studie im Juni 2018 nicht angenommen werden, denn maßgeblich ist der Zeitpunkt der Selbstbeschaffung. Als die Klägerin den Test durchführte, lagen die Ergebnisse der TAILORx-Studien aber unstreitig noch nicht vor, so dass zu diesem Zeitpunkt gerade keine wissenschaftlichen Erkenntnisse bestanden, die den Nutzen des Onkotype DX Tests hinreichend belegten. Maßgeblich war seinerzeit die Stellungnahme des IQWiG aus dem Jahr 2016.

Ein Leistungsanspruch der Versicherten lässt sich auch nicht aus dem Vorliegen eines sogenannten Seltenheitsfalles ableiten. Dafür darf das festgestellte Krankheitsbild aufgrund seiner Singularität medizinisch nicht erforschbar sein (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2011 - B 1 KR 20/10 R; Urteil vom 03.07.2012 - B 1 KR 25/11 R m.w.N.), was beim Mammakarzinom nicht der Fall ist.

Der Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1a SGB V. Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von Abs. 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Der Senat kann offen lassen, ob die Versicherte im Zeitpunkt der Durchführung des Krebstests nach erfolgreicher Operation des Mammakarzinoms an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung litt. Jedenfalls bestanden ausweislich des Gutachtens des KCO vom 24.10.2017 für Diagnostik und Therapieabwägung in der adjuvanten Situation keine Alternativlosigkeit und kein leistungsrechtlicher Notstand. Vielmehr existierten vertragsärztliche und vertragliche Leistungen zur Bestimmung der krankheits- und therapierelevanten Faktoren für die Entscheidung für bzw. gegen eine Chemotherapie u.a. durch etablierte Standarddiagnostik mit Histopathologie des Tumorgewebes, Bestimmung des pTNM-Stadiums, Röntgen und Sonographie.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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