L 7 AS 285/18

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 19 AS 944/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 285/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 360/20 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20.12.2017 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen zu 2/5 zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der den Klägern zu zahlenden Kosten der Unterkunft und Heizung von Dezember 2014 bis (zuletzt noch) März 2015. Der 1960 geborene Kläger zu 1), die 1962 geborene Klägerin zu 2) und der 1995 geborene Kläger zu 3) bezogen in Bedarfsgemeinschaft mit kleineren Unterbrechungen seit 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Ursprünglich gehörte auch die Tochter der Kläger zu 1) und 2), die 1993 geborene E C, zur Bedarfsgemeinschaft. Die Kläger bewohnten zunächst eine Wohnung in der L-Str. 00 in B. Mit Schreiben vom 19.10.2009 teilte die Beklagte den Klägern mit, ihre Wohnung sei mit einem monatlichen Mietzins von 569,58 EUR unangemessen. Ab dem 01.05.2010 könne nur noch eine angemessene Bruttokaltmiete von 540 EUR übernommen werden. Die Kläger reichten am 08.12.2009 bei der Beklagten eine Mietbescheinigung für die 89 Quadratmeter große Wohnung I 00 in B zu einer Kaltmiete von 386 EUR, Betriebskosten von 120 EUR und Heizkosten von 90 EUR ein. Mit Bescheid vom 11.12.2009 erteilte die Beklagte eine Zusicherung zur Übernahme der Kosten für diese Wohnung. Die Aufwendungen seien angemessen. Der Umzug sei erforderlich, weil die bisherige Wohnung unangemessen teuer gewesen sei. Die Kläger zu 1) und 2) mieteten ab dem 01.04.2010 die Wohnung I 00. Die Beklagte übernahm in der Folge die tatsächlichen Kosten für die Wohnung. Ab dem 01.08.2011 war der Kläger zu 1) als LKW-Fahrer beschäftigt. Mit Bescheid vom 04.10.2011 hob die Beklagte wegen des Erwerbseinkommens des Klägers zu 1) den Bescheid vom 28.04.2011 ab dem 01.09.2011 auf. Das Arbeitsverhältnis des Klägers zu 1) wurde zum 30.11.2011 gekündigt. Im Dezember 2011 beantragten die Kläger erneut Leistungen. Die Tochter E war zu diesem Zeitpunkt Zeitsoldatin und in einer Kaserne untergebracht. Sie kehrte nicht mehr in die Wohnung zurück, die Beklagte trug die vollen Kosten der Unterkunft und Heizung zunächst aber weiter. Im Juli 2013 erstellte die Firma B1 & L1 im Auftrag des I1-Kreises, dem die Beklagte angehört, das "Konzept zur Ermittlung der Angemessenheit der Unterkunftskosten im I1-Kreis - Endbericht Juli 2013". Sie bediente sich bei der Erstellung des Konzepts einer sogenannten Clusteranalyse, sah den I1-Kreis als einheitlichen Vergleichsraum an und fasste innerhalb dieses Vergleichsraums Gebiete vergleichbarer Wohnungsmarkt- und Mietpreisstrukturen unabhängig von ihrer Lage zusammen. Für den I1-Kreis wurden drei Wohnungsmarkttypen gebildet, wobei der "Wohnungsmarkttyp 1" nur das Gebiet der Beklagten umfasste. Durch die Firma B1 & L1 wurden zur Ermittlung der Bestandsmieten umfangreiche Vermieterbefragungen durchgeführt. So wurden größere Vermieter und Verwalter befragt und zufällig ausgewählte 11000 weitere Haushalte angeschrieben, deren Adressen von der "E1 direkt" gekauft wurden. Die so ermittelten Bestandsmieten wurden durch Daten aus dem SGB II-Datensatz ergänzt. Die Datenerhebung erfolgte hinsichtlich der Bestands- und Neuvertragsmieten in der Zeit von September 2012 bis Januar 2013 zum Stichtag 01.09.2012. Sie bezog sowohl Mieten auf dem freien Wohnungsmarkt als auch öffentlich geförderte Wohnungen ein. Zur Ermittlung der Angebotsmieten wurden Wohnungsangebote in der Zeit von Januar 2012 bis Dezember 2012 über Internetportale, Anzeigenblätter etc. ermittelt und registriert. In die Datenerhebung wurden alle Wohnungsbestände und relevanten Vermietergruppen einbezogen. Substandardwohnungen ohne innenliegendes Bad und Sammelheizung, Dubletten und Wohnungen mit Besonderheiten (Freundschaftsmieten, Werkwohnungen etc.) und Wohnungen mit einer Wohnfläche unter 35 Quadratmetern, ebenso Ausreißer ("Extremwertkappung") für besonders günstige/teure Mieten, wurden ausgeschlossen. Aus diesem Datenmaterial ermittelte B1 & L1 die für Bezieher von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende angemessenen Wohnungen im unteren Marktsegment, indem zunächst, differenziert nach Haushaltsgröße, die Zahl der Haushalte ermittelt wurden, die entweder selbst Grundsicherung für Arbeitsuchende, Sozialhilfe, BAföG, Berufsausbildungsbeihilfe oder Wohngeld beziehen oder mit Beziehern diesen Leistungen um preisgünstigen Wohnraum konkurrieren. Bei den konkurrierenden Nachfragern handelt es sich um Haushalte mit einem geringen Einkommen, die unabhängig von Sozialleistungen sind. Hinsichtlich der letztgenannten Gruppe nahm die Firma B1 & L1 wegen des Fehlens konkreter statistischer Daten an, dass die Nachfragegruppe 10 % der Haushalte ausmacht. Danach war ab dem 01.08.2013 im Gebiet der Beklagten für einen Dreipersonenhaushalt eine maximale Bruttokaltmiete von 444,80 EUR angemessen. Mit Schreiben vom 30.10.2013 teilte die Beklagte den Klägern mit, die Bruttokaltmiete für ihre Wohnung sei nicht angemessen. Gemäß dem Konzept sei für B nur eine Bruttokaltmiete iHv 444,80 EUR angemessen. Die Miete könne nur noch bis zum 30.11.2014 in der vollen Höhe übernommen werden. Unter dem 17.09.2014 erstellte die Firma B1 & L1 den Endbericht "KdU-Richtwerte 2014 - Indexfortschreibung des schlüssigen Konzepts 2012". Der Endbericht stützte sich weiter auf die Daten des bisherigen Konzepts, passte die hierin ermittelten Werte aber unter Berücksichtigung der Preisentwicklung zwischen September 2012 und September 2014 an. Sie legte die "Verbraucherpreisindizes NRW" zugrunde und multiplizierte die Wohnungsmiete ohne Nebenkosten mit dem Faktor 1,0329 und die Nebenkosten mit dem Faktor 1,0242. Anstelle einer angemessenen Bruttokaltmiete von 444,80 EUR errechnete sich nunmehr für den Zuständigkeitsbereich der Beklagten für einen Dreipersonenhaushalt eine angemessene Bruttokaltmiete iHv 458,40 EUR. Die Indexfortschreibung sollte ab dem 01.01.2015 Geltung haben. Mit Bescheid vom 28.11.2014 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen von Dezember 2014 bis Mai 2015. Sie berücksichtigte nur noch Kosten der Unterkunft und Heizung iHv 534,80 EUR monatlich (444,80 EUR Bruttokaltmiete zuzüglich 90 EUR Heizkosten). Die tatsächlichen Kosten der Kläger beliefen sich in diesem Zeitraum auf 566 EUR (386 EUR Kaltmiete, 90 EUR Betriebskosten, 90 EUR Heizkosten). Die Indexfortschreibung setzte die Beklagte für die Zeit ab Januar 2015 nicht um. Am 15.12.2014 erhoben die Kläger Widerspruch gegen diesen Bescheid. Mit Bescheid vom 28.12.2015 änderte die Beklagte den Bescheid vom 28.11.2014 in Ansehung der Erhöhung der Regelbedarfe zum 01.01.2015. Weitere Änderungen enthielt der Bescheid - ebenso wie ein weiterer Änderungsbescheid vom 28.01.2015 - nicht. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2015 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 28.11.2014 zurück. Die Kosten der Unterkunft seien unangemessen, weil sie die von der Firma B1 & L1 ermittelten angemessenen Unterkunftskosten überstiegen. Aufgrund der Kostensenkungsaufforderung sei den Klägern eine Reduzierung der Kosten möglich gewesen. Die Kläger hätten keine Bemühungen zur Kostensenkung nachgewiesen.

Am 16.03.2015 haben die Kläger Klage gegen den Bescheid vom 28.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2015 erhoben und beantragt, die Beklagte zur Zahlung weiterer Kosten für Unterkunft und Heizung iHv monatlich 31,20 EUR zu verurteilen. Der Beklagte habe kein schlüssiges Konzept. Insbesondere widerspreche der Ansatz der Clusterbildung der Rechtsprechung des BSG. Die Kriterien der Infrastruktur und der verkehrstechnischen Verbundenheit seien unberücksichtigt gelassen worden. Unzulässig sei weiter, dass Wohnungen unter 35 Quadratmetern bei der Datenerhebung außer Acht gelassen worden seien, zu wenige Datensätze ausgewertet worden seien und der Erhebungszeitraum zu kurz gewesen sei. Die Kläger haben eine Bescheinigung des Hausarztes des Klägers zu 1), Dr. B2 C1 beigefügt, wonach dem Kläger zu 1) zur Zeit ein Umzug nicht zuzumuten sei. Die Kläger haben auf die Zusicherung der Beklagten vom 11.12.2009 verwiesen. Diese Zusicherung sei nicht zurückgenommen worden.

In einem Erörterungstermin am 19.06.2017 vor dem Sozialgericht hat der Kläger zu 3) das Verfahren für April 2015 und Mai 2015 für erledigt erklärt, weil er in diesen Monaten Leistungen nach dem BAföG bezogen hatte.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 28.11.2014 in Gestalt in Gestalt der Änderungsbescheide vom 28.12.2014 und 28.01.2015 sowie des Widerspruchsbescheids vom 04.03.2015 zu verurteilen, ihnen für die Monate Dezember 2014 bis März 2015 sowie den Klägern zu 1) und 2) darüber hinaus für die Monate April und Mai 2015 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in solcher Höhe zu gewähren, die sich ergibt bei Berücksichtigung einer Bruttokaltmiete in Höhe von weiteren 31,20 EUR für die von den Klägern bewohnte Wohnung.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat das von ihm für die Berechnung der Bruttokaltmiete angewandte Konzept der Fa. B1 & L1 für schlüssig gehalten und gesundheitliche Gründe, die einem Umzug entgegenstehen, nicht gesehen.

Das Sozialgericht hat zur Feststellung der Umzugsfähigkeit des Klägers zu 1) nach einer entsprechenden Einverständniserklärung Berichte von den behandelnden Ärzten des Klägers eingeholt. Die Kardiologen X und Dr. I1 haben dem Kläger zu 1) eine koronare Herzkrankheit und arterielle Hypertonie bescheinigt. Der Kläger zu 1) sei in der Lage, mit der Hilfe eines Umzugsunternehmens umzuziehen. Dr. C1 hat dem Kläger zu 1) mit Attest vom 21.11.2016 bescheinigt, ein Umzug sei diesem 2015 auch mit fremder Hilfe nicht möglich gewesen. 2014 sei der Kläger zu 1) nicht in seiner Behandlung gewesen. Jegliche Art von körperlicher oder seelischer Belastung solle vermieden werden. Der mit Erkrankungen der Wirbelsäule befasste Privatdozent Dr. C2 hat mit Schreiben vom 17.01.2017 mitgeteilt, zur Umzugsfähigkeit des Klägers zu 1) im streitgegenständlichen Zeitraum keine Angaben machen zu können, weil sein Vorgänger diesen behandelt habe. Der Allgemeinmediziner Dr. U, bei dem der Kläger vom 26.06.2013 bis zum 11.03.2015 in Behandlung war, hat erklärt, der Kläger zu 1) sei von ihm wegen eines LWS-Syndroms und eines metabolischen Syndroms therapiert worden. Eine COPD liege nicht vor. Die Behandlung chronischer Rückenschmerzen habe im Vordergrund gestanden. Beim Kläger zu 1) habe eine diskrete Bandscheibenprotrusion ohne Spinalkanaleinengung vorgelegen. Er habe ein Attest über die fehlende Umzugsfähigkeit benötigt, dieses aber nicht bekommen, weil weder ein Bandscheibenvorfall noch eine COPD bestünden. Dann habe der Kläger zu 1) den Arzt gewechselt. Der Kläger zu 1) sei sehr von seiner Erkrankung überzeugt. Da der Kläger zu 1) mobil sei, benötige er auch keine barrierefreie Wohnung.

Mit Urteil vom 20.12.2017 hat das Sozialgericht den Beklagten bei Zulassung der Berufung unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 28.11.2014 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 28.12.2014 und 28.01.2015 sowie des Widerspruchsbescheids vom 04.03.2015 verurteilt, sämtlichen Klägern für Januar 2015 bis März 2015 sowie den Klägern zu 1) und 2) darüber hinaus für April 2015 und Mai 2015 weitere Kosten für Unterkunft und Heizung iHv 4,53 EUR monatlich zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Für den Kläger zu 3) sei nur über die Monate Dezember 2014 bis März 2015 zu entscheiden, weil seine Erledigungserklärung für die Monate April 2015 und Mai 2015 als teilweise Klagerücknahme auszulegen sei. Für Dezember 2014 sei die Klage insgesamt unbegründet. Die Beklagte habe die Kosten für Unterkunft und Heizung zutreffend ermittelt, insbesondere 444,80 EUR als angemessene Bruttokaltmiete festgesetzt. Die Kläger hätten keinen weitergehenden Anspruch aus der Zusicherung vom 11.12.2009, denn die Beklagte sei gemäß § 34 Abs. 3 SGB X nicht mehr an die Zusicherung gebunden. Mit dem Auszug der Tochter sei eine Änderung der Sachlage eingetreten, bei deren Kenntnis der Beklagte die Zusicherung nicht neu erteilt hätte. Nach § 22 Abs. 4 Satz 2 Hs. 1 SGB II sei zudem die Angemessenheit einer Wohnung Voraussetzung für die Erteilung einer Zusicherung. Die Wohnung sei aber unangemessen. Dies gelte selbst dann, wenn man einen Erkenntnisausfall annehme und auf die Tabellenwerte des § 12 Abs. 1 WoGG zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 10 Prozent abstelle, denn die Bruttokaltmiete von 506 EUR überschreite den so ermittelten Wert von 496,10 EUR. Umstände, die im Rahmen der Ermessensentscheidung des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II Anhalt für eine abweichende Entscheidung des Beklagten trotz Unangemessenheit der Wohnung geben könnten, seien nicht ersichtlich. Auch § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II gebiete nicht die Berücksichtigung einer höheren Bruttokaltmiete. Die Angemessenheitsgrenze sei durch Multiplikation der abstrakt angemessenen Wohnfläche mit der abstrakt angemessenen Bruttokaltmiete zu ermitteln. Für die Kläger sei eine Wohnfläche von 80 qm angemessen und eine Bruttokaltmiete pro Quadratmeter von 5,56 EUR. Der letztgenannte Wert ergebe sich aus dem "Konzept zur Ermittlung der Angemessenheitskosten im I1-Kreis - Endbericht Juli 2013". Dieses Konzept sei schlüssig. Die Kläger hätten nicht dargelegt, dass ihnen die Anmietung einer Wohnung zu dem angemessenen Preis unmöglich gewesen sei, zumal sie keine eigenen Umzugsbemühungen nachgewiesen hätten. Aufgrund der Kostensenkungsaufforderung sei es den Klägern auch subjektiv möglich gewesen, die Kosten zu senken. Ab Januar 2015 seien allerdings monatlich weitere 4,50 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen und es sei eine Bruttokaltmiete von 458,40 EUR monatlich zugrunde zu legen, denn die angemessene Bruttokaltmiete betrage für einen Dreipersonen-Haushalt in B ab Januar 2015 5,73 EUR je Quadratmeter. Dieser Wert ergebe sich aus der von der Beklagten seit dem 01.01.2015 zur Anwendung gebrachten Indexfortschreibung aus dem Oktober 2014. Eine erneute Fortschreibung sei nicht erforderlich, weil weder zwischen der Erstellung des Ursprungskonzepts im Juli 2013 und der Indexfortschreibung noch zwischen der Indexfortschreibung und den streitgegenständlichen Monaten mehr als zwei Jahre vergangen seien.

Am 22.02.2018 haben die Kläger Berufung gegen das ihnen am 25.01.2018 zugestellte Urteil eingelegt. Das Konzept sei nicht schlüssig. Es liege auch kein faires Verfahren vor, weil die Rohdaten nicht zur Verfügung gestellt worden seien. Die Auswirkungen des Flüchtlingszuzugs 2015/2016 seien nicht berücksichtigt worden.

Nach den Urteilen des BSG vom 30.01.2019 (B 14 AS 10/18 R, B 14 AS 11/18 R, B 14 AS 12/18 R, B 14 AS 24/18 R, B 14 AS 41/18 R) hat die Firma B1 & L1 "Korrekturberichte nach Neuausrichtung der Vergleichsräume", unter anderem für die Zeiträume vom August 2013 bis Dezember 2014 und von Januar 2015 bis Dezember 2016 erstellt. Sie hat den I1-Kreis nunmehr in vier Vergleichsräume eingeteilt und sich hierbei an den anhand der zentralen Orte vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung gebildeten raumordnerischen Planungsregionen (Mittelbereiche) orientiert. Die sieben Mittelbereiche B, T, N, T1, C3, N1 und X1 wurden zu vier Vergleichsräumen zusammengefasst (B, N, C3, X1), weil die kleineren Mittelbereiche teilweise nur einen Bestand von weniger 5000 Mietwohnungen aufwiesen, so dass keine Repräsentativität der Datenerhebung angenommen werden konnte. B1 & L1 hat sich hierbei an der verkehrstechnischen Verbundenheit der Mittelbereiche orientiert. Der "Vergleichsraum 1", der nur das Gebiet der Beklagten erfasst, ist mit dem diesbezüglichen Mittelbereich und auch mit dem früheren "Wohnungsmarkttyp 1" identisch. Im Übrigen, insbesondere im Hinblick auf die Datenerhebung, ist es beim "Konzept zur Ermittlung der Angemessenheit der Unterkunftskosten im I1-Kreis Endbericht Juli 2013" verblieben. Auf dieser Grundlage hat die Firma B1 & L1 für den 01.08.2013 bis zum 31.12.2014 nunmehr eine angemessene Bruttokaltmiete für einen Dreipersonenhaushalt iHv 449,60 EUR und von Januar 2015 bis Dezember 2016 iHv 460 EUR ermittelt. Die Unterschiede zu den früheren Angemessenheitswerten trotz unveränderten Zuschnitts des "Vergleichsraums 1" ergeben sich daraus, dass die Betriebskosten nunmehr nicht mehr für den Gesamtkreis, sondern gesondert für jeden Vergleichsraum bestimmt worden sind. Im Korrekturbericht für die Zeit von Januar 2015 bis Dezember 2016 wendet B1 & L1 nunmehr für die Indexierung nicht mehr die "Verbraucherindizes NRW", sondern gemäß dem Urteil des BSG vom 12.12.2017 - B 4 AS 33/16 R den vom Statistischen Bundesamt ermittelten bundesweiten Verbraucherpreisindex ("Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland") an. Hieraus ergibt sich für den Zeitraum von September 2012 (Datenerhebung) bis September 2014 eine für die Hilfebedürftigen ungünstigere prozentuale Veränderung von 2,36%. Aus Gründen des Bestandsschutzes ist es bei den vorab berechneten Werten geblieben.

In einem Erörterungstermin vor dem Senat am 05.03.2020 hat die Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben und sich bereit erklärt, den Klägern aufgrund des Korrekturberichts für Dezember 2014 bis Mai 2015 einen Betrag von insgesamt 11,93 EUR (5 EUR Differenz zwischen 449,60 und 444,60 EUR für Dezember 2014, jeweils 1,60 EUR Differenz zwischen 460 EUR und 458,40 EUR für Januar 2015 bis Mai 2015, aufgrund der Erledigungserklärung des Klägers zu 3) für April 2015 und Mai 2015 allerdings für diese Monate nur zu 2/3) nachzuzahlen.

Nach Hinweis des Senats im Termin zur mündlichen Verhandlung am 13.08.2020, dass aufgrund des BAföG-Bezuges des Klägers zu 3) in den Monaten April 2015 und Mai 2015 von einer Zwei-Personen-Bedarfsgemeinschaft und den entsprechenden Angemessenheitswerten auszugehen sei, hat die Beklagte sich verpflichtet, den Klägern zu 1) und 2) den sich hieraus ergebenden Differenzbetrag zu den bislang gezahlten Leistungen in Höhe von insgesamt 10,68 EUR nachzuzahlen. Die Kläger haben das Teilanerkenntnis unter Verzicht auf eine Bescheiderteilung angenommen.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20.12.2017 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 28.11.2014 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 28.12.2014 und 28.01.2015 sowie des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2015 zu verurteilen, ihnen für Dezember 2014 bis März 2015 höhere Kosten der Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung einer monatlichen Bruttokaltmiete von 476,00 EUR zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält den Korrekturbericht für schlüssig und verweist darauf, dem Kläger die Rohdaten des Konzepts zur Verfügung gestellt zu haben. Mit Schriftsatz vom 03.06.2020 hat die Beklagte Übersichten über Wohnungsangebote im Bereich der Beklagten für drei Personen (65 bis 80 qm) innerhalb der Angemessenheitsgrenzen für die Zeit von Dezember 2014 bis Mai 2015 übersandt, die sie aus Zeitungsinseraten bzw. Internetportalen entnommen hat.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die aufgrund der Zulassung durch das Sozialgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.

Streitgegenstand des Verfahrens ist ein höherer Anspruch der Kläger auf Kosten der Unterkunft und Heizung von Dezember 2014 bis März 2015 unter entsprechender Änderung des Bescheids vom 28.11.2014 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 28.12.2014 und 28.01.2015 sowie des Widerspruchsbescheids vom 04.03.2015.

Die Berufung gegen die Klageabweisung bezüglich der Bescheide vom 28.12.2014 und 28.01.2015 ist bereits deswegen unbegründet, weil die Klage gegen diese Bescheide nicht zulässig war. Die Kläger haben den Rechtsstreit zulässig (vgl. BSG Urteil vom 16.06.2015 - B 4 AS 37/14 R) auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung beschränkt. Die Bescheide vom 28.12.2015 und 28.01.2015 betreffen nur die Regelleistung.

Die Kläger haben nach den Teilanerkenntnissen der Beklagten im Erörterungstermin vom 05.03.2020 und im Senatstermin am 13.08.2018 im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung.

Die Kläger sind erwerbsfähige Leistungsberechtigte iSd § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Sie hatten im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht vollendet (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II), waren erwerbsfähig (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II), hilfebedürftig (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II) und hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Leistungsausschlussgründe liegen nicht vor. Deshalb steht ihnen ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II zu (§ 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Die Leistungen umfassen den Bedarf für Unterkunft und Heizung (§ 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II).

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Tatsächlich waren von den Klägern im streitgegenständlichen Zeitraum monatlich Unterkunfts- und Heizkosten iHv 566 EUR (hiervon 90 EUR für Heizkosten) an ihre Vermieter zu zahlen. Die Unterkunftskosten sind oberhalb des Betrags von nunmehr 539,60 EUR für Dezember 2014 und 550 EUR für Januar 2015 bis März 2015, den die Beklagte bereits übernommen und zu Recht anteilig auf die Kläger verteilt hat (zum Kopfteilprinzip vgl. BSG Urteil vom 02.12.2014 - B 14 AS 50/13 R), nicht angemessen.

Bei dem Tatbestandsmerkmal "Angemessenheit" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die Konkretisierung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs ist gerichtlich voll überprüfbar (BSG Urteil vom 30.01.2019 - B 14 AS 11/18 R mwN).

Die Bestimmung des angemessenen Umfangs der Aufwendungen für die Unterkunft hat in zwei größeren Schritten zu erfolgen: Zunächst sind die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft, bestehend aus Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten (Bruttokaltmiete) zu ermitteln; dann ist die konkrete (subjektive) Angemessenheit dieser Aufwendungen im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen, insbesondere auch im Hinblick auf die Zumutbarkeit der notwendigen Einsparungen, einschließlich eines Umzugs, zu prüfen. Die Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete hat unter Anwendung der Produkttheorie (Wohnungsgröße in Quadratmeter multipliziert mit dem Quadratmeterpreis) in einem mehrstufigen Verfahren zu erfolgen: (1) Bestimmung der (abstrakt) angemessenen Wohnungsgröße für die leistungsberechtigte(n) Person(en), (2) Bestimmung des angemessenen Wohnungsstandards, (3) Ermittlung der aufzuwendenden Nettokaltmiete in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung nach einem "schlüssigen Konzept" und (4) Einbeziehung der angemessenen kalten Betriebskosten (zusammenfassend BSG Urteile vom 30.01.2019 - B 14 AS 11/18 R und B 14 AS 24/18 R mwN auf die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung).

Für einen Dreipersonen-Haushalt in Nordrhein-Westfalen ist grundsätzlich eine Wohnfläche von 80 qm angemessen (vgl. zur Herleitung der angemessenen Wohnflächen BSG Urteil vom 29.08.2019 - B 14 AS 43/18 R; Senatsurteile vom 05.12.2019 - L 7 AS 1764/18 und vom 05.09.2019 - L 7 AS 1327/17; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 12.10.2017 - L 19 AS 502/16).

Bei der Festlegung des Wohnstandards sind Wohnungen angemessen, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen und keinen gehobenen Wohnstandard aufweisen (BSG Urteile vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R und vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R). Wohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Stand abbilden (Substandardwohnungen), gehören nicht zu dem Wohnungsbestand, der für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist (BSG Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R). Zu Wohnungen des Substandards gehören Wohnungen ohne Sammelheizung und innenliegendes Bad (BSG Urteile vom 18.11.2014 - B 4 AS 9/14 R und vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R).

Der für die Ermittlung des Quadratmeterpreises maßgebliche Vergleichsraum ist der Raum, für den ein grundsätzlich einheitlicher abstrakter Angemessenheitswert zu ermitteln ist, innerhalb dessen einer leistungsberechtigten Person ein Umzug zur Kostensenkung grundsätzlich zumutbar ist und ein nicht erforderlicher Umzug nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu einer Deckelung der Aufwendungen auf die bisherigen führt. Der Vergleichsraum ist ein ausgehend vom Wohnort der leistungsberechtigten Person bestimmter ausreichend großer Raum der Wohnbebauung, der aufgrund räumlicher Nähe, Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet. Als solche örtlichen Gegebenheiten kommen weniger unterschiedliche Landschaften, sondern eher räumliche Orientierungen, wie Tagespendelbereiche für Berufstätige oder die Nähe zu Ballungsräumen, sowie aus der Datenerhebung ersichtliche, deutliche Unterschiede im Mietpreisniveau in Betracht. Ein Konzept, das zu mehreren Wohnungsmarkttypen mit unterschiedlichen Angemessenheitswerten innerhalb eines Vergleichsraums aufgrund einer "Clusteranalyse" führt, erfüllt nicht die aufgezeigten Voraussetzungen, denn für eine solche weitere Aufteilung der Städte und Gemeinden eines Vergleichsraums gibt es keine rechtliche Begründung (BSG Urteile vom 30.01.2019 - B 14 AS 11/18 R und B 14 AS 24/18 R mwN). Nach Erstellung der "Korrekturberichte nach Neuausrichtung der Vergleichsräume" sind die Vergleichsräume nunmehr in nicht zu beanstandender Weise gebildet worden. Die von der Firma B1 & L1 angewandten Kriterien decken sich mit den vom BSG gestellten Anforderungen an einen Vergleichsraum. Die vorgenommene Vergleichsraumbildung erscheint schon deswegen gut nachvollziehbar, weil die Vergleichsräume zusammenhängen, sie jeweils einen ausreichenden Wohnungsbestand aufweisen und sich jeweils um eine mittelgroße Stadt als Versorgungszentrum gruppieren. Die Firma B1 & L1 hat in diesem Zusammenhang überzeugend ausgeführt, dass von jedem Ortsteil mit 1500 Einwohnern das jeweils nächstgelegene Mittelzentrum mit öffentlichen Verkehrsmitteln innerhalb von 45 Minuten zu erreichen ist. Dass der hier maßgebliche "Vergleichsraum 1" sich abschließend auf das Stadtgebiet der Beklagten beschränkt, begegnet keinen Bedenken, weil die Stadt B gemäß der Darstellung des Korrekturberichts im streitgegenständlichen Zeitraum mehr als 60000 Einwohner und mehr als 18000 Mietwohnungen aufwies. Insofern ist nachvollziehbar, dass sämtliche Belange des täglichen Lebens in der Stadt B wahrgenommen werden konnten.

Die Festlegung der Angemessenheitsgrenzen, der die im "Konzept zur Ermittlung der Angemessenheit der Unterkunftskosten im I1-Kreis - Endbericht Juli 2013" zugrunde gelegte Datenerhebung - und -verwertung zugrunde lag, ist auch im Übrigen auf der Grundlage eines schlüssigen Konzepts erfolgt. Ein rechtmäßiges Konzept liegt - auch aus verfassungsrechtlichen Gründen (zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmung des menschenwürdigen Existenzminimums vgl. BVerfG Urteil vom 09.02.2010 -1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09; zum "sachlichen Gleichklang" der Rechtsprechung des BSG zur Bestimmung des Angemessenheitsbegriffs in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II mit der Rechtsprechung des BVerfG zu der Bestimmung des menschenwürdigen Existenzminimums vgl. Berlit in LPK-SGB II 6. Aufl., § 22 Rn. 85) - nur vor, wenn der Grundsicherungsträger planmäßig vorgegangen ist im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen im maßgeblichen Vergleichsraum sowie für sämtliche Anwendungsfälle und nicht nur punktuell im Einzelfall (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R; Luik in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. § 22 Rn. 91 mwN). Inhaltlich soll das Konzept die Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des Mietwohnungsmarkts im Vergleichsraum dem Angemessenheitswert zugrunde liegen und dieser realitätsgerecht ermittelt wird ("schlüssiges Konzept"). Hierfür muss das Konzept nach der Rechtsprechung des BSG neben rechtlichen zudem bestimmte methodische Voraussetzungen erfüllen und nachvollziehbar sein. Dies erfordert trotz Methodenvielfalt insbesondere eine Definition der untersuchten Wohnungen nach Größe und Standard, Angaben über die Art und Weise der Datenerhebung, Angaben über den Zeitraum, auf den sich die Datenerhebung bezieht, Repräsentativität und Validität der Datenerhebung, Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze bei der Datenauswertung, Vermeidung von "Brennpunkten" durch soziale Segregation sowie eine Begründung, in der die Ermittlung der Angemessenheitswerte aus den Daten dargelegt wird (BSG Urteile vom 30.01.2019 - B 14 AS 11/18 R und B 14 AS 24/18 R, vom 12.12.2017 - B 4 AS 33/16 R, vom 18.11.2014 - B 4 AS 18/09 R und vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R).

Das hier maßgebliche Konzept der Firma B1 & L1 stellt eine sachkundige, systematische Erfassung und Bewertung genereller Tatsachen im maßgeblichen Vergleichsraum dar und erfüllt die Anforderungen an ein planmäßiges Vorgehen. Die Beklagte entscheidet über die zustehenden Unterkunftskosten aufgrund dieses Konzepts und nicht nur "von Fall zu Fall". Das Konzept bietet Gewähr dafür, dass die aktuellen Verhältnisse des Mietwohnungsmarkts im Vergleichsraum dem Angemessenheitswert zugrunde liegen und dieser realitätsgerecht ermittelt wurde und ist daher ein "schlüssiges Konzept". Denn die Kläger hätten von Dezember 2014 bis Mai 2015 zu einer Bruttokaltmiete von 449,60 EUR bzw. 458,40 EUR eine Vielzahl von angemessenen Wohnungen in B anmieten können. Diese Feststellung ist dem Senat aus eigener Sachkunde möglich, ohne dass er iSd § 103 SGG zu weitergehenden Ermittlungen, insbesondere der Einholung eines Sachverständigengutachtens, gedrängt wäre.

Zusammenfassend zeigt sich gemäß dem Korrekturbericht für die Zeit von August 2013 bis Dezember 2014, dass zu der angenommenen Bruttokalt-Mietobergrenze - nach Größenklassen getrennt - für Wohnungen bis 50 qm (Einpersonenhaushalt) 56% der angebotenen Wohnungen, von 50 qm bis 65 qm (Zweipersonenhaushalt) 65% der angebotenen Wohnungen, von 65 qm bis 80 qm (Dreipersonenhaushalt) 52 % der angebotenen Wohnungen, von 80 qm bis 95 qm (Vierpersonenhaushalt) 50 % der angebotenen Wohnungen und von 95 qm bis 110 qm (Fünfpersonenhaushalt) 41% der angebotenen Wohnungen angemietet werden konnten. Für die hier maßgebliche Gruppe der Dreipersonenhaushalte konnte mithin mehr als jede zweite der angebotenen Wohnungen zu der Mietobergrenze (bruttokalt) angemietet werden. Die Feststellung der Angebotssituation durch B1 & L1 für Empfänger von Grundsicherungsleistungen ist plausibel erfolgt, denn er beruht auf 2009 erhobenen Daten des Forschungsprojekts "Kosten der Unterkunft und die Wohnungsmärkte" des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung, wonach bundesweit 7,5 % der Haushalte als sonstige Nachfrager nach preisgünstigem Wohnraum anzusehen sind. Die Einschätzung der Größenordnung weiterer Nachfragegruppen für 2014/2015 ist auch deshalb nicht zu beanstanden, weil sich auch im Jahr 2015 der Anteil der Niedrigeinkommensbezieher bundesweit auf ca. 10 % belief (vgl. Senatsurteile vom 05.12.2019 - L 7 AS 1764/18 - und vom 05.09.2019 - L 7 AS 1327/17; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 16.08.2018 - L 19 AS 2334/17) und sie durch den damaligen Armutsbericht bestätigt wird.

Angesichts der Angebotsvielfalt besteht nicht die Gefahr von Brennpunktbildungen. Wenn mehr als 50 % der angebotenen Wohnungen - gemessen an der Bruttokaltmiete - zu der Grundsicherungsmietobergrenze des Beklagten angemietet werden können, bedeutet dies, dass zumindest in mehreren größeren Stadtteilen Wohnungen angemietet werden können, die mehr als die Hälfte des Wohnungsmarktes abbilden.

Durchgreifende Einwendungen gegen diese Beurteilung der Angebotssituation durch die Firma B1 & L1 haben die Kläger nicht erhoben. Die von den Klägern zu Recht beanstandete Clusteranalyse liegt der Berechnung der angemessenen Bruttokaltmiete nicht mehr zugrunde.

Aus den vom Senat angeforderten Listen zu verfügbarem Wohnraum im streitgegenständlichen Zeitraum wird ebenfalls deutlich, dass zu dem von der Beklagten zugrunde gelegten Quadratmeterpreis im gesamten Stadtgebiet von B Wohnungen angemietet werden konnten. Zwar hat das BSG entschieden, dass entsprechende Auflistungen allein kein "schlüssiges Konzept" ersetzen (BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R), jedoch spricht nichts dagegen, sie bei der Kontrolle des Angemessenheitswerts heranzuziehen. Die von der Beklagten übersandten Wohnungsangebote erfassen mehrere Stadtteile (H-Straße und P- Straße: H1, A: N2, S: C4, I2 Weg: I3, V-Straße, C5-Straße, D-Straße: Zentrum) und waren in mehreren Monaten des streitgegenständlichen Zeitraums verfügbar. Es finden sich jedoch sogar diverse Wohnungen, die inclusive Heizkosten innerhalb der Angemessenheitsgrenze für die Bruttokaltmiete liegen.

Nicht aus eigener Sachkunde feststellen kann der Senat, ob die der Ermittlung des Quadratmeterpreises zugrundeliegende Datenerhebung durch die Firma B1 & L1 in allen Punkten insbesondere den Anforderungen an die Repräsentativität und Validität der Datenerhebung entspricht und anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze bei der Datenauswertung beachtet worden sind. Der Senat verfügt nicht über die zur Beurteilung dieser Anforderungen erforderliche statistisch-fachwissenschaftliche Sachkunde. Ein Gericht darf sich bei der Tatsachenfeststellung, die fachwissenschaftlichen Sachverstand erfordert, eigene Sachkunde nicht anmaßen (BSG Urteile vom 06.03.2012 - B 1 KR 17/11 R und vom 10.12.1993 - 13 RJ 75/92, Senatsurteile vom 05.12.2019 - L 7 AS 1764/18 und vom 05.09.2019 - L 7 AS 1327/17).

Der Senat sieht bei einem - hier wie dargelegt gegebenen - Nachweis ausreichender Wohnraumversorgung zu dem vom Leistungsträger planmäßig ermittelten Quadratmeterpreis jedoch keine Veranlassung, für die Bejahung der Schlüssigkeit des Konzepts stets gutachterlich prüfen zu lassen, ob der Preis ohne methodische Fehler ermittelt worden ist. Die volle gerichtliche Überprüfung des Angemessenheitswerts und des Verfahrens zu seiner Ermittlung schließt es nach der Rechtsprechung des BSG nicht aus, dass bei dieser Kontrolle der Verwaltung deren in der Methodenvielfalt zum Ausdruck kommenden Eigenverantwortung Rechnung getragen und die gerichtliche Kontrolle als eine nachvollziehende Kontrolle ausgestaltet wird (BSG Urteile vom 30.01.2019 - B 14 AS 11/18 R und B 14 AS 24/18 R; Senatsurteile vom 05.12.2019 - L 7 AS 1764/18 und vom 05.09.2019 - L 7 AS 1327/17). Diese nachvollziehende Kontrolle kann nach Auffassung des Senats dadurch erfolgen, dass festgestellt wird, ob es den Leistungsempfängern - wie der Beklagte hier dargelegt hat - im Ergebnis möglich ist, zu dem ermittelten Quadratmeterpreis Wohnraum anzumieten, weil ein ausreichender Wohnungsmarkt, der sich in der aktuellen Angebotssituation widerspiegelt, vorhanden ist.

Dieser auf die im streitigen Zeitraum bestehende Angebotssituation abstellende Ansatz folgt nicht nur aus der nach der Rechtsprechung des BSG ausdrücklich (aufgrund der Methodenvielfalt bei der Erstellung des Konzepts) anzuerkennenden Eigenverantwortung der Exekutive und der Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle auf eine nachvollziehende Kontrolle, sondern auch aus der verfassungsrechtlich bestimmten Aufgabe des (sozial)gerichtlichen Rechtsschutzes. Die Sozialgerichte haben im Rahmen der hier maßgeblichen Anfechtungs- und Leistungsklage eines Leistungsberechtigten iSd § 54 Abs. 4 SGG nicht die Verpflichtung oder die Kompetenz zu prüfen, ob der Leistungsträger alle objektiv-rechtlichen Anforderungen an sein Verwaltungshandeln erfüllt hat, sondern allein zu klären, ob eine Verletzung subjektiver Rechte des Rechtssuchenden (hier der Kläger) gegeben ist. Die Anforderungen, die insbesondere mit den Merkmalen "Repräsentativität", "Validität" und "Einhaltung mathematisch-statistischer Grundsätze" an die Festlegung des angemessenen Quadratmeterpreises gestellt werden, haben indes nicht nur die Funktion, eine Beschwer der Leistungsempfänger zu vermeiden, indem sichergestellt wird, dass zu diesem Preis ausreichend Wohnraum angemietet werden kann, sondern auch umgekehrt zu verhindern, dass die Jobcenter zu hohe Quadratmeterpreise festlegen und so den Mietmarkt zu Ungunsten der Geringverdiener beeinflussen. Insoweit wohnt dem Schlüssigkeitsbegriff das Element der Begrenzung inne (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R). Entsprechend hat der Gesetzgeber im Rahmen der Satzungsermächtigung nach § 22a SGB II ausdrücklich angeordnet, dass bei der Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung auch die Auswirkungen auf den örtlichen Wohnungsmarkt hinsichtlich der Vermeidung von Mietpreis erhöhenden Wirkungen berücksichtigt werden sollen (§ 22a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II). Ob diese Begrenzungsfunktion beachtet wurde, ist indes nicht Gegenstand der gerichtlichen Prüfung. Die Klärung der Frage, ob ein "zu hoher" Wert festgesetzt wurde, gehört nicht zu dem Rechtsschutzbegehren und ist deshalb nicht Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung. Ein Konzept, dass evident methodisch fehlerhaft zu hohe Werte als Angemessenheitswerte festlegt, wäre zwar mathematisch-statistisch unschlüssig und würde als Satzung gegen § 22a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II verstoßen, würde indes nicht zu einem Erfolg des Klagebegehrens führen, weshalb eine entsprechende Feststellung von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht getroffen werden dürfte und müsste.

Auch der von der Beklagten zugrunde gelegte Betriebskostenwert beschwert die Kläger nicht. Die Firma B1 & L1 hat zu den angebotenen Grundmieten die Betriebskosten aus der Bestandsmietenerhebung hinzuaddiert und so eine angemessene Bruttokaltmiete nachvollziehbar ermittelt. Die ermittelten kalten Betriebskosten entsprechen dem nach Wohnungsgröße differenzierten Mittelwert aller erhobenen Betriebskostenwerte (zur Bildung eines Mittelwertes bei Betriebskosten BSG Urteile vom 22.08.2012 - B 14 AS 13/12 R und vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R).

Die Indexfortschreibung für die Zeit ab dem 01.01.2015 begegnet keinen Bedenken. In Anlehnung an die für Satzungen geltende Vorschrift des § 22 c Abs. 2 SGB II muss nach Ablauf eines Zweijahreszeitraums nach Datenerhebung mit anschließender Datenauswertung und zeitnahem Inkraftsetzen eines Konzepts eine Überprüfung und Fortschreibung erfolgen. Anerkannte Grundlage für die Fortschreibung ist der vom Statistischen Bundesamt ermittelte Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland - Verbraucherpreisindex (vgl. hierzu BSG Urteil vom 12.12.2017 - B 4 AS 33/16 R). Im Rahmen des Korrekturberichts hat die Firma B1 & L1 nunmehr keine Berechnung mehr auf der Grundlage der ursprünglich angewandten "Verbraucherpreisindizes NRW", sondern auf der Grundlage des vom BSG herangezogenen bundesweiten Verbraucherpreisindex vorgenommen. Obwohl dieser Verbraucherpreisindex im Vergleich zu den "Vebraucherpreisindizes NRW" nachteilig war, hat sich bei der Ermittlung des Gesamtprodukts kein niedrigerer Wert ergeben. Unschädlich ist auch, dass B1 & L1 eine Fortschreibung ab dem 01.01.2015 vorgenommen hat, obwohl diese erst zum 01.08.2015 - zwei Jahre nach Inkrafttreten des Ursprungskonzepts zum 01.08.2013 - hätte erfolgen müssen. Dass eine Indexfortschreibung regelmäßig erst nach dem Ablauf eines Zwei-Jahres-Zeitraums erfolgen muss (vgl. hierzu BSG Urteil vom 12.12.2017 - B 4 AS 33/16 R) heißt nicht, dass sie nicht früher erfolgen darf. Eine frühere, den Hilfebedürftigen begünstigende Indexfortschreibung muss der Methodenvielfalt des Trägers vorbehalten bleiben. Hier ist weiter zu berücksichtigen, dass der Zeitraum zwischen Datenerhebung (Stichtag 01.09.2012) und Inkrafttreten des Konzepts (01.08.2013) vergleichsweise lang war.

Ein Anspruch auf höhere Unterkunftskosten steht den Klägern auch nicht aufgrund der ihnen am 11.12.2009 erteilten Zusicherung der Beklagten zu. Die Bindungswirkung der Zusicherung ist durch den Auszug der Tochter E C und der Verkleinerung des Haushalts von vier auf drei Personen entfallen, weil die Zusicherung sich auf einen Vierpersonenhaushalt bezog.

Ein Anspruch auf höhere Unterkunftskosten folgt auch aus § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II. Hiernach sind Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung, die den angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Diese Vorgaben hat die Beklagte hier beachtet, da die Kostensenkungsaufforderung vom 30.10.2013 datiert und die erstmalige Kürzung der Unterkunftskosten erst am 01.12.2014 erfolgte. Der Umstand, dass die von dem Beklagten in der Kostensenkungsaufforderung herangezogenen Mietrichtwerte geringfügig niedriger sind als der Angemessenheitswert von Januar 2015 bis Mai 2015, ist unschädlich, denn eine Kostensenkungsaufforderung ist lediglich ein Informationsschreiben mit Aufklärungs- und Warnfunktion und soll den Eintritt in den Dialog eröffnen. Hält der Leistungsempfänger die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Kosten für nicht zutreffend, so ist der Streit hierüber bei der Frage auszutragen, welche Unterkunftskosten angemessen sind (vgl. nur BSG Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R).

Ein Umzug der Kläger war auch nicht unmöglich oder unzumutbar. Medizinische Gründe, die einem Umzug entgegenstanden, liegen nicht vor. Die Kardiologen des Klägers zu 1) haben diesem attestiert, mit Hilfe eines Umzugsunternehmens umziehen zu können. Der Allgemeinmediziner Dr. U hat beim Kläger zu 1) überhaupt keine diesbezüglichen Einschränkungen gesehen. Der Beweiswert der nicht näher begründeten Einschätzung von Dr. C1wird dadurch reduziert, dass der Kläger nach der Weigerung von Dr. U, die Umzugsunfähigkeit zu attestieren, wieder den Hausarzt gewechselt und Dr. C1daraufhin das gewünschte Attest ausgestellt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision iSd § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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