L 17 U 380/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 37 U 407/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 380/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 56/20 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 23.05.2019 wird zurückgewiesen Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf die Gewährung einer Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung hat.

Die am 00.00.1957 geborene Klägerin war nach ihrer Scheidung im Jahr 2003 in zweiter Ehe mit dem am 00.00.1959 geborenen Versicherten L I verheiratet. Nach Angaben der Klägerin kannte sie den Versicherten bereits mehrere Jahre, als sie 2004 ein Paar wurden. Im Juni 2005 zog die Klägerin mit ihrem damals 17-jährigen Sohn aus erster Ehe in die Wohnung des Versicherten, in der der Sohn bis 2014 wohnen blieb. Die Klägerin ist bei der M GmbH als Disponentin beschäftigt und erzielte im Jahr 2015 laut Einkommenssteuerbescheid ein Bruttoeinkommen von 35.402,00 EUR.

Im September 2016 traten beim Versicherten erstmals Atemprobleme beim Wandern auf, als deren Ursache er eine Erkältung vermutete. In seinem an den Versicherten adressierten Bericht vom 30.9.2016 über eine am gleichen Tag durchgeführte Computertomographie des Thorax äußerte der Radiologe K den Verdacht auf ein Pleuramesotheliom, nachrangig auf eine Pleurakarzinose und empfahl eine weitere Abklärung im Thoraxzentrum. Weiter beschrieb er metastasensuspekte maximal 23 mm große Raumforderungen. Seit 24.10.2016 war der Versicherte arbeitsunfähig erkrankt. Am 28.10 2016 wurde der Thorax des Versicherten geröntgt. In seinem hierüber erstellten und gleichfalls an den Versicherten adressierten Bericht vom gleichen Tag wies der Radiologe Dr. N auf einen progredienten Verlauf im Vergleich zur Computertomographie vom 30.9.2016 hin und ging bei seiner Beurteilung der Aufnahmen von einem wahrscheinlichen Pleuramesotheliom rechts aus. Während eines stationären Aufenthalts vom 30.10.2016 bis 9.11.2016 im Thoraxzentrum Ruhrgebiet wurde am 2.11.2016 eine elektive Thorakoskospie durchgeführt. Nach Befundung des entnommenen Gewebes beschrieben die Histologen das Ergebnis am 3.11.2016 als ausgeprägte Infiltration der Pleura durch einen hochmalignen epithelialen Tumor passend am ehesten zu einem epithelialen Pleuramesotheliom. Ausweislich des Entlassungsberichts vom 16.11.2016, der nachrichtlich an den Versicherten gesandt wurde, stand diese Diagnose am Entlassungstag fest. Am 15.11.2016 stellte sich der Versicherte in der Klinik für Onkologie und Hämatologie der B Klinik zur Planung einer chemotherapeutischen Behandlung vor.

Am 9.11.2016 forderte die Klägerin ausweislich der beigezogenen Rentenakte der Deutschen Rentenversicherung (DRV) beim Standesamt C für sich sowohl einen Auszug aus dem Geburtenregister als auch aus dem Eheregister bei der Gemeinde M1 an, da sie noch einmal heiraten wolle. Die beabsichtigte Eheschließung wurde am 14.11.2016 beim Standesamt I1 angemeldet. Die Eheschließung erfolgte am 7.12. 2016.

Der Versicherte verstarb am 3.5.2017 an den Folgen des Mesothelioms.

Nach vorangegangenem Feststellungsverfahren erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 10.8.2017 die Erkrankung des Versicherten als Berufskrankheit (BK) nach Ziffer 4105 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung (BKVO) - Durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells, des Bauchfells oder des Perikards - an und bewilligte mit weiterem Bescheid vom 21.9.2017 für die Zeit vom 1.10.2016 bis 31.5.2017 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H.

Die Gewährung einer Witwenrente lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17.8.2017 ab. Der Tod des Versicherten sei innerhalb des ersten Jahres der Ehe eingetreten. Dem Anspruch stehe § 65 Abs.2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) entgegen.

Zur Begründung ihres dagegen binnen Monatsfrist erhobenen Widerspruchs führte die Klägerin aus, ihre Lebensgemeinschaft habe bereits seit dem Jahr 2005 bestanden. Zweck der Heirat für den Versicherten sei es gewesen, sich eine verstärkte Betreuung durch die Klägerin zu sichern. Ausweislich eines Attestes der Internistin N1 sei der Todeszeitpunkt des Versicherten bei der Eheplanung im November 2016 nicht absehbar gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ein Anspruch auf Witwenrente bestehe nicht, da von einer Versorgungsehe auszugehen sei. Dafür spreche die bereits die im Zeitpunkt der Eheschließung bestehende schwere, offenkundig lebensbedrohliche Erkrankung des Versicherten mit ungünstiger Verlaufsprognose. Es sei davon auszugehen, dass sowohl dem Versicherten als auch der Klägerin das Ausmaß der Erkrankung und deren Lebensbedrohlichkeit bewusst gewesen sei. Der von der Versorgungsabsicht zu unterscheidenden behaupteten Pflegeabsicht als Motiv der Eheschließung stehe die Berufstätigkeit der Klägerin entgegen. Auch die DRV habe mit Bescheid vom 24.8.2017 die Gewährung einer Witwenrente abgelehnt.

Hiergegen hat die Klägerin am 29.11.2017 vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen Klage erhoben. Ihre Berufstätigkeit habe eine Pflege des Versicherten nicht ausgeschlossen. Keinem der Ehepartner sei bewusst gewesen, dass der Versicherte so schnell an seiner Erkrankung sterben werde. Die Klägerin hat vorgetragen, nach ihrer Erinnerung sei ihnen der tatsächliche Befund am 7.11.2016 mitgeteilt worden, erst dann habe sie sich mit der Art der Erkrankung befasst. Des Weiteren hat sich die Klägerin auf schriftliche Aussagen des als Zeugen benannten I2 I3 und I2 N2 bezogen, die über mehrere Jahrzehnte mit dem Versicherten befreundet waren. Der Zeuge I3 hat darin angegeben, er habe mit dem Versicherten über 30 Jahre bei der Firma Chemie Q in X zusammengearbeitet. Der Versicherte habe ihm erzählt, dass er die Klägerin 2015 mit einem Heiratsantrag habe überraschen wollen und es anlässlich der Hochzeit eine große Feier geben solle. Dazu sei es aber nicht gekommen, da im März 2015 bei der Arbeitgeberin ein Großbrand ausgebrochen sei, durch den 30 Arbeitsplätze verloren gegangen seien. Aufgrund dessen habe der Versicherte sich große Sorgen um seine Zukunft gemacht und das zum Anlass genommen, die Hochzeit zu verschieben, bis Gewissheit bestehe, wie es beruflich weiter gehe. Der Zeuge N2 hat bekundet, der Versicherte sei sehr froh gewesen, als er die Klägerin kennengelernt habe, denn die Scheidung von seiner ersten Ehefrau habe ihn sehr bedrückt. Obwohl die Klägerin seine große Liebe gewesen sei, habe er sich eine Eheschließung nicht mehr vorstellen können. Dann aber habe er ihm 2010 anvertraut, dass er die Klägerin vor ihrem 50. Geburtstag heiraten und sie damit überraschen wolle. Die Frage, aus welchem Grund er so lange warte, habe er damit beantwortet, seine Liebe brauche keine Ehe.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.8.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2017 zu verurteilen, ihr Witwenrente nach § 65 SGB VII nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrags hat die Beklagte die im angefochtenen Bescheid dargelegte Auffassung vertreten.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Freunde des Versicherten, I2 I3 und I2 N2, als Zeugen. Die Zeugen haben im Wesentlichen ihre schriftlich gemachten Angaben wiederholt. Wegen des Inhalts der Aussagen im Einzelnen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23.5.2019 verwiesen.

Mit Urteil vom 23.5.2019 hat das Sozialgericht Gelsenkirchen die Klage abgewiesen. Dem Anspruch stehe § 65 Abs.6 SGB VII entgegen. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme sei nicht davon auszugehen, dass besondere Umstände vorlägen, nach denen als im Vollbeweis gesichert anzunehmen sei, dass die Ehe aus anderen als den vom Gesetzgeber vermuteten Versorgungsgründen geschlossen worden sei. Der Versicherte habe im Zeitpunkt der Eheschließung an einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten, was auch beiden Ehepartnern bekannt gewesen sei. Die Kammer habe sich auch nicht davon überzeugen können, dass die schon länger bestehenden und von den Zeugen bestätigten Heiratspläne letztendlich ausschlaggebend gewesen seien für die Eheschließung am 7.12.2016. Hierfür fehle es an einer konsequenten Verwirklichung der Eheschließungsabsicht, denn erst im November 2016 habe sich die Klägerin um die erforderlichen Unterlagen bemüht.

Gegen das der Bevollmächtigten der Klägerin am 4.7.2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 11.7.2019 eingelegte Berufung, mit der die Klägerin vorträgt, dass sie Anspruch auf die streitige Witwenrente habe. Der Sinn einer Eheschließung werde dadurch verwirklicht, dass beide Partner füreinander da seien. Vorliegend habe die Pflege des Versicherten auf dem Spiel gestanden. Wenn man sich selbst eine Versorgung verschaffe, sei das durch den Gedanken der Versorgungsehe gerade nicht diskriminiert, es sei vielmehr als legitim anzusehen. Die Pflegeehe sei die natürliche Gestaltung der Interessen des Versicherten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 23.5.2019 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.8.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2017 zu verurteilen, der Klägerin Witwenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die erstinstanzliche Entscheidung sei nicht zu beanstanden. Der Vortrag der Klägerin zur Begründung ihrer Berufung gebe keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.

Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, der bei der DRV geführten Akte des Versicherten xxx und der Akte des Sozialgerichts Gelsenkirchen S 39 R 37/ 18 (5), die der Senat beigezogen hat und deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, sowie auf den Vortrag der Beteiligten im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 17.8.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2017 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn der Bescheid ist nicht rechtswidrig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Witwenrente.

Nach § 65 Abs. 1 S. 1 SGB VII erhalten Witwen und Witwer von Versicherten eine Witwen- oder Witwerrente, solange sie nicht wieder geheiratet haben. Nach Abs. 6 der genannten Vorschrift haben Witwen und Witwer keinen Anspruch, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Einzelfalls die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente zu begründen.

Der Tatbestand der gesetzlichen Regelung ist bereits erfüllt, wenn die Ehe weniger als ein Jahr gedauert hat. Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben, denn die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten bestand für weniger als fünf Monate lediglich in der Zeit vom 7.12.2016 bis zum 3.5.2017. Die sich aus der gesetzlichen Vermutung ergebende anspruchsvernichtende Rechtsfolge (Ausschluss des Anspruchs auf Witwenrente) kann jedoch durch das Vorliegen besonderer Umstände widerlegt werden. Der Begriff der besonderen Umstände, die geeignet sind, die Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen, ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der vom Unfallversicherungsträger und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit mit einem bestimmten Inhalt ausgefüllt werden muss und dessen Beurteilungsspielraum der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt (Bundessozialgericht (BSG), Urt. v. 5.5.2009 - B 13 R 55/08 R -, juris Rn.18 ). Bei der Inhaltsbestimmung kann die Rechtsprechung zu den gleichlautenden Vorschriften des § 46 Abs. 2 a HS. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) und des § 38 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) herangezogen werden. Danach sind als besondere Umstände alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen (BSG, Urt. v. 28.3.1973 - 5 RKnU 11/71 -, juris Rn. 14). Dabei kommt es auf die (gegebenenfalls auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten an (BSG, Urt. v. 5.5.2009 - B 13 R 55/08 R -, juris Rn. 21 m.w.N.). Die Annahme des anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nach dem Ausnahmetatbestand des § 65 Abs.6 HS. 2 SGB VII nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Die Beweggründe sind in der Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat (BSG, a.a.O.). Deshalb reicht es aus, wenn lediglich für einen Ehegatten die Versorgungsabsicht nachweislich nicht maßgebend (überwiegend nicht) gewesen ist. Eine Beschränkung auf objektiv nach außen tretende Umstände bei der Ermittlung der Beweggründe für die Heirat bzw. ihres Zwecks darf nicht stattfinden, da dann die Möglichkeit des hinterbliebenen Ehegatten, die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe zu entkräften, in unzulässiger Weise beschnitten würde. Allerdings sind von dem hinterbliebenen Ehegatten glaubhaft behauptete innere Umstände für die Heirat nicht isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung einzustellen (BSG, Urt. v. 6.5.2010 - B 13 R 134/08 -, juris Rn. 17, LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 16.10.2012 - L 11 R 392/11 -, juris Rn. 22 a.a.O).

Eine gewichtige Bedeutung kommt hierbei stets dem Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Ein gegen die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe sprechender (äußerer) Umstand im Sinne des § 65 Abs. 6 HS. 2 SGB VII ist dann anzunehmen, wenn der Tod des Versicherten ohne bisher bestehendes gesundheitliches Risiko plötzlich eingetreten ist. In diesem Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass es Zweck der Eheschließung war, dem Hinterbliebenen durch die Eheschließung eine Versorgung zu verschaffen. Demgegenüber wird bei einer Eheschließung zu einer Zeit, in der der Versicherte offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidet, regelmäßig der Ausnahmetatbestand des § 65 Abs. 6 HS. 2 SGB VII nicht erfüllt (BSG, Urt. v. 5.5.2009, a.a.O.; LSG Mecklenburg Vorpommern - L 4 R 102/10 -, juris Rn. 52). Mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit steigt zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden (BSG, Urt. v. 5.5.2009, a.a.O.). Der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a HS 2 SGB VI ist nur erfüllt, wenn insoweit nach § 202 SGG i.V.m § 292 ZPO der volle Beweis erbracht wird (BSG, Urt. v. 5.5.2009, a.a.O; Ringkamp in Hauck/Noftz, a.a.O. Rn. 38). Die Darlegungs- und Beweislast für ihr Vorliegen als ein den Anspruch begründender Umstand und damit auch die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises trägt nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast derjenige, der den Witwen-/Witwerrentenanspruch geltend macht (vgl. BSG, Urt. v. 5.5.2009, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 09.10.2019 - L 2 R 3931/18 -, juris Rn. 30).

Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Vorgaben ist die angegriffene Entscheidung des Sozialgerichts nicht zu beanstanden. Auch nach Auffassung des Senats hat die Klägerin hinreichend gewichtige Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, nicht nachgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat zunächst auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).

Zu Recht hat das Sozialgericht insbesondere auch darauf abgestellt, dass allein das Bestehen einer innigen Liebesbeziehung, wie sie sich etwa in einem langjährigem Zusammenleben manifestiert, und auch die wiederholte Äußerung von Heiratsabsichten für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung nicht ausreichend sind (so auch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 16.10.2012 - L 11 R 392/11 -, juris Rn. 27). Vielmehr muss sich die Hochzeit als konsequente Verwirklichung eines bereits vor Erlangung der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Erkrankung bestehenden Entschlusses darstellen (vgl. LSG Baden-Württemberg a.a.O.; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 28.11.2013 - L 4 R 102/10 -, juris Rn. 57). Lediglich abstrakte Pläne zur Heirat, ohne entsprechende Vorbereitungen und ohne definitiv ins Auge gefassten Termin, reichen hingegen nicht aus, um einen bereits vor dem Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung gefassten Heiratsentschluss annehmen zu können (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 16.11.2010 - L 11 R 1135/10 -, juris Rn. 37; Urt. v. 16.10.2012 - L 11 R 392/11 -, juris Rn. 27). Insbesondere wird auch regelmäßig zu fragen sein, warum bei einem etwaig bereits länger bestehenden Heiratswunsch nicht früher geheiratet wurde, sondern erst nach Kenntnis der lebensbedrohlichen Erkrankung (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 28.11.2013 - L 4 R 102/10 -, juris Rn. 57).

Der Senat konnte sich ebenso wenig wie das Sozialgericht davon überzeugen, dass sich die Hochzeit als konsequente Verwirklichung eines bereits vor Erlangung der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Erkrankung bestehenden Entschlusses darstellt. Unstreitig ist insoweit lediglich davon auszugehen, dass seitens des Versicherten gegenüber Dritten die Absicht geäußert wurde, vor deren 50. Geburtstag (00.00.2017) mit der Klägerin die Ehe zu schließen und sie mit einem entsprechenden Antrag zu überraschen. Dies wird insbesondere auch durch die Zeugen I3 und N2 glaubhaft vorgetragen. Es gibt jedoch neben dieser Dritten gegenüber geschilderten, lediglich abstrakten, und nach Angaben der Zeugen von dem Versicherten bereits mehrere Jahre vor dessen Ableben geäußerten Absichten, keine objektiven Anhaltspunkte, dass diese Absichten in irgendeiner Form konkretisiert worden wären, wie etwa durch entsprechende Hochzeitsvorbereitungen oder einen definitiv ins Auge gefassten Termin.

Es lagen auch keine Umstände vor, die eine frühere Hochzeit unmöglich gemacht haben und einer konsequenten Verwirklichung eines bereits vor Erlangung der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Krankheit gefassten Entschlusses objektiv entgegenstanden, wie etwa ein noch laufendes Scheidungsverfahren (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 28.11.2013 - L 4 R 102/10 -, juris Rn. 57). Soweit der Zeuge Hallhuber darauf hingewiesen hat, einer Konkretisierung der Absichten hätten Schwierigkeiten im Betrieb des Klägers gegenübergestanden, weil es im März 2015 in der Firma gebrannt habe und der Kläger danach aus Sorge um seinen Arbeitsplatz nicht habe heiraten wollen, stellt dies keinen entsprechenden Hinderungsgrund dar. Denn spätestens im September 2015 war der Arbeitsplatz des Klägers nach Angaben des Zeugen I3 wieder als gesichert anzusehen. Trotzdem kam es auch im folgenden Jahr nicht zu irgendwelchen Hochzeitsvorbereitungen. Aber auch nachdem der Versicherte und die Klägerin nach deren Angaben im Mai/Juni 2016 gemeinsam den Entschluss gefasst hatten, noch in 2016 standesamtlich zu heiraten, kam es bis zum Auftreten der ersten Beschwerden im September 2016 zu keinen Hochzeitsvorbereitungen. Da zu diesem Zeitpunkt der Zeitraum bis zum 50. Geburtstag der Klägerin nur noch knapp vier Monate betrug, wären bei Vorliegen nicht nur abstrakter Heiratsabsichten nach Einschätzung des Senats konkrete Hochzeitsvorbereitungen aber umso eher zu erwarten gewesen, als nach Angaben der Klägerin, anlässlich der Eheschließung eine große Feier habe stattfinden sollen.

Tatsächlich erfolgte eine konkrete Umsetzung möglicher Heiratspläne dann aber erst innerhalb weniger Tage nach Kenntniserhalt von der tödlich verlaufenden Erkrankung im November 2016. Hieran bestehen für den Senat auch deswegen keine Zweifel, weil die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht angegeben hat, ihrer Erinnerung nach sei ihnen der tatsächliche Befund am 7.11.2016 mitgeteilt worden. Ausweislich der vom Senat beigezogenen Akte der DRV wurde die Eheschließung jedoch erst am 14.11.2016 beim Standesamt I1 angemeldet, nachdem die Klägerin zuvor am 9.11.2016 jeweils einen Auszug aus dem Geburtenregister des Standesamtes C und aus dem Eheregister des Standesamtes M1 angefordert hatte. Beide Unterlagen waren erforderlich für die beabsichtigte Eheschließung. Die vom Sozialgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegte Angabe der Klägerin, der Termin für die Heirat sei bereits am 4.11.2016 - und damit möglicherweise bereits vor Kenntnis der endgültigen Diagnose - mit dem Standesamt vereinbart worden, stellt sich somit als unzutreffend dar und kann nicht zu Gunsten der Klägerin berücksichtigt werden.

Schließlich führt auch der Vortrag der Klägerin zur Pflegeehe zu keiner abweichenden Entscheidung. Die Pflegeehe setzt nach der Entscheidung des BSG vom 3.9.1986 - 9aRV 8/84 - zur Widerlegung der Rechtsvermutung einer Versorgungsehe (dort nach § 38 BVG) voraus, dass ein Beschädigter heiratet, der ständig auf Pflege angewiesen ist und dessen Ableben bei Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten ist. Letztere Voraussetzung ist nach den vorstehenden Ausführungen hier aber gerade nicht erfüllt. Angesichts der gestellten Diagnose eines hochmalignen epithelialen Pleuramesothelioms mit ausgeprägter Infiltration der Pleura, des Mediastinums und der Thoraxwand war nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv für die Klägerin und den Versicherten vorhersehbar mit dem Ableben des Versicherten in absehbarer Zeit zu rechnen. Das Sozialgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Erkrankung mit einer äußerst schlechten Prognose einhergeht und regelmäßig innerhalb eines Zeitraums von vier bis zwölf Monaten zum Tode führt. Es konnte im November 2016 angesichts des bei der Untersuchung vom 28.10.2016 im Vergleich zur CT Untersuchung vom 30.9.2016 bereits deutlich progredienten Befundes auch nicht von einem stabilen Zustand einer Krebserkrankung ausgegangen werden, bei dessen Vorliegen die Vermutung einer Versorgungsehe unter Umständen widerlegt werden kann (vgl. hierzu LSG Baden Württemberg, Urt. vom 9.10.2019, L 2 R 3931/18).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Revisionszulassungsgründe sind nicht gegeben (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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