L 8 R 1083/16 WA

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 6 R 1164/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 1083/16 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RE 6/20 B
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.6.2013 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Klägerin für ihre Beschäftigung als Sachbearbeiterin im Bereich Haftpflichtschaden bei der Beigeladenen zu 1), einem Versicherungsunternehmen, ab dem 1.6.2010 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien hat.

Die 1977 geborene Klägerin ist Volljuristin und wurde zum 1.10.2005 als Rechtsanwältin zugelassen und in das Anwaltsverzeichnis der Rechtsanwaltskammer (RAK) L eingetragen. Seit dem 14.10.2005 ist sie Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 2) gemäß § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Rechtsanwaltsversorgung (RAVG NW v. 6.11.1984) i.V.m. § 10 Nr. 2 der Satzung des Versorgungswerkes der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen (Satzung B 2), die von ihr seither einkommensbezogene Beiträge erhebt.

In der Zeit vom 14.10.2005 bis 31.10.2005 war die Klägerin arbeitslos, ab dem 1.11.2005 nahm sie ihre Tätigkeit als selbständige Rechtsanwältin in eigener Kanzlei auf und erhielt hierfür von der Bundesagentur für Arbeit einen Existenzgründerzuschuss nach § 421l Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) für die Zeit vom 1.11.2005 bis zum 31.10.2006. Am 1.1.2006 stellte sie einen Antrag auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht. Die Beklagte erteilte daraufhin mit Datum vom 10.4.2006 zwei Befreiungsbescheide, nach denen die Klägerin zunächst für die Zeit ab dem 14.10.2005 (auf Grund von bestehender Arbeitslosigkeit) und ab dem 1.11.2005 im Hinblick auf § 2 S. 1 Nr. 10 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) alte Fassung (a.F.) von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit wurde.

Die Klägerin unterhält ferner seit dem 12.10.2005 bei der H Allgemeine Versicherungs-AG eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung. Versichertes Risiko ist die gesetzliche Haftpflicht aus der freiberuflichen Tätigkeit als Rechtsanwältin. Im 5. Nachtrag wurden ab dem 1.6.2010 als Prämienberechnungsgrundlage jährliche Honorareinnahmen von 6.000,- EUR vereinbart sowie folgender Zusatz aufgenommen:

"Vermögensschadens-Haftpflichtversicherung für die Berufstätigkeit als Rechtsanwalt, der bei seinem Arbeitgeber angestellt ist und nur seine daneben (bis zur Hälfte der Arbeitskraft) ausgeübte freie Anwaltstätigkeit versichert."

Die Klägerin hatte sich zu dieser Zeit bereits erfolgreich bei der Beigeladenen zu 1) auf die Stelle einer Sachbearbeiterin (m/w) bzw. Volljuristin (m/w) im Bereich Haftpflicht-Schaden in der Abteilung Arzthaftungsschäden beworben. Mit Arbeitsvertrag (AV) vom 3.5.2010, auf dessen Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird, wurde sie dort ab dem 1.6.2010 als Sachbearbeiterin im Bereich Haftpflichtschaden eingesetzt, § 2 Abs. 1 AV. Sie erhielt ein Grundgehalt der Gehaltsgruppe VI (12. Berufsjahr nach dem Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe) in Höhe von 3.334,00 EUR und ab dem 1.12.2010 in Höhe von 3.456,00 EUR (Grundgehalt, Gehaltsgruppe VI/VII, 12. Berufsjahr). Die Beigeladene zu 1) meldete die Klägerin zur zuständigen Einzugsstelle zunächst unter dem Tätigkeitsschlüssel 69664 und (nach einer generellen Neuordnung des Schlüsselverzeichnisses) ab 2011 unter dem Schlüssel 721324511 an. Die Klägerin beschäftigte sich bei der Beigeladenen zu 1) mit einem eigenen Schadensdezernat im Haftpflichtschadenbereich Heilwesen. Am 1.1.2015 ist sie zur Handlungsbevollmächtigten der Beigeladenen zu 1) gemäß § 54 Handelsgesetzbuch (HGB) ernannt worden.

Am 10.6.2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht ab dem 1.6.2010 für ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin im Bereich Haftpflichtschaden bei der Beigeladenen zu 1). Der Antrag ging der Beigeladenen zu 2) am 17.6.2010 und der Beklagten am 21.6.2010 zu. Sie legte den Antragsformularen eine Stellen- und Funktionsbeschreibung der Beigeladenen zu 1) vom 7.6.2010 bei, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Nachdem die Beklagte vergeblich weitere Unterlagen von der Klägerin angefordert hatte, lehnte sie mit Bescheid vom 15.10.2010 die vollständige Prüfung mangels klägerischer Mitwirkung ab. Dagegen erhob die Klägerin am 15.11.2010 Widerspruch. Aus ihrem Arbeitsvertrag sowie der vorgelegten Stellen- und Funktionsbeschreibung folge eine anwaltliche Tätigkeit im Sinne der Vier-Kriterien-Theorie. Eine kumulative Wahrnehmung aller Aufgabenfelder, die auch für einen Rechtsanwalt charakteristisch seien, liege vor. Ferner seien ihr Fälle bekannt, bei denen eine Befreiung in ähnlicher Situation erfolgt sei. Insofern berufe sie sich auf das Gleichbehandlungsgebot. Sie fügte nochmals die Stellen- und Funktionsbeschreibung sowie ein Stellenangebot einer "Sachbearbeiterin im Bereich Haftpflichtschaden/Heilwesen" der Beigeladenen zu 1) vom 16.1.2011 bei, aus deren Profil hervorgeht, dass u.a. ein abgeschlossenes juristisches Studium für erforderlich gehalten wurde.

Mit Bescheid vom 25.1.2011 hob die Beklagte den Bescheid vom 15.10.2010 auf und erließ unter dem 28.1.2011 einen weiteren Bescheid, in welchem sie den Antrag auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht ablehnte. Es liege keine anwaltliche Tätigkeit vor, da für die ausgeübte Tätigkeit die Qualifikation als Volljurist nicht zwingend erforderlich sei.

Dagegen erhob die Klägerin am 21.2.2011 Widerspruch und legte im Widerspruchsverfahren eine weitere Tätigkeitsbeschreibung der Beigeladenen zu 1) vom 11.2.2011, auf die Bezug genommen wird, bei. Die Bezeichnung als Sachbearbeiterin sei irreführend. Für die Tätigkeit sei die Qualifikation als Volljuristin erforderlich. Diesbezüglich bezog sie sich zudem auf eine weitere Stellenannonce der Beigeladenen zu 1) für den Bereich Haftpflicht-Schaden (Arzthaftungsschäden), welche sich an Volljuristen mit abgeschlossenem juristischem Studium wandte.

Die Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass eine Befreiung nicht personen- sondern tätigkeitsbezogen sei. Unabhängig von der Zulassung sei die Ausübung einer dem Kammerberuf entsprechenden berufsspezifischen Tätigkeit, d.h. eine für einen Rechtsanwalt typische anwaltliche Tätigkeit erforderlich. Diese müsse sich aus dem Arbeitsvertrag und einer erteilten Handlungs- und Entscheidungsvollmacht ergeben. Bei der Klägerin sei dies nicht der Fall (Schreiben v. 9.3.2011). Im Anschluss daran wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.7.2011 als unbegründet zurück. Für die ausgeübte Tätigkeit sei nicht die Befähigung zum Richteramt erforderlich, § 4 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), § 5 Abs. 1 Deutsches Richtergesetz (DRiG)

Dagegen hat die Klägerin am 26.7.2011 Klage zum Sozialgericht (SG) Köln erhoben. Alle Kriterien der Vier-Kriterien-Theorie seien erfüllt. Sie übe eine besonders qualifizierte Sachbearbeitertätigkeit ohne eigene Prozessvertretung aus. Im Übrigen hat sie Bezug auf diverse Beispiele aus der Rechtsprechung genommen, die ihr Recht gäben.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.1.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.7.2011 zu verurteilen, sie ab dem 1.6.2010 für ihre Tätigkeit als Sachbearbeiterin im Bereich Haftpflichtschaden bei der Beigeladenen zu 1) von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach der aktuellen Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) und des Bundesgerichtshofes (BGH) stehe dem Syndikusrechtsanwalt keine dem Rechtsanwalt immanente berufliche Unabhängigkeit zu. Zudem ergebe sich aus den Urteilen des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 31.10.2012 eine stärkere Berücksichtigung des Berufsrechtes.

Das SG hat mit Beschluss vom 4.10.2012 die Beigeladenen zu 1) und 2) am Verfahren beteiligt. Die Beigeladenen haben sich den Ausführungen der Klägerin im Wesentlichen angeschlossen, welche die Beigeladene zu 1) noch um eine weitere ausführliche Beschreibung der Tätigkeit ergänzt hat.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 14.6.2013 hat das SG die Klägerin angehört und den Zeugen H1 O [Abteilungsdirektor bei der Beigeladenen zu 1)] uneidlich vernommen. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen. Sodann hat es der Klage mit Urteil vom 14.6.2013 stattgegeben, die Bescheide der Beklagten aufgehoben und die von der Klägerin begehrte Feststellung ausgesprochen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Die Beklagte hat sich gegen das ihr am 20.6.2013 zugestellte Urteil mit der am 8.7.2013 eingelegten Berufung gewandt. Die Klägerin sei gerade nicht wegen der ausgeübten Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) Mitglied in der RAK.

Die Beklagten beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.6.2013 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat im Wesentlichen ihren bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft.

Die Beigeladenen zu 1) bis 3), letztere durch Beschluss vom 22.10.2019 am Verfahren beteiligt, haben an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen und keine Anträge gestellt.

Der Senat hat zunächst die Satzung und die Verwaltungsakte der Beigeladenen zu 2) beigezogen. Auf Nachfrage des Senates hat die Beigeladene zu 1) folgendes mitgeteilt: Die Klägerin sei seit dem 1.6.2010 durchgängig in der Abteilung Haftpflicht-Schaden 6 tätig. Vorgesetzter sei weiterhin Herr H1 O. Änderungen im Arbeitsvertrag habe es nicht gegeben. In dem Bereich Haftpflicht-Schaden gebe es 72 Mitarbeiter, die alle über das 2. Staatsexamen verfügten. Die Beigeladene zu 1) habe keine Zahlungen an die Beigeladene zu 2) geleistet. Es werde auch keine Berufshaftpflichtversicherung für die Klägerin unterhalten, da hierzu keine Veranlassung gesehen werde. Zudem hat die Beigeladene zu 1) die für die Klägerin maßgebliche Stellenausschreibung vorgelegt, nach welcher von Bewerbern ein abgeschlossenes juristisches Studium mit 1. und 2. Staatsexamen gefordert wurde.

Im Hinblick auf das Gesetzgebungsverfahren, welches schließlich mit dem mit Wirkung zum 1.1.2016 in Kraft getretenen Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte und Syndikuspatentanwälte endete, und die sich daraus ergebenen Konsequenzen, ist das Berufungsverfahren zunächst mit Einverständnis der Beteiligten ruhend gestellt worden (Beschluss v. 7.12.2015).

Nach Beendigung des Gesetzgebungsverfahrens hat die Klägerin zunächst bei der RAK L am 31.3.2016 einen Antrag auf Zulassung als Syndikusrechtsanwältin und bei der Beklagten unter dem 25.3.2016 einen Antrag auf Befreiung und rückwirkende Befreiung nach § 231 Abs. 4b SGB VI und Erstattung zu Unrecht gezahlter Pflichtbeiträge nach § 286f SGB VI gestellt. Nach Bestätigung der Beigeladenen zu 2) bzgl. der Zahlung einkommensbezogener Pflichtbeiträge analog §§ 257ff SGB VI ab Juni 2010 und Anhörung der Beklagten durch die RAK nach § 46a Abs. 2 BRAO, hat die RAK L die Klägerin mit Bescheid vom 20.10.2016 als Syndikusrechtsanwältin bei der Beigeladenen zu 1) zugelassen und die sofortige Vollziehung der Entscheidung angeordnet. Der Bescheid ist der Klägerin am 26.10.2016 zugegangen.

Daraufhin hat die Beklagte mit Bescheid vom 7.12.2016 die Klägerin für ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) ab dem 26.10.2016 von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit. Mit weiterem Bescheid vom 16.1.2017 hat sie zudem die rückwirkende Befreiung als Mitarbeiterin der Beigeladenen zu 1) nach § 231 Abs. 4b SGB VI für die Zeit vom 1.4.2014 bis zum 25.10.2016 erteilt. Mit drittem Bescheid, ebenfalls vom 16.1.2017, in Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 24.10.2017 hat die Beklagte darüber hinaus die rückwirkende Befreiung nach § 231 Abs. 4b SGB VI für die Zeit vom 1.6.2010 bis zum 31.3.2014 abgelehnt, da keine einkommensbezogenen Beiträge zum Versorgungswerk entrichtet worden seien. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 1.11.2017 (S 45 R 1522/17) zum SG Köln.

Zwischenzeitlich, nämlich am 15.12.2016, hat die Klägerin in dem vorliegenden Berufungsverfahren einen Antrag auf Wiederaufnahme gestellt und in der Folge darauf verwiesen, dass sich ihr Begehren nunmehr auch gegen den Bescheid vom 16.1.2017 richte, soweit eine rückwirkende Befreiung in der Zeit vom 1.6.2010 bis zum 31.3.2014 abgelehnt worden sei. Dieser Bescheid sei ihrer Ansicht nach gemäß §§ 153, 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden.

Die insofern hilfsweise erhobene Anschlussberufung, mit der sie die Aufhebung des Bescheides vom 28.1.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.7.2011 und des Bescheides vom 16.1.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1.11.2017 sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Befreiung in der Zeit vom 1.6.2010 bis zum 31.3.2014 begehrt hat, hat die Klägerin im Verhandlungstermin vor dem Senat am 27.11.2019 nicht weiterverfolgt.

Dem ist die Beklagte entgegen getreten. Streitgegenstand sei nicht die Befreiung als Syndikusrechtsanwältin, d.h. die neuen Entscheidungen würden nicht Gegenstand des Verfahrens. Im Übrigen hat die Beklagte ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft.

Der Senat hat zudem das Schlüsselverzeichnis der Bundesagentur für Arbeit (Ausgabe 2010) und das weitere Verfahren der Klägerin vor dem SG Köln (S 45 R 1522/17) samt Beiakten beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 1) bis 3) in der Sache verhandeln und entscheiden können, da er sie mit ordnungsgemäßen Terminsmitteilungen auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.

A. Streitgegenstand ist der Bescheid vom 28.1.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.7.2011. Nicht streitbefangen ist hingegen der Bescheid vom 16.1.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2017.

I. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Bescheid vom 16.1.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2017 zunächst nicht nach den §§ 153, 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Nach § 96 Abs. 1 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt nach Klageerhebung nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, da die angesprochenen Bescheide den ursprünglichen Bescheid vom 28.1.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.7.2011 weder abändern noch ersetzen. Abändern oder ersetzen setzt allgemein voraus, dass der Regelungsgegenstand des neu einzubeziehenden Verwaltungsaktes mit dem des früheren identisch ist, was durch Vergleich der in beiden Verwaltungsakten getroffenen Verfügungssätze festzustellen ist. Dabei reicht bei der Abänderung eines teilbaren Verwaltungsakt eine Identität des streitbefangenen Teils aus (BSG, Beschluss v. 22.3.2018, B 5 RE 12/17 B, juris, Rdnr. 25; BSG, Urteil v. 28.6.2018, B 5 RE 2/17 R, Rdnr. 16).

Regelungsgegenstand des Bescheids vom 16.1.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2017 ist die (ablehnende) Entscheidung über den Antrag der Klägerin auf rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs. 4b SGB VI für die Zeit vom 1.6.2010 bis zum 31.3.2014 als Mitarbeiterin der Beigeladenen zu 1) und Syndikusrechtsanwältin sowie die (gleichfalls abgelehnte) Erstattung von in dieser Zeit zu Unrecht entrichteter Beiträge. Dieser Regelungsgegenstand ist nicht mit demjenigen des ursprünglichen Bescheides (teil-)identisch. Zwar beinhalten beide eine Ablehnung der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für den genannten Zeitraum. Allerdings bezieht sich der in der Chronologie zunächst ergangene Bescheid auf den ehemaligen Status der Klägerin als Rechtsanwältin und der nachfolgende Bescheid auf ihren Status als Syndikusrechtsanwältin, welche entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht identisch sind (BSG, Beschluss v. 22.3.2018, a.a.O., Rn. 27 ff).

Mangels Identität des Regelungsgegenstandes kann folglich eine Änderung oder Ersetzung durch den nachfolgenden Bescheid nicht erfolgt sein. Eine Änderung liegt vor, wenn der Verwaltungsakt teilweise aufgehoben und durch eine Neuregelung ersetzt wird. Ersetzung ist gegeben, wenn der neue Verwaltungsakt vollständig an die Stelle des bisherigen getreten ist. Der ursprüngliche Bescheid ist durch den Bescheid vom 16.1.2017 jedoch weder ganz oder teilweise aufgehoben worden. Vielmehr ist der Bescheid vom 16.1.2017 neben diesen getreten und entfaltet eine eigenständige Regelungswirkung. Dementsprechend hat die Klägerin auch beide Bescheide nebeneinander angefochten (BSG, Urteil v. 28.6.2018, a.a.O., Rdnr. 16ff.; BSG, Beschluss v. 23.7.2019, B 5 RE 5/19 B, Rdnr. 12; BSG, Beschluss v. 22.3.2018, a.a.O.; Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Urteil v. 10.4.2019, L 16 R 255/18, Rdnr. 17; Bayrisches LSG [BayLSG], Urteil v. 13.2.2019, L 13 R 525/17, Rdnr. 23 ff.; jeweils juris).

II. Die Klägerin hat ihre Klage zudem nicht zulässig i.S.d. §§ 153, 99 SGG erweitert. Zwar ist dies grundsätzlich in der Berufungsinstanz möglich. Zudem genügt dafür auch die Einreichung eines Schriftsatzes mit geändertem Klageantrag, der vorliegend am 2.11.2017 vorgelegt worden ist (vgl. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 99 Rdnr. 12, 13). Indes liegen die weiteren Voraussetzungen einer Klageerweiterung nicht vor.

1. Zunächst hat die Klägerin nicht lediglich den Klagegrund im Sinne der §§ 153, 99 Abs. 3 SGG geändert. Sie hat weder nur ihre tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt bzw. berichtigt (Nr. 1), ihren Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenleistungen erweitert oder beschränkt (Nr. 2) noch statt der ursprünglich geforderten Leistungen eine andere Leistung verlangt (Nr. 3). Stattdessen hat sie ihre Klage um einen weiteren Streitgegenstand und damit sowohl den Klagegrund als auch den Klageantrag erweitert.

2. Die Änderung der Klage ist auch nicht i.S.d. §§ 153, 99 Abs. 1, 2 SGG zulässig.

a) Eine ausdrückliche Einwilligung insbesondere der Beklagten liegt nicht vor. Sie hat sich auch nicht rügelos auf die Klageerweiterung der Klägerin eingelassen. Stattdessen hat sie unverzüglich ihrer Ansicht Ausdruck verliehen, dass die nachfolgenden Bescheide nicht Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens geworden sind (vgl. z.B. Schriftsatz der Beklagten v. 5.12.2017).

b) Ferner ist eine Sachdienlichkeit der Änderung nicht anzunehmen. Eine Änderung ist dann sachdienlich, wenn sie dazu führt, dass der Streit zwischen den Beteiligten in einem Verfahren beigelegt und endgültig bereinigt werden kann, sodass ein neuer Prozess vermieden wird oder durch weitere noch anhängige Streitigkeiten erledigt oder weitgehend mitentschieden werden. Als nicht sachdienlich ist eine Klageänderung hingegen dann anzusehen, wenn sie dazu führt, dass der Rechtstreit auf eine völlig neue Grundlage gestellt wird, also z.B. der Prozess entscheidungsreif ist und durch die Änderung bisheriger Ergebnisse nicht verwertet werden können (Schmidt in: a.a.O., § 99 Rdnr. 10, 10a).

Das ist vorliegend der Fall, denn auf die hier relevante Streitfrage, ob die Klägerin "wegen" ihrer Tätigkeit bei der Beigeladene zu 1) einer Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 2) unterworfen ist, kommt es im Rahmen des § 231 Abs. 4b SGB VI gerade nicht an. Stattdessen stellen sich dort Rechtsfragen, die vorliegend irrelevant sind. Der Bescheid vom 16.1.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2017 beruht auf § 231 Abs. 4b SGB VI, dessen Tatbestandsvoraussetzungen von denjenigen des vorliegend streitrelevanten § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VI deutlich abweichen (vgl. dazu auch BayLSG, Urteil v. 13.2.2019, L 13 R 525/17, Rdnr. 31). Dies zeigt sich deutlich in der von der Klägerin im Rahmen der Neubescheidung maßgeblich aufgeworfenen Streitfrage. So hatte die Beklagte die weitergehende Befreiung deshalb abgelehnt, da die Klägerin ihrer Ansicht nach in dieser Zeit keine einkommensbezogenen Pflichtbeiträge zur Beigeladenen zu 2) entrichtet habe. Die Frage, ob Mindestbeiträge zum Versorgungswerk als einkommensbezogene Pflichtbeiträge im Sinne des § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI zu sehen sind, ist im Rahmen der beantragten Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB VI jedoch nicht streitrelevant (vgl. zu der Auslegung des Tatbestandsmerkmals "einkommensbezogene Pflichtbeiträge" im Sinne des § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI: z.B. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 16.10.2018, L 13 R 4841/17; folgende Revisionen zu dieser Frage sind zudem beim 5. Senat des BSG anhängig: B 5 RE 5/19 R, B 5 RE 4/19 R und B 5 RE 3/19 R). Prozessuale Nachteile für die Klägerin durch diese Auslegung sind nicht erkennbar, schließlich wird ihr der Instanzenzug vollständig eröffnet.

III. Soweit die Klägerin hilfsweise eine Anschlussberufung nach § 202 SGG i.V.m. § 524 ZPO eingelegt hat, mit der sie die Aufhebung des Bescheides vom 16.1.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2017 und die Verpflichtung der Beklagten auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht im Zeitraum vom 1.6.2010 bis zum 31.3.2014 begehrt, hat sie daran im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht mehr festgehalten. Insoweit verweist der Senat lediglich ergänzend darauf, dass eine solche auch unstatthaft ist, da die Anschließung kein Rechtsmittel, sondern nur ein angriffsweise wirkender Antrag ist, mit dem sich der Gegner innerhalb des Rechtsmittels des Berufungsklägers - hier der Beklagten - an diesen anschließt, ihn allerdings nicht eigenständig erweitern kann (Leitherer in: a.a.O., § 143 Rdnr. 5a; BSG, Urteil v. 5.5.2010, B 6 KA 6/09 R; BSG, Urteil v. 26.10.2017, B 8 SO 12/16 R, jeweils juris).

B. Die so ausgelegte am 8.7.2013 bei dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) schriftlich eingelegte Berufung der Beklagten gegen das ihr am 20.6.2013 zugestellte Urteil des SG Köln vom 14.6.2013 ist zulässig, insbesondere gemäß den §§ 143, 144 SGG ohne gerichtliche Zulassung statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 151 Abs. 1, Abs. 3, 64 Abs. 1, 63 SGG).

C. Die Berufung der Beklagten ist zudem begründet.

I. Dabei ist das SG zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass die gegen den Bescheid vom 28.1.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.7.2011 erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage der Klägerin (§ 54 Abs. 1 SGG; vgl. BSG, Urteil v. 28.6.2018, B 5 RE 2/17 R, Rdnr. 15 juris) fristgerecht (§§ 87 Abs. 1 S. 1, 90, 64, 63 SGG) erhoben und auch im Übrigen für die Zeit vom 1.6.2010 bis zum 31.3.2014 zulässig ist. In diesem Zeitraum lassen auch die Bescheide vom 10.4.2006 nicht ihr Rechtsschutzbedürfnis entfallen (dazu unter 1.), für die Zeit ab dem 1.4.2014 ist die Klage hingegen mit Erlass des Befreiungsbescheids vom 16.1.2017 unzulässig geworden (dazu unter 2.).

1. Der Zulässigkeit der Klage stehen nicht die Bescheide der Beklagten vom 10.4.2006 entgegen. Mit diesen hat die Beklagte die Klägerin zunächst für die Zeit ab dem 14.10.2005 und sodann ab dem 1.11.2005 hinsichtlich der trotz aufgenommener Selbständigkeit als Rechtsanwältin in eigener Kanzlei bestehenden Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Diese Bescheide beziehen sich gerade nicht auf die Tätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) und können ihr Rechtsschutzbedürfnis insofern nicht entfallen lassen (vgl. BSG, Urteil v. 28.6.2018, a.a.O., Rdnr. 27ff.).

a) Die Auslegung eines Verwaltungsakts hat ausgehend von seinem Verfügungssatz und der Heranziehung des in § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ausgedrückten allgemeinen Rechtsgedankens zu erfolgen, dass es nicht auf den Buchstaben, sondern den wirklichen Willen der Behörde bzw. des Verwaltungsträgers ankommt, soweit er im äußeren Ausdruck greifbar seinen Niederschlag gefunden hat. Für die Ermittlung des erklärten Willens sind dabei auch die Umstände und Gesichtspunkte heranzuziehen, die zur Aufhellung des Inhalts der Verfügung beitragen können und die den Beteiligten bekannt sind, wenn der Verwaltungsakt sich erkennbar auf sie bezieht. Maßstab der Auslegung ist insofern der verständige und Zusammenhänge berücksichtigende Beteiligte (BSG, Urteil v. 28.6.2018, a.a.O., Rdnr. 28 m.w.N.).

b) Unter Beachtung dieser Vorgaben bezog sich die Befreiung auf die zunächst ab dem 14.10.2005 bestehende Arbeitslosigkeit der Klägerin und die daraus resultierende Versicherungspflicht (§ 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI) und sodann auf die Tätigkeit als selbständige Rechtsanwältin, die der Versicherungspflicht aufgrund des gewährten Existenzgründungszuschusses nach § 2 S. 1 Nr. 10 SGB VI a.F. unterlag. Dies ist dem Wortlaut der Bescheide unzweifelhaft zu entnehmen.

Aus den Hinweisen auf S. 2 der Bescheide folgt nichts anderes. Diese sind weder eigenständige Regelungen bzw. Verfügungssätze im Sinne von § 31 S. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) noch Nebenbestimmungen im Sinne von § 32 SGB X, sondern lediglich als erläuternde Hinweise der getroffenen Befreiungsentscheidung beigefügt. Diese Hinweise erlauben darüber hinaus auch keine Interpretation des Verfügungssatzes in den Bescheiden vom 10.4.2006 dahin, dass die Befreiung unabhängig von einer konkreten Beschäftigung bzw. einem bestimmten Anlass auf Dauer wirkt und nur im Fall der "Aufhebung" endet (BSG, Urteil v. 28.6.2018, a.a.O., Rdnr. 32f. m.w.N.).

c) Die ursprünglich rechtmäßig erteilten Befreiungsbescheide haben mit dem Ende der Arbeitslosigkeit bzw. dem Ende der Bewilligung des Existenzgründerzuschusses am 31.10.2006 ebenso wie im Falle der Aufgabe einer Tätigkeit bei einem bezeichneten Arbeitgeber ihre Wirkung für die Klägerin verloren und sind mit diesem Zeitpunkt gemäß § 39 Abs. 2 SGB X unwirksam geworden, weil sie sich auf andere Weise erledigt haben (BSG, Urteil v. 22.3.2018, B 5 RE 5/16 R; vgl. dazu auch zu § 231 S. 1 SGB VI: BSG, Urteil v. 5.12.2017, B 12 KR 11/15 R, Rdnr. 20ff., jeweils juris). Sie begründen damit auch kein Vertrauen der Klägerin in den Inhalt nachfolgender Befreiungsentscheidungen (BSG, Urteil v. 28.6.2018, a.a.O., Rdnr. 34 m.w.N., BSG, Urteil v. 13.12.2018, B 5 RE 3/18 R; BSG, Urteil v. 13.12.2018, B 5 RE 1/18 R, jeweils juris).

2. Soweit die Klägerin weiterhin auch für die Zeit ab dem 1.4.2014 eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI begehrt, ist die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig geworden. Für die Zeit ab dem 1.4.2014 liegt zwischenzeitlich eine Befreiung vor (vgl. Bescheide v. 7.12.2016 und 16.1.2017). Eine weitergehende Befreiung aufgrund einer anderen Vorschrift kann die Klägerin insofern nicht mehr erreichen (BayLSG, Urteil v. 13.2.2019, a.a.O., Rdnr. 22).

II. Das SG hat die Klage jedoch zu Unrecht als begründet erachtet. Die rechtmäßigen Bescheide beschweren die Klägerin nicht i.S.d. § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG, denn sie erweisen sich als rechtmäßig.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI. Danach werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1.1.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat (a), für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind (b) und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist (c).

§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI gibt versicherungspflichtig Beschäftigten, die gleichzeitig verkammerte Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nur für die &698;Beschäftigung, wegen der&698; sie auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung kommt nur in Betracht, wenn ein- und dieselbe Erwerbstätigkeit gleichzeitig zu zwei Versicherungsverhältnissen führt, d.h. zur Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung und zusätzlich zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und einer berufsständischen Kammer (BSG, Urteil v. 28.6.2018, a.a.O., Rdnr. 37; BSG, Urteil v. 15.12.2017, B 5 RE 7/16 R, Rdnr. 20; BSG, Urteil v. 3.4.2014, B 5 RE 9/14 R, Rdnr. 18).

a) Die Klägerin war zunächst in ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) im streitbefangenen Zeitraum rentenversicherungspflichtig als abhängig Beschäftigte nach § 1 S. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 SGB VI tätig. Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2).

Die Klägerin erbrachte für die Beigeladene zu 1) auf Grund des bestehenden Arbeitsvertrages vom 3.5.2010 in der Fassung vom 12.5.2010 weisungsabhängig und eingegliedert in die betriebliche Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 1) als Sachbearbeiterin im Bereich Haftpflicht-Schaden/Arzthaftpflicht-Schaden nicht selbständige Arbeit in Rahmen eines Arbeitsverhältnis gemäß den §§ 611 ff. BGB. Für diese Tätigkeit erhielt sie eine Bruttovergütung i.H.v. zunächst 3.334,00 EUR, ab dem 1.2.2010 i.H.v. 3.456,00 EUR. Eine Anmeldung der Klägerin zur zuständigen Einzugsstelle und eine Abführung von Beiträgen zur Sozialversicherung durch die Beigeladene zu 1) sind erfolgt. Das Entgelt lag zudem deutlich über der Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI i.V.m. § 8 Abs. 1 SGB IV). Weitere Versicherungsfreiheitstatbestände in der Rentenversicherung sind weder ersichtlich noch wurden sie geltend gemacht.

b) Die Klägerin ist ferner durchgängig seit dem 1.10.2005 und damit auch im Streitzeitraum durch die RAK L zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Gemäß § 12 Abs. 3 BRAO wurde die Klägerin damit kraft gesetzlicher Verpflichtung obligatorisches Pflichtmitglied der zulassenden RAK L (§ 60 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Nr. 1 BRAO). Fehler im Zulassungsverfahren oder etwaige Verstöße gegen berufsrechtliche Pflichten lassen diese Pflichtmitgliedschaft unberührt. Der für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Handlungsform vorgeschriebene Verwaltungsakt bleibt nach den damit einschlägigen allgemeinen Vorschriften des jeweiligen Verwaltungsverfahrensgesetz (§§ 35 ff Verwaltungsverfahrensgesetz [VwVfG]) wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (BSG, Urteil v. 3.4.2014, B 5 RE 9/14 R, juris). Derartige Aufhebungs- und Erledigungstatbestände sind nicht festzustellen. Vielmehr hat die RAK L zuletzt noch im Hinblick auf eine Anfrage des Senats zum Kanzleisitz mitgeteilt, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum durchgehend einen entsprechenden Kanzleisitz in ihrem Zuständigkeitsbereich gemeldet habe.

c) Die Klägerin ist auch "auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versicherungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung)" geworden. Die Beigeladene zu 2) ist als Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Nordrhein-Westfalen eine berufsständische Versorgungseinrichtung. Mit der Zulassung durch die RAK wurde die Klägerin, die damals das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, auf der Grundlage der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen (zum Versorgungsrecht: § 2 Abs. 1 RAVG NW vom 6.11.1984 i.V.m. § 10 Abs. 2 der Satzung B 2) zeitgleich obligatorisches Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 2) und der RAK L.

d) Die Klägerin ist damit zwar parallel in mehrere Versorgungssysteme einbezogen, doch ist allein deshalb der Anwendungsbereich von § 6 Abs. 1 S 1 Nr. 1 SGB VI noch nicht eröffnet.

aa) Die Norm ermöglicht es nicht generell, jegliche - faktisch koexistierende - Doppelversicherung zu vermeiden, sondern erkennt Betroffenen ein Befreiungsrecht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung allein dann zu, wenn beide Versicherungen rechtlich auf ein und demselben Lebenssachverhalt beruhen und in der Folge gerade deshalb ein mehrfacher Schutz gegen die Risiken von Erwerbsunfähigkeit, Alter und Tod besteht (BSG, Urteil v. 28.6.2018, B 5 RE 2/17 R, Rdnr. 40). Kommt daher in Betracht, dass ein und dieselbe Erwerbstätigkeit zur Versicherungspflicht in beiden Sicherungssystemen führt, ist bereits damit der Anwendungsbereich von § 6 Abs. 1 S 1 Nr. 1 SGB VI eröffnet und eine weitergehende Prüfung veranlasst. Relevant können jedoch nur Erwerbstätigkeiten sein, die gleichzeitig in beiden Formen ausgeübt werden, die jeweils für sich die Voraussetzungen des jeweiligen Versicherungszweiges erfüllen. Sind die von den Versicherungszweigen jeweils geforderten Voraussetzungen einer Erwerbstätigkeit untereinander unvereinbar, kommt eine Anwendung von § 6 Abs. 1 S 1 Nr. 1 SGB VI nicht in Betracht (BSG, Urteil v. 28.6.2018, a.a.O., Rdnr. 40, BSG, Urteile v. 3.4.2014, B 5 RE 13/14 R, B 5 RE 9/14 R und B 5 RE 3/14 R, jeweils juris).

bb) Vorliegend fehlt es bereits an dem gemeinsamen Ursprung der in Frage stehenden Versicherungen. Ein und dieselbe Erwerbstätigkeit führt neben der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nämlich nur dann auch zur Versicherungspflicht in der berufsständischen Rechtsanwaltsversorgung, wenn die Erwerbstätigkeit sowohl nach inhaltlichen Aspekten als auch ihrer äußeren Form nach dem Bereich anwaltlicher Berufstätigkeit zugeordnet werden kann. Ob eine Tätigkeit auch ihrer äußeren Form nach als anwaltliche Tätigkeit zu bewerten ist, entscheidet sich nach der BRAO (BSG, Urteil v. 15.12.2017, B 5 RE 7/16 R, Rdnr. 21, 23).

Dabei kann der Senat offen lassen, ob sich die Tätigkeit der Klägerin für die Beigeladene zu 1) in inhaltlicher Hinsicht überhaupt als anwaltliche Tätigkeit darstellt. Dies erscheint zweifelhaft, denn die Klägerin beriet gerade nicht die Mandanten der Beigeladenen zu 1) in Rechtsangelegenheiten und vertrat diese nicht vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden (§§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 3 BRAO). Sie führte stattdessen bei der Beigeladenen zu 1) eine sachbearbeitende Tätigkeit im Rahmen der Bearbeitung von Haftpflichtschäden aus. Dabei nahm sie sowohl schadensabwickelnde als auch den Versicherungsnehmer im Namen der Beigeladenen zu 1) beratende Tätigkeiten wahr. Sie vertrat zudem die Beigeladene zu 1) als Unternehmen und nicht Dritte vor den Schlichtungsstellen der Ärztekammern und verhandelte - allerdings auch nur außergerichtlich und im Rahmen ihrer Vollmachten - mit Dritten. Für die dargestellten Inhalte sowie die vorgetragene Eigenständigkeit der Aufgabenbewältigung bedurfte die Klägerin bereits mangels Tätigkeit in einer konkreten fremden Angelegenheit der Erbringung von Rechtsdienstleistungen gegenüber einem Arbeitgeber keiner Rechtsanwaltszulassung (§§ 2 Abs. 1, 3 des Gesetzes über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen - RDG; vgl. BSG, Urteil v. 3.4.2014, B 5 RE 9/14 R, Rdnr. 21).

Dies kann jedoch letztlich dahinstehen (dazu BSG, Urteil v. 3.4.2014, B 5 RE 9/14 R, Rdnr. 23), da es bei der Klägerin jedenfalls an der äußeren Form der anwaltlichen Tätigkeit fehlt.

(1) Nach dem Willen des Gesetzgebers soll der Rechtsanwalt ein unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) sowie der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten (§ 3 Abs. 1 BRAO) sein. Wie bereits erwähnt hat zudem jedermann im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften das Recht, sich in Rechtsangelegenheiten aller Art durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden vertreten zu lassen (§ 3 Abs. 3 BRAO). Darüber hinaus darf der Rechtsanwalt keine Tätigkeit ausüben, die mit dem Beruf des Rechtsanwalts, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann (§ 7 Nr. 8 BRAO). Bei der Beurteilung der Frage, ob nach diesen Berufsaufgaben und -vorgaben eine Erwerbstätigkeit ihre äußere Form nach dem Bereich anwaltlicher Berufstätigkeit zugeordnet werden kann, obgleich sie im Rahmen einer Beschäftigung einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber geschuldet ist, legt das BSG die Rechtsprechung des für das Berufsrecht der Rechtsanwälte zuständigen Senats des BGH, des BVerfG und des EuGH zugrunde. Danach erlaubt das gesetzlich normierte Berufsbild des Rechtsanwalts diesem zunächst nicht jede Tätigkeit für jeden Arbeitgeber und verlangt insbesondere eine unabhängige und weisungsfreie Bearbeitung der ihm übertragenen Mandate. Darüber hinaus verbietet es die Ausübung einer Tätigkeit unter Verstoß gegen die Rechtsordnung, wie etwa die Beratung von Rechtssuchenden unter Umgehung der Gesetze (vgl. dazu insg.: BSG, Urteil v. 15.12.2017, B 5 RE 7/16 R, Rdnr. 24f., juris)

(2) Demgemäß ist der bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber beschäftigte Syndikus generell nicht als Rechtsanwalt tätig und kann ungeachtet der abweichenden Verwaltungspraxis nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 S 1 Nr. 1 SGB VI befreit werden. Das BSG hat bereits in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die Erwerbstätigkeit von Syndikusanwälten bei ihren jeweiligen Arbeitgebern nicht zum Feld der anwaltlichen Berufstätigkeit im Sinne der BRAO gehört. Vielmehr werde nach gefestigter verfassungsrechtlicher und berufsrechtlicher Rechtsprechung zum Tätigkeitsbild des Rechtsanwalts nach der BRAO derjenige, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber stehe, in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig. Unabhängiges Organ der Rechtspflege und damit Rechtsanwalt sei der Syndikus nur in seiner freiberuflichen Tätigkeit außerhalb seines Dienstverhältnisses (BSG, Urteil v. 28.6.2018, a.a.O., Rdnr. 44f.; BSG, Urteil v. 15.12.2017, a.a.O., Rdnr. 27; BSG, Urteile v. 3.4.2014, a.a.O.; dazu BVerfG, Beschlüsse v. 19.7.2016, 1 BvR 2584/14 und v. 22.7.2016, 1 BvR 2534/14; BayLSG, Urteil v. 13.2.2019, L 13 R 525/17, Rdnr. 32). Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat nach eigener Prüfung und Meinungsbildung ausdrücklich an.

(a) Die im Rahmen der Beschäftigung ausgeübte Erwerbstätigkeit der Klägerin ist damit für die Versicherungspflicht in der berufsständischen Versorgung ohne Bedeutung. Letztere beruht allein auf der Ausübung der selbstständigen Tätigkeit als Rechtsanwältin.

(aa) Nach der ständigen Rechtsprechung insbesondere des Senats für Anwaltssachen des BGH, auf welche das BSG und mit ihm der Senat Bezug nimmt, ist unter einem "Syndikus" derjenige zu verstehen, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis bei einem bestimmten Arbeitgeber steht. Ist er gleichzeitig als Rechtsanwalt zugelassen, ist er &8223;Syndikusanwalt”, der zwei Arbeitsbereiche hat, einen arbeitsvertraglich gebundenen und einen als freier Anwalt. Dabei hat der BGH hervorgehoben, dass der &8223;Syndikusanwalt” bei seiner Tätigkeit als Syndikus für seinen Dienstherrn nicht dem allgemeinen anwaltlichen Berufsbild entspricht, wie es in der Allgemeinheit besteht. Auch das BVerfG hat darauf verwiesen, dass der Syndikus in dieser Tätigkeit &8223;seinem Arbeitgeber in Rechtsangelegenheiten Rat und Beistand gewähre” und von dieser Tätigkeit, die für &8223;Rechtssuchende als freier Anwalt zu beraten und zu vertreten” zu unterscheiden ist. In Übereinstimmung dazu versteht der EuGH unter &8223;unabhängigen Rechtsanwälten” Anwälte, &8223;die nicht durch einen Dienstvertrag an den Mandanten gebunden sind.” Auch er unterscheidet demnach zwischen der mit dem Beruf eines Rechtsanwalts nicht zu vereinbarenden juristischen Beratungstätigkeit für einen Dienstherrn und der anwaltlichen Tätigkeit für Dritte (vgl. dazu insgesamt: BSG, Urteil v. 15.12.2017, a.a.O., Rdnr. 28ff.; BSG, Urteil v. 3.4.2014, B 5 RE 9/14 R, Rdnr. 24f., jeweils m.w.N.; LSG NRW, Urteil v. 21.11.2014, L 14 R 417/12, Rdnr. 50, jeweils juris).

(bb) Die Klägerin erfüllt diese Definition. Sie stand in einem festen Anstellungsverhältnis zur Beigeladenen zu 1). Die durch sie geleistete Beratung in Rechtsangelegenheiten, so überhaupt von einer beratenden und nicht lediglich von einer ausführenden und sachbearbeitenden Tätigkeit auszugehen ist, bezieht sich ausschließlich auf die Beigeladene zu 1) als Arbeitgeberin. Die Klägerin ist bei dieser zusammenfassend schadens- und Deckungsschutz aufklärend sowie schadensregulierend bzw. regressierend tätig geworden. Dritte, wobei hier allenfalls Versicherungsnehmer zu benennen sind, hat die Klägerin im Rahmen dieser Tätigkeit bestenfalls insofern beraten, als dass sie damit der Verpflichtung der Beigeladenen zu 1) aus dem Versicherungsvertrag nachkam, unberechtigt erhobene Ansprüche gegen den Versicherungsnehmer abzuwehren (§§ 100, 101 Versicherungsvertragsgesetz [VVG]). Diese Tätigkeit entspricht indes nicht dem Berufsbild der Rechtsanwältin aus Sicht der Rechtssuchenden. Der Schadenssachbearbeiter eines Versicherers tritt nicht als unabhängiger, durch den Rechtssuchenden selbstgewählter Berater auf, sondern ist vorrangig den Interessen seines Arbeitgebers verpflichtet.

(cc) Daher ist auch unerheblich, ob die Klägerin arbeitsrechtlich die Möglichkeit hatte, gegenüber ihrem Arbeitgeber sachlich selbständig und eigenverantwortlich zu handeln, denn diese interne Absprache lässt die Vereinbarkeit ihrer Tätigkeit mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts aus der Sicht der Allgemeinheit der Rechtssuchenden unberührt. Allein die Eingliederung in die vorgegebene Arbeitsorganisation ist mit dem Berufsbild bereits unvereinbar (BSG, Urteil v. 15.12.2017, a.a.O., Rdnr. 42 m.w.N.; BSG, Urteil v. 3.4.2014, B 5 RE 9/14 R, Rdnr. 29; LSG NRW, Urteil v. 21.11.2014, L 14 R 417/12, Rdnr. 51).

(dd) Ferner ist ohne Belang, ob die in Frage stehende Beschäftigung inhaltlich "Elemente" einer anwaltlichen Berufstätigkeit aufwies. Dadurch erfolgt keine Verklammerung der Beschäftigung und der Tätigkeit als Rechtsanwältin zu einer ungetrennt zu beurteilenden Einheit (BSG, Urteil v. 3.4.2014, B 5 RE 9/14 R, Rdnr. 34f zur Ablehnung der Vier-Kriterien-Theorie [rechtsberatend, rechtsvermittelnd, rechtsentscheidend, rechtsgestaltend] als Umgehungslösung). Dass die Beklagte die Vier-Kriterien-Theorie angewandt hat, ist auch nicht geeignet Vertrauensschutz für diejenigen Personen zu eröffnen, die noch keine Befreiung erlangt haben (BSG, Urteil v. 3.4.2014, B 5 RE 13/14 R, Rdnr. 58; BayLSG, Urteil v. 13.2.2019, a.a.O., Rdnr. 32).

(b) Ungeachtet dessen zeigt sich auch in tatsächlicher Hinsicht, dass die Vertragsparteien den Bereich der abhängigen Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) von der selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwältin klar trennten.

(aa) So suchte die Beigeladene zu 1) gemäß den vorgelegten Stellenanzeigen/-beschreibungen keine Rechtsanwältin bzw. einen Rechtsanwalt, sondern Bewerber mit abgeschlossenem juristischem Studium sowie erstem und zweitem juristischen Staatsexamen. Nach Auskunft der Beigeladenen zu 1) haben alle Mitarbeiter in der entsprechenden Abteilung das zweite Staatsexamen. Die Klägerin hat zudem im Erörterungstermin vor dem SG mitgeteilt, dass die Beigeladene zu 1) in der Abteilung sowohl Rechtsanwälte als auch juristische Assessoren gleichermaßen beschäftigt.

(bb) Darüber hinaus folgt aus dem Arbeitsvertrag der Klägerin nicht ihre Einstellung als Rechtsanwältin, sondern als Sachbearbeiterin im Bereich Haftpflicht-Schaden. Die Beigeladene zu 1) meldete die Klägerin zur Einzugsstelle an und wählte nach dem Schlüsselverzeichnis der Bundesagentur für Arbeit (Ausgabe 2010) nicht den Tätigkeitsschlüssel für einen Rechtsanwalt bzw. Syndikus-Rechtsanwalt, welche unter der (Vor-)Ziffer 73134 zusammengefasst sind, sondern den Tätigkeitsschlüssel 721324511, wobei die Ziffern 72132 u.a. Tätigkeiten wie Antragsannehmer, Antragsbearbeiter, Bestandprüfer, Finanzassistent, Finanzkaufmann Versicherung, Sachbearbeiter (Versicherung), Schadensmanagement und Sachbearbeiter Schadensmanagement, Regulierungsbeauftragter etc. bezeichnen.

(cc) Die Klägerin verfügte ferner pflichtgemäß über eine Berufshaftpflichtversicherung. Diese wurde jedoch nicht von der Beigeladenen zu 1) übernommen bzw. unterhalten, aus deren Sicht dazu auch keine Veranlassung bestand. Stattdessen folgt aus dem Nachtrag zur Berufshaftpflichtversicherung der Klägerin zum 1.6.2010, dass sie lediglich eine jährliche Honorareinnahmensumme von max. 6.000,00 EUR prognostizierte und die Berufshaftpflichtversicherung den Zusatz hatte, dass sie lediglich eine anwaltliche Tätigkeit neben einem Angestelltenverhältnis versicherte.

(c) Vor dem Hintergrund der mangelnden äußeren Form ist der weitere Prüfungsschritt, ob der Rechtsanwalt entsprechend dem vermittelten Bild auch tatsächlich als unabhängiges Organ der Rechtspflege fungierte, was sich nach dem Inhalt des zwischen ihm und dem Unternehmer geschlossenen Vertrages entscheidet, entbehrlich (BSG, Urteil v. 15.12.2017, B 5 RE 7/16 R, Rdnr. 42). Lediglich ergänzend ist hierzu festzustellen, dass erst der Nachtrag zum Arbeitsvertrag der Klägerin v. 9.3.2016 ihre fachliche Unabhängigkeit i.S.d. § 46 Abs. 3 BRAO bestätigte. Zuvor finden sich im Arbeitsvertrag keine Ausnahmen zum Weisungsrecht des Arbeitgebers. Entsprechende Vertragsergänzungen wurden auch weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich.

2. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI ist ferner als abschließende Ausnahmeregelung einer weiten, erweiternden oder analogen Anwendung weder bedürftig noch fähig (BSG, Urteil v. 3.4.2014, B 5 RE 9/14 R, Rdnr. 39; BayLSG, Urteil v. 13.2.2019, a.a.O., Rdnr. 38; LSG NRW, Urteil v. 21.11.2014, a.a.O., Rdnr. 56).

3. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen dieser Auslegung bestehen nicht. Das BSG hat bereits darauf verwiesen, dass die einschlägigen Fragen durch die Rechtsprechung des BVerfG geklärt sind. Der Senat folgt dieser Rechtsprechung nach eigener Prüfung und Meinungsbildung. So führt das BSG aus, dass der Gesetzgeber zur Bestimmung der Schutzbedürftigen typisierend an den Sachverhalt der Beschäftigung anknüpfen und in Verbindung hiermit Versicherungszwang anordnen dürfe. Hiergegen bestehen nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11 S. 27 f). Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung verletze die Betroffenen insbesondere nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz ((GG), BVerfG, Beschluss v. 26.6.2007, 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03, SozR 4-2600 § 2 Nr. 10, Rdnr, 25) und berühre mangels eines unmittelbar berufsregelnden Charakters nicht den Schutzbereich des Art 12 Abs. 1 GG (BVerfG v. 26.6.2007 a.a.O., Rdnr 27). Auch gebe es von Verfassungs wegen kein Wahlrecht zugunsten der jeweils günstigsten Versorgungsmöglichkeit (vgl. insgesamt die Nachweise bei BSG, Urteil v. 9.3.2005, B 12 RA 8/03 R, SozR 4-2600 § 6 Nr. 3 Rdnr 6; BSG, Urteil v. 3.4.2014, B 5 RE 13/14 R,). Umgekehrt verweist das BSG darauf, dass für das berufsständische Versorgungsrecht geklärt sei, dass es nicht gegen höherrangiges Recht verstoße, wenn sich die Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk auch auf in der gesetzlichen Angestelltenversicherung pflichtversicherte Berufsangehörige erstrecke (vgl. BVerwG, Beschluss v. 23.3.2000, 1 B 15/00, juris Rdnr 15 m.w.N.). Es liege auch kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs. 1 GG) vor. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI eröffne eine Befreiungsmöglichkeit ausdrücklich nur für solche Versicherte der gesetzlichen Rentenversicherung, die aufgrund derselben Erwerbstätigkeit, die - in der Form der Beschäftigung - die dortige Versicherungspflicht begründe, zugleich - nach deren Regelungen - der Versicherungspflicht in der berufsständischen Versorgung unterliegen. Fehle es an dieser Voraussetzung, sei bereits eine Mehrfachbelastung aufgrund ein und derselben Erwerbstätigkeit nicht gegeben, von der denkbar befreit werden könne. Es bestehe dadurch keine gleichheitswidrige Benachteiligung. Das Gesetz erfasse vielmehr den Kreis der Regelungsunterworfenen vollständig. Es könne dagegen nicht verlangt werden, die Anwendbarkeit der Regelung in der Weise zu erweitern, dass ein Befreiungsrecht zusätzlich für alle faktisch Doppelversicherten eröffnet werde. Dies laufe auf einen nicht vor den Gerichten verfolgbaren Anspruch auf Gesetzgebung hinaus (vgl. insgesamt zu diesem Komplex: BSG, Urteil v. 28.6.2018, B 5 RE 2/17 R, Rdnr. 48ff., ebenfalls BSG, Urteil v. 3.4.2014, B 5 RE 9/14 R, Rdnr. 45ff.; BayLSG, Urteil v. 13.2.2019, L 13 R 525/17 Rdnr. 36; LSG NRW, Urteil v. 21.11.2014, L 14 R 417/12, Rdnr. 57). Dem schließt sich der erkennende Senat gleichfalls nach eigener Prüfung und Meinungsbildung an. Eine Vorlagepflicht gemäß Art 100 Abs. 1 GG besteht mithin nicht.

Die Klägerin kann sich auch nicht auf eine Selbstbindung der Beklagten an eine rechtswidrige Verwaltungspraxis berufen. Art. 3 Abs. 1 GG vermittelt keinen Anspruch auf Anwendung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis. Von Verfassungs wegen besteht kein Anspruch auf Gleichheit im Unrecht bzw. Fehlerwiederholung (vgl. BVerfG, Beschluss v. 28.6.1993, 1 BvR 390/89; BVerfG, Beschluss v. 14.11.1988, 1 BvR 1298/88, vgl. insg.: LSG NRW, Urteil v. 21.11.2014, a.a.O., Rdnr. 60).

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.

Gründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (vgl. dazu z.B. BSG, Beschluss v. 3.5.2018, B 5 RE 5/18 B, Rdnr. 11ff.).
Rechtskraft
Aus
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