Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 1 U 291/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 91/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 161/20 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 15.12.2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf die Gewährung einer Rente aufgrund eines Arbeitsunfalls hat.
Am 12.09.2012 erlitt der 1965 geborene Kläger einen Arbeitsunfall, als er sich beim Umschieben eines Hubwagens den kleinen Finger der linken Hand zwischen Hubwagen und Wand einklemmte. Aufgrund eines im Verwaltungsverfahren eingeholten unfallchirurgischen Gutachtens des Dr. U vom 29.08.2013 und eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Dr. Dr. X vom 10.07.2013 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.01.2014 die Gewährung von Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 12.09.2012 ab. Das anschließende Klageverfahren vor dem Sozialgericht Detmold (SG - Az.: S 1 U 309/14 -) blieb erfolglos, da die von dem SG eingeholten Gutachten des Handchirurgen Dr. X1 und des Neurologen und Psychiaters Dr. L bestätigt hatten, dass keine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) festzustellen sei. Das anschließende Berufungsverfahren endete mit Urteil vom 11.04.2018, mit dem die Berufung zurückgewiesen wurde (Az.: L 17 U 442/16).
Seit dem 18.02.2013 war der Kläger wegen der Diagnose: Belastungsreaktion nach Arbeitsunfall in Form einer schweren Anpassungsstörung mit gemischter Störung von Gefühlen und Sozialverhalten in Behandlung bei dem Diplom-Psychologen B. In seinem Bericht vom 15.01.2014 führte der Diplom-Psychologe aus, die depressive Symptomatik habe sich nun im Sinne einer mittelgradigen depressiven Episode manifestiert.
Am 16.04.2015 erlitt der Kläger einen weiteren Arbeitsunfall, als er sich seinen linken Fuß in Metallplatten einklemmte und dabei auf den Rücken fiel. Der Durchgangsarzt Dr. X2 diagnostizierte nach Röntgen der Lendenwirbelsäule (LWS) Prellungen der LWS und des linken Vorfußes sowie eine Schürfwunde der zweiten und dritten Zehe links. Er hielt den Kläger für arbeitsfähig.
Im Mai 2015 teilte der Kläger mit, er habe seit dem Arbeitsunfall vom 16.04.2015 eine Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik entwickelt, was zu einer erheblichen psychischen Beeinträchtigung führe. Er befinde sich bereits seit 2013 in ambulanter Psychotherapie bei dem Diplom-Psychologen B. Zur Stützung seines Vortrags legte er ein Attest des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. X3 vom 06.05.2015 vor, in dem dieser ausführte, der Kläger habe seit dem erneuten Arbeitsunfall vom 16.04.2015 eine Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik entwickelt. Er habe ihm zu einer ambulanten psychotherapeutischen Behandlung bei dem Diplom-Psychologen B geraten, da er bereits 2013 bei diesem eine ambulante Psychotherapie durchgeführt habe.
Die Beklagte zog ein Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse bei, aus dem sich ergab, dass der Kläger schon im Oktober 2010 und in der Zeit von September 2012 bis März 2014 wegen Anpassungsstörungen behandelt worden war. Im Rahmen einer ambulanten Heilverfahrenskontrolle wurde der Kläger durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. T am 17.06.2015 untersucht. Dr. T führte in seinem Bericht vom 17.06.2015 aus, die neurologische Untersuchung habe ein motorisches und sensibles System ohne krankhaften Befund ergeben. Zum psychischen Befund teilte er mit, das Denken des Klägers kreise um die beiden Arbeitsunfälle. Aspekte einer narzisstischen Kränkung würden überwiegen. Der Kläger sei deutlich verstimmt, die mehrfach erwähnte fehlende Lust sei wohl als eine Kombination aus Antriebsstörung und Verstimmung zu verstehen. Der Orthopäde Dr. T1 teilte in seinem Bericht vom 16.06.2015 mit, dass bei dem Kläger aufgrund einer CT-Untersuchung vom 19.05.2015 eine eindeutige Fraktur im Bereich des Steißbeins festgestellt worden sei. Nach Angaben des Klägers leide dieser weiterhin unter Schmerzen. Eine neuerliche CT-Kontrolle sei geplant. Die geplante CT-Untersuchung erfolgte dann am 22.06.2015 bei der Überörtlichen Gemeinschaft für diagnostische und interventionelle Radiologie und Nuklearmedizin C (DIRANUK). Der Radiologe berichtete am 23.06.2015, im Vergleich zur letzten Voruntersuchung vom 19.05.2015 sei die Konturverwerfung und Unterbrechung auf Höhe des sacrococcygealen Übergangs nicht mehr nachweisbar. Die ehemalige Frakturzone sei zwischenzeitlich vollständig knöchern durchbaut. Dorsalseitig finde sich noch eine diskrete partielle Unterbrechung des Corticalis. Ansonsten sei die Frakturlinie geschlossen. Auffällig sei, ähnlich wie bei der Voruntersuchung, eine inhomogene Verdichtung zentral innerhalb des ersten Sakralwirbels mit horizontal verlaufend angedeutet diskreter Aufhellungslinie, sodass hier bei intakter corticaler Begrenzung eine stattgehabte alte intraspongiöse Fraktur denkbar sei. Am 14.08.2015 teilte Dr. T1 mit, die Arbeitsunfähigkeit des Klägers aufgrund der Steißbeinfraktur habe bis zum 20.07.2017 bestanden. Folgen aufgrund dieses Unfalls verblieben sehr wahrscheinlich nicht, die Behandlung aufgrund des Unfalls sei bei ihm abgeschlossen. Daraufhin stellte die Beklagte die Zahlung des bis dahin gewährten Verletztengeldes mit Wirkung zum 21.07.2015 ein.
Anschließend holte die Beklagte Gutachten ein von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L1 und dem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. F.
In seinem Gutachten vom 09.10.2015 gelangte Dr. L1 aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers und zusatzgutachterlichen Untersuchungen der Elektroencephalographie, der somatosensibel evozierten Potentiale des N. medianus und ulnaris, einer Elektromyo- und Neurographie, Laboruntersuchungen und einer testpsychologischen Untersuchung durch die Psychologin H S vom 17.10.2015 sowie unter Berücksichtigung der aktenkundigen medizinischen Unterlagen zu dem Ergebnis, dass beim Kläger als Folge des Unfalles vom 12.09.2012 lediglich eine leichte verbleibende Gefühlsstörung an der Fingerspitze des Fingers V links vorliege. Der erhobene organneurologische Befund sei bis auf die Angabe einer leichten Dysästhesie an der verletzten Spitze des Fingers V der linken Hand völlig unauffällig gewesen. Eine unfallbedingte MdE liege nicht vor. Hinsichtlich des Unfalles vom 16.04.2015 seien keine objektivierbaren Folgen nachweisbar. Im Bereich der Hirnnerven, Motorik, Sensibilität, Reflexe, Koordination sowie im Hinblick auf das extrapyramidale System und Gefäße hätten sich keinerlei Auffälligkeiten ergeben. Die apparative Zusatzdiagnostik habe regelrechte Befunde erbracht. Bei der Untersuchung hätten sich Hinweise für eine erhöhte psychovegetative Labilität ergeben. Es habe sich ein unterschwellig aggressiver, angespannter und psychovegetativ erregter Patient ohne Hinweise für depressive Verstimmungen nennenswerten Ausmaßes und ohne Anhaltspunkte für eine typische posttraumatische Störung gezeigt. Die zusatzgutachterliche psychologische Untersuchung sei wegen schwerer Aggravation und mangelnder Anstrengungsbereitschaft des Klägers nur eingeschränkt verwertbar. Die Laborwerte hätten Hinweise für einen fortgesetzten und offenbar übermäßigen Alkoholkonsum erkennen lassen. Das als eingenommen deklarierte Antidepressivum sei nicht eingenommen worden, ein messbarer Medikamentenspiegel im Blut sei nicht nachweisbar gewesen. Die zur Diskussion stehenden Unfälle seien nicht geeignet, eine nachhaltige psychische Beeinträchtigung herbeizuführen. Diagnostische Voraussetzungen für die Annahme einer posttraumatischen Belastungs- oder auch Anpassungsstörung lägen nicht vor. Die vom Kläger beklagten Beschwerden (Schlafstörungen, Aggressivität zuhause, Unruhe und Übererregbarkeit) seien im Rahmen der primären Persönlichkeit sowie vor dem Hintergrund des fortgesetzten Alkoholabusus zu werten.
Dr. F gelangte in seinem Gutachten vom 09.02.2016 aufgrund einer Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis, dass auch von unfallchirurgischer Seite als Folge des Unfalls vom 12.09.2012 lediglich die schon von Dr. L1 festgestellte leichte bleibende Gefühlsstörung an der Fingerspitze des Fingers V links verblieben sei. Hierfür könne keine unfallbedingte MdE konstatiert werden. Hinsichtlich des Arbeitsunfalls vom 16.04.2015 lägen keine objektivierbaren Folgen vor, so dass auch hier keine MdE festzustellen sei. Die vom Kläger beklagte Einschränkung in seiner Fähigkeit zu sitzen, könne nicht auf den Unfall vom 16.04.2015 zurückgeführt werden.
Mit Bescheid vom 10.03.2016 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen der Folgen des Unfalls vom 16.04.2015 ab. An Unfallfolgen erkannte sie einen folgenlos ausgeheilten Steißbeinbruch, eine folgenlos ausgeheilte Zerrung der LWS und eine ebenfalls folgenlos ausgeheilte Schürfwurde und Zehenprellung der zweiten und dritten Zehe an. Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit hätten bis einschließlich 20.07.2015 vorgelegen. Die übrigen Beeinträchtigungen (schädlicher Alkoholkonsum mit alkoholbedingter Verhaltensstörung und leichter Angststörung, degenerative Wirbelsäulenveränderungen, ISG-Arthrose beidseits) seien nicht auf den Unfall zurückzuführen. Zur Begründung stützte sie sich auf die Gutachten der Dres. L1 und F.
Den hiergegen ohne Begründung erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2016 aus den Gründen des angefochtenen Bescheids zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 11.08.2016 Klage vor dem Sozialgericht Detmold (SG) erhoben. Auch die Klage hat er nicht begründet.
Er hat sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2016 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 16.04.2015 Rente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig gehalten und zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid vom 06.07.2016 verwiesen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 15.12.2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen auf die Begründung des Bescheides vom 10.03.2016 und des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2016 bezogen.
Gegen den ihm am 20.12.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20.01.2017 unter Vorlage eines ärztlichen Entlassungsberichtes des Reha-Zentrums Bad Q vom 12.04.2016 Berufung eingelegt. Soweit Dr. F lediglich von einer minimalen Einschränkung nach Steißbeinprellung ausgegangen sei, sei dies durch die Feststellungen des vorgelegten Entlassungsberichtes widerlegt. Diesem Bericht sei eindeutig eine Steißbeinfraktur aufgrund des Unfalls von April 2015 zu entnehmen. Der Steißbeinbruch sei auch nicht folgenlos ausgeheilt. Er leide noch an Steißbeinschmerzen beim Sitzen. Durch den Unfall vom 16.04.2015 bestehe bei ihm auch eine posttraumatische psychische Beeinträchtigung. Die Ausführungen des Dr. L1, wonach seine Beschwerden nicht unfallabhängig seien, seien nicht nachvollziehbar. Er befinde sich seit dem im Jahre 2012 erlittenen Arbeitsunfall in psychologischer Behandlung mit entsprechender Medikation. Die Beklagte habe in der Vergangenheit Behandlungsaufträge über zahlreiche Sitzungen bei dem Diplom-Psychologen B in Auftrag gegeben, denen er sich auch unterzogen habe. Die psychischen Beeinträchtigungen in Form einer mittelgradigen Episode seien aber zumindest eine Teilfolge des Arbeitsunfalls vom 12.09.2012. Hierbei sei es zu einer Verletzung der linken Hand gekommen, wodurch eine Kraftminderung eingetreten sei. Die Kraftminderung in der linken Hand sei letztendlich Ursache des Arbeitsunfalls vom 16.04.2015 gewesen. Zum Unfallzeitpunkt habe ihm die Kraft in der linken Hand gefehlt, um sich hochzuziehen, als er mit dem linken Fuß in den Zwischenraum aufgestapelter Stahlplatten getreten sei. Durch die fehlende Kraft sei er nach hinten auf den Rücken gefallen. Die Diagnose einer Verhaltensstörung durch Alkohol durch Dr. L1 sei nicht haltbar. Die hierzu von Dr. L1 herangezogenen Laborwerte rechtfertigten eine solche Schlussfolgerung nicht, da diese Werte auch andere Ursachen haben könnten.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 15.12.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2016 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 16.04.2015 Rente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagter beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist unter Hinweis auf die bisher eingeholten Gutachten weiterhin der Auffassung, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Auch in dem vor dem LSG geführten Berufungsverfahren zu dem Arbeitsunfall vom 12.09.2012 (Az.: L 17 U 442/16) sei der damalige Gutachter zu der Feststellung gelangt, das eine MdE in messbarem Grade nicht vorliege. Insoweit bestehe auch keine Stützrentensituation.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von dem Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. C1. Dr. C1 ist in seinem Gutachten vom 07.06.2018 aufgrund einer klinisch ambulanten und einer radiologischen Untersuchung des Klägers vom 28.05.2018 und unter Berücksichtigung der Aktenunterlagen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger, abweichend von dem Gutachten des Dr. F, bei dem Unfall am 16.04.2015 nicht nur eine Steißbeinprellung, sondern ausweislich der primären CT-Bilder eine Fraktur des Kreuzbeins erlitten hat. Mit der inzwischen ausgeheilten Fraktur seien Druck- und Belastungsbeschwerden beim Sitzen im Bereich des Kreuzbeins/Steißbeins verbunden. Es sei bekannt, dass Kreuzbein/Steißbeinfrakturen oft jahrelange Sitzbeschwerden verursachen können. Die Beschwerdesymptomatik könne aber durch eine Weichpolsterung der Sitzunterlage ausreichend kompensiert werden, sodass nicht von einer MdE in wesentlichem Ausmaß ausgegangen werden könne. Der Kläger leide darüber hinaus an einem Streckdefizit der Ellenbogengelenke beidseits. Dieses könne jedoch nicht mit einer möglichen Ruhigstellung in Folge der Traumatisierung aus dem Jahr 2012 in Verbindung gebracht werden. Eine wesentliche funktionelle Störung im Bereich der linken Hand liege nicht vor. Die Spitzgriffe seien möglich. Im Wesentlichen finde sich eine Minderung der Sensibilität der Kleinfingerkuppe und des dorsalen Ringfingermittelgliedes. Eine MdE in Höhe von mindestens 10 sei auch aufgrund der Unfallfolgen an der linken Hand medizinisch nicht begründbar. Wegen der Folgen des Unfalls vom 16.04.2015 sei der Kläger ab dem 21.07.2015 wieder arbeitsfähig gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Gutachten des Dr. C1 verwiesen.
Auf Antrag des Klägers hat der Senat anschließend noch ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. C2 eingeholt. Diese ist in ihrem Gutachten vom 31.01.2019 aufgrund von drei Untersuchungen in ihrer Praxis, einer psychologischen Testung, einer Laboruntersuchung und Berichten des Diplom-Psychologen B vom 28.03.2013, 15.01.2014 und 05.11.2018 zu dem Ergebnis gelangt, bei dem Kläger liege eine mittelgradige depressive Störung mit somatischem Syndrom und Angst vor. Die Entstehung der depressiven Störung sei auf die Arbeitsunfälle vom 12.09.2012 und vom 16.04.2015 zurückzuführen. Nach dem Unfall am 12.09.2012 habe der Kläger zunächst eine Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik entwickelt, die sich zu einer manifesten depressiven Störung mit mittelgradiger Auslenkung entwickelt habe und die nach dem Unfall am 16.04.2015 nachweislich weiterhin bestanden habe und noch immer bestehe. Die Unfälle hätten zum Verlust des Ansehens des Klägers, zum Verlust seiner Arbeit, seines Selbstwertgefühls, seines Selbstbewusstseins und seines Lebensinhaltes geführt und insoweit durchaus zur Entstehung einer psychischen Störung geführt, deren Symptome bis heute anhielten und in allen Lebensqualitäten einschränkend wirkten. Die Art und Weise des äußeren Ereignisses und der Verletzungshergang der Unfälle zeugten zunächst nicht von der Entstehung einer akuten Belastungsreaktion, sondern von der Entstehung einer Anpassungsstörung mit massiver Kränkung und der Erfahrung, nicht ausreichend/korrekt behandelt worden zu sein. Das unmittelbare Verhalten und die spätere Reaktion des Klägers wiesen keine Diskrepanzen auf. Eine Akutbehandlung sei erfolgt, eine sofortige psychotherapeutische Handlung sei eingeleitet worden. Psychische Vorerkrankungen seien nicht vorhanden. Der Eintrag der Krankenkasse habe vom Kläger glaubhaft so erklärt werden können, dass der Vertretungsarzt wohl statt einer Erschöpfung eine Anpassungsstörung bei einem ihm einmalig vorgestellten Patienten eingetragen habe. Vor den Unfällen habe der Kläger auch keine Probleme mit seiner Familie und Vorgesetzten gehabt. Die MdE für die depressive Störung als Unfallfolge sei nach Ablauf der 26. Woche nach dem Unfall vom 16.04.2015 mit 40 v.H. einzuschätzen. Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) liege bei dem Kläger nicht vor. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten der Dr. C2 Bezug genommen.
Die Beklagte hat unter Vorlage einer Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. Brandt vom 16.04.2019 eingewandt, das Gutachten der Dr. C2 sei nicht überzeugend und auch nicht verwertbar. In der vorgelegten Stellungnahme hat Dr. Brandt die Auffassung vertreten, dass sich aus dem Gutachten der Dr. C2 keine stichhaltigen Argumente für eine neue Beurteilung des Falles begründen könnten. Das Gutachten sei auf die Unfälle fokussiert. Es greife die eigenen Kausalitätsvorstellungen des Klägers auf und folge ihnen. Es fehle eine mit ausreichendem kritischem Abstand erfolgende Diskussion, die sich mit der Ungewöhnlichkeit der Verlaufsdaten auseinandersetzen müsse. Im Rahmen der hier zu Debatte stehenden Unfälle der Jahre 2012 und 2015 sei es lediglich zu leichten Verletzungen gekommen. Eine nennenswerte chirurgische Verletzung sei im Rahmen der entsprechenden Fachbegutachtungen klar ausgeschlossen worden. Einer ängstlich depressiven Symptomatik, wie sie von Dr. C2 jetzt als Unfallfolge angenommen werde, auch weitere psychosomatische Störungen mitumfassend, stehe in keinem Verhältnis zum Schweregrad der Verletzungen. Auch Dr. C2 weise ja darauf hin, dass die Kränkungserlebnisse des Klägers eine große Rolle spielen, dass man von Seiten der behandelnden Ärzte seine Beschwerden nicht ernst genommen habe, ihm Krankmeldungen verweigert habe. Dass die Verweigerung einer Krankmeldung mit daraus resultierender Kränkung eine sekundäre Verletzungsfolge sei, sei nicht so ohne Weiteres begründbar. Dr. C2 sei auch nicht auf die im Jahr 2010 in dem Vorerkrankungsverzeichnis dokumentierte Anpassungsstörung eingegangen. In der Folge des Unfalls im Jahr 2012 sei auch Mobbing erwähnt worden. Es hätten damals kollegiale Konflikte bestanden. Auch hierbei handele es sich um keine Unfallfolge. Der Kläger sei durch seine Migrationsbiographie mit Sicherheit erheblich belastet, erkennbar daran, dass er weiterhin sprachfremd geblieben sei. All diese unfallunabhängigen Faktoren seien im jetzigen Gutachten ohne Berücksichtigung geblieben. Der Kläger leide unter einer ängstlich-depressiven Symptomatik unter psychosomatischen Beschwerden, die in der Gesamtbevölkerung als schicksalsbedingte Krankheitszustände häufig zu sehen seien. Bereits im Jahr 2010 habe eine Anpassungsstörung bestanden, die in diesem Rahmen absolut plausibel sei. Es sei unbelegt, das die glimpflichen Unfälle der Jahre 2012 und 2015 hierbei die Rolle einer wesentlichen Mitbedingung spielten.
Der Kläger hält das Gutachten der Dr. C2 für überzeugend. Das Gutachten des Dr. L1 sei unverwertbar, dieser habe aufgrund der Laborwerte in grob fahrlässiger Weise die verheerende Diagnose eines schädlichen Alkoholkonsums und einer Verhaltensstörung durch Alkohol gestellt. Nunmehr sei aber durch ärztliche Untersuchungen vom 02.05.2019 und 10.07.2019 ein Hepatitisvirus Typ B (chronisch) diagnostiziert worden. Zur Stützung seines Vortrags hat er Berichte der DIRANUK vom 10.04.2019 (CT des Abdomens unter besonderer Berücksichtigung der Leber) und vom 02.05.2019 (MRT des Oberbauches unter besonderer Berücksichtigung der Leber) vorgelegt. In diesen Berichten wird als rechtfertigende Indikation ein Hepatitis-Virus-Typ B (chronisch), eine Leberzirrhose und eine sonographisch knotige Leber genannt.
Nachdem der für den 18.03.2020 anberaumte Termin wegen der Corona-Pandemie aufgehoben wurde, haben die Beteiligten auf Anfrage des Gerichts ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) durch die Berichterstatterin (§ 155 Abs. 3 und 4 SGG) erteilt (Schriftsätze der Beklagten vom 11.05.2010 und 18.05.2020, Schriftsätze des Klägerbevollmächtigten vom 30.06.2020 und 13.07.2020).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Inhalte der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Ihre Inhalte sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung erfolgt durch die Berichterstatterin, die nach § 155 Abs. 3 als Vorsitzende entscheidet, durch Urteil ohne mündliche Verhandlung, da die Beteiligten dieser Verfahrensweise zugestimmt haben.
Streitgegenstand ist ausweislich des Antrags in der Berufungsbegründung lediglich die Frage, ob der Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 16.04.2015 Anspruch auf Gewährung einer Rente hat.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten nicht beschwert, da dieser nicht rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Die Beklagte hat die Gewährung einer Rente wegen der Folgen des Unfalls vom 16.04.2015 zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen entsprechenden Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 16.04.2015.
Nach § 56 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) haben Versicherte in Folge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus Anspruch auf Gewährung von Rente, wenn die Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v.H. gemindert ist. Abweichend tritt die Entschädigungspflicht nach § 56 Abs. 1 S. 2 und 3 auch dann ein, wenn aus zwei Versicherungsfällen jeweils eine MdE von mindestens 10 v.H. resultiert. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der hier allein streitige Arbeitsunfall vom 16.04.2015 hat keine Unfallfolgen bedingt, die eine MdE in rentenberechtigender Höhe rechtfertigen.
Dies ergibt sich auf unfallchirurgisch-orthopädischem Fachgebiet eindeutig aufgrund der im Ergebnis übereinstimmenden Gutachten des Dr. F vom 09.02.2016 und des Dr. C1 vom 07.06.2018. Dr. F ist zwar zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger bei dem Unfall lediglich eine Steißbeinprellung erlitten hat, obwohl durch die Bildaufnahmen der DIRANUK vom 19.05.2015 und 22.06.2015 und das Gutachten des Dr. C1 nachgewiesen ist, dass das Steißbein nicht nur geprellt, sondern gebrochen war. Diese unterschiedliche Bewertung hat aber keine Relevanz für die Beurteilung der MdE für die Zeit nach Ablauf der 26. Woche nach dem Unfall vom 16.04.2015. Abgesehen davon, dass die Fraktur schon ausweislich des CT-Befundes vom 22.06.2015 praktisch ausgeheilt war, führen aber auch die tatsächlich beim Kläger noch vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen durch die Steißbeinverletzung nicht zu einer MdE von mindestens 10 v.H. Dr. C1 hat an funktionellen Defiziten durch die inzwischen ausgeheilte Kreuzbeinfraktur nur noch eine Störung der Belastungsfähigkeit mit Druckschmerzen im Sitzen festgestellt. Inwiefern sich hierdurch eine messbare MdE ergeben sollte, ist nicht ersichtlich und wird auch von keinem Arzt behauptet. Stabil verheilte Wirbelbrüche ohne Achsenknick werden lediglich mit einer MdE von unter 10 v.H. bewertet (siehe Schönberger/Merten/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, Seite 465). Der Vortrag des Klägers, die durch den Unfall vom 12.09.2012 bedingte Kraftminderung in der linken Hand sei letztendlich Ursache für den Arbeitsunfall vom 16.04.2015 gewesen, ist irrelevant, da vorliegend nur die Folgen des Arbeitsunfalls vom 16.04.2015 streitig sind. Abgesehen davon ist dieser Vortrag in Hinblick auf das Ergebnis der Beweisaufnahmen in dem Berufungsverfahren mit dem Az.: L 17 U 442/16 und in dem vorliegenden Verfahren, wonach als Folgen des Unfalls vom 12.09.2012 im Wesentlichen nur eine Minderung der Sensibilität der Kleinfingerkuppe und des dorsalen Ringfingermittelgliedes ohne messbare MdE verblieben ist, wenig nachvollziehbar.
Auch auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet liegt bei dem Kläger keine durch den Unfall vom 16.04.2015 bedingte Gesundheitsbeeinträchtigung vor, die eine MdE in messbarer oder gar rentenberechtigender Höhe bedingt. Nach den übereinstimmenden Einschätzungen des Dr. L1 und der Dr. C2 liegt bei dem Kläger keine PTBS vor. Ob beim Kläger - wie von Dr. C2 diagnostiziert, von Dr. L1 aber nicht festgestellt - eine mittelgradige depressive Störung mit somatischem Syndrom und Angst - vorliegt, kann dahingestellt bleiben. Denn diese Erkrankung wäre nicht auf den Arbeitsunfall vom 16.04.2015 zurückzuführen. Hierfür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Dr. L1 hat in seinem Gutachten klargestellt, dass die vom Kläger beklagten psychischen Beschwerden jedenfalls nicht auf diesen Arbeitsunfall zurückzuführen sind. Inwiefern das Gutachten des Dr. L1 unverwertbar sein sollte, ist nicht ersichtlich. Aus dessen Gutachten ergibt sich eindeutig, dass er den Kausalzusammenhang nicht nur wegen der von ihm festgestellten Alkoholkrankheit verneint hat. Er hat unmissverständlich ausgeführt, dass die geklagten Beschwerden des Klägers auf dessen primäre Persönlichkeit zurückzuführen seien, da die Unfälle gar nicht geeignet waren, eine nachhaltigere psychische Beeinträchtigung herbeizuführen - was auch von Dr. Brandt so gesehen wurde - und zudem die diagnostischen Voraussetzungen für die Annahme einer posttraumatischen Belastungs- oder auch Anpassungsstörung nicht vorliegen. Auch Dr. C2 hat die von ihr diagnostizierte mittelgradige depressive Störung gerade nicht auf den Unfall vom 16.04.2015, sondern auf den Unfall vom 12.09.2012 zurückgeführt. Dies ergibt sich eindeutig aus ihren Ausführungen, der Kläger habe nach dem Unfall vom 12.09.2012 zunächst eine Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik entwickelt, die sich zu einer manifesten depressiven Störung mit mittelgradiger Auslenkung entwickelt und nach dem Unfall am 16.04.2015 nachweislich weiterhin bestanden habe. Dr. C2 hat ihre Auffassung zum Kausalzusammenhang auch lediglich damit begründet, dass die Unfälle zum Verlust des Ansehens des Klägers des Klägers, zum Verlust seiner Arbeit, seines Selbstwertgefühls, seines Selbstbewusstseins und seines Lebensinhaltes geführt haben. Dies mag alles sein. Als Begründung für den Kausalzusammenhang sind diese Ausführungen aber nicht geeignet, da die sozialen Konsequenzen des Unfalls keine Unfallfolgen im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung darstellen (siehe Keller in: Hauck/Noftz, SGB, 06/18, § 8 SGB VII, Rn. 307a).
Auch aus dem Bericht des Diplom-Psychologen B vom 15.01.2014 ergibt sich, dass die von Dr. C2 diagnostizierte mittelgradige depressive Störung nicht durch den Unfall vom 16.04.2015 verursacht wurde. Denn der Diplom-Psychologe hatte bereits in diesem Bericht, also etwa drei Monate vor dem Unfall, eine manifeste mittelgradige depressive Episode diagnostiziert. Seinem Bericht vom 05.11.2018 ist zwar zu entnehmen, er habe den Eindruck, dass ein Unfallzusammenhang zwischen der depressiven Symptomatik des Klägers und dessen Arbeitsunfällen gegeben sei. Seine Begründung für einen Unfallzusammenhang ist jedoch rechtlich nicht haltbar. Auch er differenziert, genau wie Dr. C2, nicht zwischen den beiden Unfällen und stellt, ebenfalls wie Dr. C2, darauf ab, dass die depressive Symptomatik Folge der durch den Unfall bedingten Insuffizienzerfahrung sei. Die funktionellen Einschränkungen hätten zu Arbeitsausfällen, Belastungsschmerzen, Unsicherheit und Ängsten bei der Arbeit und schließlich auch zum Verlust des Arbeitsplatzes geführt. Diese sozialen Folgen sind aber, wie bereits ausgeführt, nicht von der Unfallversicherung abzudecken. Die Tatsache, dass der Diplom-Psychologe B keine Konkurrenzursachen finden konnte, führt ebenfalls nicht zur Annahme eines wahrscheinlichen Kausalzusammenhangs.
Schließlich steht auch aufgrund des Vorerkrankungsverzeichnisses der Krankenkasse fest, dass der Kläger bereits vor dem ersten Arbeitsunfall und dann wieder nach dem ersten und vor dem zweiten Arbeitsunfall an Anpassungsstörungen gelitten hat. Die Behauptung des Klägers gegenüber der Sachverständigen Dr. C2, der Eintrag vor dem ersten Arbeitsunfall sei auf die Fehldiagnose eines Vertretungsarztes zurückzuführen, ist durch nichts belegt und keinesfalls geeignet, die Dokumentation der Krankenkasse zu widerlegen.
Der Arbeitsunfall vom 16.04.2015 hat auch nicht zu einer Verschlimmerung von psychischen Folgen des Unfalls vom 12.09.2012 geführt. Denn zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls vom 16.04.2015 lagen auf psychiatrischem Fachgebiet gar keine relevanten Folgen aufgrund des Arbeitsunfalls vom 12.09.2012 mehr vor. Insoweit wird Bezug genommen auf das zwischen den Beteiligten ergangene Urteil des erkennenden Senats vom 11.04.2018 in dem Verfahren mit dem Az.: L 17 U 442/16, auf das auch schon die Beklagte Bezug genommen hatte. Auch eine Verschlimmerung von unfallunabhängigen Gesundheitsstörungen durch den Arbeitsunfall vom 16.04.2015 ist von keinem Arzt dokumentiert worden und auch nicht ersichtlich.
Und schließlich kann der Kläger den geltend gemachten Anspruch auch nicht auf eine Stützrentensituation stützen. Denn die Folgen des Unfalls vom 16.04.2015 bedingen - wie sich aus den Gutachten der Dres. L1 und C1 ergibt - keine MdE von mindestens 10 v.H. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Folgen des Unfalls vom 12.09.2012 zu einer messbaren MdE von mindestens 10 v.H. geführt haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Anlass, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf die Gewährung einer Rente aufgrund eines Arbeitsunfalls hat.
Am 12.09.2012 erlitt der 1965 geborene Kläger einen Arbeitsunfall, als er sich beim Umschieben eines Hubwagens den kleinen Finger der linken Hand zwischen Hubwagen und Wand einklemmte. Aufgrund eines im Verwaltungsverfahren eingeholten unfallchirurgischen Gutachtens des Dr. U vom 29.08.2013 und eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Dr. Dr. X vom 10.07.2013 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.01.2014 die Gewährung von Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 12.09.2012 ab. Das anschließende Klageverfahren vor dem Sozialgericht Detmold (SG - Az.: S 1 U 309/14 -) blieb erfolglos, da die von dem SG eingeholten Gutachten des Handchirurgen Dr. X1 und des Neurologen und Psychiaters Dr. L bestätigt hatten, dass keine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) festzustellen sei. Das anschließende Berufungsverfahren endete mit Urteil vom 11.04.2018, mit dem die Berufung zurückgewiesen wurde (Az.: L 17 U 442/16).
Seit dem 18.02.2013 war der Kläger wegen der Diagnose: Belastungsreaktion nach Arbeitsunfall in Form einer schweren Anpassungsstörung mit gemischter Störung von Gefühlen und Sozialverhalten in Behandlung bei dem Diplom-Psychologen B. In seinem Bericht vom 15.01.2014 führte der Diplom-Psychologe aus, die depressive Symptomatik habe sich nun im Sinne einer mittelgradigen depressiven Episode manifestiert.
Am 16.04.2015 erlitt der Kläger einen weiteren Arbeitsunfall, als er sich seinen linken Fuß in Metallplatten einklemmte und dabei auf den Rücken fiel. Der Durchgangsarzt Dr. X2 diagnostizierte nach Röntgen der Lendenwirbelsäule (LWS) Prellungen der LWS und des linken Vorfußes sowie eine Schürfwunde der zweiten und dritten Zehe links. Er hielt den Kläger für arbeitsfähig.
Im Mai 2015 teilte der Kläger mit, er habe seit dem Arbeitsunfall vom 16.04.2015 eine Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik entwickelt, was zu einer erheblichen psychischen Beeinträchtigung führe. Er befinde sich bereits seit 2013 in ambulanter Psychotherapie bei dem Diplom-Psychologen B. Zur Stützung seines Vortrags legte er ein Attest des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. X3 vom 06.05.2015 vor, in dem dieser ausführte, der Kläger habe seit dem erneuten Arbeitsunfall vom 16.04.2015 eine Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik entwickelt. Er habe ihm zu einer ambulanten psychotherapeutischen Behandlung bei dem Diplom-Psychologen B geraten, da er bereits 2013 bei diesem eine ambulante Psychotherapie durchgeführt habe.
Die Beklagte zog ein Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse bei, aus dem sich ergab, dass der Kläger schon im Oktober 2010 und in der Zeit von September 2012 bis März 2014 wegen Anpassungsstörungen behandelt worden war. Im Rahmen einer ambulanten Heilverfahrenskontrolle wurde der Kläger durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. T am 17.06.2015 untersucht. Dr. T führte in seinem Bericht vom 17.06.2015 aus, die neurologische Untersuchung habe ein motorisches und sensibles System ohne krankhaften Befund ergeben. Zum psychischen Befund teilte er mit, das Denken des Klägers kreise um die beiden Arbeitsunfälle. Aspekte einer narzisstischen Kränkung würden überwiegen. Der Kläger sei deutlich verstimmt, die mehrfach erwähnte fehlende Lust sei wohl als eine Kombination aus Antriebsstörung und Verstimmung zu verstehen. Der Orthopäde Dr. T1 teilte in seinem Bericht vom 16.06.2015 mit, dass bei dem Kläger aufgrund einer CT-Untersuchung vom 19.05.2015 eine eindeutige Fraktur im Bereich des Steißbeins festgestellt worden sei. Nach Angaben des Klägers leide dieser weiterhin unter Schmerzen. Eine neuerliche CT-Kontrolle sei geplant. Die geplante CT-Untersuchung erfolgte dann am 22.06.2015 bei der Überörtlichen Gemeinschaft für diagnostische und interventionelle Radiologie und Nuklearmedizin C (DIRANUK). Der Radiologe berichtete am 23.06.2015, im Vergleich zur letzten Voruntersuchung vom 19.05.2015 sei die Konturverwerfung und Unterbrechung auf Höhe des sacrococcygealen Übergangs nicht mehr nachweisbar. Die ehemalige Frakturzone sei zwischenzeitlich vollständig knöchern durchbaut. Dorsalseitig finde sich noch eine diskrete partielle Unterbrechung des Corticalis. Ansonsten sei die Frakturlinie geschlossen. Auffällig sei, ähnlich wie bei der Voruntersuchung, eine inhomogene Verdichtung zentral innerhalb des ersten Sakralwirbels mit horizontal verlaufend angedeutet diskreter Aufhellungslinie, sodass hier bei intakter corticaler Begrenzung eine stattgehabte alte intraspongiöse Fraktur denkbar sei. Am 14.08.2015 teilte Dr. T1 mit, die Arbeitsunfähigkeit des Klägers aufgrund der Steißbeinfraktur habe bis zum 20.07.2017 bestanden. Folgen aufgrund dieses Unfalls verblieben sehr wahrscheinlich nicht, die Behandlung aufgrund des Unfalls sei bei ihm abgeschlossen. Daraufhin stellte die Beklagte die Zahlung des bis dahin gewährten Verletztengeldes mit Wirkung zum 21.07.2015 ein.
Anschließend holte die Beklagte Gutachten ein von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L1 und dem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. F.
In seinem Gutachten vom 09.10.2015 gelangte Dr. L1 aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers und zusatzgutachterlichen Untersuchungen der Elektroencephalographie, der somatosensibel evozierten Potentiale des N. medianus und ulnaris, einer Elektromyo- und Neurographie, Laboruntersuchungen und einer testpsychologischen Untersuchung durch die Psychologin H S vom 17.10.2015 sowie unter Berücksichtigung der aktenkundigen medizinischen Unterlagen zu dem Ergebnis, dass beim Kläger als Folge des Unfalles vom 12.09.2012 lediglich eine leichte verbleibende Gefühlsstörung an der Fingerspitze des Fingers V links vorliege. Der erhobene organneurologische Befund sei bis auf die Angabe einer leichten Dysästhesie an der verletzten Spitze des Fingers V der linken Hand völlig unauffällig gewesen. Eine unfallbedingte MdE liege nicht vor. Hinsichtlich des Unfalles vom 16.04.2015 seien keine objektivierbaren Folgen nachweisbar. Im Bereich der Hirnnerven, Motorik, Sensibilität, Reflexe, Koordination sowie im Hinblick auf das extrapyramidale System und Gefäße hätten sich keinerlei Auffälligkeiten ergeben. Die apparative Zusatzdiagnostik habe regelrechte Befunde erbracht. Bei der Untersuchung hätten sich Hinweise für eine erhöhte psychovegetative Labilität ergeben. Es habe sich ein unterschwellig aggressiver, angespannter und psychovegetativ erregter Patient ohne Hinweise für depressive Verstimmungen nennenswerten Ausmaßes und ohne Anhaltspunkte für eine typische posttraumatische Störung gezeigt. Die zusatzgutachterliche psychologische Untersuchung sei wegen schwerer Aggravation und mangelnder Anstrengungsbereitschaft des Klägers nur eingeschränkt verwertbar. Die Laborwerte hätten Hinweise für einen fortgesetzten und offenbar übermäßigen Alkoholkonsum erkennen lassen. Das als eingenommen deklarierte Antidepressivum sei nicht eingenommen worden, ein messbarer Medikamentenspiegel im Blut sei nicht nachweisbar gewesen. Die zur Diskussion stehenden Unfälle seien nicht geeignet, eine nachhaltige psychische Beeinträchtigung herbeizuführen. Diagnostische Voraussetzungen für die Annahme einer posttraumatischen Belastungs- oder auch Anpassungsstörung lägen nicht vor. Die vom Kläger beklagten Beschwerden (Schlafstörungen, Aggressivität zuhause, Unruhe und Übererregbarkeit) seien im Rahmen der primären Persönlichkeit sowie vor dem Hintergrund des fortgesetzten Alkoholabusus zu werten.
Dr. F gelangte in seinem Gutachten vom 09.02.2016 aufgrund einer Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis, dass auch von unfallchirurgischer Seite als Folge des Unfalls vom 12.09.2012 lediglich die schon von Dr. L1 festgestellte leichte bleibende Gefühlsstörung an der Fingerspitze des Fingers V links verblieben sei. Hierfür könne keine unfallbedingte MdE konstatiert werden. Hinsichtlich des Arbeitsunfalls vom 16.04.2015 lägen keine objektivierbaren Folgen vor, so dass auch hier keine MdE festzustellen sei. Die vom Kläger beklagte Einschränkung in seiner Fähigkeit zu sitzen, könne nicht auf den Unfall vom 16.04.2015 zurückgeführt werden.
Mit Bescheid vom 10.03.2016 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen der Folgen des Unfalls vom 16.04.2015 ab. An Unfallfolgen erkannte sie einen folgenlos ausgeheilten Steißbeinbruch, eine folgenlos ausgeheilte Zerrung der LWS und eine ebenfalls folgenlos ausgeheilte Schürfwurde und Zehenprellung der zweiten und dritten Zehe an. Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit hätten bis einschließlich 20.07.2015 vorgelegen. Die übrigen Beeinträchtigungen (schädlicher Alkoholkonsum mit alkoholbedingter Verhaltensstörung und leichter Angststörung, degenerative Wirbelsäulenveränderungen, ISG-Arthrose beidseits) seien nicht auf den Unfall zurückzuführen. Zur Begründung stützte sie sich auf die Gutachten der Dres. L1 und F.
Den hiergegen ohne Begründung erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2016 aus den Gründen des angefochtenen Bescheids zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 11.08.2016 Klage vor dem Sozialgericht Detmold (SG) erhoben. Auch die Klage hat er nicht begründet.
Er hat sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2016 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 16.04.2015 Rente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig gehalten und zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid vom 06.07.2016 verwiesen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 15.12.2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen auf die Begründung des Bescheides vom 10.03.2016 und des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2016 bezogen.
Gegen den ihm am 20.12.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20.01.2017 unter Vorlage eines ärztlichen Entlassungsberichtes des Reha-Zentrums Bad Q vom 12.04.2016 Berufung eingelegt. Soweit Dr. F lediglich von einer minimalen Einschränkung nach Steißbeinprellung ausgegangen sei, sei dies durch die Feststellungen des vorgelegten Entlassungsberichtes widerlegt. Diesem Bericht sei eindeutig eine Steißbeinfraktur aufgrund des Unfalls von April 2015 zu entnehmen. Der Steißbeinbruch sei auch nicht folgenlos ausgeheilt. Er leide noch an Steißbeinschmerzen beim Sitzen. Durch den Unfall vom 16.04.2015 bestehe bei ihm auch eine posttraumatische psychische Beeinträchtigung. Die Ausführungen des Dr. L1, wonach seine Beschwerden nicht unfallabhängig seien, seien nicht nachvollziehbar. Er befinde sich seit dem im Jahre 2012 erlittenen Arbeitsunfall in psychologischer Behandlung mit entsprechender Medikation. Die Beklagte habe in der Vergangenheit Behandlungsaufträge über zahlreiche Sitzungen bei dem Diplom-Psychologen B in Auftrag gegeben, denen er sich auch unterzogen habe. Die psychischen Beeinträchtigungen in Form einer mittelgradigen Episode seien aber zumindest eine Teilfolge des Arbeitsunfalls vom 12.09.2012. Hierbei sei es zu einer Verletzung der linken Hand gekommen, wodurch eine Kraftminderung eingetreten sei. Die Kraftminderung in der linken Hand sei letztendlich Ursache des Arbeitsunfalls vom 16.04.2015 gewesen. Zum Unfallzeitpunkt habe ihm die Kraft in der linken Hand gefehlt, um sich hochzuziehen, als er mit dem linken Fuß in den Zwischenraum aufgestapelter Stahlplatten getreten sei. Durch die fehlende Kraft sei er nach hinten auf den Rücken gefallen. Die Diagnose einer Verhaltensstörung durch Alkohol durch Dr. L1 sei nicht haltbar. Die hierzu von Dr. L1 herangezogenen Laborwerte rechtfertigten eine solche Schlussfolgerung nicht, da diese Werte auch andere Ursachen haben könnten.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 15.12.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2016 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 16.04.2015 Rente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagter beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist unter Hinweis auf die bisher eingeholten Gutachten weiterhin der Auffassung, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Auch in dem vor dem LSG geführten Berufungsverfahren zu dem Arbeitsunfall vom 12.09.2012 (Az.: L 17 U 442/16) sei der damalige Gutachter zu der Feststellung gelangt, das eine MdE in messbarem Grade nicht vorliege. Insoweit bestehe auch keine Stützrentensituation.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von dem Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. C1. Dr. C1 ist in seinem Gutachten vom 07.06.2018 aufgrund einer klinisch ambulanten und einer radiologischen Untersuchung des Klägers vom 28.05.2018 und unter Berücksichtigung der Aktenunterlagen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger, abweichend von dem Gutachten des Dr. F, bei dem Unfall am 16.04.2015 nicht nur eine Steißbeinprellung, sondern ausweislich der primären CT-Bilder eine Fraktur des Kreuzbeins erlitten hat. Mit der inzwischen ausgeheilten Fraktur seien Druck- und Belastungsbeschwerden beim Sitzen im Bereich des Kreuzbeins/Steißbeins verbunden. Es sei bekannt, dass Kreuzbein/Steißbeinfrakturen oft jahrelange Sitzbeschwerden verursachen können. Die Beschwerdesymptomatik könne aber durch eine Weichpolsterung der Sitzunterlage ausreichend kompensiert werden, sodass nicht von einer MdE in wesentlichem Ausmaß ausgegangen werden könne. Der Kläger leide darüber hinaus an einem Streckdefizit der Ellenbogengelenke beidseits. Dieses könne jedoch nicht mit einer möglichen Ruhigstellung in Folge der Traumatisierung aus dem Jahr 2012 in Verbindung gebracht werden. Eine wesentliche funktionelle Störung im Bereich der linken Hand liege nicht vor. Die Spitzgriffe seien möglich. Im Wesentlichen finde sich eine Minderung der Sensibilität der Kleinfingerkuppe und des dorsalen Ringfingermittelgliedes. Eine MdE in Höhe von mindestens 10 sei auch aufgrund der Unfallfolgen an der linken Hand medizinisch nicht begründbar. Wegen der Folgen des Unfalls vom 16.04.2015 sei der Kläger ab dem 21.07.2015 wieder arbeitsfähig gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Gutachten des Dr. C1 verwiesen.
Auf Antrag des Klägers hat der Senat anschließend noch ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. C2 eingeholt. Diese ist in ihrem Gutachten vom 31.01.2019 aufgrund von drei Untersuchungen in ihrer Praxis, einer psychologischen Testung, einer Laboruntersuchung und Berichten des Diplom-Psychologen B vom 28.03.2013, 15.01.2014 und 05.11.2018 zu dem Ergebnis gelangt, bei dem Kläger liege eine mittelgradige depressive Störung mit somatischem Syndrom und Angst vor. Die Entstehung der depressiven Störung sei auf die Arbeitsunfälle vom 12.09.2012 und vom 16.04.2015 zurückzuführen. Nach dem Unfall am 12.09.2012 habe der Kläger zunächst eine Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik entwickelt, die sich zu einer manifesten depressiven Störung mit mittelgradiger Auslenkung entwickelt habe und die nach dem Unfall am 16.04.2015 nachweislich weiterhin bestanden habe und noch immer bestehe. Die Unfälle hätten zum Verlust des Ansehens des Klägers, zum Verlust seiner Arbeit, seines Selbstwertgefühls, seines Selbstbewusstseins und seines Lebensinhaltes geführt und insoweit durchaus zur Entstehung einer psychischen Störung geführt, deren Symptome bis heute anhielten und in allen Lebensqualitäten einschränkend wirkten. Die Art und Weise des äußeren Ereignisses und der Verletzungshergang der Unfälle zeugten zunächst nicht von der Entstehung einer akuten Belastungsreaktion, sondern von der Entstehung einer Anpassungsstörung mit massiver Kränkung und der Erfahrung, nicht ausreichend/korrekt behandelt worden zu sein. Das unmittelbare Verhalten und die spätere Reaktion des Klägers wiesen keine Diskrepanzen auf. Eine Akutbehandlung sei erfolgt, eine sofortige psychotherapeutische Handlung sei eingeleitet worden. Psychische Vorerkrankungen seien nicht vorhanden. Der Eintrag der Krankenkasse habe vom Kläger glaubhaft so erklärt werden können, dass der Vertretungsarzt wohl statt einer Erschöpfung eine Anpassungsstörung bei einem ihm einmalig vorgestellten Patienten eingetragen habe. Vor den Unfällen habe der Kläger auch keine Probleme mit seiner Familie und Vorgesetzten gehabt. Die MdE für die depressive Störung als Unfallfolge sei nach Ablauf der 26. Woche nach dem Unfall vom 16.04.2015 mit 40 v.H. einzuschätzen. Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) liege bei dem Kläger nicht vor. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten der Dr. C2 Bezug genommen.
Die Beklagte hat unter Vorlage einer Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. Brandt vom 16.04.2019 eingewandt, das Gutachten der Dr. C2 sei nicht überzeugend und auch nicht verwertbar. In der vorgelegten Stellungnahme hat Dr. Brandt die Auffassung vertreten, dass sich aus dem Gutachten der Dr. C2 keine stichhaltigen Argumente für eine neue Beurteilung des Falles begründen könnten. Das Gutachten sei auf die Unfälle fokussiert. Es greife die eigenen Kausalitätsvorstellungen des Klägers auf und folge ihnen. Es fehle eine mit ausreichendem kritischem Abstand erfolgende Diskussion, die sich mit der Ungewöhnlichkeit der Verlaufsdaten auseinandersetzen müsse. Im Rahmen der hier zu Debatte stehenden Unfälle der Jahre 2012 und 2015 sei es lediglich zu leichten Verletzungen gekommen. Eine nennenswerte chirurgische Verletzung sei im Rahmen der entsprechenden Fachbegutachtungen klar ausgeschlossen worden. Einer ängstlich depressiven Symptomatik, wie sie von Dr. C2 jetzt als Unfallfolge angenommen werde, auch weitere psychosomatische Störungen mitumfassend, stehe in keinem Verhältnis zum Schweregrad der Verletzungen. Auch Dr. C2 weise ja darauf hin, dass die Kränkungserlebnisse des Klägers eine große Rolle spielen, dass man von Seiten der behandelnden Ärzte seine Beschwerden nicht ernst genommen habe, ihm Krankmeldungen verweigert habe. Dass die Verweigerung einer Krankmeldung mit daraus resultierender Kränkung eine sekundäre Verletzungsfolge sei, sei nicht so ohne Weiteres begründbar. Dr. C2 sei auch nicht auf die im Jahr 2010 in dem Vorerkrankungsverzeichnis dokumentierte Anpassungsstörung eingegangen. In der Folge des Unfalls im Jahr 2012 sei auch Mobbing erwähnt worden. Es hätten damals kollegiale Konflikte bestanden. Auch hierbei handele es sich um keine Unfallfolge. Der Kläger sei durch seine Migrationsbiographie mit Sicherheit erheblich belastet, erkennbar daran, dass er weiterhin sprachfremd geblieben sei. All diese unfallunabhängigen Faktoren seien im jetzigen Gutachten ohne Berücksichtigung geblieben. Der Kläger leide unter einer ängstlich-depressiven Symptomatik unter psychosomatischen Beschwerden, die in der Gesamtbevölkerung als schicksalsbedingte Krankheitszustände häufig zu sehen seien. Bereits im Jahr 2010 habe eine Anpassungsstörung bestanden, die in diesem Rahmen absolut plausibel sei. Es sei unbelegt, das die glimpflichen Unfälle der Jahre 2012 und 2015 hierbei die Rolle einer wesentlichen Mitbedingung spielten.
Der Kläger hält das Gutachten der Dr. C2 für überzeugend. Das Gutachten des Dr. L1 sei unverwertbar, dieser habe aufgrund der Laborwerte in grob fahrlässiger Weise die verheerende Diagnose eines schädlichen Alkoholkonsums und einer Verhaltensstörung durch Alkohol gestellt. Nunmehr sei aber durch ärztliche Untersuchungen vom 02.05.2019 und 10.07.2019 ein Hepatitisvirus Typ B (chronisch) diagnostiziert worden. Zur Stützung seines Vortrags hat er Berichte der DIRANUK vom 10.04.2019 (CT des Abdomens unter besonderer Berücksichtigung der Leber) und vom 02.05.2019 (MRT des Oberbauches unter besonderer Berücksichtigung der Leber) vorgelegt. In diesen Berichten wird als rechtfertigende Indikation ein Hepatitis-Virus-Typ B (chronisch), eine Leberzirrhose und eine sonographisch knotige Leber genannt.
Nachdem der für den 18.03.2020 anberaumte Termin wegen der Corona-Pandemie aufgehoben wurde, haben die Beteiligten auf Anfrage des Gerichts ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) durch die Berichterstatterin (§ 155 Abs. 3 und 4 SGG) erteilt (Schriftsätze der Beklagten vom 11.05.2010 und 18.05.2020, Schriftsätze des Klägerbevollmächtigten vom 30.06.2020 und 13.07.2020).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Inhalte der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Ihre Inhalte sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung erfolgt durch die Berichterstatterin, die nach § 155 Abs. 3 als Vorsitzende entscheidet, durch Urteil ohne mündliche Verhandlung, da die Beteiligten dieser Verfahrensweise zugestimmt haben.
Streitgegenstand ist ausweislich des Antrags in der Berufungsbegründung lediglich die Frage, ob der Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 16.04.2015 Anspruch auf Gewährung einer Rente hat.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten nicht beschwert, da dieser nicht rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Die Beklagte hat die Gewährung einer Rente wegen der Folgen des Unfalls vom 16.04.2015 zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen entsprechenden Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 16.04.2015.
Nach § 56 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) haben Versicherte in Folge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus Anspruch auf Gewährung von Rente, wenn die Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v.H. gemindert ist. Abweichend tritt die Entschädigungspflicht nach § 56 Abs. 1 S. 2 und 3 auch dann ein, wenn aus zwei Versicherungsfällen jeweils eine MdE von mindestens 10 v.H. resultiert. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der hier allein streitige Arbeitsunfall vom 16.04.2015 hat keine Unfallfolgen bedingt, die eine MdE in rentenberechtigender Höhe rechtfertigen.
Dies ergibt sich auf unfallchirurgisch-orthopädischem Fachgebiet eindeutig aufgrund der im Ergebnis übereinstimmenden Gutachten des Dr. F vom 09.02.2016 und des Dr. C1 vom 07.06.2018. Dr. F ist zwar zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger bei dem Unfall lediglich eine Steißbeinprellung erlitten hat, obwohl durch die Bildaufnahmen der DIRANUK vom 19.05.2015 und 22.06.2015 und das Gutachten des Dr. C1 nachgewiesen ist, dass das Steißbein nicht nur geprellt, sondern gebrochen war. Diese unterschiedliche Bewertung hat aber keine Relevanz für die Beurteilung der MdE für die Zeit nach Ablauf der 26. Woche nach dem Unfall vom 16.04.2015. Abgesehen davon, dass die Fraktur schon ausweislich des CT-Befundes vom 22.06.2015 praktisch ausgeheilt war, führen aber auch die tatsächlich beim Kläger noch vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen durch die Steißbeinverletzung nicht zu einer MdE von mindestens 10 v.H. Dr. C1 hat an funktionellen Defiziten durch die inzwischen ausgeheilte Kreuzbeinfraktur nur noch eine Störung der Belastungsfähigkeit mit Druckschmerzen im Sitzen festgestellt. Inwiefern sich hierdurch eine messbare MdE ergeben sollte, ist nicht ersichtlich und wird auch von keinem Arzt behauptet. Stabil verheilte Wirbelbrüche ohne Achsenknick werden lediglich mit einer MdE von unter 10 v.H. bewertet (siehe Schönberger/Merten/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, Seite 465). Der Vortrag des Klägers, die durch den Unfall vom 12.09.2012 bedingte Kraftminderung in der linken Hand sei letztendlich Ursache für den Arbeitsunfall vom 16.04.2015 gewesen, ist irrelevant, da vorliegend nur die Folgen des Arbeitsunfalls vom 16.04.2015 streitig sind. Abgesehen davon ist dieser Vortrag in Hinblick auf das Ergebnis der Beweisaufnahmen in dem Berufungsverfahren mit dem Az.: L 17 U 442/16 und in dem vorliegenden Verfahren, wonach als Folgen des Unfalls vom 12.09.2012 im Wesentlichen nur eine Minderung der Sensibilität der Kleinfingerkuppe und des dorsalen Ringfingermittelgliedes ohne messbare MdE verblieben ist, wenig nachvollziehbar.
Auch auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet liegt bei dem Kläger keine durch den Unfall vom 16.04.2015 bedingte Gesundheitsbeeinträchtigung vor, die eine MdE in messbarer oder gar rentenberechtigender Höhe bedingt. Nach den übereinstimmenden Einschätzungen des Dr. L1 und der Dr. C2 liegt bei dem Kläger keine PTBS vor. Ob beim Kläger - wie von Dr. C2 diagnostiziert, von Dr. L1 aber nicht festgestellt - eine mittelgradige depressive Störung mit somatischem Syndrom und Angst - vorliegt, kann dahingestellt bleiben. Denn diese Erkrankung wäre nicht auf den Arbeitsunfall vom 16.04.2015 zurückzuführen. Hierfür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Dr. L1 hat in seinem Gutachten klargestellt, dass die vom Kläger beklagten psychischen Beschwerden jedenfalls nicht auf diesen Arbeitsunfall zurückzuführen sind. Inwiefern das Gutachten des Dr. L1 unverwertbar sein sollte, ist nicht ersichtlich. Aus dessen Gutachten ergibt sich eindeutig, dass er den Kausalzusammenhang nicht nur wegen der von ihm festgestellten Alkoholkrankheit verneint hat. Er hat unmissverständlich ausgeführt, dass die geklagten Beschwerden des Klägers auf dessen primäre Persönlichkeit zurückzuführen seien, da die Unfälle gar nicht geeignet waren, eine nachhaltigere psychische Beeinträchtigung herbeizuführen - was auch von Dr. Brandt so gesehen wurde - und zudem die diagnostischen Voraussetzungen für die Annahme einer posttraumatischen Belastungs- oder auch Anpassungsstörung nicht vorliegen. Auch Dr. C2 hat die von ihr diagnostizierte mittelgradige depressive Störung gerade nicht auf den Unfall vom 16.04.2015, sondern auf den Unfall vom 12.09.2012 zurückgeführt. Dies ergibt sich eindeutig aus ihren Ausführungen, der Kläger habe nach dem Unfall vom 12.09.2012 zunächst eine Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik entwickelt, die sich zu einer manifesten depressiven Störung mit mittelgradiger Auslenkung entwickelt und nach dem Unfall am 16.04.2015 nachweislich weiterhin bestanden habe. Dr. C2 hat ihre Auffassung zum Kausalzusammenhang auch lediglich damit begründet, dass die Unfälle zum Verlust des Ansehens des Klägers des Klägers, zum Verlust seiner Arbeit, seines Selbstwertgefühls, seines Selbstbewusstseins und seines Lebensinhaltes geführt haben. Dies mag alles sein. Als Begründung für den Kausalzusammenhang sind diese Ausführungen aber nicht geeignet, da die sozialen Konsequenzen des Unfalls keine Unfallfolgen im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung darstellen (siehe Keller in: Hauck/Noftz, SGB, 06/18, § 8 SGB VII, Rn. 307a).
Auch aus dem Bericht des Diplom-Psychologen B vom 15.01.2014 ergibt sich, dass die von Dr. C2 diagnostizierte mittelgradige depressive Störung nicht durch den Unfall vom 16.04.2015 verursacht wurde. Denn der Diplom-Psychologe hatte bereits in diesem Bericht, also etwa drei Monate vor dem Unfall, eine manifeste mittelgradige depressive Episode diagnostiziert. Seinem Bericht vom 05.11.2018 ist zwar zu entnehmen, er habe den Eindruck, dass ein Unfallzusammenhang zwischen der depressiven Symptomatik des Klägers und dessen Arbeitsunfällen gegeben sei. Seine Begründung für einen Unfallzusammenhang ist jedoch rechtlich nicht haltbar. Auch er differenziert, genau wie Dr. C2, nicht zwischen den beiden Unfällen und stellt, ebenfalls wie Dr. C2, darauf ab, dass die depressive Symptomatik Folge der durch den Unfall bedingten Insuffizienzerfahrung sei. Die funktionellen Einschränkungen hätten zu Arbeitsausfällen, Belastungsschmerzen, Unsicherheit und Ängsten bei der Arbeit und schließlich auch zum Verlust des Arbeitsplatzes geführt. Diese sozialen Folgen sind aber, wie bereits ausgeführt, nicht von der Unfallversicherung abzudecken. Die Tatsache, dass der Diplom-Psychologe B keine Konkurrenzursachen finden konnte, führt ebenfalls nicht zur Annahme eines wahrscheinlichen Kausalzusammenhangs.
Schließlich steht auch aufgrund des Vorerkrankungsverzeichnisses der Krankenkasse fest, dass der Kläger bereits vor dem ersten Arbeitsunfall und dann wieder nach dem ersten und vor dem zweiten Arbeitsunfall an Anpassungsstörungen gelitten hat. Die Behauptung des Klägers gegenüber der Sachverständigen Dr. C2, der Eintrag vor dem ersten Arbeitsunfall sei auf die Fehldiagnose eines Vertretungsarztes zurückzuführen, ist durch nichts belegt und keinesfalls geeignet, die Dokumentation der Krankenkasse zu widerlegen.
Der Arbeitsunfall vom 16.04.2015 hat auch nicht zu einer Verschlimmerung von psychischen Folgen des Unfalls vom 12.09.2012 geführt. Denn zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls vom 16.04.2015 lagen auf psychiatrischem Fachgebiet gar keine relevanten Folgen aufgrund des Arbeitsunfalls vom 12.09.2012 mehr vor. Insoweit wird Bezug genommen auf das zwischen den Beteiligten ergangene Urteil des erkennenden Senats vom 11.04.2018 in dem Verfahren mit dem Az.: L 17 U 442/16, auf das auch schon die Beklagte Bezug genommen hatte. Auch eine Verschlimmerung von unfallunabhängigen Gesundheitsstörungen durch den Arbeitsunfall vom 16.04.2015 ist von keinem Arzt dokumentiert worden und auch nicht ersichtlich.
Und schließlich kann der Kläger den geltend gemachten Anspruch auch nicht auf eine Stützrentensituation stützen. Denn die Folgen des Unfalls vom 16.04.2015 bedingen - wie sich aus den Gutachten der Dres. L1 und C1 ergibt - keine MdE von mindestens 10 v.H. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Folgen des Unfalls vom 12.09.2012 zu einer messbaren MdE von mindestens 10 v.H. geführt haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Anlass, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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