S 11 KR 38/12

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 11 KR 38/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 200/19
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Es existiert kein Regel-Ausnahme-Verhältnis, das besagt, dass Lehrer an allgemeinbildenden Schulen in der Regel Arbeitnehmer sind, auch wenn sie ihren Beruf nebenberuflich ausüben und nur ausnahmsweise eine selbständige Tätigkeit vorliegt.
2. Auch bei Lehrern an allgemeinbildenden Schulen ist zur Abgrenzugn von abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen.
3. Die Tätigkeit eines Lehrers an einem beruflichen Gymnasium ist eine selbständige Tätigkeit, wenn der Lehrer nach der Anzahl der geleisteten Unterrichtsstunden bezahlt wird, nicht verpflichtet ist, Vertretungsstunden zu übernehmen und auch nicht an Konferenzen und sonstigen schulischen Veranstaltungen teilnehmen muss und Einzelanordnungen zur Durchführung des Unterrichts nicht ergehen.
Der Bescheid der Beklagten vom 27.6.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2011 wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) aufgrund seiner Tätigkeit für den Kläger vom 13.9.2010 bis 28.2.2011 nicht abhängig beschäftigt war und nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Die Beklagte trägt die Gerichtskosten sowie die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1) aufgrund seiner Tätigkeit als Dozent für den Kläger in dem Zeitraum vom 13. September 2010 bis 28. Februar 2011.

Der Kläger ist ein freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins mit Sitz in A-Stadt. Dazu betreibt er bundesweit sogenannte "Verbünde" und Einrichtungen in den Bereichen der schul-, ausbildungs-, und berufsbegleitenden, der beruflichen und politischen Bildung sowie in den Arbeitsfeldern sozialer Dienste, der Freizeithilfen und internationalen Begegnung, der Sprach- und Berufsförderung, der gesundheitlichen Fürsorge und der sozialen Beratung und Betreuung.

Der 1958 geborene Beigeladene zu 1) ist bei der Beigeladenen zu 3) gesetzlich krankenversichert und bei der Beigeladenen zu 4) pflegeversichert. In dem streitigen Zeitraum vom 13. September 2010 bis 28. Februar 2011 war er als Lehrkraft am beruflichen Gymnasium in C-Stadt tätig.

Grundlage der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) war ein befristeter Vertrag ("Freier Mitarbeiter Vertrag") vom 13. September 2010/18. Oktober 2010 mit folgendem Wortlaut:

"1. Die/der Auftragnehmer/in wird für den Auftraggeber mit Wirkung ab 13.09.2010 bis 28.02.2011 als freie/er Mitarbeiter/in tätig. Ein Anspruch auf Erteilung eines Folgeauftrags besteht nicht.
2. Die/der Auftragnehmer/in wird als Dozent/Dozentin im Fachbereich Schule mit folgenden Arbeiten beauftragt: Unterricht in berufl. Gymnasien auf der Grundlage des Lehrplans. Maßnahme-Nr. 260651 Vorgesehener Einsatzort: C-Stadt Änderungen der Aufgaben sowie des zeitlichen Umfangs und des Arbeitsortes erfolgen einvernehmlich und schriftlich. Die Vergütungsrichtlinie für sonstige Leistungen findet Anwendung.
3. Die beauftragte Leistung führt die Auftragnehmer/in in eigener Verantwortung aus, wobei sie/er auf die aus der Zusammenarbeit sich ergebenden betrieblichen Belange im Zusammenhang mit ihrer/seiner Tätigkeit Rücksicht nehmen wird. Die/der Auftragnehmer/in unterliegt keinem Weisungs- und Direktionsrecht seitens des Auftraggebers.
4. Die/der Auftragnehmer/in hat bei ihrer/seiner Tätigkeit und bei den Prüfungen die Korrektur- und Bewertungsrichtlinien zu beachten. Kopien dieser Richtlinien sind dem Vertrag als Vertragsbestandteil beigefügt.
5. Die/der Auftragnehmer/in ist in einem wöchentlichen Umfang von 16,00 Stunden für den Auftraggeber tätig. Dafür erhält sie/er ein Honorar von EUR 20,00 pro Stunde einschließlich etwaiger Umsatzsteuer nach Rechnungslegung mit Stundennachweis. Es werden nur tatsächlich erbrachte Zeiten vergütet. Ein Anspruch auf Vergütung von ausgefallenen Stunden oder Ausfallzeiten wegen Krankheit oder Urlaub besteht nicht. Im vereinbarten Honorar ist auch die Vergütung für etwaige Vor- und Nachbereitung, etwa anfallende An- und Abreisezeiten, etwaige Reisekosten sowie Aufwendungsersatz enthalten.
6. Die/der Auftragnehmer/in ist verpflichtet das Honorar als Einkommen bei dem für sie zuständigen Finanzamt zu versteuern.
7. Die/der Auftragnehmer/in wird als selbständige Kraft tätig. Die/der Auftragnehmer/in ist verpflichtet für einen Krankenversicherungsschutz Sorge zu tragen, sei es durch Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 9 SGB V, oder durch eine private Krankenversicherung gemäß § 193 VVG. Als selbständige Kraft unterliegt sie/er der Rentenversicherungspflicht gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI, es sei denn, sie/er beschäftigt einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer oder ihr/seine Einkünfte unterschreiten die Geringfügigkeitsgrenze (entweder monatlich 400, Euro oder Befristung der Tätigkeit auf maximal 50 Arbeitstage pro Jahr). Gemäß § 190 a SGB VI ist sie/er in jedem Fall verpflichtet sich beim zuständigen Rentenversicherungsträger zu melden.
8. Die/der Auftragnehmer/in verpflichtet sich bei Verhinderungen unverzüglich den Auftraggeber zu verständigen. Bei Stellung eines Erfüllungsgehilfen ist die/der Auftragnehmer/in verpflichtet dessen fachliche und persönliche Qualifikation sicher zu stellen.
9. Die/der Auftragnehmer/in verpflichtet sich, einen Unterrichts- und Unterweisungsnachweis zu führen.
10. Die/der Auftragnehmer/in verpflichtet sich die Datenschutzregelungen des Bundesdatenschutzgesetzes einzuhalten und über sämtliche Vorgänge von Teilnehmern/innen und Betreuten sowie über Geschäftsgeheimnisse des Auftraggebers Verschwiegenheit zu wahren. Hierfür gibt die/der Auftragnehmer eine gesonderte Verpflichtungserklärung nach § 5 BDSG als Anlage zu diesem Vertrag ab. Diese Verpflichtung zur Einhaltung des Datengeheimnisses und zur Verschwiegenheit besteht auch nach Beendigung des Auftrages weiter.
11. Unterlagen, die der/dem Auftragnehmer/in im Zusammenhang ihrer/seiner Tätigkeit übergeben werden, sind nach Beendigung des Vertrages unverzüglich zurückzugeben. Der/dem Auftragnehmer/in steht hieran kein Zurückbehaltungsrecht zu.
12. Es wird zwischen dem Auftraggeber und der/dem Auftragnehmer/in ausdrücklich vereinbart, dass diese Vereinbarung auch während ihrer Laufzeit von beiden Seiten auf Grundlage der gesetzlichen Regelungen gekündigt werden kann.
13. Die/der Auftragnehmer/in ist damit einverstanden, dass Daten im Rahmen der Abrechnung dieses Vertrages EDV- technisch verarbeitet und gemäß den Richtlinien des Bundesdatenschutzgesetzes behandelt werden.
14. Zusätzliche Vereinbarungen:
a) Die Auszahlung der Honorarvergütung erfolgt nach Rechnungsstellung. Eine Rechnung ist grundsätzlich nach einem abgelaufenen Monat zu stellen, wobei max. 3 Monate zusammengefasst werden können. Die Rechnung wird innerhalb 20 Tagen nach Eingang beglichen.
b) Es wird vereinbart, dass diese Honorarvereinbarung auch während ihrer Laufzeit von beiden Seiten mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden kann. c) Dem/der Auftragnehmer/in ist die Richtlinie für die Tätigkeit von freien Mitarbeitern bekannt und übergeben worden.
15. Mündliche Abreden haben keine Gültigkeit. Weitere Nebenabreden bestehen nicht. Änderungen dieser Vereinbarung bedürfen in jedem Fall der Schriftform.

Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages ganz oder teilweise unwirksam oder nichtig sein oder werden, so berührt dies nicht die Wirksamkeit des Vertrags im Übrigen. Die Vertragsparteien verpflichten sich in einem solchen Fall eine wirksame oder durchführbare Bestimmung anstelle der unwirksamen oder undurchführbaren Bestimmung zu setzen, durch welche der beabsichtigte Vertragszweck in rechtlich zulässiger Weise erreicht wird. Gleiches gilt im Falle einer Regelungslücke."

Der Beigeladene zu 1) rechnete seine Dienste monatlich nach Stunden ab und stellte dem Kläger unter Beifügung eines Stundennachweises die vereinbarte Vergütung in Höhe von 20,00 EUR beziehungsweise einmalig in Höhe einer Pauschale von 25,00 EUR für die Teilnahme an einer Lehrerkonferenz im Januar 2011 in Rechnung. Hierfür wurden von dem Kläger weder Lohnsteuer noch Sozialversicherungsbeiträge entrichtet.

Am 20. Oktober 2010 beantragten der Kläger und der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten im Rahmen des Anfrageverfahrens nach §§ 7a ff. Viertes Buch Sozialgesetzbuch Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) die Feststellung, dass ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs. 1 SGB IV nicht vorliege.

Auf Nachfrage der Beklagten trug der Kläger mit Schreiben vom 24. Februar 2011 vor, die freien Mitarbeiter hätten – im Gegensatz zu den festangestellten Mitarbeitern des Klägers – nur zeitlich befristete und nicht auf Dauer angelegte Aufträge. Die festangestellten Lehrkräfte seien in der Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen nicht frei. Sie seien in zeitlicher, örtlicher und fachlicher Hinsicht den Weisungen des Auftraggebers direkt unterworfen und in die Organisationsstruktur des Auftraggebers eingegliedert. Sie hätten feste Arbeitszeiten, eine Absicherung bei Krankheit oder Urlaub und übernähmen auch viele kleinere Aufgaben im Betriebsalltag. In der Einrichtung gebe es einen Leiter, der den freien Mitarbeitern bei Organisationsfragen zur Verfügung stehe. Der Beigeladene zu 1) setze bei seiner Arbeit eigene Arbeitsmaterialien ein. Es bestehe keine Verpflichtung zur Nachholung ausgefallener Unterrichtsstunden.

Der Beigeladene zu 1) gab zu seiner Tätigkeit für den Kläger mit Schreiben vom 3. April 2011 an, er unterrichte in der Einrichtung des Klägers nach den Vorgaben des Lehrplans des Oberschulamtes. Im Übrigen erhalte er keine methodischen oder didaktischen Anweisungen. Seine Arbeitsleistung würde nicht durch Mitarbeiter des Klägers im Rahmen einer Hospitation oder anderer Maßnahmen bewertet. Die Leistungen der Schüler*innen in den unterrichteten Fächern würden durch Klassenarbeiten überprüft und entsprechend benotet. Das Honorar sei mit dem Schulleiter ausgehandelt worden und es würden nur die tatsächlich geleisteten Stunden bezahlt. Ausgefallene Stunden müssten nicht nachgeholt werden. Im Falle seiner kurzfristigen Verhinderung werde das Sekretariat des Auftraggebers informiert. Ansonsten erfolge eine An- und Abmeldung an den Unterrichtstagen nicht. Vertretungsstunden könnten nicht einfach zugewiesen werden. Bei seiner Tätigkeit verwende er eigene Lehrmittel in Form von Büchern, einem grafischen Taschenrechner sowie einen Laptop. Eine Verpflichtung zur Teilnahme an Lehrerkonferenzen, Teambesprechungen und sonstigen schulischen Veranstaltungen bestehe nicht. Er könne fachlich geeignete eigene Hilfskräfte stellen.

Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten (Anhörungsschreiben vom 25. Mai 2011) stellte die Beklagte jeweils mit Bescheid vom 27. Juni 2011 gegenüber dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) fest, dass der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit als Dozent bei dem Kläger in dem Zeitraum vom 13. September 2010 bis 28. Februar 2011 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe. Die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung beginne am 13. September 2010 und ende am 28. Februar 2011. Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die Beklagte aus, nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen würden folgende Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen: Der Unterricht richte sich nach dem Lehrplan des Oberschulamtes. Die Unterrichtsinhalte würden vorgegeben. Der Dienstort sei der Betriebssitz des Auftraggebers. Der Beigeladene zu 1) sei zwar berechtigt, eigene Vertreter einzusetzen, die persönliche Leistungserbringung sei jedoch die Regel. Der Beigeladene zu 1) setze für seine Tätigkeit kein umfangreiches eigenes Kapital ein, welches ein unternehmerisches Handeln begründe. Die Vergütung erfolge unabhängig von der konkreten Teilnehmerzahl. Der Beigeladene zu 1) sei zur Durchführung von Klassenarbeiten und Erfolgskontrollen verpflichtet. Die Schüler erlangten einen Schulabschluss. Der Auftraggeber bestimme innerhalb eines von dem Beigeladenen zu 1) angegebenen Arbeitszeitrahmens die Verteilung der Unterrichtsstunden auf die einzelnen Arbeitstage. Neben der Unterrichtstätigkeit bestünden weitere Nebenpflichten, zum Beispiel das Führen des Klassenbuchs. Für eine selbstständige Tätigkeit spreche demgegenüber nur, dass der Beigeladene zu 1) nicht einseitig durch den Auftraggeber zur Übernahme von Vertretungsstunden verpflichtet werden könne, das Honorar in Einzelabsprache verhandelt worden sei, die Vergütung nur für tatsächlich geleistete Unterrichtsstunden erfolge und der Ausfall von Veranstaltungen nicht zu einem Ausfallhonorar führe.

Hiergegen legte der Kläger am 5. Juli 2011 Widerspruch ein. Er trug vor, der Beigeladene zu 1) sei von vornherein mit einer zeitlich und sachlich beschränkten Lehrverpflichtung betraut worden und habe weitere Pflichten nicht zu übernehmen gehabt und sich dadurch von angestellten Lehrkräften erheblich unterschieden. Dass ein Schulabschluss angestrebt werde, bedeute nicht, dass hieraus eine abhängige Beschäftigung folge. Wie stark die Weisungsgebundenheit und die persönliche Abhängigkeit von Lehrkräften sei, hänge weniger vom Unterrichtsgegenstand als von der jeweiligen Arbeitsorganisation und dem jeweiligen Dienstvertrag ab. Bei seiner Tätigkeit sei der Beigeladene zu 1) weisungsfrei gewesen, habe seine Arbeit hinsichtlich der Lehrmaterialien und auch didaktisch ohne Überprüfungen frei gestalten können. Das Führen des Klassenbuchs sei eine Hauptpflicht, die dem Unterricht zuzuordnen sei. Der Beigeladene zu 1) sei nicht im Rahmen von Prüfungen tätig gewesen und es bestünden auch keine Korrektur- und Bewertungsrichtlinien.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2011 als unbegründet zurück. Zur Begründung ihrer Entscheidung führte sie aus, bei der Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen würden die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen. Dozenten/Lehrbeauftragte an Universitäten, Hochschulen und Fachhochschulen, Fachschulen, Volkshochschulen, Musikhochschulen sowie an sonstigen – auch privaten – Bildungseinrichtungen stünden regelmäßig nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu diesen Schulungseinrichtungen, wenn sie mit einer von vornherein zeitlich und sachlich beschränkten Lehrverpflichtung betraut seien, weitere Pflichten nicht zu übernehmen hätten und sich dadurch von den fest angestellten Lehrkräften erheblich unterscheiden würden. Demgegenüber stünden Lehrer, die insbesondere durch Übernahme weiterer Nebenpflichten wie zum Beispiel der Vorbereitung des Unterrichtes, der Kontrolle schriftlicher Arbeiten, der Notenvergabe sowie der Teilnahme an Konferenzen, in den Schulbetrieb eingegliedert und nicht nur stundenweise Unterricht erteilen würden, in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Der Beigeladene zu 1) habe auf der Grundlage des "Freien Mitarbeiter Vertrages" vom 13. September 2010/18. Oktober 2010 in der Zeit vom 13. September 2010 bis 28. Februar 2011 im beruflichen Gymnasium auf der Grundlage des Lehrplans des Landes Baden-Württemberg erteilt. Dabei sei er insbesondere aufgrund der Übernahme von Nebentätigkeiten wie dem Führen des Klassenbuches, der Notenvergabe und der Erarbeitung und Korrektur von Klassenarbeiten in die betriebliche Organisation der Schule funktionsgerecht eingegliedert gewesen. Für eine funktionsgerechte Eingliederung sei es nicht erforderlich, dass tatsächlich Weisungen im konkreten Einzelfall hinsichtlich der Ausgestaltung des Unterrichtes erteilt würden. Vielmehr sei es grundsätzlich üblich, dass bei fachlich mit der Arbeit vertrautem Personal fachliche Einzelanweisungen entbehrlich seien und sich die Weisungen mehr auf organisatorische Fragen beschränkten. In der Gestaltung des Unterrichts sei der Beigeladene zu 1) zwar frei gewesen, die Gestaltungsfreiheit sei jedoch nicht über die pädagogische Freiheit im Rahmen der übernommenen Bildungsaufgaben hinausgegangen. Die Höhe der Stundenzahl sowie die Termine, an denen die Lehrveranstaltungen stattfanden, seien in Abstimmung mit dem Beigeladenen zu 1) festgelegt worden. Er sei zur Einhaltung dieser Termine und zur Meldung seiner Abwesenheitszeiten verpflichtet gewesen. Des Weiteren legte die Beklagte dar, dass der Beigeladene zu 1) kein erhebliches Unternehmerrisiko getragen habe. Er habe eine Vergütung pro geleisteter Unterrichtsstunde erhalten. Ein Unternehmerrisiko sei bei der ausgeübten Tätigkeit somit nicht zu erkennen. Unerheblich sei, dass der finanzielle Erfolg des Beschäftigten von dessen beruflicher Tüchtigkeit abhänge. Die Chance, länger oder mehr zu arbeiten, um so ein höheres Entgelt zu erzielen, sei nicht die spezielle Chance des Unternehmers. Sie habe auch jeder Beschäftigte. Unternehmerisches Risiko kennzeichne sich durch den Einsatz eigenen Kapitals beziehungsweise eigener Betriebsmittel, dessen wirtschaftlicher Erfolg ungewiss sei. Der Beigeladene zu 1) habe jedoch ausschließlich die eigene Arbeitskraft eingesetzt und sei funktionsgerecht dienend in einer fremden Arbeitsorganisation tätig gewesen. Das Risiko, für die Arbeit kein Geld zu erhalten beziehungsweise bei nicht zufriedenstellender Arbeit nicht weiter beschäftigt beziehungsweise beauftragt zu werden, stelle kein unternehmerisches Risiko dar. Dieses Einkommensrisiko beziehungsweise das Risiko der Nichtbeschäftigung würden auch beschäftigte Arbeitnehmer tragen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 11. Januar 2012 beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhobene Klage. Der Kläger ist unter Verweis auf sein Vorbringen im Vorverfahren der Ansicht, der Beigeladene zu 1) habe seine Tätigkeit im Rahmen eines selbstständigen Dienstverhältnisses ausgeübt.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27.6.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2011 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) aufgrund seiner Tätigkeit für den Kläger vom 13.9.2010 bis 28.2.2011 selbständig tätig war und nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung aus den Gründen des Widerspruchsbescheides für zutreffend.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 2. Februar 2012 Herrn C. C., die Bundesagentur für Arbeit, die DAK-Gesundheit und die DAK-Gesundheit-Pflegekasse zum Verfahren beigeladen.

Der Beigeladene zu 1) hat keinen Antrag gestellt. Er ist unter Verweis auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren der Ansicht, seine Tätigkeit bei dem Kläger nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt zu haben.

Die im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Beigeladenen zu 2) bis 4) haben keinen Antrag gestellt und haben sich nicht inhaltlich zur Sache geäußert.

Das Gericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung den Beigeladenen zu 1) persönlich angehört. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Beteiligtenvorbringens wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte über die Klage auch in Abwesenheit der Beigeladenen zu 2) bis 4) aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, da sie auf diese Möglichkeit in der schriftlichen Terminsladung hingewiesen worden sind (§§ 110 Abs. 1 Satz 2, 124 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die zulässige Klage ist auch begründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Beigeladene zu 1) war aufgrund seiner Tätigkeit bei dem Kläger in dem Zeitraum vom 13. September 2010 bis 28. Februar 2011 nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung versicherungspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung.

Nicht Gegenstand des Verfahrens ist, ob der Beigeladene zu 1) aufgrund der selbstständigen Tätigkeit als Lehrer versicherungspflichtig in der Rentenversicherung nach § 2 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch (SGB VI) ist. Die Beklagte hat in ihrem Bescheid das Bestehen von Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung wegen des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung festgestellt. Eine Versicherungspflicht als selbstständig tätiger Lehrer nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ist damit von vornherein nicht vom Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheids umfasst und damit auch nicht Streitgegenstand. Im Statusfeststellungsverfahren ist auch nicht geboten, zugleich darüber zu entscheiden, ob die zur Überprüfung gestellte Tätigkeit ungeachtet bzw. gerade wegen ihrer Nichtausübung im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung eine Versicherungspflicht nach sich zieht (vgl. BSG, Urteil vom 4. September 2013, B 12 KR 87/12 B; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. April 2011, L 9 KR 294/08; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20. März 2013, L 2 R 372/12; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Dezember 2014, L 11 R 3903/13).

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, der Pflege-, der Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- und Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung SBG V –, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch Soziale Pflegeversicherung – SGB XI –, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – SGB III –). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung sowie eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (vgl. Urteil des BSG vom 14. März 2018 – B 12 R 12/17 R; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996, 1 BvR 21/96).

Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d. h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 23. Mai 2017, B 12 KR 9/16 R). Das Gesamtbild der Tätigkeit bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R).

Diese Grundsätze zur Abgrenzung gelten auch für Lehrtätigkeiten. Die Tätigkeit als Lehrer kann grundsätzlich sowohl im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses als selbstständige Tätigkeit ausgeübt werden. In der Rechtsprechung sind Lehrer je nach den Umständen des Einzelfalls ganz überwiegend als selbstständig Tätige (BSG, Urteil vom 19. Dezember 1979, 12 RK 52/78; – Volkshochschuldozentin; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20. März 2013, L 2 R 372/12 – Volkshochschuldozentin; BSG, Urteil vom 27. März 1980, 12 RK 26/79 Lehrbeauftragter an Fachhochschule; BSG, Urteil vom 25. September 1981, Lehrbeauftragter an Universität; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. April 2011, L 9 KR 294/08 – Lehrbeauftragter an Hochschule; BSG, Urteil vom 12. Oktober 2000, B 12 RA 2/99 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Oktober 2014 – Dozent an Sprachschule; BSG, Urteil vom 14. März 2018, B 12 KR 12/17 R – Gitarrenlehrerin an Musikschule; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Dezember 2014, L 11 R 3903/13 Fluglehrerin; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar 2015, L 11 R 2016/13 – Lehrer an Waldorfschule; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juli 2015, L 4 R 1570/12 – Sportlehrer als Fußballtrainer) angesehen worden und nur vereinzelt als abhängig Beschäftigte eingestuft worden (BSG, Urteil vom 28. Oktober 1969, 3 RK 31/56 – Musiklehrerin an einer Pädagogischen Hochschule; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. Oktober 2011, L 1 R 305/09 - Handballtrainer). Auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich vielfach mit der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit bei Lehrern befasst. In ständiger Rechtsprechung stellt es eine typisierende Betrachtung dahingehend an, dass, wer an einer allgemeinbildenden Schule unterrichte, in der Regel Arbeitnehmer sei, auch wenn er seinen Beruf nebenberuflich ausübe (vgl. BAG, Urteil vom 21. November 2017, 9 AZR 117/17; Urteil vom 17. Oktober 2017, 9 AZR 792/16; Urteil vom 20. Januar 2010, 5 AZR 106/09). Das BAG folgert diese Regel aus den Rahmenbedingungen des Unterrichts an allgemeinbildenden Schulen, insbesondere dem Schulzwang, dem Bestehen förmlicher Abschlüsse, der Reglementierung des Unterrichts, dem Ausmaß der Kontrolle durch den Unterrichtsträger sowie dem Umfang der erforderlichen Nebenarbeiten (BAG, Urteil vom 21. November 2017, 9 AZR 117/17, Juris, Rn. 25).

Allerdings besteht im Sozialversicherungsrecht kein Rechtssatz des Inhalts, dass Lehrer an allgemeinbildenden Schulen grundsätzlich als abhängige Beschäftigte anzuerkennen seien und eine ausnahmsweise hiervon abweichende Beurteilung besonderer Begründung bedürfte. Die Aufstellung einer solchen Regel – quasi mit den Charakter einer widerleglichen Vermutung – stünde schon im Widerspruch zu der gebotenen Beurteilung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Sie findet auch keinen Niederschlag in den einschlägigen gesetzlichen Regelungen. Eine gesetzliche Regel, dass im Zweifel eine versicherungspflichtige Beschäftigung anzunehmen ist, existiert nicht. Es ist daher nicht erlaubt, gleichsam im Wege einer dem Grundsatz der objektiven Beweislast entgegenstehenden Beweisregelung aus Gründen als gegeben zu unterstellen, die mit dem Tatbestand der Abhängigkeit nicht zu tun haben müssen (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1978, 12 RK 58/76). Die Aufstellung einer solchen Zweifelsregelung wäre mit den grundrechtlichen Positionen der betroffenen Personen auch nicht zu vereinbaren. Sowohl für den Auftraggeber als auch den Dienstleistenden stellt die Feststellung von Sozialversicherungspflicht und der damit einhergehenden Beitragspflicht einen Eingriff jedenfalls in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz [GG]) dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 2003, 1 BvR 558/99). Dieser Eingriff ist nur zu rechtfertigen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einbeziehung in die Sozialversicherung erfüllt sind. Daher muss der abhängige Charakter der Tätigkeit und damit die Sozialversicherungspflicht positiv festgestellt werden können (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juli 2015, L 4 R 1570/12 – Sportlehrer als Fußballtrainer).

Damit verbleibt es auch bei Lehrern an allgemeinbildenden Schulen dabei, dass eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen ist, wobei entscheidend ist, wie intensiv die Lehrkraft in den Unterrichtsbetrieb eingebunden ist, in welchem Umfang sie den Unterrichtsinhalt, die Art und Weise der Unterrichtserteilung, ihre Arbeitszeit und die sonstigen Umstände der Dienstleistung mitgestaltet und inwieweit sie zu Nebenarbeiten herangezogen werden kann (in diesem Sinne auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar 2015, L 11 R 2016/13 – Lehrer an Waldorfschule; SG Frankfurt, Urteil vom 26. Juni 2018, S 25 KR 546/11 – Dozentin an Berufsfachschule). Für die selbständige Tätigkeit eines Lehrers kann sprechen, dass
• eine Bezahlung nach der Anzahl der geleisteten Unterrichtsstunden erfolgt,
• Einzelanordnungen zur Durchführung des Unterrichts nicht ergehen,
• eine Verpflichtung zu einer Vertretung von Kollegen nicht besteht,
• eine Teilnahme an Konferenzen, Sprechtagen und Veranstaltungen nicht angeordnet werden kann,
• keine Pausenaufsicht zu übernehmen ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar 2015, L 11 R 2016/13)
• und
• sonstige Nebenpflichten nicht zu erfüllen sind (BSG, Urteil vom 12. Februar 2004, B 12 KR 26/02 R).
Hingegen können auch Umstände vorliegen, aus denen sich ergibt, dass der für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses erforderliche Grad der persönlichen Abhängigkeit gegeben ist. Solche Umstände können sein
• das Recht des Schulträgers, die zeitliche Lage der Unterrichtsstunden einseitig zu bestimmen,
• den Unterrichtsgegenstand oder Art und Ausmaß der Nebenarbeiten einseitig festzulegen,
• eine intensivere Kontrolle nicht nur des jeweiligen Leistungsstandes, sondern auch des Unterrichts selbst,
• die Inanspruchnahme sonstiger Weisungsrechte (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2018, B 12 R 3/17 R – Musiklehrer an städtischer Musikschule; BSG, Urteil vom 12. Februar 2004, B 12 KR 26/02 R – Volkshochschuldozent; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Juli 2016, L 8 R 761/14 – Lehrer an städtischer Musikschule).

Im Ergebnis hängt die Stärke der Weisungsgebundenheit und die persönliche Abhängigkeit von Lehrkräften – worauf der Kläger völlig zutreffend hingewiesen hat – damit weniger vom Unterrichtsgegenstand als von der jeweiligen Arbeitsorganisation und dem jeweiligen Dienstvertrag ab (so auch BAG, Urteil vom 13.05.1992, AZR 195/91).

Die Gesamtwürdigung aller Umstände des vorliegenden Falles unter Zugrundelegung dieser Grundsätze und der von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV ergibt zur Überzeugung der Kammer, dass der Beigeladene zu 1) in dem Zeitraum vom 13. September 2010 bis 28. Februar 2011 nicht abhängig und damit nicht versicherungspflichtig bei dem Kläger beschäftigt war. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) erfüllt bei einer Gesamtbetrachtung nicht die Voraussetzungen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses. Das Gesamtbild seines konkreten Einsatzes bei dem Kläger weist den Beigeladenen zu 1) als selbstständigen Dozenten und nicht als einen in persönlicher Abhängigkeit beschäftigten Arbeitnehmer aus. Hier überwiegen gewichtige Gesichtspunkte, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen.

Ausgangspunkt der Beurteilung ist der zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) geschlossene "Freier Mitarbeiter Vertrag" vom 13. September 2010/18. Oktober 2010. Die inhaltlichen Regelungen dieses Vertrags sprechen im Wesentlichen für ein freies Mitarbeiterverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1). Danach war er in der Gestaltung seiner Tätigkeit selbstständig und frei. Die Durchführung und Gestaltung des erteilten Lehrauftrags oblagen dem Beigeladenen zu 1) in eigener Verantwortung. Bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben unterlag er keinem Weisungs- und Direktionsrecht seitens des Klägers (Ziffer 3.). Der Ort und die zeitliche Lage ihrer Tätigkeit waren bei beziehungsweise vor Vertragsschluss einvernehmlich vereinbart worden. Änderungen sollten ausschließlich einvernehmlich schriftlich vorgenommen werden. Der Beigeladene zu 1) war nach Ziffer 8. des Vertrags nicht verpflichtet, den Auftrag höchstpersönlich auszuführen. Er konnte sich der Hilfe von Erfüllungsgehilfen bedienen, soweit er deren fachliche und persönliche Qualifikation sicherstellte. Nach der Vergütungsregelung in Ziffer 5. erhielt der Beigeladene zu 1) ein Stundenhonorar in Höhe von 20,00 EUR netto einschließlich etwaiger Umsatzsteuer. Damit waren sämtliche Tätigkeiten abgegolten. Der Beigeladene zu 1) war nach dem Vertrag weiterhin verpflichtet, anfallende Einkünfte aus dieser Honorarvereinbarung bei dem zuständigen Finanzamt anzumelden und Steuern/Abgaben für das ihm bezahlte Honorar selbst zu entrichten. Weiterhin war er verpflichtet, sich ab Aufnahme seiner Tätigkeit gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und Alter selbst abzusichern.

Der Kläger und der Beigeladene zu 1) haben dieses vertraglich geregelte Dienstverhältnis auch tatsächlich praktiziert. Nach Überzeugung der Kammer war der Beigeladene zu 1) auch nach den tatsächlichen Verhältnissen seiner Tätigkeit Selbstständiger und nicht Arbeitnehmer. Seine Tätigkeit war nicht fremdbestimmt, da sie nicht in einer von dem Kläger vorgegebenen betrieblichen Ordnung aufging und der Beigeladene zu 1) nicht in die Organisation des Schulbetriebs des Klägers eingebunden war. Er war bei der Ausübung seiner Tätigkeit und der Gestaltung seiner Arbeitszeit in weit höherem Maße frei als eine angestellte Lehrkraft, die in der Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen nicht frei waren, da sie in zeitlicher, örtlicher und fachlicher Hinsicht den Weisungen des Auftraggebers direkt unterworfen und in die Organisationsstruktur des Auftraggebers mit festen Arbeitszeiten und vielen kleineren Aufgaben eingegliedert waren. Den Unterschied im Hinblick auf den Grad der Eingliederung in die Organisation des Klägers zwischen einem Selbständigen und einem Arbeitnehmer hat der Beigeladene zu 1) selber erfahren, nachdem er ab dem Jahr 2013 an der gleichen Schule abhängig beschäftigt wurde. Er hat im Termin zur mündlichen Verhandlung dargelegt, dass die Tätigkeit nunmehr "viel aufwändiger" sei, weil er verpflichtet sei, an allen Konferenzen und sämtlichen Schulveranstaltungen teilzunehmen.

Eine Einbindung des Beigeladenen zu 1) in den Unterrichtsbetrieb des Klägers folgt auch nicht daraus, dass der Bildungsträger den äußeren Ablauf der Lehrtätigkeit bestimmt und der Unterricht in den Räumen des Klägers stattgefunden hat. Dass der Beigeladene zu 1) über keine eigene Betriebsstätte verfügte, ist angesichts der Natur der Tätigkeit (Schulunterricht) nicht von ausschlaggebender Bedeutung (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2018, B 12 R 3/17 R – Musiklehrer an städtischer Musikschule). Es liegt in der Natur der Sache, dass der Lehrbetrieb nur sinnvoll vonstatten gehen kann, wenn die verschiedenen Lehrveranstaltungen sowohl zeitlich als auch räumlich aufeinander abgestimmt werden (BSG, Urteil vom 12. Februar 2004, B 12 KR 26/02 R – Volkshochschuldozent; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20. März 2013, L 2 R 372/12 - Volkshochschuldozentin; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar 2015, L 11 R 2016/13 – Lehrtätigkeit an einer Waldorfschule). Die Bindung eines Dozenten an die jeweiligen Unterrichtszeiten und Stundenpläne sowie die bestehenden Räumlichkeiten einer Bildungseinrichtung ist einer Tätigkeit im Bildungsbereich immanent und als solche nicht geeignet, die für das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses wesentliche Weisungsbefugnis des Arbeitgebers im Hinblick auf Zeit und Ort der Arbeitsausübung zu begründen (Hessisches LSG, Urteil vom 26. April 2018, L 8 KR 170/15).

Auch hinsichtlich der Zeit seiner Arbeitsausführung unterlag der Beigeladene zu 1) keinem Weisungsrecht des Klägers. Die Unterrichtszeiten waren zwischen ihm und dem Kläger frei vereinbart. Zur einseitigen Änderung der vereinbarten Unterrichtszeiten war der Kläger nicht befugt. Über die vertraglich vereinbarte Wochenstundenzahl hinaus war der Beigeladene zu 1) nicht verpflichtet, weitere Lehrtätigkeiten zu erbringen. Insbesondere bestand keine Verpflichtung, einseitig im Wege eines Direktionsrechts des Klägers angeordnete Lehrtätigkeiten, zum Beispiel Vertretungsstunden für verhinderte Kollegen, zu übernehmen.

Des Weiteren war der Beigeladene zu 1) keinem arbeitgeberseitigen Weisungsrecht hinsichtlich der Art und Weise der Ausführung seiner Lehrtätigkeit unterworfen, was für seine selbständige Tätigkeit spricht. Konkrete arbeitskraftbezogene Weisungen wurden ihm nicht erteilt. Die Gestaltung der Unterrichtsstunden war nicht Gegenstand von Einzelanweisungen des Klägers, der keinen Einfluss auf das pädagogische Konzept nehmen konnte. Methodische oder didaktische Anweisungen wurden dem Beigeladenen zu 1) nicht erteilt. Allein aus der Tatsache, dass Dozenten sich bei der Gestaltung ihres Unterrichts an Prüfungserfordernissen ausrichten müssen, darf jedoch nicht auf ihre Weisungsgebundenheit geschlossen werden. Weisungsfrei sind solche Tätigkeiten, bei denen einem Beschäftigten zwar die Ziele seiner Tätigkeit vorgegeben sein können, jedoch die Art und Weise, wie er diese erreicht, seiner eigenen Entscheidung überlassen bleibt. Auch Selbstständige können in ihren Handlungsmöglichkeiten begrenzt sein, allerdings nicht durch Einzelanordnungen, sondern durch Regeln oder Normen, die die Grenzen ihrer Handlungsfreiheit mehr in generell-abstrakter Weise umschreiben (BSG, Urteil vom 12. Februar 2004, B 12 KR 26/02 R). Soweit der Beigeladene zu 1) sich inhaltlich an Rahmenlehrplänen des Landes Baden-Württemberg zu orientieren hatte und die Bildungsziele vorgegeben waren, bestanden diese Vorgaben allerdings bereits abstrakt vor der Beauftragung, sie waren gerade Gegenstand der Vereinbarung zwischen ihm und dem Kläger und damit nicht von Einzelanweisungen. Bereits der Begriff "Grundlage" in Ziffer 2. des Mitarbeitervertrages vom 13. September 2010/18. Oktober 2010 macht den Charakter dieser Klausel als bloße, abstrakte Beschreibung der von dem Beigeladenen zu 1) zu erbringenden Leistung deutlich. Gleiches gilt für die Rahmenlehrpläne des Landes Baden Württemberg, die keine detaillierten Unterrichtsvorgaben machen, sondern den inhaltlichen Rahmen für den Unterricht bestimmen. Dem Beigeladenen zu 1) stand es frei, in welcher Art und Weise er die vorgegebenen Bildungsziele erreicht, welche Inhalte und in welcher Form diese den Schülern vermittelt werden und wie er die Unterrichtsstunden gestaltet. Der Beigeladene zu 1) verwendete dabei eigene Lehrmaterialien sowie seinen eigenen Taschenrechner und Laptop.

Der Beigeladene zu 1) unterlag hinsichtlich der Art und Weise seiner Dozententätigkeit auch keiner Kontrolle durch den Kläger, da dieser keine Unterrichtsbesuche oder Überhörungen durchführte. Die Verpflichtung zur Führung des Klassenbuches ist so eng mit der Unterrichtstätigkeit verknüpft, dass die Kammer hierin kein entscheidendes Kriterium sieht (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.10.2014, L 11 R 4761/13). Gleiches gilt für die Durchführung von Tests und Klassenarbeiten zur Überprüfung der Leistungsfähigkeit der Schüler. Hierbei handelt es sich letztlich um eine Kontrolle des Erfolgs der Tätigkeit des Auftragnehmers, wie sie in einem Auftragsverhältnis typischerweise dem Auftraggeber zusteht und zur Überprüfung etwaiger Nachbesserungen im Regelfall auch erforderlich ist (so auch SG Frankfurt, Urteil vom 26. Juni 2018, L 25 KR 546/11).

Auch arbeitsvertragliche Verpflichtungen außerhalb des Unterrichts des Beigeladenen zu 1) gegenüber dem Kläger ergeben sich weder aus dem Mitarbeitervertrag, noch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Der Beigeladene zu 1) war nicht in gleicher Weise wie die festangestellten Lehrer in die betrieblichen Abläufe der Schule des Klägers in einer Weise integriert, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen könnte. Seine Teilnahme an Lehrer- und Notenkonferenzen war nicht verpflichtend vom Kläger angeordnet, sondern freiwillig und lag im eigenen finanziellen Interesse des Beigeladenen zu 1), da die Teilnahme gesondert mit einer Pauschale in Höhe von 25,00 EUR vergütet wurde. Es stand dem Beigeladenen zu 1) frei, an sonstigen Dienstbesprechungen oder Fachkonferenzen, Elternabenden/Elternsprechstunden und an sonstigen Veranstaltungen der Bildungseinrichtung teilzunehmen. Ferner musste der Beigeladene zu 1) im Falle seiner krankheitsbedingten Verhinderung keine Vertretung stellen, die Organisation eines Ersatzes war Angelegenheit des Klägers. Dass der Beigeladene zu 1) eine Verhinderung gegenüber der Schulleitung anzeigen musste, ist kein Indiz für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, da dies auch bei Selbstständigen den üblichen Gepflogenheiten entspricht.

Für das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses spricht schließlich auch nicht, dass ein wesentliches unternehmerisches Risiko im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für den Kläger nicht bestand. Bei der Tätigkeit eines Dozenten wird regelmäßig kein Risikokapital mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt, sondern überwiegend das Wissen und die Arbeitskraft des Dozenten. Für die Abgrenzung zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer selbstständigen Tätigkeit bei einem auf dem freien Bildungsmarkt tätigen Dozenten kommt es damit nicht maßgeblich auf das Vorliegen eines unternehmerischen Risikos an. Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf. nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bzgl. einzelner Einsätze (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Juli 2016, L 8 R 761/14). Im Übrigen hat der Beigeladene zu 1) stets nur eine Vergütung für die geleisteten Unterrichtsstunden erhalten. Weder im Fall von Krankheit oder Urlaub, noch bei Unterrichtsausfall wegen dem Kläger oder den Schülern zuzurechnenden Ursachen erhielt der Beigeladene zu 1) ein Entgelt. Bei der Gewährung bezahlten Urlaubs und auch der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall handelt es sich um ein typischerweise Arbeitnehmern vorbehaltenes Recht. Selbstständigen räumt das Gesetz vergleichbare Ansprüche gegenüber ihren Vertragspartnern nicht ein. Diese setzen eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft regelmäßig mit der Gefahr des Verlustes ein. Fällt ihre Arbeitskraft krankheitsbedingt aus und unterbleibt deshalb die versprochene Arbeitsleistung, haben sie in aller Regel keinen Anspruch auf die Gegenleistung (vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 2004, B 12 KR 26/02 R).

Schließlich ist die tatsächliche Handhabung durch die Beteiligten zumindest in Fällen, in denen sowohl Umstände für als auch gegen eine abhängige Beschäftigung sprechen, ein gewichtiger Gesichtspunkt. Zwar haben es die Vertragsparteien nicht in der Hand, die kraft öffentlichen Rechts angeordnete Sozialversicherungspflicht durch bloße übereinstimmende Willenserklärung auszuschließen. Dem Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen, kommt aber indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht (BSG, Urteil vom 14. März 2018, B 12 R 3/17 R). So liegt der Fall hier. Der Kläger und der Beigeladene zu 1) haben einvernehmlich eine Tätigkeit als freier Mitarbeiter auf Honorarbasis gelebt. Der Beigeladene zu 1) sah sich auch selbst als freier Mitarbeiter und hat sich dementsprechend verhalten. Er hat durchgehend Honorarabrechnungen vorgelegt und ist auch entsprechend vergütet worden. Der Kläger hat keine Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Diese tatsächliche Praxis kann nicht nur als Ritual der Zusammenarbeit betrachtet werden.

Nach alledem musste die Klage Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit §§ 161 Abs. 1 und 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtskraft
Aus
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