S 23 U 153/11

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
23
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 23 U 153/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 107/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall im Sinne des SGB VII streitig.

Der 1965 geborene Kläger bezieht aufgrund einer paranoiden Schizophrenie eine Rente und war in der Vergangenheit verschiedentlich als ehrenamtlicher Helfer beim C. (C.) A-Stadt tätig, wobei er als dienstuntauglich eingestuft ist. Mit Schreiben vom 20.10.2009 zeigte der Kläger im Ortsverband A-Stadt des C. einen Arbeitsunfall vom 21.02.2009 an. Er führte an, für diesen Tag von Herrn D. zum Dienst eingeteilt worden zu sein und mit einem RTW einen Faschingsumzug begleitet zu haben. Der RTW, in welchem gerade ein Schwerverletzter transportiert worden sei, sei sodann von betrunkenen Jugendlichen angegriffen und stark hin und her geschaukelt worden. Bei dem Versuch, die Jugendlichen von dem RTW fernzuhalten, sei er sodann von einem Feuerwehrmann brutal von hinten und ohne Vorwarnung angegriffen worden. Dieser habe ihm den rechten Arm nach hinten verdreht, woraufhin er einen stichartigen Schmerz und ein Knacken in der rechten Schulter verspürt habe. Die Schmerzen würden bis heute anhalten und er habe sich 2 Tage nach dem Vorfall zu einem Arzt begeben, von welchem er seitdem ständig Spritzen und Tabletten erhalte. Zu dem Außeneinsatz bei dem Faschingsumzug in der E-Straße sei er mit den Kollegen Herrn F. und Herrn G. hin- und auch wieder zur Wache zurückgefahren.

Der Kläger legte auch einen Befundbericht eines MRT der rechten Schulter vom 23.11.2009 von Dr. H. vor, in welchem keine Sehnenruptur oder Muskelartrophie, jedoch eine geringe Kapselverdickung mit dem Vermerk "z. B. posttraumatisch bedingt" diagnostiziert wurde.

Der C. Ortsverband A-Stadt übersandte an die Beklagte sodann das Datenblatt im Hinblick auf die Veranstaltung vom 21.02.2009, für welche Herr J. Einsatzleiter war. Danach war das C. mit 2 Einsatzfahrzeugen und insgesamt 5 Mitarbeitern, nicht jedoch dem vom Kläger genannten Herrn K., bei dem Umzug vor Ort tätig. Der Kläger war nach der Aufzeichnung als nicht diensttauglich gekennzeichnet und für die Wache eingeteilt. Als besondere Vorkommnisse war in dem Protokoll vermerkt, dass sich der Kläger unerlaubt und ohne Rückmeldung von der Wache entfernt habe und sodann in der E-Straße von einer RTW-Besatzung gesehen worden sei. Des Weiteren legte das C. ein Gesprächsprotokoll vom 21.04.2010 über ein Gespräch zwischen dem Kläger sowie dem 1. Vorsitzenden des Ortsvereins Herrn L. und dem stellvertretenden Kreisgeschäftsführer des Kreisverbandes M-Stadt, Herrn N. vor. In diesem Protokoll war aufgeführt, dass der Kläger seiner Ansicht nach nicht zum Wachdienst eingeteilt worden war.

Mit Bescheid vom 19.08.2010 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Ereignisses vom 21.02.2009 ab. Sie führte an, dass der Kläger am Unfalltag vom Einsatzleiter des C. für den Wachdienst eingeteilt worden sei, um dort administrative Tätigkeiten durchzuführen, die auch bei der bestehenden Dienstuntauglichkeit erlaubt seien. Sanitätsdienst oder ähnliche Aufgaben dürfe der Kläger aufgrund seiner Erkrankung und der fehlenden Ausbildung zum Sanitäter nicht durchführen. Auf eigener Verantwortung habe der Kläger sich am Unfalltag sodann von der Wache entfernt und somit seine eigentlich versicherte Tätigkeit im Wachdienst unterbrochen, um eine Tätigkeit auszuführen, die nicht im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden habe und auch nicht für den Arbeitgeber dienlich gewesen sei. Das Ereignis vom 31.02.2009 erfülle damit nicht die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls nach dem SGB VII.

Gegen den Bescheid legte der Kläger am 01.09.2010 Widerspruch ein, welchen er damit begründen ließ, dass er am Unfalltag sehr wohl einer versicherten Tätigkeit nachgegangen sei. Er sei an diesem Tag als Sanitätshelfer zur Bewachung des Faschingsumzugs eingeteilt gewesen. Zum Wachdienst sei er nie eingeteilt gewesen, auch nicht am Unfalltag. Zum Einsatzort sei er mit einem Einsatzfahrzeug von Herrn J. persönlich gebracht worden. In dem Mannschaftswagen hätten zudem die Kollegen F. und G. gesessen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.2011 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Das Ereignis vom 21.02.2009 könne nicht als Arbeitsunfall anerkannt werden. Der Kläger habe zum Zeitpunkt des Ereignisses nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden, da die unfallverursachende Tätigkeit nicht im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden habe. Als der Kläger die Wache ohne Erlaubnis in Richtung des Rettungswagens verlassen habe, habe er seine versicherte Tätigkeit im Wachdienst unterbrochen.

Hiergegen richtet sich die am 10.08.2011 zum Sozialgericht Frankfurt erhobene Klage, mit der der Kläger sein Ziel weiterverfolgt. Zur Begründung ließ er vortragen, dass er am 21.02.2009 während einer Tätigkeit als Ersthelfer beim C. einen Unfall erlitten habe, bei welchem er sich das rechte Schultergelenk verletzt habe.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),

den Bescheid der Beklagten vom 19.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2011 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 21.02.2009 um einen Arbeitsunfall itm Sinne des SGB VII handelt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrags verwies die Beklagte auf den Inhalt des angefochtenen Widerspruchsbescheides.

Im gerichtlichen Verfahren hat die Kammer schriftlicher Zeugenaussagen vom stellvertretenden Kreisgeschäftsführer des C. Herrn N., dem Bereitschaftsleiter Herrn D. und den Mitarbeitern Herrn F. und Herrn G. eingeholt. Hinsichtlich deren Inhalt wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

Mit Verfügung vom 09.11.2012 wies das Gericht die Beteiligten auf die beabsichtigte Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid hin. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht zum örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Frankfurt erhobene Klage ist zulässig, in der Sache aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 19.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Das Gericht konnte auch gemäß § 105 SGG den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten gehört wurden.

Bei dem Ereignis vom 21.02.2009 handelt es sich nicht um einen Arbeitsunfall im Sinne des SGB VII.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).

Für einen Arbeitsunfall ist danach erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern erst für die Gewährung einer Verletztenrente (zu allem LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.11.2009, L 3 U 99/09; vgl. auch BSG, Urteil vom 04. September 2007, B 2 U 28/06 R m. w. N.).

Im vorliegenden Fall ist die Verrichtung des Klägers zum Zeitpunkt des Unfalls nicht seiner versicherten Tätigkeit zuzurechnen, so dass kein innerer Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit bestand.

Der Kläger hat zwar angegeben, dass er am 21.02.2009 zum Sanitätsdienst zur Bewachung des Faschingsumzugs und nicht zum Dienst auf der Wache eingeteilt gewesen sei und diesen Dienst zusammen mit den Kollegen F. und G. angetreten und auch beendet habe. Diese Angaben des Klägers finden jedoch in den übereinstimmenden schriftlichen Zeugenaussagen aller Befragten Mitarbeiter des C. A-Stadt keine Entsprechung.

Bereits aus dem Protokoll des Einsatzes am 21.02.2009 ergibt sich, dass der Kläger keinesfalls als Sanitäter im Außeneinsatz eingeteilt gewesen war, sondern vielmehr aufgrund seiner Dienstuntauglichkeit auf der Wache verbleiben sollte. In dem Protokoll ist weiter vermerkt, dass sich der Kläger unerlaubt und ohne Rückmeldung von der Wache entfernt habe und sodann in der E-Straße von einer RTW-Besatzung gesehen worden sei.

Dass der Kläger die Wache nicht mit Erlaubnis des Einsatzleiters und damit im Dienst befindlich verlassen hat, wird darüber hinaus durch die vom Gericht eingeholten schriftlichen Zeugenaussagen bestätigt.

Herr N. hat insoweit in seiner Stellungnahme vom 30.03.2012 mitgeteilt, dass der Kläger aufgrund seiner fehlenden Ausbildung und seiner zur Dienstuntauglichkeit führenden Erkrankung nur im Innendienst tätig sein durfte und dies vom Ortsverein auch so gehandhabt wurde. Der Einsatzleiter habe bestätigt, dass er dem Kläger niemals die Anweisung gegeben habe, Kameraden im Außeneinsatz zu unterstützen.

Herr D. führte in seiner Aussage vom 02.04.2012 an, dass am 21.02.2009 zwei Einsatzfahrzeuge zum Sanitätsdienst von der Wache aufgebrochen sein. Ein Fahrzeug, welches auch am Unfallort gestanden habe, sei mit Herrn F. und Herrn G. besetzt gewesen, er selbst habe mit 2 weiteren Mitarbeitern das 2. Einsatzfahrzeug besetzt. Der Kläger sei bei keinem Einsatzfahrzeug dabei gewesen. Er sei vielmehr explizit darauf hingewiesen worden, dass er aufgrund seines Gesundheitszustands dienstuntauglich sei deshalb keinen Dienst verrichten dürfe.

Herr G. gab in seiner Stellungnahme an, dass er die Wache am Unfalltag zusammen mit Herrn F. verlassen habe und der Kläger sich dabei nicht in seiner Begleitung befunden habe. Auch Herr F. gab dies schriftlich gegenüber dem Gericht an.

Insgesamt haben damit alle schriftlich befragten Zeugen übereinstimmend angegeben, dass der Kläger am 21.02.2009 vom C. nicht zum Sanitätsdienst im Außendienst eingeteilt war und die Ware auch nicht mit den Kollegen zusammen in einem Einsatzfahrzeug verlassen hat. Die Aussagen der Zeugen hält die Kammer für schlüssig und überzeugend. Sie werden zudem von dem Einsatzprotokoll vom Unfalltag bestätigt, in welchem explizit festgehalten ist, dass der Kläger zum Dienst auf der Wache eingeteilt war und diese sodann unerlaubt und ohne Rückmeldung verlassen habe. Die Zeugen F. und G. haben zudem übereinstimmend ausgesagt, dass sich der Kläger nicht in ihrer Begleitung befunden habe, als sie den Dienst angetreten haben.

Im Ergebnis ist für das Gericht daher ein innerer Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit (Dienst in der Wache) bei Verrichtung der Tätigkeit zum Zeitpunkt des Unfalls (Abhalten der Jugendlichen vom RTW und Gerangel mit dem Feuerwehrmann) nicht belegt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls eine Tätigkeit mit betriebsdienlichen Zwecken ausübte, zumal er den ihm vom Arbeitgeber zugewiesenen Posten in der Wache ohne Rücksprache und unerlaubt verlassen hat. Der Kläger stand damit zum Zeitpunkt des Unfalls zur Überzeugung des Gerichts nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, so dass es auf die Frage eines Gesundheitserstschadens nicht ankommt.

Es liegt somit kein anzuerkennender Arbeitsunfall im Sinne des SGB VII vor, so dass sich der Bescheid der Beklagten vom 19.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2011 als rechtmäßig erweist.

Die Klage war dementsprechend abzuweisen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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