S 14 R 152/15

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 14 R 152/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 BA 42/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1, der als Reiseleiter in der Zeit vom 28.06.2012 bis 23.07.2013 für die Klägerin tätig war.

Der Beigeladene zu 1 beantragte mit Schreiben vom 01.02.2014, eingegangen am 25.02.2014, die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Statusses bei der Beklagten (Bl. 1 VA). Er beschrieb die Tätigkeit wie folgt: 1) Die Tätigkeit bestand im Empfang der Gäste, die per Bus oder Flugzeug angereist waren, sowie die Betreuung der Gästegruppen der Klägerin, die Erläuterung des weiteren Programmes, sowie der Verkauf der Kläger eigenen Ausflüge, bzw. Programmpunkte, des Weiteren die genaue Dokumentation des Reisebusses, die Kontrolle der Vouchers der Gäste sowie ein Nachinkasso von noch nicht bezahlten Reisekosten. Es war täglich eine Sprechstunde abzuhalten und zu dokumentieren. Gästebeschwerden war nachzugehen und das Ergebnis an die Klägerin weiterzugeben. Eine Änderung des Programms oder ein Angebot anders als der von der Klägerin erstellten Ausflüge war nicht nur nicht erwünscht, sondern definitiv verboten. Ebenso waren die Organisation und der Verkauf von Abendessen verboten. Die Rücknahme von gekauften, aber nicht verbrauchten Ausflugtickets war untersagt, über eine Preisminderung zu sprechen, war verboten. Es bestand tägliche Anwesenheitspflicht während der gesamten Reiseperiode, eine Vertretung war nicht erwünscht und nicht möglich. Neben den normalen Berichten über die Gäste, Hotelbelegung und Busqualität musste ein Tätigkeitsbericht für jeden Tag einmal pro Woche abgegeben werden. Die Berichte waren in von der Klägerin vorgegebenen Formularen abzuliefern, damit sie problemlos kontrolliert und in das EDV-System der Firma eingefügt werden konnten. Die Einreichung der monatlichen Rechnung hatte genau im Zeitfenster 20. bis 30. eines Monats zu erfolgen, ansonsten wurde die Auszahlung auf den nächsten Monat verschoben. 2) Hinsichtlich der Auftragsausführung bestanden klare Vorgaben seitens des Auftraggebers, die im allgemeinen Handbuch festgelegt sind. 3) Die Arbeitszeiten richteten sich nach den Ankunfts- und Abfahrtszeiten der Gäste, die Anwesenheit war täglich und verpflichtend, eine Vertretung war nicht vorgesehen, nicht erwünscht und nicht erlaubt. Die Kontrolle erfolgte mehrmals pro Woche per Telefon. 4) Die Auswahl der Tätigkeitsorte war durch die Reiseprojekte gegeben. Die verlangte Kenntnis der Destination und der angebotenen Ausflüge stellten keine Notwendigkeit für die Zuweisung dar. Er kannte weder die Einsatzorte Prag, Hamburg, Teneriffa und Cinque Terre, habe er sich jeweils erst in die Situation einarbeiten müssen. Die Kenntnis der Landessprache war ebenso kein Kriterium. Außer dem Kundenprospekt gab es keine schriftliche Unterlage, alles Wissenswerte musste in den Anfangstagen des Projektes selbst angeeignet werden. Wünsche für den Einsatz in einer bestimmten Destination konnten gemacht werden, aber ohne Garantie für eine Erfüllung. 5) Die Eingliederung in die Arbeitsorganisation von der Klägerin zeigte sich am deutlichsten in der bis in das letzte Detail ausgearbeiteten Berichtsorganisation. Die Teilnahme an der jährlichen Mitarbeiterbesprechung (1. oder 2. Wochenende im Dezember) war dringend erwünscht. Dienstkleidung, oder zumindest Teile davon wurde seitens des Auftraggebers gestellt und das Tragen war erwünscht, wenn auch nicht immer möglich (z.B. nur ein T-Shirt). Die Betreuung der Gäste der Schwesterfirma "D." in eigener Dienstkleidung ein Muss, auch wenn kein Vertragsverhältnis mit dieser Firma existierte! 6) Es war ausdrücklich verboten, eigene Programmpunkte, Ausflüge, Ersatztouren auszuarbeiten und anzubieten. Selbst Hinweise zu geben auf Sehenswürdigkeiten außerhalb der Programmpunkte von der Klägerin seien nicht erwünscht gewesen, wenn auch nicht schriftlich festgehalten. Die Rücknahme von Tickets wegen Krankheit, Verletzung seien nicht gestattet gewesen, hier musste der Gast mit dem Hinweis auf seine Reise- oder Haushaltsversicherung abgespeist werden! 7) Auf Grund der Unmöglichkeit eigene Programmpunkte anzubieten und durchzuführen, bestand kein wie immer geartetes unternehmerisches Risiko. Ein Kapitaleinsatz sei weder möglich, noch wünschenswert und notwendig gewesen.

Dem Antrag beigefügt war eine von der Klägerin erstellter Hinweis und Handlungsanweisungen, die die wesentlichen Aufgaben des Reiseleiters beschreibt (Bl. 4- 24 VA). "Der Reiseleiter empfängt die Gäste am Flughafen und gibt Hilfestellung bei der Abreise.
- Ist behilflich beim Transfer der Gäste vom Bahnhof, Flughafen oder Hafen zum Hotel und erteilt Erstinformationen während des Transfers
- Durchführung eines Begrüßungstreffens mit weiteren detaillierteren Informationen
- Der Reiseleiter informiert über Land und Leute.
- Der Reiseleiter verkauft Ausflüge zu den Sehenswürdigkeiten.
- Der Reiseleiter berät die Gäste zu festgelegten Sprechzeiten im Hotel.
- Der Reiseleiter erfüllt Sonderwünsche der Gäste und hilft weiter.
- Der Reiseleiter ist verantwortlich für administrative Abläufe in der Zusammenarbeit mit den Hoteliers und anderen Partnern.
- Der Reiseleiter unterstützt die Gäste bei Behördengängen, z.B. bei Verlust des Passes, Diebstahl oder auch bei Krankheit.
- Der Reiseleiter bietet den Gästen eine 24 Stunden-Bereitschaft.
- Der Reiseleiter sichert die gebuchte Qualität des Urlaubes der Gäste ) Nimmt Beschwerden entgegen und versucht eventuelle Probleme zu lösen, bei Schadensersatzforderungen des Kunden muss er diesen darauf hinweisen, sich diesbezüglich direkt an A. zu wenden. (Bl. 8 VA)

Unter anderem legte er einen exemplarischen Tätigkeitsbericht bei (Bl. 25 VA).

Der Beigeladene war zu folgenden Zeiten für die Klägerin tätig:
01.07. - 24.09.2012 in Prag
25.09. - 24.10.2012 in Hamburg
25.10. - 31.12.2012 keine Beschäftigung [mehr als zwei Monate]
01.01. - 28.01.2013 keine Beschäftigung
29.01. - 04.03.2013 auf Teneriffa
05.03. - 10.03.2013 wiederum keine Tätigkeit als Reiseleiter für die Klägerin
11.03. - 21.04.2013 Cinque Terre (Italien)
22.04. - 26.05.2013 "frei"
27.05.- 05.06.2013 erneut in Hamburg [Begrüßung der täglich neu ankommenden Gäste und Verkauf der Halbpension; Gäste sind am nächsten Tag mit anderen Reisebegleitungen, die nicht von der Klägern gestellt wurden, zu einer Rundreise zum Nordkap weitergefahren.]
05.06. - 23.07.2013 nochmals in Prag.

Er übersandte mehrere Rechnungen (Bl. 40 bis 58 VA).

Die Klägerin reagierte auf die Anfrage der Beklagten nicht.

Mit Schreiben vom 17.09.2014 hörte die Beklagte die Klägerin dahingehend an, dass beabsichtigt sei einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1 für die Zeit vom 28.06.2013 bis 23.07.2013 zu erlassen (Bl. 65 VA).

Die Klägerin verwiesen in ihrer Stellungnahme zum Anhörungsschreiben (Bl. 66 VA). Dort heißt es u.a.: Es stimme, dass der Beigeladene in der Zeit 28.06.2012 bis 23.07.2013 als "Gästebetreuer" / "örtliche Reiseleitung" für die Klägerin "gearbeitet" habe, nämlich im Zuge der von der Klägerin als Reiseveranstalterin durchgeführten Pauschalreisen in ganz verschiedene Urlaubsregionen, d.h. in der Tat an ganz unterschiedlichen Einsatzorten. Es stimmt allerdings mitnichten, dass der Beigeladene sozusagen "in Vollzeit" als Reiseleiter = Gästebetreuer für die Klägerin tätig gewesen sei. Vielmehr sei es stets so gewesen, dass seine Einsätze als Reiseleiter immer wieder zum Teil wochenlang und jedenfalls auf seinen Wunsch "unterbrochen" waren. Teilweise hat Herr C. diese "Pausen" auch überhaupt erst nach seiner jeweiligen Beauftragung bekanntgegeben und in Anspruch genommen. Die Aufgaben vor Ort mussten für die Klägerin in solchen Fällen dann, zum Teil sogar recht kurzfristig, von einem anderen Reiseleiter übernommen werden. Z.B. reiste der Beigeladene am 23.07.2013 höchst eigenmächtig von seinem damaligen Tätigkeitsort in Prag ab. Es sei zutreffend, dass vor Aufnahme der Zusammenarbeit zwischen dem Beigeladenen und der Klägerin mündlich eine Vergütung auf Tagessatzbasis, nämlich pro Einsatztag vereinbart worden war. Zum Nachweis können die Klägerin von dem Beigeladenen erstellte Honorarrechnungen - jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer - in Fotokopie vorgelegt werden. Bei der Verabredung der künftigen Zusammenarbeit als "Gästebetreuer" = Reiseleiter sei auf Wunsch des Beigeladenen und auf dessen Veranlassung hin ausdrücklich vereinbart worden, dass diese Tätigkeit(en) im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses erfolgen sollte. Es war nämlich der unbedingte Wunsch des Beigeladenen, sich das Recht vorzubehalten, nach seinem eigenen Ermessen und Gutdünken einzelne Aufträge der Klägerin für die Betreuung von deren Reisegäste für bestimmte Zeiten oder an bestimmten Destinationen ablehnen zu dürfen. Daher war es der unbedingte Wunsch des Beigeladenen, dass eine Zusammenarbeit als "freier Mitarbeiter" vereinbart werde. Dies ist dann auch so geschehen, wie z.B. die über ein Jahr so gelebte Vertragspraxis beweise: Dem Beigeladenen sein immer wieder einzelne "Aufträge" zur Gästebetreuung für bestimmte Zeiten und an bestimmten Orten (Urlaubsdestinationen) angeboten worden, die er dann zum Teil angenommen, zum Teil aber auch abgelehnt habe. Der Beigeladene sei selbst der festen Überzeugung gewesen, als "freier Mitarbeiter" - und eben nicht als "Arbeitnehmer" - für die Klägerin tätig (gewesen) zu sein und legte selbst darauf großen Wert, wie nicht nur die mehr als ein Jahr lang geübte und nachgewiesene Vertragspraxis beweist, sondern auch und gerade die Inhalte aller dienstlichen Kontakte des Beigeladenen mit der Klägerin oder aber auch mit den Mitarbeitern der Gesellschaft.

Mit Bescheid vom 05.11.2014 stellte die Beklagte gegenüber dem Beigeladenen und der Klägerin fest, dass der Beigeladene die Tätigkeit als Reiseleiter bei der Klägerin in der Zeit vom 28.06.2012 bis 23.07.2013 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe. In dieser Beschäftigung besteht Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Versicherungspflicht beginnt am 28.06.2013 (Bl. 78, 81 VA). Der Bescheid wurde an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin übersandt (Bl. 123 VA).

Der Prozessbevollmächtigte legte mit Schreiben vom 28.11.2014, eingegangen am 04.12.2014, Widerspruch ein (Bl. 88 VA).

Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20.02.2015 zurückgewiesen (Bl. 106 VA).

Die Klägerin hat am 21.10.2015 Klage beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben.

Mit Beschluss vom 22.04.2015 erfolgte die Beiladung des Beigeladenen (Bl. 41 GA).

Die Klägerin ist der Ansicht, dass der angegriffene Bescheid rechtswidrig sei. Die Beklagte sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Beigeladene zu 1 im Zeitraum vom 28.6.2012 bis 23.07.2013 ohne Unterbrechungen als Reiseleiter für die Klägerin tätig gewesen sei. Dies stimme allerdings nicht. Es sei eine Verabredung mit dem Beigeladenen gewesen, dass Tätigkeit auf seinen Wunsch im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses erfolgen sollte (Bl. 5 GA). Er sei mit Unterbrechungen für die Klägerin tätig gewesen (Bl. 2, 3 GA). Die freie Mitarbeiterschaft sei denn auch die gelebte Vertragspraxis gewesen. Es habe dem Beigeladenen freigestanden Aufträge anzunehmen oder abzulehnen. Der Beigeladene sei auch nicht in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden gewesen. Des Weiteren habe eine erfolgsabhängige Vergütung hinsichtlich des Verkaufs der Ausflüge bestanden (Bl. 11 GA). Der Beigeladene habe letztendlich eine Tätigkeit als freiberuflicher Gästebetreuer/Reiseleiter für die Klägerin ausgeübt. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis habe nicht bestanden. Eine Kontrolle der Tätigkeit des Beigeladenen habe nicht stattgefunden. Dem Beigeladenen waren zur Ausübung seiner Tätigkeit keine bestimmte Zeiten nicht vorgegeben, ausgenommen waren die Zeitpunkte der Anreise von Urlaubsgästen. Ansonsten sei er freigewesen seine Tätigkeitszeiten festzulegen Der Beigeladene hätte durchaus in einem anderen Hotel wohnen dürfen (auf Kosten der Klägerin). Im Rahmen der Vereinbarung der einzelnen Aufträge allerdings keine besonderen Wünsche geäußert habe, wurde, der Einfachheit halber jeweils in einem Vertragshotel der Klägerin oder eingebucht. Er sei in keiner Weise in der Sitzung der Klägerin vor Ort eingebunden gewesen. Des Weiteren sei der Verkauf von Ausflügen Erfolgshonoriert bezahlt worden.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 05.11.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2015 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit des Beigeladenen als Reiseleiter bei der Klägerin in der Zeit vom 28.06.2012 bis 23.07.2013 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt wurde. Es wird weiter festgestellt, dass in dem Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen mit der Klägerin Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung nicht bestand.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass der angegriffene Bescheid rechtmäßig sei. Soweit von der Klägerin vorgebracht werde, dass seitens des Beigeladenen eine Rechnungslegung - ggfs. inkl. Mehrwertsteuer erfolgt sei, so sichert es nicht den Status der selbständigen Tätigkeit. Dies ist lediglich eine Folge der rechtsfehlerhaften eigenen Einstufung als selbständige Tätigkeit. Die Tätigkeit des Beigeladenen sei aus den bekannten Gründen im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden. Der Beigeladene sei verpflichtet gewesen, den Reisegästen zur Verfügung zu stehen. Er sei für die Reisegäste ständiger Ansprechpartner gewesen und habe die Klägerin an deren Stelle vertreten. Dem Beigeladenen sei es nicht möglich gewesen, seine konkreten Arbeitszeiten und -orte im Wesentlichen selbst zu bestimmen. Die Art und Weise der Ausübung sei durch die Reiseplanung und die Wünsche der Reisegäste bestimmt gewesen. Dass dem Beigeladenen bezüglich der Art und Weise der Tätigkeitsausübung keine detaillierten Weisungen erteilt worden sein, spreche nicht hinreichend für eine selbständige Tätigkeit. Für gewöhnlich setze jedes Unternehmen Fachpersonal zur Ausführung spezieller Tätigkeiten ein, unabhängig davon ob dieses in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder selbständig tätig ist. Außerdem stehe bei Diensten höherer Art der Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht entgegen, dass dem Beigeladenen bei der Ausführung der Arbeiten gegebenenfalls weitgehende Freiheiten eingeräumt worden seien (Bl. 82 VA) und 71.

Der Beigeladene zu 1 vertritt die Ansicht, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestanden habe (Bl. 51 GA). Er sei im Juni 2012 von einem Kollegen an die Klägerin wegen eines dreimonatigen Auftrages nach Prag vermittelt worden. Bei dem Vorstellungsgespräch habe er eine völlig vage Beschreibung der Aufgaben in Prag, eine Heftmappe mit genauen Unterweisungen für die Tätigkeit als Reiseleiter sowie eine mündliche Bestätigung des Auftrages für Prag für die Zeit Juli, August und September 2012 sowie zwei Bekleidungsstücke und zwei Namensschilder erhalten. Als Unterkunft sei das Hotel E. in Prag zugewiesen mit dem ausdrücklichen Auftrag im Hotel zu wohnen. Eine Verlängerung des Auftrages über den angegebenen Zeitraum hinaus sei nicht angedacht gewesen, bzw. auch nicht besprochen worden. Seine einzige Bedingung für diesen Auftrag sei gewesen, dass er eine schon lange vorher gebuchte Reise nach Berlin im Juli 2012 absolvieren könne. Es sei völlig klar gewesen, dass dies ein einmaliger Auftrag ohne Anstellungsverhältnis darstellte. Als Entgelt sei in 2.500 Euro pro Monat Fixum und 1. Euro pro verkauften Ticket vereinbart gewesen. Darüber hinaus seien die Kosten von Telefon (tschechische Nummer) und Internet, sowie die An- und Abreisespesen garantiert gewesen. Alle Rechnungen hätten nach A-Stadt zu Klägerin gesandt werden müssen, von dort sei auch jedes Mal das Geld überwiesen worden. Da das Projekt in Prag sehr groß war, sei ihm mitgeteilt worden, dass er einen zweiten Kollegen zu den gleichen Bedingungen bekommen würde, der ebenso in einem Hotel wohnen würde. Die Agentur vor Ort, über die alle Fäden laufen, sei ihm genannt und ihm aufgetragen worden, engen Kontakt mit dieser Firma zu halten. Ende August/Anfang September habe er von der Klägerin das Angebot erhalten, einige wenige Tage früher in Prag aufzuhören und dafür für fünf Wochen nach Hamburg zu wechseln. Er habe angenommen, weil er für die Zeit September/Oktober keine Aufträge hatte, da er durch die ständige und verpflichtende Anwesenheit in Prag keine Aufträge in Tirol habe akquirieren können. Er sei dann von Prag via Warschau nach Hamburg geflogen und habe dort das Projekt FX. übernommen, mit bis zu sechs Gruppen gleichzeitig im Hotel. Hier sei ein Honorar von 3.000 Euro pro Monat vereinbart worden, weil kein Ticketverkauf vorgesehen war. Bereits im Februar habe er die Klägerin davon informiert, dass er im Auftrag der Berufsgruppe zur G-Messe nach G-Stadt fahren muss. Auf Grund der (vermeintlichen)Tatsache selbständig zu sein, stellte dies ja kein Problem dar. Und doch wurde dies zum Anlass genommen, ihn mit sofortiger Wirkung aus dem Projekt zu werfen.

In der mündlichen Verhandlung wurden die Mitarbeiter der Klägerin und der Beigeladene zur ausgeübten Tätigkeit des Beigeladenen befragt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 19.11.2018 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der angegriffene Bescheid vom 05.11.2014 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 20.02.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass der Beigeladene in der Zeit vom 28.6.2012 bis 23.7.2013 die Tätigkeit als Reiseleiter als abhängig Beschäftigter sozialversicherungspflichtig ausgeübt hat.

Die von der Beklagten im angegriffenen Bescheid getroffene Statusfeststellung, dass der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit als Geschäftsführer für die Klägerin als abhängige Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV ausgeübt hat, ist rechtmäßig.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist als Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit insbesondere in einem Arbeitsverhältnis anzusehen. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, U.v. 29. August 2012 – B 12 R 14/10 R; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20. März 2013 – L 2 R 372/12 –, Rn. 51, juris).

Nach Ansicht der Kammer überwiegen bei der Beschäftigung des Beigeladenen die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen.

Für eine selbständige Tätigkeit spricht, dass die Abrechnung der ausgeübten Tätigkeit durch Rechnungsstellung des Beigeladenen gegenüber der Klägerin erfolgte. Des Weiteren spricht zunächst für eine selbständige Tätigkeit, dass offensichtlich ein Lohnfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall und ein Anspruch auf bezahlten Urlaub zwischen den Beteiligten nicht vereinbart gewesen sind.

Für eine selbständige Tätigkeit kann angeführt werden, dass der Beigeladene als Reiseleiter von Fall zu Fall geordert und dann kraft einzelvertraglicher Regelung beschäftigt wurden, dass sie ihre Leistungen wie Selbständige abrechneten und es ihm freistand, auch für andere Auftraggeber tätig zu sein. Es stand dem Beigeladenen frei einen Auftrag anzunehmen oder abzulehnen.

Diese Gesamtwürdigung ergibt ein Überwiegen der auf eine abhängige Tätigkeit hindeutenden Umstände.

Für eine abhängige Beschäftigung spricht, dass nach Annahme des Auftrags vom Beigeladenen eigene Betriebsmittel nur in geringem Umfang eingesetzt wurde, so nutzte er sein eigenes Handy und einen eigenen Laptop für das Abgeben der von der Klägerin geforderten Berichte. Für eine abhängige Beschäftigung spricht aber vor allem die zeitliche Bindung ihrer Person durch feste Taktung der Fahrten und des Programms die konkreten Vorgaben zur inhaltlichen Ausgestaltung bezüglich der Dokumentation für eine vollständige Eingliederung in einen fremden Betrieb erforderlichen Merkmale. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Tätigkeit des Beigeladenen sich von derjenigen festangestellter Reiseleiter hinsichtlich der Ausübung der Tätigkeit unterschied. Der Unterschied zu einem abhängig Beschäftigten Reiseleiter besteht im Fall des Beigeladenen nur darin, dass er nur projektbezogen beschäftigt wurde (vergleiche in diesem Sinne: Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 16. April 2012 L 3 R 19/12 B ER –, Rn. 7, juris).

Maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko eines Selbstständigen ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und sächlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R - in juris). Nach Befragung der Klägerin und des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung ist die Kammer der Überzeugung, dass der Beigeladene kein wesentlich ins Gewicht fallendes Unternehmensrisiko bei der Ausübung der Tätigkeit für die Klägerin trug.

So ist zum einen nicht ersichtlich, dass der Beigeladene durch Einsatz eine Arbeitskraft in der Lage war, die Höhe der Vergütung besonders zu beeinflussen. Zwar war ein Teil der Vergütung des Beigeladenen im Laufe seiner Tätigkeit an den erfolgsabhängigen Verkauf von Ausflügen geknüpft. Bei Reisestationen in denen das jedoch der Fall war, gewährte die Klägerin dem Beigeladenen für diese Reisestationen auch ein geringeres erfolgsunabhängiges Honorar. Aus den vorliegenden Rechnungen ergibt sich daher nicht, dass durch den Verkauf der Ausflüge eine wesentliche Steigerung des Honorars tatsächlich möglich gewesen ist. Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass er auch keinem besonderen beruflichen Risiko z.B. durch die Finanzierung eigener Arbeitsmittel ausgesetzt war. Der Beigeladene setzte lediglich ein Handy und einen privaten Laptop ein. Damit kamen Arbeitsmittel zum Einsatz die in den meisten Privathaushalten vorhanden sind und daher keine spezifische Investitionen darstellen, die mit besonderen Belastungen einhergehen. Aus diesem Grund kann der Einsatz dieser Arbeitsmittel kein besonderes unternehmerisches Risiko begründen.

Ein unternehmerisches Risiko als Kennzeichen einer selbständigen Tätigkeit ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass der Beigeladenen die Kosten für Krankenversicherung und Altersvorsorge trug (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 02. September 2011 – L 4 R 1036/10 –, Rn. 27 - 30, juris).

Es ist auch nicht ersichtlich, dass er in der Lage war, den Ablauf der von ihm betreuten Reisen inhaltlich zu bestimmen. Das Programm ist maßgeblich von der Klägerin vorgegeben gewesen und seine Aufgabe bestand lediglich darin, die Durchführung dieses Programmes sicherzustellen. Eigene organisatorische Schwerpunkte konnte er dadurch nicht setzen, im Gegenteil durch die Vorgaben der Klägerin war seine Tätigkeit inhaltlich vorgegeben. Aufgrund des straffen Tagesablaufs ist auch nicht ersichtlich, dass er in der Lage gewesen ist seinen Einsatz zeitlich eigenbestimmt zu planen und durchzuführen. Gegen eine selbständige Tätigkeit spricht auch, dass der Beigeladene überzeugend dargelegt hat, dass die Klägerin nicht damit einverstanden war, dass Alternativangebote während der Reise von ihm angeboten wurden, obwohl dies nicht ausdrücklich verboten war. Er legte plausibel dar, dass er aufgefordert worden war z.B. im Prag Ausflüge auf der Moldau zu unterlassen. Gleiches galt für die Organisation eines Abendessens in Hamburg. Es ist daher nicht ersichtlich, dass die Tätigkeit des Beigeladenen als eine Tätigkeit im eigenen Betrieb zu werten ist.

Auch der Umstand, dass der Beigeladene bestimmte Mängelrügen der Gäste in eigener Regie Abhilfe schaffte und nur wie er sich ausdrückte bei großen Problemen und nicht bei Problemchen Rücksprache mit der Klägerin hielt, spricht nicht für die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit, da die benannten Probleme wie eine durchgelegenen Matratze oder fehlender Kleiderhaken auch von abhängig Beschäftigten in dieser Art und Weise gelöst werden würden.

Aus den dargelegten Gründen ist der angegriffene Bescheid rechtmäßig und die Klage daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. § 52 Abs. 1, 2 GKG.
Rechtskraft
Aus
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