S 15 AL 239/14

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 15 AL 239/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 11/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 73/16 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen dem Eintritt von Sperrzeiten sowie die Aufhebung und Erstattung von Arbeitslosengeld wegen einer Ortsabwesenheit nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).

Der 1951 geborene Kläger meldete sich am 30. September 2010 persönlich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Mit seiner Unterschrift unter dem formularmäßigen Leistungsantrag bestätigte der Kläger, dass er das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen habe. In der Zeit vom 1. Juli 1991 bis zum 30. September 2010 war der Kläger als Area Manager bei der C. GmbH beschäftigt.

Mit Bescheid vom 4. November 2010 gewährte die Beklagte dem Kläger zunächst vorläufig Arbeitslosengeld nach § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III.

Die Beklagte forderte den Kläger auf, am 4. Juli 2011 bei ihr zu erscheinen, um mit ihm über das Bewerberangebot und seine berufliche Situation zu sprechen. Zu dem Termin am 4. Juli 2011 erschien der Kläger nicht. Daraufhin forderte die Beklagte den Kläger am 6. Juli 2011 erneut schriftlich auf, am 13. Juli 2011 bei ihr zu erscheinen. Da er der Einladung vom 4. Juli 2011 nicht nachgekommen sei, seien die Leistungen vorläufig eingestellt worden. Bei dem Termin am 13. Juli 2011 habe er Gelegenheit, sich zu dem versäumten Termin zu äußern. Das Einladungsschreiben enthielt auf seiner Rückseite eine Rechtsfolgenbelehrung. Auf Blatt 94 der Verwaltungsakte der Beklagten wird Bezug genommen. Auch zu diesem Termin erschien der Kläger nicht. Daraufhin forderte die Beklagte den Kläger am 18. Juli 2011 erneut schriftlich auf, am 25. Juli 2011 bei ihr zu erscheinen. Auch dieses Schreiben enthielt auf seiner Rückseite eine Rechtsfolgenbelehrung. Auf Blatt 96 der Verwaltungsakte der Beklagten wird Bezug genommen. Auch zu diesem Termin erschien der Kläger nicht.

Mit Änderungsbescheid vom 26. Juli 2011 berücksichtigte die Beklagte den Eintritt von Sperrzeiten im Zeitraum vom 5. bis 11. Juli 2011, vom 14. bis 20. Juli 2011 und vom 26. Juli bis 1. August 2011 jeweils wegen Meldeversäumnissen des Klägers.

Mit Bescheid gleichen Datums hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 29. Juli 2011 ganz auf. Der Kläger sei der Aufforderung der Beklagten, sich gemäß § 309 SGB III am 25. Juli 2011 zu melden, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachgekommen und habe hierfür auch keinen wichtigen Grund mitgeteilt. Anspruch auf Leistungen habe nur, wer verfügbar sei und den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung stehe. Dies setze voraus, dass der Arbeitslose Vorschlägen der Beklagten zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten könne. Hierfür müsse er Mitteilungen der Beklagten persönlich zur Kenntnis nehmen, die Beklagte täglich aufsuchen können und unter der von ihm benannten Anschrift erreichbar sein. Dies sei bei dem Kläger am 4. Juli 2011 und am 13. Juli 2011 nicht der Fall gewesen. Wegen des Meldeversäumnisses am 25. Juli 2011 sei außerdem eine Sperrzeit vom 26. Juli bis 1. August 2011 eingetreten. Auf Blatt 89 ff. der Verwaltungsakte der Beklagten wird Bezug genommen.

Am 1. August 2011 sprach der Kläger persönlich bei der Beklagten vor und beantragte erneut die Gewährung von Arbeitslosengeld. Die Beklagte gewährt dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 8. August 2011 Arbeitslosengeld ab dem 2. August 2011 bis zum 30. Oktober 2012 in Höhe von 75,82 EUR täglich.

Gegen den Bescheid vom 26. Juli 2011 erhob der Kläger unter dem 8. August 2011 Widerspruch und führte aus, dass er eine Einladung für den 4. Juli 2011 nicht erhalten habe. Das Schreiben vom 26. Juli 2011 habe erst am 1. August 2011 erhalten. Die Einladungsschreiben vom 6. Juli und 18. Juli 2011 habe er zu spät erhalten, weil er sich damals in Ägypten aufgehalten habe. Auf Blatt 59, 60 der Verwaltungsakte der Beklagten wird Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2011 änderte die Beklagte den Bescheid vom 26. Juli 2011 der Gestalt ab, dass die Sperrzeit vom 5. bis 11. Juli 2011 aufgehoben wurde. Im Übrigen wies sie den Widerspruch als unbegründet zurück, soweit er nicht durch den Bescheid vom 8. August 2011 gegenstandslos geworden war. Die Einladungen vom 13. Juli und 25. Juli 2011 habe der Kläger nach eigener Einlassung erhalten bzw. seien diese in seinem Herrschaftsbereich gelangt. Es obliege ihm, von der eingehenden Post Kenntnis zu nehmen. In den Einladungen sei der Kläger auch über die Folgen des Nichterscheinens zum Meldetermin belehrt worden. Ein wichtiger Grund für sein Nichterscheinen sei nicht gegeben. Die Abwicklung von Angelegenheiten im Rahmen einer von ihm gegründeten GmbH stelle keinen wichtigen Grund dar. Die Voraussetzungen für den Eintritt von Sperrzeiten seien daher erfüllt. Die Bewilligung von Arbeitslosengeld sei für die Zeit vom 15. bis 20. Juli 2011 und vom 26. Juli bis 1. August 2011 aufzuheben gewesen. Auf Blatt 98 ff. der Verwaltungsakte der Beklagten wird Bezug genommen. Hiergegen richtet sich die unter dem 7. November 2011 bei dem hiesigen Gericht erhobene Klage, mit welcher sich der Kläger weiterhin gegen den Eintritt der Sperrzeiten wendet.

Auf die entsprechende Nachfrage der Beklagten hat der Kläger ihr gegenüber mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 19. Januar 2012 mitgeteilt, dass er sich in der Zeit vom 21. bis 30. Juli 2011 in Kairo/Ägypten aufgehalten habe. Daraufhin hat die Beklagte mit Bescheid vom 25. Januar 2012 die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 21. Juli 2011 aufgehoben. Der Kläger sei ortsabwesend gewesen. Er habe dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung gestanden. Der überzahlte Betrag für die Zeit vom 21. bis 25. Juli in Höhe von 379,10 EUR sei von ihm zu erstatten.

Mit Bescheid vom 6. Februar 2012 hat die Beklagte dem Kläger unter Berücksichtigung der Sperrzeit bis zum 1. August 2011 Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 2. August 2011 bis 5. November 2012 gewährt. Auf Blatt 79 ff. der Gerichtsakte wird Bezug genommen.

Das Gericht hat am 2. August 2013 einen Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme durchgeführt. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,
den Bescheide der Beklagten vom 26. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2011 sowie den Bescheid vom 25. Januar 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld in gesetzlichen Umfang für die Zeit vom 14. Juli bis 1. August 2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere auch wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Inhaltes der vorgebrachten Unterlagen, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Rechtsstreit konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erteilt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid vom 26. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. In der Zeit vom 14. bis 20. Juli 2011 und vom 26. Juli bis 1. August 2011 hat die Beklagte in zutreffender Weise das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen dem Eintritt von Sperrzeiten wegen Meldeversäumnissen festgestellt.

Streitig ist zunächst der Bescheid vom 26. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2011 und die Frage, ob die Beklagte in rechtmäßiger Weise den Eintritt von Sperrzeiten festgestellt hat und somit die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben hat.

Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Zwar wurde eine förmliche Anhörung im Sinn des § 24 Abs.1 SGB X nicht durchgeführt, allerdings hatte der Kläger ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme und im Übrigen ist der Anhörungsmangel zumindest mit der Durchführung des Widerspruchsverfahrens geheilt im Sinn des § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X.

Zweck der Anhörung ist es, den Bürger vor Überraschungsentscheidungen zu bewahren und sein Vertrauen in die Verwaltung zu stärken. Sie dient sowohl der Wahrung der Rechte und Belange des Betroffenen, als auch der Vermeidung von Fehlern der Verwaltung bei der Tatsachenermittlung (Diering/Timmle/Waschull, SGB X, 1. Auflage, §24 Rdnr.1). Dem Beteiligten ist Gelegenheit zur geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Eines ausdrücklichen Hinweises, dass er sich äußern könne, bedarf es nicht (von Wulffen, SGB X, 5. Auflage, § 24 Rdnr.7).

Diesen Anforderungen ist spätestens mit der Durchführung des Widerspruchsverfahrens im Ergebnis genüge getan und der formelle Mangel geheilt worden. Mit der Widerspruchsbegründung durch den Kläger hat dieser umfassend Stellung genommen. Dem Sinn und Zweck einer Anhörung ist somit entsprochen worden.

Darüber hinaus erweist sich der Bescheid auch als materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld wegen einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen sind aufgrund des Ruhens des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen dem Eintritt von Sperrzeiten erfüllt.

Die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung für das Arbeitslosengeld nach § 330 Abs. 3 SGB III in Verbindung mit § 48 SGB X ist nicht zu beanstanden.

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll nach Satz 2 der Vorschrift mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit 1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Im Übrigen gelten die § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 SGB X entsprechend.

Bei der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung handelt es sich unstreitig um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. In Gestalt des Eintritts der Sperrzeiten wegen Meldeversäumnissen ist sodann eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen gegeben.

Hat der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB III in der Fassung vom 21. Dezember 2008 (a.F.) für die Dauer einer Sperrzeit. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn der Arbeitslose einer Aufforderung der Agentur für Arbeit, sich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen (§ 309 SGB III), trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachkommt oder nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei Meldeversäumnis). Die Sperrzeit beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit.

Die Dauer einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis beträgt nach Absatz 6 der Vorschrift eine Woche.

Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass der Kläger zu den Meldeterminen am 13. und 25. Juli 2011 nicht erschienen ist. Auch waren die Folgen dieses Verhaltens dem Kläger zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der Hinweise in den jeweiligen Einladungsschreiben hinreichend bekannt. Die Rechtsfolgen wurden ihm zutreffend vor Augen geführt.

Betreffend die Sperrzeit vom 14. bis 20. Juli 2011 ist die Behauptung des Klägers, er habe das Einladungsschreiben vom 6. Juli 2011, erst am 1. August 2011 erhalten, nicht geeignet, eine andere Entscheidung herbeizuführen. Maßgebend ist einzig, dass dieses Einladungsschreiben in den Machtbereich des Klägers gelangte. Dafür, dass er dessen Inhalt zur Kenntnis nimmt, ist er selbst verantwortlich. Es ist sein Risiko, wenn seine Ehefrau veranlasst, dass die für ihn bestimmte Post bei der zuständigen Postfiliale gelagert wird.

Betreffend die zweite Sperrzeit vom 26. Juli bis 1. August 2011 hat bereits das Bundessozialgericht entschieden, dass die Ortsabwesenheit unter Verstoß gegen die Voraussetzungen des § 3 Erreichbarkeitsanordnung (EAO) kein wichtiger Grund für ein Meldeversäumnis ist (BSG SozR 3-4100 § 120 Nr. 1). Die Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 EAO ist dabei eindeutig formuliert: Sobald der Arbeitslose den Nahbereich seines Arbeitsamtes verlässt, steht dies seiner Verfügbarkeit nur dann nicht entgegen, wenn "das Arbeitsamt vorher seine Zustimmung erteilt hat". An dieser Zustimmung fehlt es hier.

Die Sperrzeit beginnt sodann mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit. Hiernach hat die Beklagte den Eintritt der jeweiligen Sperrzeit in zutreffender Weise festgestellt.

Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld mindert sich nach § 128 Abs. 1 Nr. 3 SGB III a.F. sodann um die Anzahl von Tagen einer Sperrzeit wegen Meldeversäumnis. Vorliegend somit um jeweils sieben Tage.

Weiterhin ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Bewilligungsbescheid ergebende Anspruch wegen dem Eintritt der Sperrzeit zum Ruhen gekommen ist.

Grobe Fahrlässigkeit in diesem Sinn liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Im Rahmen des § 48 Abs. 1 SGB X ist ein subjektiver und kein objektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juli 1996, Az.: B 7 RAr 14/96). Grobe Fahrlässigkeit ist zu bejahen, wenn der Betroffene schon einfache, nahe liegende Überlegungen nicht angestellt und deshalb nicht beachtet hat, was in diesem Fall jedem einleuchten musste (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. September 2004, Az.: L 9 AL 2836/03). Entscheidend sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalls und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, das heißt seine Urteilsfähigkeit und sein Einsichtsvermögen, im Übrigen auch sein Verhalten (Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 45 Rdnr. 39). Unter Berücksichtigung dessen ist vom Arbeitslosen insbesondere auch zu verlangen, dass er vom Inhalt der ihm zu übergebenden Merkblätter Kenntnis nimmt und, abhängig von den Umständen des Einzelfalls, im Zweifelsfall bei der Beklagten nachfragt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 5. März 2004, Az.: L 8 AL 3169/03).

Der Kläger hat das Merkblatt für Arbeitslose ausweislich des aktenkundigen ursprünglichen Leistungsantrages erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen. Darin finden sich die entsprechenden Ausführungen zum Eintritt der Sperrzeit und deren Rechtsfolgen. Darüber hinaus enthielten die Einladungsschreiben entsprechende konkrete Rechtsfolgenbelehrungen.

Die Fristen für die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung sind augenscheinlich gewahrt. In der Rechtsfolge handelt es sich sodann um eine gebundene Entscheidung nach § 330 Abs. 3 SGB III.

Der Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2011 ist somit betreffend die verbleibenden Sperrzeiten vom 15. bis 20. Juli 2011 und vom 26. Juli bis 1. August 2011 nicht zu beanstanden.

Gleiches gilt im Ergebnis für den Bescheid vom 25. Januar 2012. Auch die dortige Aufhebung der Bewilligungsentscheidung für das Arbeitslosengeld nach § 330 Abs. 3 SGB III in Verbindung mit § 48 SGB X ist nicht zu beanstanden.

In Gestalt der Ortsabwesenheit des Klägers in der Zeit ab dem 21. Juli 2011 ist eine weitere eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten. Der Kläger ist in dieser Zeit mangels Verfügbarkeit nicht mehr arbeitslos im Sinn der §§ 118 Abs. 1 Nr. 1, 119 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 SGB III a.F. Die Leistungsgewährung erfolgte ab diesem Zeitpunkt zu Unrecht.

Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit haben Arbeitnehmer nach § 118 Abs. 1 SGB III a.F., die 1. arbeitslos sind, 2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt haben.

Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer nach § 119 Abs. 1 SGB III a.F., der 1. nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), 2. sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und 3. den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).

Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung kann nach § 1 Abs. 1 EAO zeit- und ortsnah Folge leisten, wer in der Lage ist, unverzüglich 1. Mitteilungen des Arbeitsamtes persönlich zur Kenntnis zu nehmen, 2. das Arbeitsamt aufzusuchen, 3. mit einem möglichen Arbeitgeber oder Träger einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme in Verbindung zu treten und bei Bedarf persönlich mit diesem zusammenzutreffen und 4. eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen.

Der Arbeitslose hat deshalb sicherzustellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann.

Der Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs steht der Verfügbarkeit nicht entgegen, wenn die Beklagte vorher ihre Zustimmung erteilt hat. Die Zustimmung darf jeweils nur erteilt werden, wenn durch die Zeit der Abwesenheit die berufliche Eingliederung nicht beeinträchtigt wird (§ 3 Abs. 1 EAO).

Diese Anspruchsvoraussetzung hat der Kläger in der Zeit ab dem 21. Juli 2011 nicht mehr erfüllt, denn unter der im Rubrum bezeichneten Anschrift war er nicht postalisch zu erreichen, weil er sich tatsächlich in Ägypten aufgehalten hat, ohne über eine entsprechende Zustimmung der Beklagten zu verfügen. Seine mangelnde Erreichbarkeit wird insbesondere dadurch deutlich, dass er auf die Einladungsschreiben der Beklagten nicht reagiert hat/reagieren konnte. Er war augenscheinlich nicht in der Lage, in diesem Zeitraum eingehende Briefpost persönlich zur Kenntnis zu nehmen.

Die Regelungen zur Verfügbarkeit haben das Ziel, die Vorschläge der Arbeitsverwaltung zu verwirklichen. Der Arbeitslose kann diesen jedoch nur zeit- und ortsnah nachkommen, wenn er selbst für die Arbeitsagentur erreichbar ist, denn ein Arbeitsloser muss in der Lage sein, jederzeit einen potentiellen Arbeitgeber aufzusuchen, einen Vorstellungs- oder einen Beratungstermin wahrzunehmen, um an den Vermittlungsbemühungen der Arbeitsverwaltung mitzuwirken. Die Nutzung der Arbeitsvermittlung und der aktiven Arbeitsförderung setzt den persönlichen Kontakt mit der zuständigen Arbeitsagentur voraus, denn der Gesetzgeber sieht die persönliche (unmittelbare) Beziehung zwischen Arbeitslosem und Agentur für Arbeit als Voraussetzung für eine effektive Durchsetzung des Leistungskonzepts an (vgl. BSG, Urteil vom 20. Juni 2001, Az. B 11 AL 10/01 R; Urteil vom 9. August 2001, Az. B 11 AL 17/01 R; Steinmeyer in Gagel, SGB III, § 119 Rdnr. 246).

Eine an diesen Maßstäben gemessene Verfügbarkeit des Klägers ist im Zeitraum ab dem 21. Juli 2011 nicht gegeben. Die Gewährung von Arbeitslosengeld erfolgte in diesem Zeitraum zu Unrecht. Eine Ersetzung der Genehmigung der Ortsabwesenheit durch die Beklagte kommt nicht in Betracht, da der Kläger es versäumt hat, ihr diese ordnungsgemäß anzuzeigen. Seine Ausführungen hierzu in dem Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 22. August 2013 sind wenig überzeugend.

Insgesamt hat der Kläger damit eine durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse zumindest grob fahrlässig unterlassen.

Der Kläger hat das Merkblatt für Arbeitslose ausweislich des aktenkundigen ursprünglichen Leistungsantrages erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen. Danach ist der Arbeitslose verpflichtet, unaufgefordert und sofort Änderungen mitzuteilen, die für die Beurteilung seines Leistungsanspruches bedeutsam sein können. Dem ist der Kläger nicht nachgekommen.

Der Aufhebungsentscheidung folgend, erweist sich das Erstattungsverlangen der Beklagten nach § 50 Abs. 1 SGB X ebenso als rechtmäßig.

Die Klage ist im Ergebnis daher umfassend abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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