Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
28
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 28 KR 446/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 115/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.148,51 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. April 2011 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Vergütung für eine stationäre Behandlung streitig.
Die Klägerin betreibt in A-Stadt ein in den Krankenhausplan des Landes Hessen aufgenommenes Krankenhaus. Der bei der Beklagten gesetzlich Versicherte, Herr C., wurde in der Zeit vom 20. September bis 25. September 2010 wegen einer onkologischen Erkrankung vollstationär in der Klinik der Klägerin behandelt. Als chemotherapeutische Behandlung wurde ihm parenteral das Arzneimittel Docetaxel in einer Menge von 150 mg gegeben.
Mit Rechnung vom 6. Oktober 2010 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten 1.812,13 EUR für diese Behandlung geltend. Hierbei legte sie die DRG-Fallpauschale D60C zugrunde. Am 8. Oktober 2010 bezahlte die Beklagte diese Rechnung vollständig.
In der Folgezeit fiel der Klägerin auf, dass sie zusätzlich berechtigt gewesen wäre, dass Zusatzentgelt (ZE) 80.03 aus dem Zusatzentgeltkatalog geltend zu machen. Aus diesem Grunde stornierte die Klägerin am 22. März 2011 die frühere Rechnung und übermittelte der Beklagten eine neue Rechnung über 2.960,64 EUR, die zusätzlich die Abrechnung des Zusatzentgeltes auswies. Die Beklagte verweigerte die Bezahlung dieser Rechnung.
Hiergegen richtet sich die unter dem 18. Dezember 2011 bei dem hiesigen Gericht erhobene Klage, mit welcher die Klägerin die Zahlung von 1.148,51 EUR von der Beklagten begehrt. Es handele sich vorliegend um eine Fallkonstellation, für die das Bundessozialgericht (BSG) ausdrücklich eine Nachberechnung zugelassen habe. Die vorliegende Klageforderung übersteige den Mindestbetrag von 300 EUR und erreiche mit über 63 % des Ausgangsrechnungswert auch die Fünf Prozent Grenze. Der Ablauf des Haushaltsjahres der Krankenkasse habe im Übrigen keine rechtliche Auswirkung auf das Bestehen und die Geltendmachung einer Entgeltforderung des Krankenhauses.
Mit Beschluss vom 31. Mai 2012 hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf bei dem BSG anhängige Verfahren, die die Klärung der Nachberechnungsmöglichkeit außerhalb des Haushaltsjahres zum Gegenstand haben, angeordnet. Auf Antrag des Klägervertreters vom 9. August 2013 hat das Gericht das Verfahren wieder aufgenommen.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass nach den Ausführungen beider Senate des BSG das Krankenhaus für die Dauer eines ganzen Geschäftsjahres Zeit habe, um unrichtige Abrechnungen zulasten der Krankenkasse zu korrigieren. Geschäftsjahr eines Krankenhauses sei das Kalenderjahr.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.148,51 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. April 2011 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Anspruch der Klägerin sei nicht begründet, weil die Rechnungskorrektur außerhalb des Haushaltsjahres der Beklagten und damit nicht mehr zeitnah erfolgt sei. Die ordnungsgemäße Rechnungslegung wäre indessen, wie auch das Datum der Erstrechnung zeige, bei der in buchhalterischen Angelegenheiten an den Tag zu legenden Sorgfalt bei der Rechnungserstellung ohne weiteres im maßgeblichen Haushaltsjahr möglich gewesen. Die Beklagte durfte aufgrund fehlender gegenteiliger Anhaltspunkte davon ausgehen, dass die Rechnungslegung der Klägerin insoweit sorgfältig erstellt und damit ordnungsgemäß gewesen sei. Auch habe es sich vorliegend nicht um einen offensichtlichen Fehler gehandelt. Dies folge insbesondere aus der Behandlungshistorie. Zwar sei in einem Voraufenthalten das Zusatzentgelt ebenfalls abgerechnet worden, in den Folgeaufenthalten allerdings ein anderes Zusatzentgelt oder gar kein Zusatzentgelt. Derzeit bestünde weiterhin eine Divergenz in der Rechtsprechung zwischen dem 1. Senat und dem 3. Senat des BSG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung am 12. März 2015 gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Rechtsstreit konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärten (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig. Bei einer auf Zahlung der (Rest-)Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhauses gegen eine Krankenkasse geht es um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2000, Az. B 3 KR 33/99 R; Urteil vom 23. Juli 2002, Az. B 3 KR 64/01 R). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten.
Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Zahlung von 1.148,51 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. April 2011 gegen die Beklagte.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist hier § 109 Abs. 4 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. § 7 Abs. 1 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen - Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und dem Vertrag über die Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für das Land Hessen. Danach entsteht die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinn von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist. Der Behandlungspflicht zugelassener Krankenhäuser im Sinn des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in §§ 16, 17 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenkasse und Krankenhausträger festgelegt wird.
Hierzu ist zunächst festzustellen, dass es sich bei der Klägerin um ein zugelassenes Krankenhaus im Sinn des § 108 SGB V gehandelt hat, der Patient C. während der Dauer der streitigen Krankenhausbehandlung bei der Beklagten versichert war und einer Krankenbehandlung mit den Mitteln eines Krankenhauses bedurfte, weil das Behandlungsziel nicht durch eine teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenbehandlung erreicht werden konnte (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Die Klägerin hätte auch rechtmäßig in ihrer ersten Rechnung für die erbrachten Krankenhausleistungen unter Berücksichtigung der Fallpauschalenvereinbarung 2010 i.V.m. dem Fallpauschalen-Katalog und dem Zusatzentgelt-Katalog 2.960,64 EUR ansetzen dürfen. Die Klägerin hätte zusätzlich erlöswirksam die parenterale Gabe des Arzneimittels Docetaxel in einer Menge von 150 mg als Zusatzentgelt 80.03 kodieren dürfen. Auch dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Die Klägerin ist auch nicht nach Treu und Glauben mit der Nachforderung im Wege der korrigierten Schlussrechnung vom 22. März 2011 nach der ersten Endabrechnung vom 6. Oktober 2010 ausgeschlossen.
Hierzu machte der 1. Senat in seiner Entscheidung vom 13. November 2012 unter dem Aktenzeichen (Az.) B 1 KR 6/12 R folgende grundsätzliche Ausführungen:
"Eine Schlussrechnung schließt nicht umfassend und ausnahmslos Nachforderungen aus. Vielmehr richtet sich die Zulässigkeit von Nachforderungen mangels ausdrücklicher Regelung gemäß dem über § 69 S 3 SGB V aF (idF durch Art 1 Nr. 26 GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626 mWv 1.1.2000, ab 1.4.2007 § 69 S 4 gemäß Art 1 Nr. 40a GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378) auf die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhaus und KK einwirkenden Rechtsgedanken des § 242 BGB nach Treu und Glauben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beteiligten aufgrund eines dauerhaften Vertragsrahmens ständig professionell zusammenarbeiten. Ihnen sind die gegenseitigen Interessenstrukturen geläufig. In diesem Rahmen ist von ihnen eine gegenseitige Rücksichtnahme zu erwarten (vgl. BSG SozR 4-2500 § 109 Nr. 19 RdNr. 16).
Der erkennende 1. Senat des BSG hat deshalb nach Erteilung einer Schlussrechnung ohne Vorbehalt eine Nachberechnung wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn ein Zeitraum von zwei Jahren zwischen Schlussrechnung und Nachforderung bestand Lässt sich ein Krankenhaus länger als ein ganzes Rechnungsjahr Zeit, um eine ohne rechtsbedeutsamen Vorbehalt erteilte "Schlussrechnung" im Wege der Nachforderung mit Blick auf Grundlagen zu korrigieren, die dem eigenen Verantwortungsbereich entstammen, ist es in der Regel nach Treu und Glauben mit seiner Nachforderung ausgeschlossen.
Das Krankenhaus ist nämlich regelmäßig in der Lage, in rechtlicher Hinsicht professionell korrekt abzurechnen und sich ggf. stellende Abrechnungsprobleme zu erkennen
Bestehen auf Seiten eines Krankenhauses dennoch Unsicherheiten bei der Anwendung von Abrechnungsbestimmungen, ist es auf der Ebene der generellen vertraglichen Regelung Aufgabe der Vertragspartner, die nunmehr dafür zuständig sind, diese durch Weiterentwicklung z.B. der Fallpauschalen- oder Sonderentgelt-Kataloge und der Abrechnungsbestimmungen zu beheben Ihnen ist es deshalb zumutbar, bei auslegungsbedingten Abrechnungsunsicherheiten in der "Schlussrechnung" explizit Vorbehalte zu erklären, die den KKn den eventuell erforderlichen Rückstellungsbedarf transparent machen ...
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BSG SozR 4-2500 § 109 Nr. 19) können sich die KKn allerdings nicht ausnahmslos gegenüber Nachforderungen des Krankenhauses nach Erteilung einer Schlussrechnung auf das Fehlen eines Vorbehalts des Krankenhauses in der Rechnung berufen. Vielmehr gehört es auch zur gegenseitigen Rücksichtnahme nach Treu und Glauben, dass KKn je nach der Art des Fehlers, etwa bei offensichtlichem, ins Auge springendem Korrekturbedarf zu Gunsten des Krankenhauses, bereit sein müssen, die Fehler durch das Krankenhaus korrigieren zu lassen
Die Rechtsprechung des 3. BSG-Senats steht den dargelegten Grundsätzen nicht entgegen, sondern baut hierauf auf und ergänzt sie. Danach ist die Korrektur einer Schlussrechnung durch ein Krankenhaus innerhalb von sechs Wochen seit Rechnungsstellung grundsätzlich möglich. Nach Ablauf dieser Frist kann eine Schlussrechnung nach Treu und Glauben - von offensichtlichen Schreib- und Rechenfehlern abgesehen - gegenüber der KK nur noch dann korrigiert werden, wenn die Nachforderung über 100 Euro (ab 25.3.2009: über 300 Euro) liegt und zudem mindestens 5 % des Ausgangsrechnungswerts erreicht (vgl zum Ganzen BSGE 105, 150 = SozR 4-2500 § 109 Nr. 20 LS 1 und 2). Davon, dass die Entscheidungen des erkennenden 1. und des 3. BSG-Senats sich ergänzen, geht auch der 3. BSG-Senat aus. Er hat nicht etwa wegen Divergenz den Großen Senat angerufen. Zutreffend hat der 3. BSG-Senat darauf hingewiesen, dass die dauerhaften Vertragsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und KKn zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichten und diese Sonderbeziehung die Befugnis zur nachträglichen Rechnungskorrektur begrenzt ".
Dem sodann von dem 3. Senat des BSG am 22. November 2012 unter dem Az. B 3 KR 1/12 R entschiedenen Fall, lag die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung aus der Zeit vom 20. Juli bis 29. Juli 2006 zugrunde. Das Krankenhaus hatte zunächst mit Schlussrechnung vom 31. Juli 2006 1.780,94 EUR der dortigen Beklagten in Rechnung gestellt. Am 20. Februar 2007 erteilte das Krankenhaus eine neue Schlussrechnung über 2.788,04 EUR. Es hatte die Geltendmachung zweier relevanter Nebendiagnosen übersehen. Im Leitsatz der Entscheidung wird ausgeführt, dass die Nachforderung der restlichen Vergütung für eine bereits abgerechnete und bezahlte Krankenhausbehandlung regelmäßig ausgeschlossen ist, wenn die Korrektur nicht bis zum Ende des auf die Schlussrechnung folgenden Kalenderjahrs erfolgt. In den Entscheidungsgründen führt der 3. Senat wie folgt aus:
"Auf die zusätzliche Frage, welche Bedeutung das Rechnungsjahr in Fällen der Rechnungskorrektur besitzt und ob die neue Schlussrechnung zeitnah erteilt worden ist, kam es im vorliegenden Fall nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des 1. und 3. Senats des BSG nicht an
In einer weiteren Entscheidung des 1. Senats vom 13.11.2012 (B 1 KR 6/12 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) ging es um die Nachforderung einer die Bagatellgrenzen überschreitenden restlichen Krankenhausvergütung mehr als vier Jahre nach der Erteilung der Schlussrechnung, aber noch vor Eintritt der Verjährung. Der 1. Senat hat in Fortführung seines Urteils vom 8.9.2009 entschieden, dass eine so späte Korrektur gegen Treu und Glauben verstößt, und dabei zur Erläuterung hinzufügt, die Krankenkassen könnten von den Krankenhäusern erwarten, dass sie - in Einklang mit ihren eigenen Interessen - "jedenfalls innerhalb eines vollständigen Geschäftsjahres" durch ihre Binnenkontrolle abklären, dass die erteilten Schlussrechnungen vollständig sind (Terminbericht Nr 59/12 vom 14.11.2012, Nr 5). Damit hat der 1. Senat die aus seiner früheren Entscheidung zu entnehmende Korrekturfrist offensichtlich erweitert, und zwar unabhängig davon, ob die Schlussrechnung aus dem ersten oder zweiten Halbjahr eines Kalenderjahres stammt. Es ist für die Korrekturmöglichkeit nun auch nicht mehr auf das laufende Haushaltsjahr abzustellen, wie es noch der früheren Entscheidung vom 8.9.2009 zu entnehmen war, sondern stets das Folgejahr einzubeziehen, weil für die Korrektur mindestens ein "vollständiges Geschäftsjahr" zur Verfügung stehen muss. Daraus ist für die Dauer der Korrekturfrist zu schließen, dass eine Rechnungskorrektur innerhalb von maximal 729 Tagen (für eine der Krankenkasse am 1.1. zugegangene Schlussrechnung) und mindestens 365 Tagen (für eine am 31.12. zugegangene Schlussrechnung) zu erfolgen hat
Vom Grundsatz her stimmt der erkennende Senat aber mit dem 1. Senat des BSG überein, den zeitlichen Rahmen für zulässige Nachberechnungen bereits abgerechneter Behandlungsfälle nicht anhand des laufenden Haushaltsjahres zu bestimmen, sondern generell das Ende des auf die unrichtige erste Abrechnung folgenden Kalenderjahres als äußersten Zeitpunkt für Korrekturmöglichkeiten festzulegen. Wird diese Frist nicht eingehalten, ist der Anspruch auf die noch offene restliche Vergütung in der Regel nach Treu und Glauben verwirkt. Den Krankenhäusern ist zuzumuten, die Kontrollen der abgerechneten Behandlungsfälle innerhalb dieser Frist durchzuführen, und die Krankenkassen müssen sich darauf verlassen können, dass alle abgerechneten Behandlungsfälle nach dem Ende des jeweiligen Folgejahres nicht wieder aufgerollt werden - soweit es nicht um offensichtliche Schreib- und Rechenfehler oder um Schlussrechnungen mit zulässigem Nachforderungsvorbehalt geht "
Diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall übertragen, bedeutet zunächst, dass die hier streitige Forderung über 300 EUR liegt und damit mindestens 5% des Ausgangsrechnungswertes vom 6. Oktober 2010 erreicht.
Der Fehler der Klägerin in Gestalt der mangelnden Abrechnung des Zusatzentgeltes 80.03 begründete nach seiner Art keinen offensichtlichen, ins Auge springenden Korrekturbedarf. Die Schlussrechnung war nämlich auch ohne die nicht kodierten Leistungen der Gabe des Arzneimittels Docetaxel in einer Menge von 150 mg nicht unplausibel. Der Beklagten konnte sich aufgrund der Abrechnung vom 6. Oktober 2010 nicht erschließen, dass die Klägerin die später kodierten Arzneimittel tatsächlich verabreicht hatte. Dies zieht die Klägerin im Übrigen auch nicht in Zweifel. Die Klägerin erklärte in ihrer ersten Schlussrechnung auch weder einen ausdrücklichen noch einen nur sinngemäßen spezifischen Vorbehalt späterer Nachforderung.
Allerdings erfolgte die korrigierte Schlussrechnung am 22. März 2011 zur Überzeugung des Gerichts tatsächlich noch "zeitnah". Nach dem Verständnis des erkennenden Gerichts ist für die Korrekturmöglichkeit nicht auf das laufende Haushaltsjahr abzustellen, sondern stets das Folgejahr einzubeziehen, weil für die Korrektur mindestens ein "vollständiges Geschäftsjahr" zur Verfügung stehen muss. Dies folgt insbesondere aus den überzeugenden Ausführungen des 3. Senats des BSG in der oben benannten Entscheidung.
Soweit die Beklagte darin eine Divergenz im Hinblick auf die Auslegung einer zeitnahen Rechnungskorrektur sieht, kann das Gericht dem nicht folgen. Soweit der 1. Senat des BSG in der oben benannten Entscheidung folgendes ausführt:
" Die korrigierende Nachforderung des Klägers erfolgte schließlich nicht mehr zeitnah, insbesondere nicht innerhalb des laufenden Haushaltsjahres der Beklagten, sondern mehr als vier Jahre nach Übersendung und Bezahlung der ersten Rechnung. KKn müssen indes nicht hinnehmen, dass Krankenhäuser innerhalb der Verjährungsfristen durch Nachforderungen trotz erteilter Schlussrechnung ihre Abrechnung noch nach Jahren nachträglich um Positionen ergänzen, die sie bei normaler Sorgfalt von Anfang an in ihrer ersten Schlussrechnung hätten berücksichtigen können. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - das Krankenhaus seinerseits ein vollständiges Geschäftsjahr Zeit gehabt hat, die nicht offensichtliche Unvollständigkeit der eigenen Schlussrechnung zu korrigieren "
kann dies nur so verstanden werden, wie es der 3. Senat des BSG ausführte. Die Korrektur einer nicht offensichtlich unvollständigen Schlussrechnung ist, unter den oben ausgeführten weiteren Voraussetzungen, bis zum Ende des auf die Schlussrechnung folgenden Kalenderjahres möglich. Dem schließt sich auch das erkennende Gericht an, was dazu führt, dass die Klägerin mit ihrer Nachforderung nicht ausgeschlossen ist.
Der Zahlungsanspruch der Klägerin ist begründet.
Die Klage ist auch im Hinblick auf den geltend gemachten Zinsanspruch begründet. Der Zinsanspruch folgt aus § 10 Abs. 4 und 5 des Vertrages über die Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für das Land Hessen. Anspruchsbegründender Verzug trat am 23. April 2011 ein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Vergütung für eine stationäre Behandlung streitig.
Die Klägerin betreibt in A-Stadt ein in den Krankenhausplan des Landes Hessen aufgenommenes Krankenhaus. Der bei der Beklagten gesetzlich Versicherte, Herr C., wurde in der Zeit vom 20. September bis 25. September 2010 wegen einer onkologischen Erkrankung vollstationär in der Klinik der Klägerin behandelt. Als chemotherapeutische Behandlung wurde ihm parenteral das Arzneimittel Docetaxel in einer Menge von 150 mg gegeben.
Mit Rechnung vom 6. Oktober 2010 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten 1.812,13 EUR für diese Behandlung geltend. Hierbei legte sie die DRG-Fallpauschale D60C zugrunde. Am 8. Oktober 2010 bezahlte die Beklagte diese Rechnung vollständig.
In der Folgezeit fiel der Klägerin auf, dass sie zusätzlich berechtigt gewesen wäre, dass Zusatzentgelt (ZE) 80.03 aus dem Zusatzentgeltkatalog geltend zu machen. Aus diesem Grunde stornierte die Klägerin am 22. März 2011 die frühere Rechnung und übermittelte der Beklagten eine neue Rechnung über 2.960,64 EUR, die zusätzlich die Abrechnung des Zusatzentgeltes auswies. Die Beklagte verweigerte die Bezahlung dieser Rechnung.
Hiergegen richtet sich die unter dem 18. Dezember 2011 bei dem hiesigen Gericht erhobene Klage, mit welcher die Klägerin die Zahlung von 1.148,51 EUR von der Beklagten begehrt. Es handele sich vorliegend um eine Fallkonstellation, für die das Bundessozialgericht (BSG) ausdrücklich eine Nachberechnung zugelassen habe. Die vorliegende Klageforderung übersteige den Mindestbetrag von 300 EUR und erreiche mit über 63 % des Ausgangsrechnungswert auch die Fünf Prozent Grenze. Der Ablauf des Haushaltsjahres der Krankenkasse habe im Übrigen keine rechtliche Auswirkung auf das Bestehen und die Geltendmachung einer Entgeltforderung des Krankenhauses.
Mit Beschluss vom 31. Mai 2012 hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf bei dem BSG anhängige Verfahren, die die Klärung der Nachberechnungsmöglichkeit außerhalb des Haushaltsjahres zum Gegenstand haben, angeordnet. Auf Antrag des Klägervertreters vom 9. August 2013 hat das Gericht das Verfahren wieder aufgenommen.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass nach den Ausführungen beider Senate des BSG das Krankenhaus für die Dauer eines ganzen Geschäftsjahres Zeit habe, um unrichtige Abrechnungen zulasten der Krankenkasse zu korrigieren. Geschäftsjahr eines Krankenhauses sei das Kalenderjahr.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.148,51 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. April 2011 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Anspruch der Klägerin sei nicht begründet, weil die Rechnungskorrektur außerhalb des Haushaltsjahres der Beklagten und damit nicht mehr zeitnah erfolgt sei. Die ordnungsgemäße Rechnungslegung wäre indessen, wie auch das Datum der Erstrechnung zeige, bei der in buchhalterischen Angelegenheiten an den Tag zu legenden Sorgfalt bei der Rechnungserstellung ohne weiteres im maßgeblichen Haushaltsjahr möglich gewesen. Die Beklagte durfte aufgrund fehlender gegenteiliger Anhaltspunkte davon ausgehen, dass die Rechnungslegung der Klägerin insoweit sorgfältig erstellt und damit ordnungsgemäß gewesen sei. Auch habe es sich vorliegend nicht um einen offensichtlichen Fehler gehandelt. Dies folge insbesondere aus der Behandlungshistorie. Zwar sei in einem Voraufenthalten das Zusatzentgelt ebenfalls abgerechnet worden, in den Folgeaufenthalten allerdings ein anderes Zusatzentgelt oder gar kein Zusatzentgelt. Derzeit bestünde weiterhin eine Divergenz in der Rechtsprechung zwischen dem 1. Senat und dem 3. Senat des BSG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung am 12. März 2015 gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Rechtsstreit konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärten (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig. Bei einer auf Zahlung der (Rest-)Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhauses gegen eine Krankenkasse geht es um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2000, Az. B 3 KR 33/99 R; Urteil vom 23. Juli 2002, Az. B 3 KR 64/01 R). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten.
Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Zahlung von 1.148,51 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. April 2011 gegen die Beklagte.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist hier § 109 Abs. 4 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. § 7 Abs. 1 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen - Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und dem Vertrag über die Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für das Land Hessen. Danach entsteht die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinn von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist. Der Behandlungspflicht zugelassener Krankenhäuser im Sinn des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in §§ 16, 17 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenkasse und Krankenhausträger festgelegt wird.
Hierzu ist zunächst festzustellen, dass es sich bei der Klägerin um ein zugelassenes Krankenhaus im Sinn des § 108 SGB V gehandelt hat, der Patient C. während der Dauer der streitigen Krankenhausbehandlung bei der Beklagten versichert war und einer Krankenbehandlung mit den Mitteln eines Krankenhauses bedurfte, weil das Behandlungsziel nicht durch eine teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenbehandlung erreicht werden konnte (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Die Klägerin hätte auch rechtmäßig in ihrer ersten Rechnung für die erbrachten Krankenhausleistungen unter Berücksichtigung der Fallpauschalenvereinbarung 2010 i.V.m. dem Fallpauschalen-Katalog und dem Zusatzentgelt-Katalog 2.960,64 EUR ansetzen dürfen. Die Klägerin hätte zusätzlich erlöswirksam die parenterale Gabe des Arzneimittels Docetaxel in einer Menge von 150 mg als Zusatzentgelt 80.03 kodieren dürfen. Auch dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Die Klägerin ist auch nicht nach Treu und Glauben mit der Nachforderung im Wege der korrigierten Schlussrechnung vom 22. März 2011 nach der ersten Endabrechnung vom 6. Oktober 2010 ausgeschlossen.
Hierzu machte der 1. Senat in seiner Entscheidung vom 13. November 2012 unter dem Aktenzeichen (Az.) B 1 KR 6/12 R folgende grundsätzliche Ausführungen:
"Eine Schlussrechnung schließt nicht umfassend und ausnahmslos Nachforderungen aus. Vielmehr richtet sich die Zulässigkeit von Nachforderungen mangels ausdrücklicher Regelung gemäß dem über § 69 S 3 SGB V aF (idF durch Art 1 Nr. 26 GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626 mWv 1.1.2000, ab 1.4.2007 § 69 S 4 gemäß Art 1 Nr. 40a GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378) auf die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhaus und KK einwirkenden Rechtsgedanken des § 242 BGB nach Treu und Glauben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beteiligten aufgrund eines dauerhaften Vertragsrahmens ständig professionell zusammenarbeiten. Ihnen sind die gegenseitigen Interessenstrukturen geläufig. In diesem Rahmen ist von ihnen eine gegenseitige Rücksichtnahme zu erwarten (vgl. BSG SozR 4-2500 § 109 Nr. 19 RdNr. 16).
Der erkennende 1. Senat des BSG hat deshalb nach Erteilung einer Schlussrechnung ohne Vorbehalt eine Nachberechnung wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn ein Zeitraum von zwei Jahren zwischen Schlussrechnung und Nachforderung bestand Lässt sich ein Krankenhaus länger als ein ganzes Rechnungsjahr Zeit, um eine ohne rechtsbedeutsamen Vorbehalt erteilte "Schlussrechnung" im Wege der Nachforderung mit Blick auf Grundlagen zu korrigieren, die dem eigenen Verantwortungsbereich entstammen, ist es in der Regel nach Treu und Glauben mit seiner Nachforderung ausgeschlossen.
Das Krankenhaus ist nämlich regelmäßig in der Lage, in rechtlicher Hinsicht professionell korrekt abzurechnen und sich ggf. stellende Abrechnungsprobleme zu erkennen
Bestehen auf Seiten eines Krankenhauses dennoch Unsicherheiten bei der Anwendung von Abrechnungsbestimmungen, ist es auf der Ebene der generellen vertraglichen Regelung Aufgabe der Vertragspartner, die nunmehr dafür zuständig sind, diese durch Weiterentwicklung z.B. der Fallpauschalen- oder Sonderentgelt-Kataloge und der Abrechnungsbestimmungen zu beheben Ihnen ist es deshalb zumutbar, bei auslegungsbedingten Abrechnungsunsicherheiten in der "Schlussrechnung" explizit Vorbehalte zu erklären, die den KKn den eventuell erforderlichen Rückstellungsbedarf transparent machen ...
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BSG SozR 4-2500 § 109 Nr. 19) können sich die KKn allerdings nicht ausnahmslos gegenüber Nachforderungen des Krankenhauses nach Erteilung einer Schlussrechnung auf das Fehlen eines Vorbehalts des Krankenhauses in der Rechnung berufen. Vielmehr gehört es auch zur gegenseitigen Rücksichtnahme nach Treu und Glauben, dass KKn je nach der Art des Fehlers, etwa bei offensichtlichem, ins Auge springendem Korrekturbedarf zu Gunsten des Krankenhauses, bereit sein müssen, die Fehler durch das Krankenhaus korrigieren zu lassen
Die Rechtsprechung des 3. BSG-Senats steht den dargelegten Grundsätzen nicht entgegen, sondern baut hierauf auf und ergänzt sie. Danach ist die Korrektur einer Schlussrechnung durch ein Krankenhaus innerhalb von sechs Wochen seit Rechnungsstellung grundsätzlich möglich. Nach Ablauf dieser Frist kann eine Schlussrechnung nach Treu und Glauben - von offensichtlichen Schreib- und Rechenfehlern abgesehen - gegenüber der KK nur noch dann korrigiert werden, wenn die Nachforderung über 100 Euro (ab 25.3.2009: über 300 Euro) liegt und zudem mindestens 5 % des Ausgangsrechnungswerts erreicht (vgl zum Ganzen BSGE 105, 150 = SozR 4-2500 § 109 Nr. 20 LS 1 und 2). Davon, dass die Entscheidungen des erkennenden 1. und des 3. BSG-Senats sich ergänzen, geht auch der 3. BSG-Senat aus. Er hat nicht etwa wegen Divergenz den Großen Senat angerufen. Zutreffend hat der 3. BSG-Senat darauf hingewiesen, dass die dauerhaften Vertragsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und KKn zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichten und diese Sonderbeziehung die Befugnis zur nachträglichen Rechnungskorrektur begrenzt ".
Dem sodann von dem 3. Senat des BSG am 22. November 2012 unter dem Az. B 3 KR 1/12 R entschiedenen Fall, lag die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung aus der Zeit vom 20. Juli bis 29. Juli 2006 zugrunde. Das Krankenhaus hatte zunächst mit Schlussrechnung vom 31. Juli 2006 1.780,94 EUR der dortigen Beklagten in Rechnung gestellt. Am 20. Februar 2007 erteilte das Krankenhaus eine neue Schlussrechnung über 2.788,04 EUR. Es hatte die Geltendmachung zweier relevanter Nebendiagnosen übersehen. Im Leitsatz der Entscheidung wird ausgeführt, dass die Nachforderung der restlichen Vergütung für eine bereits abgerechnete und bezahlte Krankenhausbehandlung regelmäßig ausgeschlossen ist, wenn die Korrektur nicht bis zum Ende des auf die Schlussrechnung folgenden Kalenderjahrs erfolgt. In den Entscheidungsgründen führt der 3. Senat wie folgt aus:
"Auf die zusätzliche Frage, welche Bedeutung das Rechnungsjahr in Fällen der Rechnungskorrektur besitzt und ob die neue Schlussrechnung zeitnah erteilt worden ist, kam es im vorliegenden Fall nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des 1. und 3. Senats des BSG nicht an
In einer weiteren Entscheidung des 1. Senats vom 13.11.2012 (B 1 KR 6/12 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) ging es um die Nachforderung einer die Bagatellgrenzen überschreitenden restlichen Krankenhausvergütung mehr als vier Jahre nach der Erteilung der Schlussrechnung, aber noch vor Eintritt der Verjährung. Der 1. Senat hat in Fortführung seines Urteils vom 8.9.2009 entschieden, dass eine so späte Korrektur gegen Treu und Glauben verstößt, und dabei zur Erläuterung hinzufügt, die Krankenkassen könnten von den Krankenhäusern erwarten, dass sie - in Einklang mit ihren eigenen Interessen - "jedenfalls innerhalb eines vollständigen Geschäftsjahres" durch ihre Binnenkontrolle abklären, dass die erteilten Schlussrechnungen vollständig sind (Terminbericht Nr 59/12 vom 14.11.2012, Nr 5). Damit hat der 1. Senat die aus seiner früheren Entscheidung zu entnehmende Korrekturfrist offensichtlich erweitert, und zwar unabhängig davon, ob die Schlussrechnung aus dem ersten oder zweiten Halbjahr eines Kalenderjahres stammt. Es ist für die Korrekturmöglichkeit nun auch nicht mehr auf das laufende Haushaltsjahr abzustellen, wie es noch der früheren Entscheidung vom 8.9.2009 zu entnehmen war, sondern stets das Folgejahr einzubeziehen, weil für die Korrektur mindestens ein "vollständiges Geschäftsjahr" zur Verfügung stehen muss. Daraus ist für die Dauer der Korrekturfrist zu schließen, dass eine Rechnungskorrektur innerhalb von maximal 729 Tagen (für eine der Krankenkasse am 1.1. zugegangene Schlussrechnung) und mindestens 365 Tagen (für eine am 31.12. zugegangene Schlussrechnung) zu erfolgen hat
Vom Grundsatz her stimmt der erkennende Senat aber mit dem 1. Senat des BSG überein, den zeitlichen Rahmen für zulässige Nachberechnungen bereits abgerechneter Behandlungsfälle nicht anhand des laufenden Haushaltsjahres zu bestimmen, sondern generell das Ende des auf die unrichtige erste Abrechnung folgenden Kalenderjahres als äußersten Zeitpunkt für Korrekturmöglichkeiten festzulegen. Wird diese Frist nicht eingehalten, ist der Anspruch auf die noch offene restliche Vergütung in der Regel nach Treu und Glauben verwirkt. Den Krankenhäusern ist zuzumuten, die Kontrollen der abgerechneten Behandlungsfälle innerhalb dieser Frist durchzuführen, und die Krankenkassen müssen sich darauf verlassen können, dass alle abgerechneten Behandlungsfälle nach dem Ende des jeweiligen Folgejahres nicht wieder aufgerollt werden - soweit es nicht um offensichtliche Schreib- und Rechenfehler oder um Schlussrechnungen mit zulässigem Nachforderungsvorbehalt geht "
Diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall übertragen, bedeutet zunächst, dass die hier streitige Forderung über 300 EUR liegt und damit mindestens 5% des Ausgangsrechnungswertes vom 6. Oktober 2010 erreicht.
Der Fehler der Klägerin in Gestalt der mangelnden Abrechnung des Zusatzentgeltes 80.03 begründete nach seiner Art keinen offensichtlichen, ins Auge springenden Korrekturbedarf. Die Schlussrechnung war nämlich auch ohne die nicht kodierten Leistungen der Gabe des Arzneimittels Docetaxel in einer Menge von 150 mg nicht unplausibel. Der Beklagten konnte sich aufgrund der Abrechnung vom 6. Oktober 2010 nicht erschließen, dass die Klägerin die später kodierten Arzneimittel tatsächlich verabreicht hatte. Dies zieht die Klägerin im Übrigen auch nicht in Zweifel. Die Klägerin erklärte in ihrer ersten Schlussrechnung auch weder einen ausdrücklichen noch einen nur sinngemäßen spezifischen Vorbehalt späterer Nachforderung.
Allerdings erfolgte die korrigierte Schlussrechnung am 22. März 2011 zur Überzeugung des Gerichts tatsächlich noch "zeitnah". Nach dem Verständnis des erkennenden Gerichts ist für die Korrekturmöglichkeit nicht auf das laufende Haushaltsjahr abzustellen, sondern stets das Folgejahr einzubeziehen, weil für die Korrektur mindestens ein "vollständiges Geschäftsjahr" zur Verfügung stehen muss. Dies folgt insbesondere aus den überzeugenden Ausführungen des 3. Senats des BSG in der oben benannten Entscheidung.
Soweit die Beklagte darin eine Divergenz im Hinblick auf die Auslegung einer zeitnahen Rechnungskorrektur sieht, kann das Gericht dem nicht folgen. Soweit der 1. Senat des BSG in der oben benannten Entscheidung folgendes ausführt:
" Die korrigierende Nachforderung des Klägers erfolgte schließlich nicht mehr zeitnah, insbesondere nicht innerhalb des laufenden Haushaltsjahres der Beklagten, sondern mehr als vier Jahre nach Übersendung und Bezahlung der ersten Rechnung. KKn müssen indes nicht hinnehmen, dass Krankenhäuser innerhalb der Verjährungsfristen durch Nachforderungen trotz erteilter Schlussrechnung ihre Abrechnung noch nach Jahren nachträglich um Positionen ergänzen, die sie bei normaler Sorgfalt von Anfang an in ihrer ersten Schlussrechnung hätten berücksichtigen können. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - das Krankenhaus seinerseits ein vollständiges Geschäftsjahr Zeit gehabt hat, die nicht offensichtliche Unvollständigkeit der eigenen Schlussrechnung zu korrigieren "
kann dies nur so verstanden werden, wie es der 3. Senat des BSG ausführte. Die Korrektur einer nicht offensichtlich unvollständigen Schlussrechnung ist, unter den oben ausgeführten weiteren Voraussetzungen, bis zum Ende des auf die Schlussrechnung folgenden Kalenderjahres möglich. Dem schließt sich auch das erkennende Gericht an, was dazu führt, dass die Klägerin mit ihrer Nachforderung nicht ausgeschlossen ist.
Der Zahlungsanspruch der Klägerin ist begründet.
Die Klage ist auch im Hinblick auf den geltend gemachten Zinsanspruch begründet. Der Zinsanspruch folgt aus § 10 Abs. 4 und 5 des Vertrages über die Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für das Land Hessen. Anspruchsbegründender Verzug trat am 23. April 2011 ein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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