S 34 KR 264/15

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
34
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 34 KR 264/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 65/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 2/19 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Weitergewährung von Krankengeld über den 31.12.2014 hinaus bis zum 18.05.2015.

Der Kläger ist 1977 geboren und bei der Beklagten krankenversichert. Er war seit 19.05.2014 arbeitsunfähig erkrankt. Bis 29.06.2014 erhielt er Entgeltfortzahlung von seinem Arbeitgeber und ab 30.06.2014 Krankengeld in Höhe von EUR 94,50 brutto kalendertäglich von der Beklagten (Bescheid vom 11.08.2014). Vom 01.04.2010 bis 30.11.2014 war der Kläger als Arzt und Oberarzt bei der Kliniken des C. GmbH beschäftigt.

Der Kläger war zunächst wegen einer Erkältungskrankheit für folgende Zeiträume krankgeschrieben: Vom 19.05.2014 bis 23.05.2014 und vom 26.05.2014 bis 30.05.2014 durch Herrn D., vom 02.06.2014 bis 06.06.2014 durch Herrn Dr. E. und vom 11.06.2014 bis 18.06.2014 durch Herrn Dr. F. Sodann war der Kläger ab 13.06.2014 durch die Orthopädische Gemeinschaftspraxis Dr. G. u.a. wegen einer Fersenbeinfraktur (2008) mit Komplikationen (posttraumatische Arthrose des unteren Sprunggelenkes links) krankgeschrieben, zunächst bis 30.06.2014. Es folgten Folgebescheinigungen vom 01.07.2014 bis 14.07.2014 und vom 15.07.2014 bis 28.07.2014 sowie nach Krankenhausbehandlung (Arthrodese) vom 28.07.2014 bis 01.08.2014 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Katholischen Klinikums Mainz vom 31.07.2014 bis 28.08.2014. Sodann folgten Krankengeldauszahlungsscheine von Dr. E. vom 07.08.2014, von Dr. G. am 29.08.2014, von Dr. H. am 23.09.2014, von Dr. E. am 27.10.2014, von Dr. H. am 04.11.2014 und von Dr. E. am 17.11.2014 (mit einer Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich bis 31.12.2014). Am 13.11.2014 war zudem eine tiefe Venenthrombose links festgestellt worden. Ab 06.01.2015 folgten weitere Krankengeldauszahlungsscheine, ausgestellt von Frau Dr. J.

Bereits mit Schreiben vom 14.07.2014 und im Bescheid vom 11.08.2014 hatte die Beklagte den Kläger darauf hingewiesen, die weitere Arbeitsunfähigkeit immer lückenlos vom Arzt feststellen und attestieren zu lassen, denn durch eine Lücke könne die Krankengeldzahlung enden.

Mit Bescheid vom 08.01.2015 lehnte die Beklagte die weitere Zahlung von Krankengeld ab, da eine lückenlose Arbeitsunfähigkeit zwischen dem 31.12.2014 und dem 06.01.2015 nicht nachgewiesen sei. Ein neuer Krankengeldanspruch ab dem Folgetag der attestierten Arbeitsunfähigkeit, dem 07.01.2015, scheide aus, da eine Mitgliedschaft zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bestanden habe.

Am 29.01.2015 erhob der Kläger Widerspruch, da ein fortdauernder Krankheitsverlauf vorliege. Er legte einen weiteren Auszahlschein vom 02.02.2015 vor. Mit Schreiben vom 03.02.2015 teilte die Beklagte mit, dass sie nach nochmaliger Prüfung bei ihrer Rechtsansicht bleibe. Die rechtzeitige Meldung der Arbeitsunfähigkeit sei eine Obliegenheit des Versicherten. Der Kläger hätte spätestens am 31.12.2014 seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlängern lassen müssen. Ein neuer Krankengeldanspruch ab 07.01.2015 scheide aus, da kein Beschäftigungsverhältnis mehr bestanden habe. Daraufhin legte der Kläger unter dem 16.02.2015 ein ärztliches Attest seiner behandelnden Ärztin Dr. J. vom 10.02.2015 vor, wonach es aus organisatorischen und zeitlichen Gründen nur möglich gewesen sei, dem Kläger einen Termin am 06.01.2015 zu geben. Die Praxis sei vom 31.01.2014 bis 04.01.2015 geschlossen gewesen. Letzter Arbeitstag davor sei der 23.12.2014 gewesen. Zudem trug der Kläger vor, auch die Praxis von Dr. E. sei von Heiligabend bis 06.01.2015 geschlossen gewesen. Zudem sei die Beklagte verpflichtet gewesen, ihn in Kenntnis des beendeten Arbeitsverhältnisses zu belehren. Schließlich sei er wegen thrombotischer Komplikationen seines operierten Fußgelenkes ans Bett gebunden gewesen. Es folgten weitere Auszahlscheine vom 16.02.2015, 02.03.2015, 16.03.2015 und 30.03.2015.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.05.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Darin führte die Beklagte erneut aus, dass der Kläger spätestens am 31.12.2014 hätte die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlängern lassen müssen. Erst am 06.01.2015 sei ärztlicherseits Arbeitsunfähigkeit festgestellt und attestiert worden, wodurch eine Lücke entstanden sei. Die Beklagte habe bereits in früheren Schreiben darauf aufmerksam gemacht, dass die Arbeitsunfähigkeit immer lückenlos festzustellen und zu attestieren sei. Eine Ausnahme durch krankheitsbedingte Handlungs- bzw. Geschäftsunfähigkeit sei nicht gegeben. Auch fiele es nicht in den Verantwortungsbereich der Krankenkassen, wenn die Arztpraxis geschlossen habe und der Versicherte nicht rechtzeitig einen Termin bei seinem Arzt bekomme. Schließlich habe am 07.01.2015 eine Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld nicht mehr bestanden.

Am 12.05.2015 hat der Kläger Klage erhoben. Der Kläger trägt vor, er sei durchgängig vom 19.05.2014 bis 18.05.2015 arbeitsunfähig gewesen, wobei er den letzten Auszahlschein vom 04.05.2015 vorlegte. Der Kläger ist der Ansicht, der Widerspruchsbescheid sei formell rechtswidrig, da er keine Begründung nach § 85 Abs. 3 Satz 1 SGG enthalte. Der Bescheid sei auch materiell rechtswidrig, da der Kläger im Zeitraum 01.01.2015 bis 18.05.2015 einen Anspruch auf Krankengeld habe. Der Kläger sei noch mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen, da die Beklagte selbst in einem Beitragsbescheid aus Januar 2015 davon ausgegangen sei. Der Kläger trägt vor, es sei ihm objektiv aufgrund der Schließung beider Arztpraxen und subjektiv aufgrund eigener Bettlägerigkeit bei tiefer Venenthrombose nicht möglich gewesen, rechtzeitig eine Folgebescheinigung zu erlangen. Er sei fahruntüchtig gewesen. Ein Transport in einem PKW oder Taxi sei nicht denkbar gewesen. Ein Hausbesuch seiner behandelnden Ärzte sei aufgrund deren Urlaubsabwesenheit nicht möglich gewesen. Es habe auch keine medizinische Indikation bestanden, einen Notarzt / ärztlichen Bereitschaftsdienst in Anspruch zu nehmen, nur um die weitere Arbeitsunfähigkeit attestieren zu lassen. Seiner Ansicht nach sei er handlungsunfähig gewesen. Die fehlende Möglichkeit ärztlicher Diagnose und Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch geschlossene Arztpraxen fiele zudem in den Verantwortungsbereich der Beklagten. Dem Kläger sei es nicht zumutbar gewesen, Arzt-Hopping zu betreiben, um eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten. Ferner habe die Beklagte ihre Informationspflichten verletzt, da sie den Kläger nicht davon unterrichtet habe, dass er seinen Status als Mitglied mit Krankengeldanspruch verliere, sofern er seine Arbeitsunfähigkeit nicht lückenlos nachweise.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 08.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.05.2015 aufzuheben und dem Kläger Krankengeld vom 01.01.2015 bis 18.05.2015 in Höhe von EUR 96,25 brutto täglich, insgesamt EUR 13.282,50, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide. Die Beklagte trägt darüber hinaus vor, zum Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides im Januar keine Kenntnis von der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses des Klägers gehabt zu haben. Zudem bestehe ihrer Ansicht nach keine Pflicht, den Kläger auf seine Obliegenheit der rechtzeitigen Verlängerung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hinzuweisen. Auch sei eine krankheitsbedingte Handlungsunfähigkeit nicht belegt, zumal der behandelnde Arzt Dr. E. Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich nur bis 31.12.2014 angegeben habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakte, die beide Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung waren, sowie das übrige Vorbringen der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 126 SGG bei Ausbleiben der Beklagten nach Lage der Akten entscheiden, weil in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist und der Kläger es beantragt hat.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 08.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.05.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere sind die Anforderungen an die Begründung des Widerspruchsbescheides nach § 85 Abs. 3 Satz 1 SGG gewahrt. Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Weitergewährung von Krankengeld über den 31.12.2014 hinaus bis zum 18.05.2015 gemäß §§ 44 Abs. 1, 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der bis 22.07.2015 geltenden Fassung.

Versicherte haben nach § 44 Abs. 1 SGB V Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn Versicherte auf Grund von Krankheit ihre zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen können. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der bis 22.07.2015 geltenden Fassung von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt.

Vorliegend war bei dem Kläger Arbeitsunfähigkeit bis 31.12.2014 und ab 06.01.2015 attestiert worden. Es liegt keine lückenlos attestierte Arbeitsunfähigkeit und es liegt auch kein Ausnahmefall vor.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) obliegt es dem Versicherten, zur Vermeidung einer Unterbrechung oder des Erlöschens von Krankengeldansprüchen und zum Erhalt eines durchgehenden, umfassenden Krankenversicherungsschutzes für eine Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung spätestens am letzten Tag der zuvor bescheinigten Arbeitsunfähigkeit, also vor Fristablauf, Sorge zu tragen. Sinn und Zweck ist, beim Krankengeld Missbrauch und praktische Schwierigkeiten zu vermeiden, zu denen die nachträgliche Behauptung der Arbeitsunfähigkeit und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen könnten (vgl. BSG, Urteil vom 11.05.2017, B 3 KR 22/15 R, Rn. 20 –juris, Urteil vom 16.12.2014, B 1 KR 37/14 R, Rn. 17-19, 22 -juris).

Trotz der gebotenen grundsätzlich strikten Anwendung der gesetzlichen Regelungen hat die Rechtsprechung des BSG in engen Grenzen bestimmte Ausnahmen von den Vorgaben und Grundsätzen anerkannt. So sind dem Versicherten gleichwohl Krankengeldansprüche zuerkannt worden, wenn die ärztliche Feststellung (oder die rechtzeitige Meldung der Arbeitsunfähigkeit nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) durch Umstände verhindert oder verzögert worden ist, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkassen und nicht dem Verantwortungsbereich des Versicherten zuzurechnen sind (zusammenfassend BSG, Urteil vom 08.11.2005, B 1 KR 30/04 R). Derartiges hat das BSG bejaht bei Fristversäumnissen wegen Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit des Versicherten, im Falle des verspäteten Zugangs der Arbeitsunfähigkeitsmeldung bei der Krankenkasse aufgrund von Organisationsmängeln, die diese selbst zu vertreten hat, für Fälle einer irrtümlichen Verneinung der Arbeitsunfähigkeit des Versicherten aufgrund ärztlicher Fehlbeurteilung sowie bei einem von der Krankenkasse rechtsfehlerhaft bewerteten Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nach Aufgabe des letzten Arbeitsplatzes. Als entscheidend für die Anerkennung solcher Ausnahmen hat es das BSG angesehen, dass der Versicherte die ihm vom Gesetz übertragene Obliegenheit, für eine zeitgerechte ärztliche Feststellung der geltend gemachten Arbeitsunfähigkeit Sorge zu tragen, erfüllt, wenn er alles in seiner Macht Stehende tut, um die ärztliche Feststellung zu erhalten: Er hat dazu den Arzt aufzusuchen und ihm seine Beschwerden vorzutragen. Unterbleibt die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsfeststellung dann gleichwohl aus Gründen, die dem Verantwortungsbereich des Arztes zuzuordnen sind, darf sich das nicht zum Nachteil des Versicherten auswirken, wenn er seinerseits alles in seiner Macht Stehende getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert wurde. Hinzukommen muss anschließend, dass der Versicherte seine Rechte bei der Krankenkasse innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend macht. Unter diesen engen Voraussetzungen kann die Unrichtigkeit der ärztlichen Beurteilung auch durch die nachträgliche Einschätzung eines anderen ärztlichen Gutachters nachgewiesen werden und der Versicherte ausnahmsweise auch rückwirkend Krankengeld beanspruchen. Für diesen Ausnahmefall spricht vor allem, dass die Mitwirkungsobliegenheit des Versicherten an der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit auf das ihm Zumutbare beschränkt ist. Verneint der behandelnde Vertragsarzt die (medizinischen) Voraussetzungen für das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit zu Unrecht, muss sich der Versicherte daher nicht so lange um (vertrags-)ärztliche Diagnostik bemühen, bis ihm (endlich) ein anderer Arzt die Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Gegenteiliges würde nämlich zum einen das Vertrauen zu den in das Leistungssystem der Gesetzlichen Krankenversicherung einbezogenen Ärzten untergraben und zudem einem nicht erwünschten sog "Arzt-Hopping" Vorschub leisten. Demgemäß fällt die objektive medizinische Fehlbeurteilung eines an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arztes in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017, B 3 KR 22/15 R, Rn. 22-24, 34 –juris, Urteil vom 16.12.2014, B 1 KR 37/14, Rn. 26-28 -juris).

Nach diesen Maßstäben, denen sich die Kammer vollumfänglich anschließt, ist ein Ausnahmefall vorliegend nicht gegeben.

Es lag keine Handlungsunfähigkeit des Klägers vor. So soll nach der Rechtsprechung eine rückwirkende Feststellung bei einer Geisteskrankheit möglich sein, wenn Geschäftsunfähigkeit besteht und ein gesetzlicher Vertreter nicht vorhanden war und wenn der Versicherte auf Grund dieses Umstandes nicht in der Lage gewesen ist, die für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit obligatorischen Handlungen vorzunehmen. Gerade bei psychischen Erkrankungen kann es zumindest vorübergehend zu einem solchen oder vergleichbaren Zustand kommen, in welchem dem Versicherten krankheitsbedingt – z. B. durch mangelnde Einsicht – eine Meldung nicht möglich ist. Denn maßgeblich kann nur sein, ob der Versicherte zu einer entsprechenden Willensanspannung überhaupt noch in der Lage war, um die für eine Feststellung erforderlichen Handlungen vorzunehmen. Ob hieraus eine vorübergehende Geschäftsunfähigkeit folgt, kann nicht im Vordergrund stehen und wird sich im Einzelfall nur schwer ermitteln lassen. So ist zu überlegen, ob auch z.B. bei schweren Depressionen eine solche Situation eintreten kann, wenn hieraus eine Situation abgeleitet werden kann, bei der der Versicherte sich vorübergehend in einem der Geschäftsunfähigkeit bzw. Handlungsunfähigkeit ähnlichen Zustand befindet. In diesen Fällen wäre dann ausnahmsweise der Beginn der Arbeitsunfähigkeit für den Krankengeldbeginn maßgebend (vgl. Sonnhoff in: Schlegel/Voelzke, juris PK - SGB V, 3. Aufl. 2016, § 46 SGB V Rn. 42 m.w.N.). Vorliegend war der Kläger aber nicht aufgrund einer psychiatrischen Diagnose erkrankt.

Dasselbe dürfte auch gelten, wenn der Versicherte sich in einer vergleichbaren Situation befindet, die aber so außergewöhnlich und dringlich sein muss, dass sie ihn gewissermaßen körperlich handlungsunfähig macht. Als Beispiele werden in der Literatur Bergunfälle mit Rettung erst nach einigen Tagen und Ohnmachtsunfälle Alleinstehender mit Auffindung erst Tage später genannt. Normale, alltägliche Erschwernisse, eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu erlangen (z. B. Wochenende) rechtfertigen dagegen keine Ausnahme (Sonnhoff in: Schlegel/Voelzke, juris PK - SGB V, 3. Aufl. 2016, § 46 SGB V Rn. 42 m.w.N.). Im vorliegenden Fall war der Kläger vom 25.12.2014 bis 01.01.2015 aufgrund einer Venenthrombose im linken Bein nach eigenen Angaben bettlägerig, da das Bein hochgelagert werden musste. Hierbei handelt es sich aber um keinen der obigen extremen Ausnahmefälle. Nach Ansicht der Kammer wäre es dem Kläger möglich und zumutbar gewesen, (irgend-)einen Arzt im Bereitschaftsdienst aufzusuchen (mit auf der Rücksitzbank im Auto hochgelagertem Bein) oder auch um einen Hausbesuch zu bitten, wenn schon kein Fall für das Rufen des Rettungsdienstes vorlag. Vor allem aber hätte der Kläger bereits vor Weihnachten seine behandelnden Ärzte aufsuchen können, war doch klar, dass die Arbeitsunfähigkeit nur bis 31.12.2014 attestiert war und viele Arztpraxen zwischen den Jahren geschlossen haben. Sicherlich kann nicht in jedem Fall verlangt werden, weit vor Fristablauf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu verlängern. Bei den Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr muss aber etwas anderes gelten, da hier mit Schließzeiten zu rechnen ist.

Es lagen auch keine Umstände vor, die in den Verantwortungsbereich der Beklagten fallen. Allein die Schließung von Arztpraxen zwischen den Jahren reicht hierfür nicht. Vielmehr hat der Kläger nicht alles in seine Macht stehende getan. Er hat keinen Arzt aufgesucht. Wäre der Kläger zu (irgend-)einem anderen Arzt gegangen und hätte dort seine Beschwerden geschildert, wäre die Weigerung der Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei tatsächlich vorliegender Arbeitsunfähigkeit dem Verantwortungsbereich der Beklagten zuzurechnen. Der Kläger hat es aber nicht für nötig erachtet, einen Arzt aufzusuchen, da er irrig davon ausging, ein Arztbesuch nach den Feiertagen am 02.01.2015 wäre ausreichend, die bis 31.12.2014 ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu verlängern, wie er in der mündlichen Verhandlung selbst angab. Möglicherweise ging der Kläger auch davon aus, dass er bei dem Vorliegen einer Lücke nur vorübergehend für die Zeit der Lücke kein Krankengeld erhalte. Hierbei hat er nicht beachtet, dass er sein Arbeitsverhältnis zum 30.11.2014 selbst gekündigt hatte. Auch hatte er sich nicht informiert, welche Auswirkungen die Kündigung auf seine Mitgliedschaft bei der Beklagten und seinen Krankengeldanspruch haben kann.

Hieran anknüpfend hat die Beklagte keine Informationspflichten verletzt. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den Kläger auf seine Obliegenheiten, nämlich die Notwendigkeit der erneuten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsfeststellung rechtzeitig vor Ablauf des schon festgestellten Zeitraums und die eventuell gravierenden Folgen hinzuweisen (BSG, Urteile vom 16.12.2014, B 1 KR 37/14 R, Rn. 25 –juris, B 1 KR 25/14 R, Rn. 16 –juris). Gleichwohl hat die Beklagte den Kläger im Schreiben vom 14.07.2014 darauf hingewiesen, dass eine weitere Arbeitsunfähigkeit immer lückenlos vom Arzt festzustellen und zu attestieren ist, da ansonsten der Anspruch auf Krankengeld ende. Auch im Bescheid vom 11.08.2014 wies die Beklagte darauf hin, dass die Arbeitsunfähigkeit auf dem Zahlschein immer lückenlos zu bescheinigen sei, da durch eine Lücke in der Krankschreibung die Krankengeldzahlung ende. Von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfuhr die Beklagte zudem erst Ende Januar 2015, so dass der Beitragsbescheid im Januar 2015 noch in Unkenntnis erging.

Aufgrund seiner Nachlässigkeit hat der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld im Zeitraum 01.01.2015 bis 18.05.2015, da zu diesem Zeitpunkt keine Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zum 30.11.2014 und attestierter Arbeitsunfähigkeit nur bis zum 31.12.2014 mehr bestand (vgl. § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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