S 31 R 36/11

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
31
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 31 R 36/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 283/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Der Bescheid der Beklagten vom 06.07.2010 und der Widerspruchsbescheid vom 17.12.2010 werden aufgehoben.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist eine Rückforderung aus Überzahlung von Altersrente streitig.

Die Mutter der Klägerin, Frau E. H-F. verstarb am xx.xx.2009, sie bezog von der Beklagten Regelalters- und Witwenrente. Die Klägerin erfuhr von deren Versterben am Todestag.

Für die Zeit von Januar bis März 2010 erfolgte eine Überzahlung der Rente an die Verstorbene durch die Beklagte, die am 04.01.2010 telefonisch über das Versterben ihrer Versicherten unterrichtet worden war. Auf das Rückforderungsersuchen teilte die G Stadter Sparkasse am 17.03.2010 mit, dass für eine komplette Rückzahlung der überzahlten Rente das Guthaben nicht ausreiche. Eine Teilzahlung in Höhe von 992,12 Euro sei veranlasst. Verfügungsberechtigt über das Konto sei die Klägerin. Unter anderem seien von ihr am 04.01.2010 505,00 Euro und am 05.01.2010 405,00 Euro verfügt worden am Geldausgabeautomat mit der Karte der Verstorbenen. Mit Schreiben vom 17.05.2010 forderte die Beklagte die Klägerin zur Rückzahlung überzahlter Rentenbeträge in Höhe von 961,68 Euro auf. Dieser Betrag ergab sich durch die überzahlte Rente von Januar bis März 2010 in Höhe von 1486,38 Euro abzüglich bereits zurückgeflossener Rentenbeträge in Höhe von 992,12 Euro abzüglich Beitragsanteil zur Krankenversicherung von 4,20 Euro, abzüglich Beitrag zur Pflegeversicherung von 1,04 Euro, insgesamt als überzahlte Versichertenrente in Höhe von 489,02 Euro, des Weiteren überzahlte Witwenrente für Januar 2010 in Höhe von 519,06 Euro abzüglich bereits zurückgeflossener Rentenbeträge in Höhe von 40,91 Euro abzüglich Beitragsanteil zur Krankenversicherung in Höhe von 4,40 Euro, abzüglich Beitrag zur Pflegeversicherung von 1,09 Euro, insgesamt 472,66 Euro, so dass sich ein Gesamtbetrag für Versicherten- und Witwenrente, die überzahlt wurden von 961,68 Euro ergab. In diesem Schreiben wurde § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI zitiert und dargelegt, dass nach den getroffenen Feststellungen die Klägerin die überzahlten Rentenbeträge in Empfang genommen beziehungsweise über sie verfügt habe. Die Klägerin wurde gebeten, den überzahlten Rentenbetrag an die Beklagte zu überweisen.

Mit Bescheid vom 06.07.2010 forderte die Beklagte von der Klägerin die überzahlten Rentenbeträge in Höhe von 961,68 Euro zurück mit der Begründung, sie habe über die überzahlten Rentenbeträge verfügt, außerdem sei sie Erbe der Verstorbenen. Gegen diesen Bescheid wandte sich die Klägerin mit Widerspruch vom 10.07.2007 (wohl 10.07.2010), eingegangen bei der Beklagten am 14.07.2010. Zur Begründung legte sie dar, dass sie den von der Beklagten geforderten Betrag nicht in Empfang genommen habe. Sie habe keinerlei Zugang und Berechtigung sowie Kontovollmacht, dieses Geld vom Konto ihrer verstorbenen Mutter abzuheben. Außerdem sei das Geld in Griechenland von der Bank abgehoben worden und zu diesem Zeitpunkt sei sie nicht in Griechenland gewesen. Der von der Beklagten geforderte Betrag sei von ihrem Stiefbruder, Herr H. H. in Griechenland von der Bank abgehoben worden. Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin unter dem 26.07.2010 mit, dass sie sich wegen der Rückforderung zunächst an Herrn H. H. wenden wolle. Entsprechend wurde mit Schreiben vom 26.07.2010 Herr H. H. gebeten, den überzahlten Rentenbetrag in Höhe von 961,68 Euro an die Beklagte zu überweisen. Nach dieser erfolgten Anhörung wurde Herr H. H. mit Bescheid vom 22.09.2010 zur Zahlung der überzahlten Versicherten- und Witwenrente aufgefordert. Diese entgegnete mit Schreiben vom 28.09.2010, er habe nicht gewusst, dass seine Mutter die Rente im Voraus bezahlt bekommen habe, sonst hätte er die Überzahlung nicht in Empfang genommen. Er sei selbstverständlich bereit, den überzahlten Betrag an die Rentenversicherung zurückzuzahlen. Er habe aber zurzeit leider nicht die finanzielle Möglichkeit dazu, da er momentan arbeitslos sei und ohne finanzielles Einkommen. Darauf wurde Herr H. H. mit Schreiben vom 04.10.2010 aufgefordert, einen angemessenen Ratenzahlungsvorschlag zu machen, was dieser mit Schreiben vom 19.10.2010 ablehnte unter Hinweis darauf, dass er momentan arbeitslos sei und auch kein finanzielles Einkommen habe.

Am 17.12.2010 erließ die Beklagte gegenüber der Klägerin zurückweisenden Widerspruchsbescheid. Zur Begründung wurde auf § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI verwiesen. Es wurde dargelegt, dass die Klägerin verfügungsberechtigt über das Konto der verstorbenen Versicherten gewesen sei. Sie habe als Verfügung zugelassen, dass von einem Geldausgabeautomaten mit der Karte ihrer Mutter abgehoben worden sei. Somit sei sie gemäß § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI verpflichtet, den überzahlten Betrag an sie zu erstatten. Des Weiteren bleibe gemäß § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI ein Anspruch gegen die Erben nach § 50 SGB X unberührt. Bei mehreren Erben hafte jeder als Gesamtschuldner nach § 258 BGB. Die Voraussetzungen der §§ 50, 45, 48 SGB X seien erfüllt. Ein Vertrauensschutz liege nicht vor. Besonderer Gründe, das begrenzt eingeräumte Ermessen auszuüben, ergebe in der Abwägung, dass die Klägerin zur Zurückzahlung des überzahlten Betrags verpflichtet sei.

Am 13.01.2011 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben, mit der sie die Aufhebung des Bescheides vom 06.07.2010 und des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2010 begehrt. Zur Begründung hat sie erneut darauf hingewiesen, dass sie über den streitgegenständlichen Betrag nicht verfügt habe. Dieser falle auch nicht in die Erbschaft und könne deshalb auch nicht von den Erben zurückgefordert werden. Sie sei zu keinem Zeitpunkt über das Konto verfügungsberechtigt gewesen. Die Bankvollmacht habe nur demjenigen Zweck gedient, von einem Sparbuch mit ausdrücklichem Auftrag der Verstorbenen gelegentlich Gelder abzuheben und diese dann auf dem streitgegenständlichen Konto einzuzahlen, damit dann die Verstorbene hierüber habe verfügen können. Über die finanziellen Belange der Verstorbenen sei ihr nichts bekannt gewesen. Ihr Bruder habe ganz sicher die Verfügungen getätigt. Dieser habe erklärt, dass er sich um alles weitere kümmern wolle. Erst nachdem sie von der Beklagten Mitteilung erhalten habe, habe sie erfahren, dass von dem besagten Konto durch Herrn H. H. Geld abgehoben worden sei.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 06.07.2010 in Gestalt des angefochtenen Widerspruchsbescheides vom 17.12.2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass die Inanspruchnahme der Klägerin nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI als Verfügungsberechtigte gerechtfertigt sei. Die Klägerin hätte sich nicht darauf verlassen dürfen, dass ihr Bruder die Angelegenheiten ordnungsgemäß regelt. Aufgrund ihrer Verfügungsberechtigung hätte sie selbst dafür Sorge tragen müssen, dass gegebenenfalls nach dem Tod zu Unrecht eingegangene beziehungsweise eingehende Leistungen zurückgezahlt werden könnten.

Die Verwaltungsakte der Beklagten wurde dem Verfahren beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachverhaltsaufklärung und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte, die Gegenstand der Entscheidung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte vorliegend durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil der Rechtsstreit keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist und das Gericht den Sachverhalt als geklärt ansieht.

Die zulässige Klage ist begründet.

Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind zu Unrecht ergangen.

Nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB XI hat die Beklagte die Klägerin als Verfügende in Anspruch genommen, weil sie die Verfügung durch ihren Bruder in Höhe der Rückforderungssumme zugelassen hat und verfügungsberechtigt über das Konto gewesen sei. Des Weiteren hat sie auf die Stellung der Klägerin hingewiesen.

Die Klägerin hat vorliegend nicht aktiv selbst über die überzahlte Rente verfügt. Dies geschah durch ihren Bruder, der nach eigenen Angaben nicht über die finanziellen Mittel verfügt, die überzahlte Rente zurückzahlen zu können. Der Rückforderungsanspruch der Beklagten kann nicht darauf gründen, dass die Klägerin die Verfügung durch ihren Bruder zugelassen hat. Das Zulassen eines banküblichen Geschäfts erfordert ein pflichtwidriges Unterlassen. Erforderlich sind also gebotene, aber pflichtwidrig unterlassene Handlungen, durch die Verfügungen Dritter über das Konto verhindert werden können, wie etwa die Sperrung des Kontos (Flügger in: Schlegel/Voelcke, Juris PK-SGB VI, 2. Auflage 2013, § 118 SGB VI). Ein solch pflichtwidriges Verhalten der Klägerin vermag die erkennende Kammer vorliegend nicht festzustellen. Die Beklagte hat keine Anhaltspunkte vorgetragen und aus der Akte sind solche auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin sich nicht darauf verlassen dürfte, dass ihr Bruder im Rahmen der Gesetze die Angelegenheit regeln werde. Nach dem Vortrag der Klägerin und nach Aktenlage bestand für die Klägerin keinerlei Anlass zur Besorgnis, dass der Bruder von der überzahlten Rente Geld abheben würde. Entsprechend vermag die erkennende Kammer auch nicht festzustellen, dass die Klägerin pflichtwidrig unterlassen hat, die Sperrung des Kontos vorzunehmen.

Eine Erbenhaftung nach § 118 Abs. 4 Satz 5 SGB VI entfällt ebenfalls, da nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, Urteil vom 3. April 2014, Aktenzeichen: B 5 R 25/13 R, der sich die erkennende Kammer anschließt, zurückgefordert werden können nur Leistungen nach § 50 SGB X von demjenigen, der sie zu Unrecht erhalten hat. Nach der Sachverhaltsermittlung der Beklagten und auch nach den Einlassungen des Bruders hat nicht die Klägerin sondern deren Bruder die überzahlten Rentenleistungen erhalten.

Mangels rechtlicher Grundlage des Forderungsanspruchs der Klägerin waren daher der Bescheid vom 06.07.2010 und der Widerspruchsbescheid vom 17.12.2010 aufzuheben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Rechtskraft
Aus
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