S 11 KR 606/11

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 11 KR 606/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 364/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 13/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid vom 31.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2011 wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass die Rente aus der Versicherung VBLextra nicht der Beitragspflicht unterliegt.

3. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erhebung von Beiträgen aus einer Rente der freiwilligen Versicherung VBLextra. Der Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert, die zugleich seine frühere Arbeitgeberin war.

Seit dem 01.01.2011 bezieht der Kläger eine Altersrente für Schwerbehinderte (1.744,36 EUR monatlich) sowie eine Betriebsrente der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) in Höhe von monatlich 763,12 EUR. Zudem erhält der Kläger seit dem 01.01.2011 eine monatliche Rente in Höhe von 121,31 EUR brutto von der VBL aus der Versicherung VBLextra, die der Kläger 2002 auf Empfehlung seiner Arbeitgeberin abgeschlossen hatte. Die Beiträge für diese Versicherung, die nach §§ 10a Abs. 1 S. 1, 82 EStG als Altersvorsorgebeiträge förderungsfähig waren, wurden bis zum 31.12.2003 von der Arbeitgeberin von dem Nettogehalt des Klägers einbehalten und an die VBL abgeführt. Nachdem die Arbeitgeberin den Vertrag mit der VBL zum 31.12.2003 gekündigt hatte, entrichtete der Kläger die Beiträge in der Folgezeit unmittelbar an die VBL. Eine finanzielle Beteiligung erfolgte durch die Arbeitgeberin nicht; der Kläger war durchgehend Versicherungsnehmer. Auf die weiteren Einzelheiten der Versicherungsunterlagen wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 12.01.2011 teilte die VBL dem Kläger mit, dass aus der Rente VBLextra monatlich Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 21,17 EUR an die Beklagte abgeführt würden. Hiergegen legte der Kläger bei der VBL und bei der Beklagten Widerspruch ein. Er gab an, dass es sich um eine Riester-Rente handele, die der privaten Eigenvorsorge zuzurechnen sei und daher nicht zu den beitragspflichtigen Versorgungsbezügen gehöre.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Bescheid vom 31.01.2011 mit, dass der Bezug zum Einkommen zähle und daher für die Beitragsberechnung heranzuziehen sei. Zugleich verwies sie auf ihre Meldung an die VBL als Zahlstelle. Ein weiteres Schreiben der Beklagten an den Kläger datiert vom 01.02.2011. Die Beklagte gab hierbei an, dass es sich bei der Versicherung VBLextra um eine Form der Riester-Rente handeln würde, die ausschließlich den bei der VBL pflichtversicherten Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zur Verfügung stehe. Die Einschränkung des beitrittsberechtigten Personenkreises reiche aus, um einen mittelbaren Zusammenhang der Versicherungsleistung mit dem früheren Erwerbsleben herzustellen und die Rente den Versorgungsbezügen zuzurechnen.

Am 08.02.2011 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten, den Widerspruch aufrecht zu erhalten. Mit Bescheid vom 13.04.2011 wies die Beklagte den Widerspruch schließlich aus den zuvor genannten Gründen zurück.

Am 16.05.2011 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Fulda.

Der Kläger meint, dass es sich bei der Rente aus der VBLextra um eine klassische Riester-Rente im Sinne des Altersvorsorgegesetzes handeln würde, die aus individuell versteuerten Bezügen finanziert worden sei und nicht der Beitragspflicht unterliege. Die Auffassung, dass eine Leistung der freiwilligen Versicherung der VBL mittelbar aus Anlass des früheren Beschäftigungsverhältnisses einen Bescheid mit beitragsrechtlichen Auswirkungen haben könne, sei nicht hinzunehmen. Zudem könne der Bezug nur bis zum 31.12.2003 hergestellt werden.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 31.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2011 aufzuheben und festzustellen, dass die Rente aus der Versicherung VBLextra nicht der Beitragspflicht unterliegt.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Auf den weiteren Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakte wird vollumfänglich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Das Feststellungsinteresse liegt vor. Der Kläger hat wegen der mit einer Beitragspflicht einhergehenden wiederholten Belastung ein berechtigtes Interesse an der abschließenden Klärung der Rechtslage. Die Zulässigkeit der Klage scheitert nach Auffassung des Gerichts im vorliegenden Verfahren aus diesem Grund auch nicht an dem Subsidiaritätsgrundsatz.

Die Klage ist zudem vollumfänglich begründet.

Die VBLextra-Rente, die der Kläger seit dem 01.01.2011 neben der gesetzlichen Rente und der Betriebsrente von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) bezieht, unterliegt nicht der Beitragspflicht. Gemäß § 237 S. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) V wird bei versicherungspflichtigen Rentnern auch der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen zu Grunde gelegt. Hierzu gehören nach § 229 Abs. 1 Nr. 5 SGB V unter anderem Renten der betrieblichen Altersversorgung, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- und Hinterbliebenenversorgung erzielt werden.

Nach der Rechtsprechung gehören zur betrieblichen Altersversorgung Bezüge vom (früheren) Arbeitgeber, von bestimmten Institutionen oder Einrichtungen, bei denen in der Regel ein Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu dieser Sicherungsform und einer Erwerbstätigkeit besteht (Kasseler-Kommentar-Peters, SGB V, Stand 2014, § 229, Rn. 12). Die Legaldefinition des § 1 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) ist für die Auslegung im Sozialversicherungsrecht nicht bindend - der Begriff ist weiter (jurisPK-Peters, SGB V, 2. Auflage 2012, § 229, Rn. 35). So liegt ein beitragspflichtiger Versorgungsbezug im vorgenannten Sinne auch dann vor, wenn die Leistung in engem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis des Versicherten steht, in ihren Voraussetzungen einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar ist und ihrer Höhe nach von dem Gehalt aus dem Arbeitsverhältnis abhängt (jurisPK-Peters, a.a.O. Rn. 37). Entsprechendes gilt für Renten aus privaten Versicherungsverträgen, die der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer im Wege der Direktversicherung abgeschlossen hat, solange der Arbeitgeber bis zum Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb Versicherungsnehmer und der Arbeitnehmer lediglich Bezugsberechtigter war (vgl. jurisPK-Peters, a.a.O., Rn. 44). Es handelt sich hierbei um eine institutionelle Abgrenzung, bei der die Modalitäten der individuellen Beitragsgestaltung und des Leistungsrechts unberücksichtigt bleiben (Kasseler-Kommentar-Peters, a.a.O.).

Von diesen Grundsätzen ausgehend, unterliegt die streitgegenständliche Rente aus der Versicherung VBLextra nicht der Beitragspflicht. Die Arbeitgeberin hat dem Kläger weder Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Beschäftigungsverhältnisses zugesagt noch beruht die Leistung im vorliegenden Verfahren auf einem privaten Versicherungsvertrag, der im Wege der Direktversicherung abgeschlossen worden war. Grundlage der Rentenzahlung ist vielmehr ein nach §§ 10a, 82 Einkommensteuergesetz (EStG) geförderter Riester-Vertrag gewesen, der grundsätzlich der privaten und damit beitragsfreien Altersvorsorge zuzurechnen ist. Das muss jedenfalls dann gelten, wenn die Rente wie im vorliegenden Fall ausschließlich von dem Kläger - das heißt ohne Förderung oder Beteiligung durch die Arbeitgeberin - finanziert worden ist. Für die Zuordnung zur privaten Altersvorsorge spricht im Übrigen auch die durchgehende Versicherungsnehmereigenschaft des Klägers, die sich aus den vorgelegten Versicherungsscheinen ergibt (Bl. 50 und 60 der Gerichtsakte). Sie ist bei Direktversicherungen wesentliches Kriterium für die Abgrenzung zwischen beitragspflichtigen und beitragsfreien Bezügen (vgl. zur einmaligen Leistung bei Kapitallebensversicherungen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28.09.2010, Az. 1 BvR 1660/08, Rn. 9, zitiert nach juris, Urteil des Bundessozialgerichts vom 30.03.2011, Az. B 12 KR 24/09 R, Rn. 27, zitiert nach juris).

Der Umstand, dass der Kläger ausschließlich aufgrund der zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Pflichtversicherung bei der VBL zum Abschluss der Versicherung VBLextra berechtigt gewesen ist, führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ein mittelbarer Zusammenhang zum Erwerbsleben keineswegs ausreichend, um die darauf beruhende Leistung der Beitragspflicht zu unterwerfen. Im Übrigen wäre selbst dieser Bezug zum Erwerbsleben mit der Beendigung der Pflichtmitgliedschaft des Klägers bei der VBL zum 31.12.2003 (wieder) entfallen. In diesem Fall bedarf es vielmehr weiterer wesentlicher Umstände, die eine Zuordnung zur betrieblichen Altersversorgung erlauben. Hierfür ergeben sich aus dem vorliegenden Sachverhalt aber keine Anhaltspunkte. Dass die Arbeitgeberin zunächst als Einzugsstelle aufgetreten ist und die Beiträge des Klägers bis zur Kündigung des mit der VBL bestehenden Vertrages unmittelbar an die VBL abgeführt hat, ist unerheblich. Um eine "Betriebsrente wegen Alters" im sozialversicherungsrechtlichen Sinne handelt es sich deswegen nicht.

Angemerkt sei an dieser Stelle, dass bereits in der Ergebnisniederschrift des GKV Spitzenverbandes - Fachkonferenz Beiträge - vom 22.11.2011 ausdrücklich festgehalten ist, dass Riester-Renten, die ohne jegliche Beteiligung des Arbeitgebers finanziert worden sind, nicht in den Anwendungsbereich des § 229 SGB V fallen (vgl. TOP 3, Seite 11 der Ergebnisniederschrift). An dieser Auffassung hält der GKV Spitzenverband bis heute fest (vgl. Ergebnisniederschrift vom 19.11.2013, A II 1.6.3, S. 25). Vor diesem Hintergrund ist die Haltung der Beklagten, selbst in der mündlichen Verhandlung ohne eingehende Begründung entschieden an ihrer Rechtsauffassung festzuhalten, nicht nachvollziehbar.

Nach alledem ist ein hinreichender betrieblicher Bezug der VBLextra-Rente nicht festzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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