S 29 SO 133/19 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
29
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 29 SO 133/19 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Besteht bei einem behinderten Kind aufgrund einer Epilepsieerkrankung jederzeit das Risiko eines Anfalls, unterfallen die Kosten für eine ggf. erforderliche persönliche Assistenz des Kindes während des Schulwegtransports den Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und nicht den Leistungen der Behandlungspflege nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung.

2. Ist die Verabreichung eines Notfallmedikaments bei Epilepsie jedermann ohne medizinische Kenntnisse möglich, besteht kein Anspruch auf Übernahme der Kosten einer Schulwegbegleitung. Während des Schulwegtransports unterliegt vielmehr der Fahrer des Transportunternehmens im Notfall der allgemeinen Hilfepflicht gemäß § 323c StGB.
Der Antrag wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtschutzes die Übernahme der Kosten einer Begleitperson während des Schulweges im Rahmen von Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII).

Der 2009 geborene Kläger leidet an myoklonisch-astatischer Epilepsie und wird mit dem Medikament Valproat behandelt. Er ist seit März 2014 anfallsfrei, gleichwohl wegen jederzeit bestehenden Risikos eines Anfalls verpflichtet, ein Notfallmedikament (Buccolam 7,5mg) mitzuführen (kinderärztlicher Attest des Facharztes für Kinderheilkunde Dr. C. vom 19.03.2019). Der Antragsteller besucht die vierte Klasse der D-Schule und erreicht diese mit dem Fahrdienst E. GmbH & Co. KG. Bis zum 28.08.2017 war zwischen den Eltern des Antragstellers und dem Fahrer des Unternehmens vereinbart, dass dieser das Notfallmedikament im Handschuhfach mitführt und es im Notfall dem Antragsteller verabreicht. Zum 29.08.2017 setzte das Unternehmen einen neuen Fahrer ein, welcher sich weigerte, das Medikament im Notfall zu verabreichen. Die Mutter des Klägers übernahm daraufhin die Fahrten ihres Sohnes von und zur Schule.

Am 20.05.2019 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Übernahme der Kosten für eine Begleitperson für den Schultransport zum Zwecke der notfallsmäßigen Verabreichung des Medikamentes. Mit Bescheid vom 27.05.2019 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag mit der Begründung ab, bei der beantragten Leistung handele es sich um eine Leistung der häuslichen Krankenpflege nach dem erweiterten Häuslichkeitsbegriff im Sinne des § 37 SGB V, für die die Antragsgegnerin nicht zuständig sei. Dagegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 11.06.2019 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, die Krankenkasse sei nicht zuständig, da es sich bei der Verabreichung des Notfallmedikaments nicht um regelmäßige Medikamentengabe handele. Unter dem 11.07.2019 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, eine Abhilfeentscheidung sei nicht möglich. Zum einen sei die Antragsgegnerin für die Leistungen nach dem SGB V nicht zuständig; zum anderen sei jedermann gemäß § 323c StGB verpflichtet, Menschen in Notsituationen zu helfen, da ansonsten Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung drohe. Ein Widerspruchsbescheid ist noch nicht ergangen.

Am 27.09.2019 hat der Antragsteller einen Antrag auf Gewährung des Eilrechtsschutzes gestellt.

Er ist der Ansicht, ihm stehe ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für einen Schulbegleiter für den Weg zur Schule und zurück zum Elternhaus gegen die Antragsgegnerin. Die Eilbedürftigkeit ergäbe sich daraus, dass es dem Antragsteller nicht zuzumuten sei, den ungeklärten Zustand im Hinblick auf seine Notfallversorgung während des Schultransports hinzunehmen.

Der Antragsteller beantragt,
die Antragsgegnerin bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens gegen den Beschied vom 27.05.2019 vorläufig zu verpflichten, Kosten für eine Begleitperson für den Schultransport vom Wohnort des Antragstellers, A-Straße, A-Stadt bis zur D-Schule, F-Straße, A-Stadt zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.

Sie ist der Ansicht, der Einsatz einer Begleitperson für den Schulweg sei nicht erforderlich, um den Antragsteller den Schulbesuch zu ermöglichen oder zu erleichtern.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag ist unbegründet. Der Antragsteller hat das Vorliegen des Anordnungsanspruchs nicht zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft gemacht.

Nach § 86 b Abs. 2 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach Satz 2 dieser Bestimmung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Bildet ein Leistungsbegehren des Antragstellers den Hintergrund für den begehrten einstweiligen Rechtsschutz, ist dieser grundsätzlich im Wege der Regelungsanordnung gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG zu gewähren. Danach muss die einstweilige Anordnung erforderlich sein, um einen wesentlichen Nachteil für den Antragsteller abzuwenden. Ein solcher Nachteil ist nur anzunehmen, wenn einerseits dem Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner ein materiell-rechtlicher Leistungsanspruch in der Hauptsache zusteht (Anordnungsanspruch) und es ihm andererseits nicht zuzumuten ist, die Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund). Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache darf nicht mit wesentlichen Nachteilen verbunden sein. Es muss daher eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert (HessLSG, Beschluss vom 18.06.2008, Az.: L 6 AS 41/08 B ER). Eine solche Notlage ist vor allem bei einer Gefährdung der Existenz oder erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen zu bejahen (Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage 2017, § 86 b, Rn. 28).

Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen dabei in einer Wechselbeziehung zueinander, nach der die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (HessLSG, a. a. O.). Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann (HessLSG, a. a. O.). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Soweit existenzsichernde Leistungen im Streit stehen und schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht beseitigt werden können, darf die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern muss abschließend geprüft werden. Ist dem Gericht in derartigen Fällen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist ebenfalls anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, wobei allerdings die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen sind (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, NVwZ 2005, 927-929).

Der geltend gemachte (Anordnungs-)Anspruch und die Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2, § 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO)). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001, Az.: B 9 V 23/01 B), wenn also mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.03.2013, Az.: L 5 AS 107/13 B ER).

Gemessen an diesen Anforderungen konnte der vorliegende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg haben. Dem Antragsteller steht kein Anspruch auf die Übernahme der Kosten der Schulwegbegleitung gegen die Antragsgegnerin.

Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei den vom Antragsteller begehrten Leistungen um Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem 6. Kapitel des SGB XII und nicht um gemäß § 2 Abs. 1 SGB XII vorrangige Leistungen der Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 S. 1 des Fünften Sozialgesetzbusches (SGB V).

Nach § 19 Abs. 3 SGB XII wird Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem 6. Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zu-zumuten ist. Nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist.

Die Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem 6. Kapitel des SGB XII einerseits und Leistungen der Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 SGB V verfolgen unterschiedliche Ziele. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gehören zur Behandlungspflege alle Pflegemaßnahmen, die durch bestimmte Erkrankungen erforderlich werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischerweise nicht von einem Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht werden (BSG, Urteil vom 13. Juni 2006, Az.: B 8 KN 4/04 KR R). Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es hingegen, wie aus § 53 Abs. 3 SGB XII folgt, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen. Ziel der Leistungen ist gemäß § 53 Abs. 4 S.1 SGB XII i. V. m § 55 Abs. 1 SGB IX einerseits, den Menschen, die auf Grund ihrer Behinderung von (Teil-)Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ausgegrenzt sind, den Zugang zur Gesellschaft zu ermöglichen, andererseits aber auch den Personen, die in die Gesellschaft integriert sind, die Teilhabe zu sichern, wenn sich abzeichnet, dass sie von gesellschaftlichen Ereignissen und Bezügen abgeschnitten werden (BSG, Urteil vom 19. Mai 2009, Az.: B 8 SO 32/07 R).

Die Abgrenzung zwischen Eingliederungshilfe und Behandlungspflege hat somit nach der Zielrichtung der Leistung zu erfolgen (LSG Hessen, Beschluss vom 29. Juni 2011, Az.: L 6 SO 57/11 B ER). Dient die Leistung der Bewältigung von Anforderungen des Schulalltags, ist der Bedarf der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII zuzuordnen. Handelt es sich um die Notwendigkeit, die körperliche Situation zu beobachten und ggf. in medizinisch-pflegerischer Hinsicht zu intervenieren, so handelt es sich um Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V.

Hiernach ist die vom Antragsteller begehrte Leistung der Schulwegbegleitung nach Überzeugung des Gerichts als Leistung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem 6. Kapitel des SGB XII zu erbringen. Vorrangiges Ziel ist vorliegend, dem Antragsteller den Besuch der Schule zu ermöglichen. Sonst könnte der Leistungszweck der §§ 53, 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII i. V. m. §§ 12 Eingliederungshilfeverordnung (EinglHVO) nicht erreicht werden, nämlich die Gewährung einer allgemeinen Schulbildung als Grundbedürfnis des Menschen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13.03.2017, Az.: L 4 KR 65/17 B ER). Denn ohne Anfahrt zur Schule ist die Unterrichtsteilnahme nicht möglich. Zwar dient die Leistung auch zugleich der medizinischen Intervention, nämlich der Verabreichung des Notfallmedikaments im Falle des Eintritts eines epileptischen Anfalls; im Vordergrund steht jedoch die Ermöglichung des für den Antragsteller gefahrenfreien Erreichens des Schulgebäudes und somit die gleichberechtigte Teilhabe des Antragsstellers am Unterricht.

Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der Schulwegbegleitung durch die insoweit zuständige Antragsgegnerin besteht jedoch mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht. Der Antragsteller gehört zwar zu dem gemäß § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII berechtigten Personenkreis. Er erfüllt jedoch nicht die sachlichen Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i. V. m. § 12 S. 1 Nr. 1 EinglHVO.

Gemäß § 53 Abs. 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Der Antragsteller erfüllt aufgrund seiner Erkrankung an myoklonisch-astatischen Epilepsie die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII.

Leistungsberechtigte haben einen Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII. Diese umfassen insbesondere Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, hierbei insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu. Die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne dieser Vorschrift umfasst nach § 12 Satz 1 Nr. 1 EinglHVO auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Mensch den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen und zu erleichtern. Im Rahmen der Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung ist zur Gewährleistung der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht auch das Erreichen der Schule zu ermöglichen.

Der Einsatz der Schulwegbegleitung müsste daher erforderlich und geeignet sein, um dem Antragsteller den Schulbesuch zu ermöglichen. Geeignet ist eine Maßnahme, wenn sie das Ziel fördert. Durch die Zurverfügungstellung einer Schulbegleitung zur notfallsmäßigen Verabreichung des Medikaments im Falle eines Anfalls wird dem Antragsteller der Besuch der Schule ermöglicht, das Ziel daher gefördert. Die Schulbegleitung ist jedoch nach dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers und den vorgelegten ärztlichen Befundberichten nicht erforderlich. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit gelten folgende Grundsätze: Durchzuführen ist eine Prüfung der Erforderlichkeit in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falles (konkrete Erforderlichkeit, vgl. LSG Bayern, Urteil vom 12.07.2018, Az.: L 18 SO 29/18). Denn dem Merkmal der Erforderlichkeit liegt ein individualisiertes Förderverständnis zugrunde, das eine am Einzelfall orientierte, individuelle Beurteilung verlangt (BSG, Urteil vom 22.03. 2012, Az.: B 8 SO 30/10 R). Eine Eingliederungshilfemaßnahme ist demnach erforderlich, wenn sie aufgrund der Behinderung im konkreten Fall geboten ist. Die Prüfung der Erforderlichkeit setzt voraus, dass die begehrte Maßnahme nicht alternativlos ist, d.h., dass es mehrere geeignete Maßnahmen gibt. Besteht nur eine geeignete Maßnahme, ist diese denknotwendig auch erforderlich. Nach diesen Grundsätzen hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass der Einsatz einer Schulwegbegleitung erforderlich ist, um ihm den Schulbesuch zu ermöglichen. Der Schultransport durch den Fahrtdienst E. GmbH & Co. KG ist gewährleistet. Aus dem vorgelegten kinderärztlichen Attest des Facharztes für Kinderheilkunde Dr. C. vom 19.03.2018 ergibt sich, dass im Falle eines Anfalls jedermann das Notfallmedikament verabreichen kann, sodass es keiner besonders ausgebildeten Begleitperson zu diesem Zwecke bedarf. Im Falle des Auftretens eines epileptischen Anfalls soll dem Antragsteller das Notfallmedikament in den Mund gegeben werden, um den Krampf schnellstmöglich zu unterbrechen. Die Weigerung des Fahrers des Transportunternehmens, seinen Pflichten gegenüber anderen Mitmenschen nachzukommen, sei es aus strafrechtlichen, sei es aus moralischen Normen, kann nicht dazu führen, dass eine Verpflichtung zur Übernahme der Kosten der Schulwegbegleitung seitens der Antragsgegnerin begründet wird. Vielmehr ist es dem Fahrer zuzumuten, das Medikament im Falle eines Anfalls des Antragstellers diesem zu verabreichen, zumal aus den ärztlichen Befundberichten ersichtlich ist, dass dieser hierfür keiner besonderen Vorbildung oder fachmedizinischer Kenntnisse bedarf. Den Fahrer trifft insoweit die allgemeine Hilfepflicht in Notfällen nach § 323c Strafgesetzbuch (StGB) (so auch: SG Dresden, Beschluss vom 03.07.2019, Az.: S 47 KR 1602/19 ER, Rn. 32). Auch das erhöhte Anfallsrisiko nach Absetzen der Dauermedikation durch den Antragsteller, belegt durch Vorlage der ärztlichen Bescheinigung des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin Dr. G. vom 09.10.2019, führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch in diesem Falle ist die Verabreichung des Medikaments jedermann möglich und, nach den obigen Ausführungen, auch zumutbar.

Nach alldem hat der Antragsteller das Vorliegen des Anordnungsanspruchs nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes erscheint zweifelhaft, da nicht vorgetragen worden ist, warum die Mutter des Antragstellers, die nach Weigerung des Fahrers des Busunternehmens im Jahre 2017 den Transport des Antragstellers übernommen hat, diesen nicht fortführen kann. Der Antrag war daher abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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