S 15 AS 1020/17

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
15
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 15 AS 1020/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 573/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der dem Kläger im Zeitraum vom 1.10.2016 bis 31.8.2017 zu gewährenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) und hierbei insbesondere um die Höhe der dem Kläger zu gewährenden Regelleistung aufgrund vorgebrachter verfassungsrechtlicher Bedenken.

Der Kläger erzielt schwankendes Einkommen. Durch Bescheid vom 2.2.2016 bewilligte die Beklagte dem Kläger vorläufig Leistungen für die Zeit vom 1.3.2016 bis 31.8.2018 nach dem SGB II. Ein Regelbedarf in Höhe von 404 EUR und Mehrbedarf die Warmwasserbereitung in Höhe von 9,29 EUR wurden zugrunde gelegt. Durch Bescheid vom 21.9.2016 hob die Beklagte den Bescheid vom 19.8.2016 gemäß § 48 SGB X ab dem 1.10.2016 auf und gewährte für den Zeitraum vom 1.10.2016 bis 31.8.2017 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 325,61 EUR. Hierbei wurde für den Kläger ein Regelbedarf in Höhe von 404 EUR und ein Mehrbedarf für Warmwasserbereitung in Höhe von 9,29 EUR zugrunde gelegt. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 27.10.2016 Widerspruch ein. Die Höhe der gewährten Regelleistung genüge nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Außerdem sei die Höhe der Warmwasserpauschale viel zu gering bemessen.

Durch Bescheid vom 27.9.2916 setzte die Beklagte für die Zeit vom 1.7.2016 bis 30.9.2016 endgültig fest. Ein Regelbedarf von 404 EUR und Mehrbedarf für Warmwasserbereitung in Höhe von 9,29 EUR wurden festgesetzt. Durch Änderungsbescheid vom 3.1.2017 hob die Beklagte den Bescheid vom 21.9.2016 gemäß § 48 SGB X ab dem 1.2.2017 auf und gewährte vorläufig Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.2.2017 bis 31.8.2017 in Höhe von 261,07 EUR. Hierbei wurde für den Kläger ein Regelbedarf in Höhe von 409 EUR und ein Mehrbedarf für Warmwasserbereitung in Höhe von 9,41 EUR zugrunde gelegt. Durch weiteren Änderungsbescheid vom 6.1.2017 hob die Beklagte den Bescheid vom 3.1.2017 gemäß § 48 SGB X ab dem 1.2.2017 auf und gewährte vorläufig Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.2.2017 bis 31.8.2017 in Höhe von 247,07 EUR ab April 2017. Hierbei wurde für den Kläger ein Regelbedarf in Höhe von 409 EUR und ein Mehrbedarf für Warmwasserbereitung in Höhe von 9,41 EUR zugrunde gelegt. Durch Änderungsbescheid vom 30.3.2017 hob die Beklagte die Bescheide vom 3.1.2017 und vom 6.1.2017 gemäß § 48 SGB X ab dem 1.4.2017 auf und gewährte vorläufig Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.4.2017 bis 31.8.2017 in Höhe von 386,33 EUR ab April 2017. Hierbei wurde für den Kläger ein Regelbedarf in Höhe von 409 EUR und ein Mehrbedarf für Warmwasserbereitung in Höhe von 9,41 EUR zugrunde gelegt. Durch Bescheid vom 31.3.2017 wurden die gewährten Leistungen nach dem SGB II für die Monate Oktober 2016 bis März 2017 endgültig festgesetzt.

Am 7.9.2017 erließ die Beklagte den Widerspruchsbescheid bezüglich des Widerspruchs vom 27.10.2019 gegen den Bescheid vom 21.9.2016 und wies den Widerspruch zurück. Hier gegen hat der Kläger am 26.9.2017 Klage erhoben.

Der Kläger ist der Ansicht, die vom Gesetzgeber vorgenommene Erhöhung der Regelleistung sei nicht ordnungsgemäß. Statt 404 EUR sei ein Regelbedarf von 569 EUR zugrunde zu legen. Die zum 1.1.2016 vorgenommeine Erhöhung basiere noch auf der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 2008. Da bereits am 10.9.2015 die EVS 2013 veröffentlicht worden sei, sei der Gesetzgeber verpflichtet gewesen, umgehend eine Neuermittlung auf dieser Grundlage vorzunehmen. Die lediglich vorgenommene Fortschreibung genüge den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (zuletzt Beschluss vom 23.7.2014, 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12 und 1 BvL 1691/13) zur Sicherstellung des Existenzminimums nicht. Zwar regele § 28a Abs. 1 SGB XII für die Neuermittlung der Regelbedarfsstufen keine Umsetzungsfrist, es sei jedoch seiner Ansicht nach geboten gewesen, rückwirkend zum 1.1.2016 eine Anpassung der Regelsätze auf Basis der EVS 2013 vorzunehmen. Zu den Versäumnissen des Gesetzgebers im Rahmen des Regelbedarfsermittlungsgesetzes sei auf eine Vielzahl von im Internet veröffentlichten Stellungnahmen der Wohlfahrtsverbände und anderen Institutionen zu verweisen, die er sich zu eigen mache (vgl. Bl. 31 der Gerichtsakte). Der Kläger habe zudem höhere Warmwasserkosten zu bestreiten.

Der Kläger beantragt ausdrücklich:
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 21.9.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.9.2017 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1.10.2016 bis zum 31.8.2017 Leistungen nach dem SGB II in der gesetzlich zustehenden Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Höhe der Regelleistung sei nicht verfassungswidrig. Auch die Bemessung der Mehrbedarfspauschalen sei verfassungsgemäß erfolgt. Ein über den pauschalen Mehrbedarf hinausgehender Mehrbedarf könne nicht gewährt werden, da die abstrakte Berechnung des Prozessbevollmächtigten des Klägervertreters nicht auf die konkrete Wohnsituation des Klägers eingehe.

Die Beteiligten wurden mit Verfügung vom 6.9.2018 zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Auf die Bitte um Stellungnahme zur Klageerwiderung, teilte der Prozessbevollmächtigte mit, davon abzusehen und bat um Entscheidung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und die Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der Entscheidung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beteiligten wurden vorher gehört, § 105 Abs. 1 S. 2 SGG.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen demzufolge den Kläger nicht in seinen Rechten. Weder steht ihm nach Auffassung der Kammer eine höhere Regelleistung noch ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II zu. Die in den angefochtenen Bescheiden berücksichtigten Regelbedarfe entsprechen den gesetzlichen Vorgaben (vgl. § 20 Abs. 5 S. 1 SGB II i.V.m. Verordnung zur Bestimmung des für die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 28a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch maßgeblichen Prozentsatzes sowie zur Ergänzung der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch für das Jahr 2016, Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2016 [RBSFV 2016], BGBI I 2015, 1788).

Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da es der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 7.9.2017 folgt und das hiermit feststellt, § 136 Abs. 3 SGG. Lediglich ergänzend wird ausgeführt, dass das Hessische Landessozialgericht sich zu der vorliegenden Rechtsfrage bezüglich der Regelbedarfssätze 2016 bereits geäußert hat (Beschlüsse vom 20.9.2017, L 6 AS 394/17 B; vom 26.6.2017, L 4 SO 94/17 B; vom 2.8.2017, L 6 AS 196/17 B; vom 4.8.2017, L 6 AS 317/17 B). Entsprechendes gilt für die ab dem 1.1.2017 geltenden Regelbedarfe. Der Gesetzgeber hat ab dem 1.1.2017 nach § 28 Abs. 1 SGB XII auf Grundlage der neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 2013 die Regelbedarfe neu ermittelt und dem Kläger die in § 20 Abs. 5 S. 2 SGB II ab dem 1.1.2017 vorgesehenen, gegenüber den Vorjahren erhöhten Sätze gewährt. Eine verfassungswidrige Festsetzung sieht die Kammer hierin nicht (vgl. auch Hessisches LSG, Beschluss vom 27.9.2017, L 6 AS 430/17 B). Das Gericht folgt insoweit den zutreffenden Ausführungen des Hessischen Landessozialgerichts und macht sich diese zu eigen.

Es ist zur Überzeugung der Kammer auch weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen, dass die Festsetzung der Regelbedarfe zum 1.1.2016 bei dem Kläger zu einer offensichtlichen Unterdeckung des existentiellen Bedarfs geführt haben könnte. Evident unzureichend sind Sozialleistungen nur, wenn offensichtlich ist, dass sie in der Gesamtsumme keinesfalls sicherstellen können, Hilfebedürftigen ein Leben in Deutschland zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen ist (BVerfG, Beschluss vom 27.7.2016; 1 BvR 371/11, m.w.N.; so auch HLSG a.a.O.). Das ist bei dem Kläger nach dessen Vortrag nach Auffassung der Kammer nicht der Fall.

Auch ein weiterer Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 7 SGB II über die bereits gewährten Mehrbedarfe hinaus, wie von dem Kläger vorgebracht, kommt für die Gewährung einer höheren Regelleitung nach Auffassung der Kammer aus den ebenfalls zutreffenden Gründen im Widerspruchsbescheid vom 7.9.2017 nicht in Betracht. Der behauptete Anspruch auf eine höhere Warmwasserpauschale ist zu pauschal und abstrakt unabhängig von der Wohnsituation des Klägers.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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