L 3 AL 124/98

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 6 AL 408/96
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 124/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 25. Juni 1998 sowie der Bescheid vom 25.08.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.1996 und der Bescheid vom 22.08.1995 dahingehend abgeändert, dass der Eintritt einer Sperrzeit von 6 Wochen ab dem 01. Juli 1995 festgestellt und der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 12.08.1995 zu bewilligen ist. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 04.07. bis zum 22.09.1995. Dem liegt die Feststellung einer Sperrzeit wegen Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die Klägerin zu Grunde.

Die am ... geborene Klägerin meldete sich am 04.07.1995 beim Arbeitsamt Plauen arbeitslos und stellte einen Antrag auf Arbeitslosengeld (Alg).

Zuvor war die Klägerin als Küchenhilfe und Reinigungskraft bei der Kreisverwaltung St ... und zuletzt beim Landratsamt des S ... in E ... bis zum 30.06.1995 beschäftigt gewesen. Hierbei hatte sie ein durchschnittliches Arbeitsentgelt i. H. v. 2.623,23 DM brutto bei einer 40-Stunden-Woche erzielt. Das Arbeitsverhältnis war durch Auflösungsvertrag vom 01.06.1995 zum 30.06.1995 beendet worden.

Zur Begründung für den Abschluss des Aufhebungsvertrages gab die Klägerin an, sie sei seit November 1994 verwitwet und habe zwei minderjährige Kinder. In dieser Situation habe sie einen neuen Partner und Vater für ihre Kinder gefunden. Da sie bereits in ihrem Heimatort auch wegen der schlechten Verbindung zwischen ihrer Arbeitsstelle und der Schule der Kinder auf Wohnungssuche gewesen sei, sei es leichter gewesen, "zwecks Familienzusammenführung" gleich nach P ... zu ziehen.

Eine vom Arbeitsamt Plauen am 18.08.1995 aufgenommene Aktennotiz hat folgenden Inhalt: Nach Anfrage bei der Klägerin, sei kein Hochzeitstermin vereinbart; daran werde momentan nicht gedacht.

Durch Bescheid vom 25.08.1995 stellte die Beklagte für den Zeitraum vom 01.07. bis zum 22.09.1995 den Eintritt einer Sperrzeit gemäß § 119 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) fest. Die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis selbst gelöst und hierbei ihre künftige Arbeitslosigkeit voraussehen können. Das Bedürfnis, zu ihrem neuen Freund zu ziehen, sei kein wichtiger Grund. Persönliche und wirtschaftliche Gründe als Folgen der Sperrzeit müssten unberücksichtigt bleiben.

Hiergegen legte die Klägerin am 01.09.1995 Widerspruch ein. Die Fortführung ihrer Beschäftigung sei ihr nicht zumutbar gewesen. Das Arbeitsverhältnis habe sie auf Grund der geplanten "Familienzusammenführung" gelöst. Sie sei zu ihrem "Verlobten" nach P ... gezogen, weil es für sie unzumutbar gewesen sei, täglich eine Strecke von 100 Kilometern zu fahren. Auch wenn ein Hochzeitstermin noch nicht vereinbart sei, seien sie bereits seit Weihnachten 1994 verlobt.

Durch Widerspruchsbescheid vom 18.04.1996 wies die Beklagte diesen Widerspruch als unbegründet zurück. Es sei hier um die Gründung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gegangen. Hierbei handele es sich um einen rein persönlichen Grund, der nicht die Aufgabe des Arbeitsplatzes rechtfertige. Es habe sich weder um einen Zuzug zum Ehegatten gehandelt, noch sei eine Eheschließung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses zu erwarten gewesen. Auch die Herstellung einer Erziehungsgemeinschaft sei nicht gegeben gewesen, da keine gemeinsamen Kinder vorhanden seien.

Durch Bewilligungsbescheid vom 22.08.1995 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg erst ab dem 23.09.1995 in Höhe von wöchentlich 287,40 DM und mit einer verbleibenden Anspruchsdauer von 234 Tagen.

Hiergegen hat sich die Klägerin am 13.05.1996 an das Sozialgericht Chemnitz gewandt. Der Zuzug zu ihrem Verlobten sei zur Herstellung einer Lebens-, Wohn- und Erziehungsgemeinschaft erfolgt. Die Betreuung der Kinder sei durch die Klägerin - als alleinerziehende Mutter - nicht mehr ausreichend gewährleistet gewesen. Der Verlobte sei bereit gewesen, zumindest einen Teil der Kindererziehung zu übernehmen.

Die Beklagte hat hierauf erwidert, Artikel 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gebe nur bei einer bestehenden Ehe eine Rechtfertigung zur Aufgabe des Arbeitsplatzes, nicht dagegen für die Herstellung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Im Übrigen habe bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch keine Wohn- und Erziehungsgemeinschaft bestanden. Der Klägerin wäre es zudem zumutbar gewesen, sich schon vor dem Umzugstermin beim Arbeitsamt Plauen als arbeitssuchend zu melden.

Darauf hat die Klägerin entgegnet, sie sei vom Arbeitsamt Jena nicht auf eine Pflicht, sich gleich in P ... zu melden, hingewiesen worden. Die unterschiedliche Behandlung von Ehen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften sei verfassungswidrig und entspräche nicht den tatsächlichen Verhältnissen in der Gesellschaft. Weiterhin hätte der Wegfall einer Bezugsperson negative Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder haben können.

Die bisherige Ehe des neuen Partners der Klägerin, S ... F ... (S. F.), wurde zum 25.05.1996 rechtskräftig geschieden. Nach Angabe der Klägerin sei lediglich wegen dieses andauernden Scheidungsverfahrens die Heirat zwischen ihr und S. F. nicht zeitnah zu ihrem Umzug, sondern erst am 09.08.1996 erfolgt.

Durch Urteil vom 25. Juni 1998 hat das SG dem Begehren der Klägerin entsprochen. Für die Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses liege ein wichtiger Grund im Sinne von § 119 Abs. 1 AFG vor. Eine Familie sei nicht nur dann schützenswert, wenn eine Eheschließung vorliege. Eine eheähnliche Erziehungsgemeinschaft sei ebenfalls ausreichend. Zudem habe sich die Klägerin in P ... ohne schuldhaftes Zögern unmittelbar arbeitslos gemeldet.

Gegen dieses ihr am 15.09.1998 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.10.1998 Berufung eingelegt. Der Schutz von Artikel 6 Abs. 1 GG greife nicht ein, zumal der neue Partner zum damaligen Zeitpunkt noch nicht geschieden gewesen sei. Auch die Herstellung einer Erziehungsgemeinschaft könne keinen wichtigen Grund darstellen, da weder gemeinsame Kinder vorhanden, noch der gewählte Zeitpunkt auf Grund des Kindeswohles geboten gewesen sei. Weiterhin habe das erstinstanzliche Gericht auch die Zeitdauer und Intensität der Beziehung zwischen der Klägerin und S ... F ... nicht ausreichend gewürdigt. Bezüglich der "eheähnlichen Gemeinschaft" sei die Dauer der Beziehung hinsichtlich der damit dokumentierten Ernsthaftigkeit und Kontinuität entscheidend. Eine analoge Anwendung sei für den Begriff der "Familie" sachgerecht. Die Klägerin habe vielmehr - entsprechend ihrer eigenen Stellungnahme - zunächst ihr Wohnungsproblem lösen wollen. Diese damit beabsichtigten finanziellen Einsparungen könnten nicht zu Lasten der Versichertengemeinschaft gewürdigt werden. Die Klägerin habe zudem nicht die nötigen Anstrengungen zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit unternommen, denn sie habe sich erst am 04.07.1995 persönlich beim Arbeitsamt Plauen gemeldet. Es wäre ihr jedoch zumutbar gewesen, sich bereits vor dem Umzug nach P ... dort arbeitssuchend zu melden. Aus den genannten Gründen sei auch die Annahme einer besonderen Härte im Sinne von § 119 Abs. 2 AFG nicht gerechtfertigt.

Hierauf hat die Klägerin entgegnet, eine "Familie" bestehe auch zwischen nicht verheirateten Partnern und deren erziehungsbedürftigen Kindern, wobei es nicht entscheidend sei, ob es sich um gemeinsame Kinder handele. Die Betreuung ihrer Kinder sei nicht mehr gewährleistet gewesen und ihr neuer Partner habe sich bereit erklärt, einen Teil der Kinderbetreuung zu übernehmen.

In weiteren Schriftsätzen hat der Bevollmächtigte der Klägerin ausgeführt, auch die Betreuung des Sohnes von S. F. sei, speziell an den Wochenenden, an denen dieser arbeiten musste, nicht gesichert gewesen. Lediglich einmal im Monat habe er den Sohn bei seiner Mutter unterbringen können, ansonsten sei das Kind ohne Aufsicht gewesen. Der Umzug sei im Sommer des Jahres 1995 erforderlich gewesen, weil so die Einschulung zum neuen Schuljahr ermöglicht werden konnte. Ab dem 5. Schuljahr sei die Betreuung ihres 11-jähriges Sohnes an den Nachmittagen nicht mehr gesichert gewesen, da dieser gegen 13.00 Uhr aus der Schule gekommen wäre und die Klägerin selten vor 17.00 Uhr zu Hause gewesen sei. Der Umstand, dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft nicht unter den Schutz des Artikel 6 Abs. 1 GG falle, sei zur Ablehnung eines wichtigen Grundes nicht ausreichend. Zwischen der Klägerin und ihrem neuen Partner habe bereits zum Zeitpunkt des Zuzuges einer dauerhaft verfestigte Gemeinschaft bestanden. Für die Ernsthaftigkeit und Kontinuität einer Beziehung sei nicht nur die Dauer entscheidend; vielmehr drücke sich diese dadurch aus, dass die Klägerin nunmehr mit S. F. verheiratet und ein gemeinsames Kind geboren worden sei. Schließlich habe die Klägerin alles Zumutbare zur Vermeidung ihrer Arbeitslosigkeit getan. Bereits im März bzw. April 1995 (an den genauen Zeitpunkt könne sie sich nicht mehr erinnern) habe sie sich mit dem Arbeitsamt Jena in Verbindung gesetzt und dort erkundigt, was sie im Falle eines Aufhebungsvertrages unternehmen solle. Der zuständige Sachbearbeiter habe ihr mitgeteilt, dass für eine Vermittlung in ein neues Arbeitsverhältnis auf alle Fälle das Arbeitsamt ihres künftigen Wohnortes zuständig sei und sie sich erst nach erfolgtem Umzug arbeitslos melden könne. Die Einzelheiten des Gesprächs seien ihr jedoch nicht mehr erinnerlich. Selbst wenn jedoch die Klägerin ihrer Pflicht, sich rechtzeitig arbeitssuchend zu melden, nicht nachgekommen wäre, sei nach der Rechtsprechung des BSG weiter zu prüfen, ob nach der Situation auf dem Arbeitsmarkt überhaupt eine Chance zur Vermittlung bestanden hätte. Dies müsse im Falle der Klägerin verneint werden, zumal sie bis heute in kein Arbeitsverhältnis vermittelt werden konnte.

Hierauf hat die Beklagte entgegnet, die Ausführungen der Klägerin, sie habe sich bereits zuvor beim Arbeitsamt Jena zu einer entsprechenden Beratung gemeldet, müssten als Schutzbehauptung beurteilt werden, zumal diese erstmals im Berufungsverfahren erfolgt seien. Beratungsvermerke lägen insoweit nicht mehr vor.

Mit Schreiben vom 20.02.2001 hat das Landratsamt S ... u. a. mitgeteilt, dass die tägliche Arbeitszeit der Klägerin von Montag bis Freitag um 7.00 Uhr morgens begann und um 15.45 Uhr am Nachmittag endete. Zwischen dem Arbeitsort und dem Wohnort der Klägerin habe eine Entfernung von ca. 27 Kilometern gelegen.

Der Arbeitgeber von S. F., der Kreisverband P ... des D ..., hat mit Schreiben vom 04.05.2001 u. a. mitgeteilt, dass dessen Arbeitszeiten zwischen 6.00 Uhr morgens und 14.45 Uhr nachmittags lagen. Entsprechendes gelte für die Wochenenddienste. Hierzu ist u. a. auch eine Auflistung der Wochenenddienste der Jahre 1991 bis 2000 beigefügt worden. Auf diese sowie die weiteren Anlagen (Arbeitsvertrag, Stellenbeschreibung und Verdienstbescheinigung) wird verwiesen (LSG-Akte Bl. 93-106).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 25. Juni 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 04.07.1995 bewilligt wird.

In der mündlichen Verhandlung vom 02.08.2001 hat die Klägerin noch Angaben über die Lage des früheren Wohn- und Arbeitsortes sowie des Schulhortes, zu den Betreuungszeiten des Hortes, den Abfahrten des Schulbusses, ihren früheren familiären Verhältnissen und ihrer Erkundigung beim Arbeitsamt Jena gemacht. (Hierzu wird insbesondere auf die Protokollniederschrift, LSG-Akte Bl. 131-133, verwiesen.)

Zum weiteren Vorbringen zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) sowie form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig. In der Sache ist sie nur teilweise begründet. Das mit der Berufung angegriffene Urteil des Sozialgerichts Chemnitz (SG) vom 25. Juni 1998 hat zu Unrecht den Bescheid vom 25.08.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.1996 vollständig aufgehoben.

I.

Unabhängig von den sonstigen Voraussetzungen des § 100 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) steht der Klägerin für die Zeit vom 01.07.1995 bis zum 11.08.1995 der geltend gemachte Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) nicht zu, weil dieser während dieses Zeitraumes wegen Eintritts einer Sperrzeit ruhte. Eine Sperrzeit tritt nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 AFG ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis löst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeiführt, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Diesen Sperrzeittatbestand hat die Klägerin verwirklicht. Sie hat ihr Arbeitsverhältnis mit dem S ... durch einen Auflösungsvertrag vom 01.06.1995 zum 30.06.1995 gelöst und dadurch zumindest grob fahrlässig ihre Arbeitslosigkeit ab dem 01.07.1995 herbeigeführt.

Ein wichtiger Grund im Sinne von § 119 Abs. 1 AFG war für diese Lösung des Arbeitsverhältnisses nicht gegeben. Das Bundessozialgericht (BSG) konkretisiert den unbestimmten Rechtsbegriff "wichtiger Grund" in ständiger Rechtsprechung - der sich der Senat anschließt - anhand des Zwecks der Sperrzeitregelung. Sie soll die Solidargemeinschaft vor der Inanspruchnahme durch Leistungsberechtigte schützen, die den Eintritt des Versichertenrisikos "Arbeitslosigkeit" selbst herbeigeführt und zu vertreten haben oder an der Eingliederung in das Erwerbsleben nicht in zumutbarer Weise mitwirken (BSGE 52, 276, 277; BSGE 64, 202 ff.; BSG SozR 4100 § 119 Nr. 3; BSG SozR 3-4100 § 119 Nrn. 14, 15 und 16). In der Begründung des Bundestags-Ausschusses für Arbeit, auf den die Fassung des Gesetzes zurückgeht, heißt es: "Eine Sperrzeit soll dann eintreten, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen und der Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann" (zu BT-Drucks. V/4110 S. 21). Dabei muss der wichtige Grund nicht nur die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses, sondern gerade auch den konkreten Zeitpunkt der Lösung decken (std. Rspr. u. a. BSGE 43, 269, 243; BSGE 52, 276, 279; BSG SozR 4100 § 119 Nrn. 28, 29, 33, 34).

Die von der Klägerin geltend gemachte Begründung der erleichterten gemeinsamen Betreuung der Kinder und die Begründung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft stellt allein noch keinen wichtigen Grund dar, der die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses rechtfertigen könne. Der insoweit ständigen Rechtsprechung des BSG (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 16 m.w.N.) schließt sich der Senat an. Bei der Berücksichtigung des Zwecks der Regelung und der mit der Annahme eines wichtigen Grundes verbundenen Rechtsfolge, dass eine Gleichbehandlung mit denjenigen Arbeitslosen herbeigeführt wird, die an ihrer Arbeitslosigkeit nicht mitgewirkt haben, wird deutlich, dass als wichtiger Grund nur Umstände in Betracht kommen, die eine solche Gleichstellung rechtfertigen. Die Rechtsprechung des BSG hat dies insbesondere angenommen, wenn der Arbeitnehmer oder Arbeitslose sich einer "Pflichtenkollision" ausgesetzt sah, die ein Festhalten an seinem Arbeitsplatz nicht zumutbar erscheinen ließ. Deshalb hat das BSG in der Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft oder einer für das Kindeswohl erforderlichen Erziehungsgemeinschaft, die unter dem Schutz von Artikel 6 Abs. 2 Grundgesetz (GG) steht, einen wichtigen Grund für die Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses gesehen (BSGE 43, 269, 273; BSGE 52, 276, 279). Als Abwägungsgesichtspunkt hat das BSG dabei berücksichtigt, dass die Wahrung der Pflichten als Ehepartner oder Elternteil durch Artikel 6 Abs. 1 bzw. 2 GG unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung gestellt ist. Der Schutzauftrag der staatlichen Ordnung erstreckt sich nach Artikel 6 GG jedoch nicht auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft. Die Gestaltung der Form des Zusammenlebens ist dem Einzelnen nach Artikel 2 Abs. 1 GG überlassen. Dies besagt aber nicht, dass die Solidargemeinschaft die Folgen der Lösung von Beschäftigungsverhältnissen zur Begründung nichtehelicher Lebensgemeinschaften uneingeschränkt zu tragen hat. Als Abwehrrecht steht Artikel 2 Abs. 1 GG staatlichen Eingriffen ohne gesetzliche Ermächtigung in den privaten Lebensbereich entgegen. Die Förderung individueller Lebensgestaltung gewährleistet er jedoch nicht. Auch die Unantastbarkeit der Menschenwürde nach Artikel 1 Abs. 1 GG bietet keinen Anhaltspunkt für die Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals "wichtiger Grund". Mit dem Eintritt der Sperrzeit ist ein zeitlich und wirtschaftlich begrenztes Opfer verbunden, das einen Zusammenhang mit der Menschenwürde des Betroffenen nicht erkennen lässt (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 16). Ohne über die private Lebensgestaltung hinausgehende Gründe für die Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses wäre der mit der Sperrzeitregelung angestrebte Schutz der Solidargemeinschaft vor willkürlicher Inanspruchnahme von Leistungen bei Arbeitslosigkeit (st. Rspr., zuletzt: BSG SozR 3-4100 § 119 Nrn. 14, 15 und 16) nicht gewahrt.

Solche Gründe, die das Aufrechterhalten des Beschäftigungsverhältnisses für die Klägerin unzumutbar erscheinen ließen, waren hier nicht gegeben. Eine eheliche Verbindung, geschützt durch Artikel 6 Abs. 1 GG, bestand zwischen der Klägerin und S. F. zum Zeitpunkt der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses nicht. Eine Eheschließung war auch nicht unmittelbar danach geplant. Auch ein Verlöbnis im Sinne von § 1297 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestand nicht. S. F. war zum Zeitpunkt der Lösung des Arbeitsverhältnisses durch die Klägerin noch nicht rechtskräftig geschieden, so dass eine Heirat, wegen noch bestehender anderweitiger Ehebindung, eherechtlich unzulässig gewesen wäre. In einem solchen Fall ist auch ein "Verlöbnis" wegen der noch bestehenden Ehe des Verlobten unwirksam. Verfassungsrecht wird hierdurch nicht verletzt (BVerfG vom 21.07.1987, NJW 1987, 2807). Darüber hinaus hat allerdings der 7. Senat des BSG - mit die Entscheidung nicht tragenden Ausführungen - einen wichtigen Grund zur Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses zur Aufrechterhaltung einer "eheähnlichen" Lebensgemeinschaft erwogen (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 5). Auch eine solche "eheähnliche Gemeinschaft" im Sinne dieser Entscheidung bestand hier jedoch nicht. Für die Feststellung, wann eine solche Gemeinschaft vorliegt, verweist das BSG auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Eheähnlich ist danach die Verbindung zweier Partner unterschiedlichen Geschlechts, wenn sie auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (BVerfGE 87, 234, 264). Kriterien für die Ernsthaftigkeit einer Beziehung im vorbezeichneten Sinne sind u. a. deren Dauerhaftigkeit und Kontinuität, eine gemeinsame Wohnung, eine bestehende Haus- und Wirtschaftsgemeinschaft und die gemeinsame Versorgung von Angehörigen (BVerfGE a.a.O., S. 168). Zur Beurteilung, wann eine derartige Beziehung als dauerhaft verfestigt bewertet werden kann, zieht das BSG als argumentum e contrario aus § 1866 Abs. 2 und § 1353 Abs. 2 BGB eine dreijährige Dauer der Lebensbeziehung heran. Eine derart verfestigte Lebensbeziehung, die bereits zum damaligen Zeitpunkt als "eheähnliche Gemeinschaft" hätte angesehen werden können, bestand zwischen der Klägerin und S. F. nicht. Vielmehr sollte durch den Umzug der Klägerin erst eine Lebensgemeinschaft begründet werden.

Auch aus Artikel 6 Abs. 2 GG ergab sich hier kein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses. Durch Artikel 6 Abs. 2 GG wird weder für die Mutter noch für den Vater ein Recht oder eine Pflicht begründet, eine Erziehungsgemeinschaft herzustellen; das verfassungsrechtlich gewährleistete Elternrecht setzt vielmehr insoweit eine bestehende Erziehungsgemeinschaft voraus, d.h., die Eltern - Vater und Mutter - müssen nicht nur bereit, sondern auch faktisch in der Lage sein, ihr Erziehungsrecht zum Wohl der Kinder wahrzunehmen. Unter dieser Voraussetzung kann davon ausgegangen werden, dass der mit dem Elternrecht begründeten Pflicht zur - gemeinsamen - Ausübung von Pflege und Erziehung des Kindes (Elternverantwortung) entsprochen wird (vgl. BVerfGE 24, 119, 143). Anders als bei ehelichen Lebens- und Erziehungsgemeinschaften beruht bei der nichtehelichen Gemeinschaft das Zusammenleben der Eltern mit dem Kind nicht auf einer rechtlichen Verpflichtung, sondern ist dem Bereich der faktischen personalen Lebensgestaltung zuzuordnen, wobei das Bestehen dieser Gemeinschaft sowohl hinsichtlich seines Beginns als auch seines Endes in das Belieben der Partner gestellt ist. Aus diesem Grunde kann der Entschluss bzw. der gemeinsame Wille der Eltern, die nichteheliche Erziehungsgemeinschaft herzustellen, für sich allein nicht als wichtiger Grund zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses angesehen werden, mag auch der Wille zur Herstellung im wohlverstandenen Interesse der Kinder liegen und daher im weiteren Sinne schutzwürdig sein (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 16). Darüber hinaus war hier auch noch keine von Artikel 6 Abs. 1 GG geschützte "Familie" bzw. eine Erziehungsgemeinschaft von Eltern im Sinne von Artikel 6 Abs. 2 GG gegeben. Der Familienbegriff knüpft wie der Ehebegriff an das bürgerlich-rechtliche Institut der Familie an (BVerfGE 6, 55, 82). Er entspricht dem des Artikel 6 Abs. 1 GG und geht über die herkömmliche Gemeinschaft von Vater, Mutter und gemeinsamen Kindern hinaus. Familie ist vielmehr "die umfassende Gemeinschaft zwischen Eltern und Kindern" (BVerfGE 88, 85/90), seien diese ehelich oder nicht ehelich, minder- oder volljährig, Adoptiv-, Stief- oder Pflegekinder (Jarass/Pieroth, GG, 3. Aufl., Rdnr. 4 zu Art. 6 m.w.N.). Auch das Zusammenleben von nur einem Elternteil mit einem, selbst nicht ehelichen Kind ist von Abs. 1 geschützt (BVerfGE 45, 104/123; 75, 203/211). Gemeinsam an allen diesen verschiedenen Konstellationen einer von Artikel 6 Abs. 1 GG geschützten "Familie" ist jedoch, dass in irgendeiner Weise eine rechtlich verpflichtende (gemeinsame) Verantwortung oder Bindung besteht. Demgegenüber bestanden hier jeweils rechtliche Verpflichtungen zwischen der Klägerin und ihren Kindern auf der einen Seite sowie S. F. und seinem Sohn auf der anderen Seite. Eine darüberhinaus gehende, verbindene Verantwortung (durch gemeinsame Elternschaft oder Eheschließung) war demgegenüber noch nicht gegeben.

Darüber hinaus ist ein wichtiger Grund auch deshalb zu verneinen, weil die Klägerin der ihr auferlegten Obliegenheit, den Eintritt des Versicherungsfalles möglichst zu vermeiden, nicht in einer sachlich gebotenen und ihr zumutbaren Weise nachgekommen ist. Diese Obliegenheit bedeutet, dass der Arbeitslose hinsichtlich rechtzeitiger Bemühungen auf einen Anschlussarbeitsplatz alle zumutbaren Anstrengungen unternommen haben muss, um die voraussichtliche Arbeitslosigkeit zu verhindern. Auf die Frage, ob diese Bemühungen erfolgreich waren, kommt es dabei nicht an (BSG SozR 3-4100, § 119, Nrn. 14 und 15). Erforderlich hierzu sind die Abgabe eines Vermittlungsauftrages sowie eigene Bemühungen um einen Anschlussarbeitsplatz (BSG a.a.O.). Die nach eigenem Vorbringen, lediglich einmalige telefonische Anfrage der Klägerin beim Arbeitsamt Jena bezüglich der künftigen Zuständigkeit für die Arbeitslosmeldung, war im Sinne der dargestellten Verpflichtungen nicht ausreichend. Insofern lag auch keine Verletzung der Vermittlungspflicht durch die Beklagte (BSG, SozR 3-4100, § 119, Nr. 15) vor, denn aus dieser Erkundigung konnte noch nicht auf einen Vermittlungsauftrag geschlossen werden.

Die Dauer der Sperrzeit richtet sich nach den §§ 119, 119a AFG. Sie umfasst daher regelmäßig 12 Wochen (§ 119a Nr. 1 i.V.m. § 119 Abs. 1 Satz 1 AFG) und 6 Wochen, wenn eine Sperrzeit von 12 Wochen für den Arbeitslosen nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde (§ 119a Nr. 1 AFG i.V.m. § 119 Abs. 2 Satz 1 AFG). Wann die Dauer einer Sperrzeit nach § 119 Abs. 2 AFG nur die Hälfte der Regeldauer beträgt, steht nicht im Ermessen der Beklagten; diese ist auch nicht ermächtigt, letztverbindlich über das Vorliegen der Härte zu entscheiden. Die gerichtliche Überprüfung, ob eine Sperrzeit mit der Regeldauer (hier von 12 Wochen) nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine Härte bedeuten würde, unterliegt daher keinen Einschränkungen und ist von den Gerichten regelmäßig vorzunehmen, wenn eine Sperrzeit eingetreten ist und die Beklagte von der Regeldauer ausgegangen ist (std. Rspr. BSG SozR 4100 § 119 Nr. 33 m.w.N.). Ob eine Sperrzeit von 12 Wochen eine besondere Härte bedeuten würde, ist dem Wortlaut des § 119 Abs. 2 AFG zufolge nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen zu beurteilen, nicht dagegen nach anderen Umständen. Umstände persönlicher oder wirtschaftlicher Art bleiben hiernach außer Betracht, es sei denn, dass sie zu den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen gehören, bzw. sich auf diese Tatsachen zwangsläufig auswirken. Letzteres hat zur Folge, dass unter dem Gesichtspunkt der Härte ggf. auch Umstände persönlicher oder wirtschaftlicher Art Berücksichtigung finden, die von ihrem Gewicht her zwar nicht den Eintritt einer Sperrzeit hindern, auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalles eine Sperrzeit von einer Regeldauer aber besonders hart erscheinen lassen (BSGE 54, 7, 17). Danach ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass die Aufgabe des Arbeitsplatzes durch die Klägerin nicht willkürlich erfolgte, sondern zumindest auch durch das anzuerkennende Bestreben bestimmt war, die Betreuung der Kinder in besserer Weise zu gewährleisten. Entweder wäre auf Grund der entfallenden Hortbetreuung im kommenden 5. Schuljahr, der damals 11-jährige Sohn der Klägerin bei einer Fortführung des Arbeitsverhältnisses nachmittags für ca. 3 Stunden ohne Aufsicht gewesen oder es wäre der Klägerin kaum noch möglich gewesen, ihre 7-jährige Tochter nachmittags so lange in der Hortbetreuung zu lassen, bis ihr auf Grund der nachzuholenden Arbeitszeit ein Abholen möglich gewesen wäre. Auch bei einem Wochenenddienst von S. F. war auf Grund der gegründeten Lebensgemeinschaft die Wochenendbetreuung seines Sohnes durch die Klägerin auf jeden Fall abgesichert. Die Sicherstellung der ausreichenden Betreuung von minderjährigen Kindern berufstätiger Eltern ist - zumindest auch - eine gesellschaftliche Aufgabe. Daher ist in einer solchen Situation die Annahme einer besonderen Härte im Sinne von § 119 Abs. 2 AFG auch unter Berücksichtigung der Interessen der Versichertengemeinschaft gerechtfertigt.

Die weiteren Voraussetzungen des § 100 AFG (Arbeitslosigkeit, Antragstellung und Arbeitslosmeldung sowie Verfügbarkeit und Erfüllung der Anwartschaftszeit) lagen bei der Klägerin für die Zeit vom 12.08. bis zum 22.09.1995 vor. Daher ist der Bewilligungsbescheid vom 22.08.1995 dahingehend abzuändern, dass der Klägerin auch für den Zeitraum vom 12.08. bis zum 22.09.1995 Arbeitslosengeld zu bewilligen ist und die Gesamtanspruchsdauer, wegen Wegfalls der Minderung nach § 110 AFG, auf 312 Tage anzuheben ist.

Der Berufung der Beklagten war demnach teilweise stattzugeben, im Übrigen war sie zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht gegeben, § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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