Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 6 AL 377/99
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 151/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 15. Juni 2000 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Berufungsinstanz zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Überbrückungsgeld ab dem 06.10.1997.
Der am ... geborene Kläger war in der Zeit von 1971 bis 1997 für verschiedene Firmen als Industriemechaniker, Trockenbauer und Monteur beitragspflichtig beschäftigt gewesen. Sein letztes Arbeitsverhältnis war zum 28.02.1997 gekündigt worden. Hierauf meldete er sich erstmals mit Wirkung zum 01.03.1997 arbeitslos. Mit Bescheid vom 21.04.1997 bewilligte ihm die Beklagte Arbeitslosengeld (Alg) ab dem 01.03.1997 mit einer Gesamtanspruchsdauer von 208 Tagen.
Mit Schreiben vom 05.09.1997 forderte die Beklagte den Kläger auf, am 10.09.1997 in der Abteilung Arbeitsvermittlung und Arbeitsberatung des Arbeitsamtes Leipzig vorzusprechen. Zu dem angegebenen Termin erschien er - ohne Angaben von Gründen - nicht. Mit Schreiben vom 11.09.1997 erfolgte hierauf eine zweite Meldeaufforderung zum 16.09.1997. Zu diesem Termin erschien der Kläger beim Arbeitsamt. Durch Bescheid vom 02.10.1997 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg wegen eines Meldeversäumnisses ab dem 11.09.1997 ganz auf. Dies stützte sie auf § 48 SGB X i.V.m. § 120 AFG. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Ab dem 23.09.1997 war der Kläger arbeitsunfähig krank. Auf der hierzu vorgelegten zweiten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gab die behandelnde Ärztin als voraussichtlichen Endtermin der Erkrankung den 08.10.1997 an.
Mit Veränderungsmitteilung vom 09.10.1997 zeigte der Kläger ab dem 06.10.1997 eine selbstständige Tätigkeit an.
Im Hinblick auf eine bereits ab 01.06.1997 beabsichtigte selbstständige Tätigkeit hatte der Kläger schon am 23.04.1997, eingegangen am 18.09.1997, die Gewährung von Leistungen zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit beantragt. Es sollte sich um eine Tätigkeit als Subunternehmer für M ... handeln: Ausführung von Aufträgen im M ... sowie Auf- und Abbau von M ... mit Material der Auftraggeber. Die Gewerbeanmeldung bei der Stadt L ... erfolgte mit Wirkung zum 01.10.1997, die tatsächliche Aufnahme der Geschäftstätigkeit nach Angabe des Klägers erst ab 06.10.1997.
Nach einer gutachterlichen Beurteilung durch die Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft C ... T ... vom 21.01.1998 konnte das Vorhaben des Klägers unter Berücksichtigung einer Anlaufphase und der Gewährung von Leistungen nach § 55a AFG gegen Ende 1998 eine tragfähige Vollexistenz erreichen.
Mit Bescheid vom 13.02.1998 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen nach § 55a AFG ab, da der Kläger nicht bis unmittelbar vor Aufnahme der Tätigkeit Alg oder Alhi bezogen habe. Diese Voraussetzung müsse nach § 55a AFG i.V.m. § 24 der Anordnung zur Arbeitsaufnahme gegeben sein.
Dem widersprach der Kläger am 23.02.1998. Er habe alle Voraussetzungen für die Leistung erfüllt und bis zum 30.09.1997 einen Anspruch auf Alg gehabt.
Durch Widerspruchsbescheid vom 11.05.1998 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach § 55a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 24 Abs. 1 der Anordnung zur Förderung der Arbeitsaufnahme müsse ein Antragsteller grundsätzlich bis unmittelbar vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit Alg oder Alhi bezogen haben. Die einzige Ausnahme bilde das Ruhen wegen einer bis zu 12-wöchigen Sperrzeit. Entscheidend sei, dass trotz der Unterbrechung des Leistungsbezuges das Stammrecht erhalten bleibe. Säumniszeit - Anspruch auf Krankengeld gehabt. Solche anderen Leistungen könnten jedoch keine Überbrückungs- bzw. Gleichstellungstatbestände bilden.
Am 11.06.1998 hat sich der Kläger hiergegen an das Sozialgericht Leipzig gewandt. Es habe ein nahtloser Übergang von der Arbeitslosigkeit in die Selbstständigkeit vorgelegen.
Mit Urteil vom 15. Juni 2000 hat das Sozialgericht Leipzig (SG) die Beklagte verurteilt, den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu verbescheiden. Die Beklagte habe ihr Ermessen nicht pflichtgemäß ausgeübt. Im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG müsse Alg oder Alhi nicht unter allen Umständen nahtlos bis zum Beginn der Selbstständigkeit bezogen werden. Die für Sperrzeitfälle maßgebende Erwägung greife auch hier ein. Sowohl während einer Säumniszeit als auch während des Krankengeldbezuges ruhe der Anspruch auf Alg. Auch hier hätte anderenfalls die Säumniszeit zu weit reichende Folgen. Wäre nämlich diese nicht eingetreten, hätte der Kläger weiter Anspruch auf Alg gehabt.
Gegen dieses, ihr am 01.08.2000 zugegangene, Urteil hat die Beklagte am 31.08.2000 Berufung eingelegt. In der Zeit vom 23.09. bis zum 05.10.1997 habe der Leistungsanspruch des Klägers nicht geruht, da ein Anspruch auf Krankengeld zwar dem Grunde nach bestanden habe, aber nicht zuerkannt worden sei, zumal der Kläger auch kein Krankengeld beantragt habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 15.06.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Leistungsakte der Beklagten zur Gewährung von Alg sowie die FdA-Akte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) sowie form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG).
Sie ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht Leipzig (SG) hat die angefochtenen Bescheide zutreffend als rechtswidrig aufgehoben und zur erneuten Verbescheidung verurteilt.
Das SG hat zu Recht beanstandet, dass die Beklagte bei der Entscheidung über den Förderungsantrag des Klägers das ihr durch § 55a AFG eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt hat. Der Rechtsauffassung der Beklagten, der Kläger erfülle schon deshalb nicht die gesetzlichen Voraussetzungen des Überbrückungsgeldes, weil es an einem unmittelbaren Vorbezug von Alg fehle, vermag sich auch der Senat nicht anzuschließen.
§ 55a Abs. 1 Satz 1 AFG (in der hier maßgeblichen Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes - AFRG vom 24.03.1997 - BGBl. I S. 594) sieht vor, dass die BA Arbeitslosen bei Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 18 Stunden Übergangsgeld gewähren kann, wenn der Arbeitslose u.a. bis zur Aufnahme dieser Tätigkeit mindestens 4 Wochen Alg oder Alhi bezogen hat. Das Übergangsgeld wird grundsätzlich für 26 Wochen und in Höhe des Betrages gewährt, den der Antragsteller als Alg oder Alhi zuletzt bezogen hat (Abs. 2).
Nach dem Wortlaut des Gesetzes muss der Arbeitslose "bis zur Aufnahme" der selbstständigen Tätigkeit mindestens 4 Wochen Alg oder Alhi "bezogen" haben. Diese Worte sprechen zwar dafür, dass sich der Leistungsbezug bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit erstrecken muss und nicht ein irgendwie gearteter früherer Leistungsbezug ausreicht. Eindeutig ist dieser Wortlaut jedoch nicht. Denn im Unterschied zu der vergleichbaren Regelung des § 44 Abs. 3 Nr. 1 AFG ist nicht davon die Rede, dass der Arbeitslose "unmittelbar" bis zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit Alg oder Alhi bezogen haben muss.
Die rein wörtliche Auslegung des § 55a Abs. 1 Satz 1 AFG, nach der nur Arbeitslose erfasst werden, die aktuell im Leistungsbezug stehen, wird jedoch dem Zweck des Gesetzes nicht gerecht. Diese hätte nämlich zur Folge, dass bei jeder Art von Unterbrechung des Leistungsbezuges, die Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit davon abhängig wäre, dass erneut Alg oder Alhi bezogen wird. Dies entspricht jedoch nicht der Absicht des Gesetzgebers: Mit § 55a AFG hat der Gesetzgeber - im Gegensatz zu der Vorgängervorschrift des § 135 Abs. 1 AVAVG - erstmals einen vorausgegangenen Bezug von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit (zunächst 10 Wochen und nunmehr reduziert auf 4 Wochen) zur grundsätzlichen Voraussetzung für die Förderung durch Überbrückungsgeld gemacht. Dies beruhte auf den Erwägungen, die für die Einführung des Überbrückungsgeldes in das AFG entscheidend waren. In der Begründung des Regierungsentwurfes (BT-Drucks. 10/3923 zu Nr. 11, S. 20) wird ausgeführt, die Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit durch einen Arbeitslosen trage ebenso zur Entlastung des Arbeitsmarktes bei, wie die Vermittlung in eine abhängige Beschäftigung. Außerdem könne eine erfolgreiche Existenzgründung zur Schaffung weiterer Arbeitsplätze führen. Deshalb werde eine neue Leistung "Überbrückungsgeld" vorgesehen. Sobald nämlich die Vorbereitung für die Existenzgründung einen Empfänger von Alg oder Alhi für 18 Stunden wöchentlich in Anspruch nehme, gelte dieser nicht mehr als arbeitslos und verliere damit seinen Anspruch auf diese Leistung. In solchen Fällen solle er daher die Möglichkeit erhalten, Überbrückungsgeld zu beziehen.
Hieraus wird deutlich, dass durch die Gewährung von Überbrückungsgeld der Wille und die Bereitschaft des Arbeitslosen zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit gestärkt werden soll. Gefördert werden soll lediglich der Antragsteller, der bereits Alg oder Alhi bezogen hat und daher eine Belastung der Versichertengemeinschaft bedeutet hat, von der diese nun um den Preis einer zeitlich begrenzten Weiterzahlung für die Zukunft befreit wird (vgl. GK-Komm., AFG, Anm. 8 zu § 55a, Gagel/Winkler, AFG, Rdnr. 2 zu § 55a).
Unter Berücksichtigung dieses Gesetzeszweckes hat das BSG bereits mehrfach entschieden, dass in erweiternder Auslegung des Wortlautes für die Anwendung des § 55a Abs. 1 Satz 1 AFG auch ein - wegen Eintritts einer Sperrzeit - zeitlich begrenzt ruhender Alg-Anspruch ausreichend ist, wenn nur der Arbeitslose unmittelbar vor der Unterbrechung des Bezuges die Leistung über einen entsprechenden Zeitraum tatsächlich erhalten hat. Entscheidend sei dabei, dass trotz der Unterbrechung dieses Leistungsbezuges durch den Ruhenstatbestand das Stammrecht erhalten bleibe, so dass der Arbeitslose nach einer solchen Unterbrechung weiterhin Alg oder Alhi beanspruchen könnte, falls die Förderung nicht stattfände (BSG, SozR 3-4100 § 55a Nr. 2 S. 12; Nr. 3 Abgrenzung zu einem Ruhen gemäß § 117 Abs. 2 und 3 AFG ohne vorausgehenden Alg-Bezug; Nr. 4 - Fortführung von BSG SozR 3-4100 § 55a Nr. 2). Von Bedeutung ist hierbei, dass der ruhensbedingte Abstand zum Vorbezug von Alg oder Alhi nicht länger als die bei Ablehnung von Arbeitsangeboten mögliche Sperrzeit (also maximal 12 Wochen). Denn ein Bezug von Alg oder Alhi "bis zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit" im Sinne des § 55a Abs. 1 Satz 1 AFG ist nur dann gegeben, wenn der Bezug "zeitlich begrenzt" im Sinne von "kurzzeitig" unterbrochen, (BSG SozR 3-4100 Nr. 4 S. 23 und 24). Anderenfalls entsteht die Gefahr, dass bei der Bearbeitung von Anträgen von Überbrückungsgeld durch Aufklärung weit zurückliegender Umstände ein Verwaltungsaufwand erforderlich wird, den das Gesetz im Sinne der Praktikabilität gerade ausschließen will (vgl. BT-Drucks. 11/800, S. 17). Ein solches Bedenken besteht aber nicht, wenn bei Unterbrechung des Bezuges von Alg oder Alhi ein zeitlicher Abstand zwischen dem Leistungsbezug und der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit bis zur Dauer einer Sperrzeit ist wegen Ablehnung eines Arbeitsangebotes hingenommen wird (BSG SozR 3-4100 Nr. 4 a.a.O.).
In Fortführung dieser Rechtsprechung des BSG, welcher sich der Senat anschließt, ist darüber hinaus § 55a Abs. 1 AFG dahingehend auszulegen, dass eine "kurzzeitige" Unterbrechung auch dann unschädlich sein kann, wenn kein "Ruhenstatbestand" vorliegt. Auf das Fortbestehen eines Stammrechts - als solches - kommt es nicht entscheidend an. (Zumindest angedeutet hat auch das BSG diese Auffassung im Urteil vom 24.06.1993, SozR 3-4100 § 55a Nr. 4, S. 26. Hierauf kam es in dieser Entscheidung jedoch letztlich nicht an, da zwar ein Ruhenstatbestand gegeben war, es aber bereits an der "Kurzzeitigkeit" mangelte.) Maßgebender Gesichtspunkt ist vielmehr, ob nach dem Ende des Leistungsbezuges ohne Beginn der selbstständigen Tätigkeit ein baldiger Bezug von Alg oder Alhi wieder zu erwarten ist. Soweit eine solche Situation vorliegt, wird die Versichertengemeinschaft durch die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit gleichsam von einem potentiellen Alg- oder Alhi-Bezieher befreit. Daher kann - entsprechend dem dargestellten Gesetzeszweck - auch dann dem Grunde nach ein Anspruch auf Überbrückungsgeld nach § 55a AFG bestehen, wenn es vor dem Beginn der selbstständigen Tätigkeit ohne einen Ruhenstatbestand zu einer kurzzeitigen Unterbrechung des Leistungsbezuges kam, jedoch andererseits einer baldigen Fortsetzung des Leistungsbezuges nichts entgegensteht.
So lag der Fall hier. Ohne die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit hätten einem Anspruch des Klägers auf Arbeitslosigkeit ab dem 09.10.1997 (AU-Bescheinigung bis zum 08.10.1997) keinerlei Hindernisse entgegengestanden. Allerdings hätte die weitere Restanspruchsdauer - zumindest auf Alg - lediglich 30 Leistungstage betragen. (Dieser Gesichtspunkt könnte jedoch - gegebenenfalls - im Rahmen der Prüfung des Vorliegens eines Ausnahmefalles hinsichtlich der Regeldauer berücksichtigt werden).
Im Übrigen greift hier - obwohl mangels Krankengeld-Bezug kein Ruhenstatbestand vorlag - der im Urteil des BSG vom 24.06.1993 (a.a.O.) ausgeführte Gesichtspunkt, dass anderenfalls die Folgen der Sperrzeit über die Sanktion des § 119 AFG hinaus verschärft würden, wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, in entsprechender Weise ein: Hätte der Kläger durch sein Meldeversäumnis keinen Anlass für die Feststellung einer Säumniszeit gegeben, dann hätte er für die Zeit ab dem 23.09.1997 bis zur Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Alg gemäß § 105b Abs. 1 AFG gehabt. Die in § 120 Abs. 1 Satz 1 AFG vorgesehene Sanktion eines Ruhens der Leistung für 2 Wochen würde daher bei einer unmittelbar hieraus folgenden Ablehnung von Überbrückungsgeld deutlich überschritten.
Dass es für den Anspruch auf Überbrückungsgeld nach § 55a AFG entscheidend darauf ankommt, ob in Kürze eine Fortsetzung des Leistungsbezuges zu erwarten gewesen wäre, wird auch in einem Urteil des LSG Hamburg vom 11.11.1999 (L 5 AL 63/98) deutlich. Nach dem diesem zu Grunde liegenden Sachverhalt lag zwischen dem Ende des Alg-Bezuges und dem Beginn der selbstständigen Tätigkeit lediglich ein Tag. Dennoch hat das Gericht einen Anspruch auf Überbrückungsgeld nicht wegen der "Lücke" zwischen Leistungsbezug und dem Beginn der selbstständigen Tätigkeit, sondern lediglich deshalb abgelehnt, weil an diesem Tag das Stammrecht auf Arbeitslosengeld deshalb erloschen war, weil weder eine weitere Restanspruchsdauer noch ein Anspruch auf Anschluss-Arbeitslosenhilfe (mangels Bedürftigkeit) bestand. Der Kläger jenes Rechtsstreits - anders als hier - hätte mithin die Versichertengemeinschaft durch einen Alg- oder Alhi-Bezug zu diesem Zeitpunkt nicht mehr belasten können.
Der Kläger stand auch keiner Person gleich, die lediglich potentiell einen Alg- oder Alhi-Anspruch geltend machen könnte, ohne dass dies bisher tatsächlich erfolgt wäre, so dass auch noch gar kein Leistungsbezug vorlag. Im Gegensatz zu einer solchen Situation war bei dem Kläger durch den bisherigen Alg-Bezug bereits deutlich geworden, dass er für seine Lebensführung den Leistungsbezug benötigt. Dies entspricht auch - wie oben dargestellt - den gesetzlichen Gründen für die Einführung der Notwendigkeit eines Vorbezuges der Leistungen Alg oder Alhi.
Bei dem Kläger lag letztlich auch kein Ausscheiden aus dem Kreis der Versicherten vor, sondern lediglich aus dem aktuellen Leistungsbezug. Hierbei ist zu beachten, dass die Beklagte durch den Bescheid vom 02.10.1997 rechtsfehlerhaft die Alg-Bewilligung (ab dem 11.09.1997) ganz aufgehoben hat. Materiell-rechtlich bleibt beim Eintritt einer Säumniszeit das Stammrecht erhalten, so dass nach Ablauf dieser Zeit - ohne erneuten Antrag - die Leistung weiterzuzahlen ist. Verfahrensrechtlich zutreffend wäre daher gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X lediglich die befristete Aufhebung des Leistungsbezuges wegen Ruhens gewesen. Aber auch trotz der Bestandskraft dieses Bescheides ist der Kläger nicht abschließend aus dem versicherten Kreis ausgeschieden. Vielmehr war durch den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 21.04.1997 das Bestehen der grundsätzlichen Voraussetzungen für einen Alg-Anspruch von 208 Tagen festgestellt worden. Diese Anspruchsdauer war weder durch Erfüllung noch aus sonstigen Gründen erloschen. Soweit sich die Beklagte auf die formelle Verbindlichkeit des Bescheides vom 02.10.1997 beruft, bliebe es ihr unbenommen, im Rahmen der vorzunehmenden Ermessensentscheidung auch ein Verfahren nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X einzuleiten und diesen entsprechend abzuändern.
Auch die Feststellung der Tragfähigkeit der Existenzgründung gem. § 55a Abs. 1 Satz 2 durch Vorlage der Stellungnahme einer fachkundigen Stelle war mit der Stellungnahme der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft C ... T ... vom 21.01.1998 gegeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Fragestellung, ob trotz des fehlenden Ruhenstatbestandes in Fällen wie dem vorliegenden, ein Anspruch auf § 55a AFG dem Grund nach bestehen kann, ist nicht nur auf den Einzelfall dieses Rechtsstreites bezogen. Vielmehr kann sich eine solche Konstellation in zahlreichen weiteren Fällen in ähnlicher Weise ergeben, zumal insoweit die Rechtslage nach dem SGB III (§ 57 Abs. 2 Nr. 1a SGB III) der des AFG entspricht. Eine höchstrichterliche Entscheidung des BSG liegt zu dieser Fragestellung noch nicht vor. Das Verfahren hat daher grundsätzliche Bedeutung, so dass die Revision zuzulassen war, § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Berufungsinstanz zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Überbrückungsgeld ab dem 06.10.1997.
Der am ... geborene Kläger war in der Zeit von 1971 bis 1997 für verschiedene Firmen als Industriemechaniker, Trockenbauer und Monteur beitragspflichtig beschäftigt gewesen. Sein letztes Arbeitsverhältnis war zum 28.02.1997 gekündigt worden. Hierauf meldete er sich erstmals mit Wirkung zum 01.03.1997 arbeitslos. Mit Bescheid vom 21.04.1997 bewilligte ihm die Beklagte Arbeitslosengeld (Alg) ab dem 01.03.1997 mit einer Gesamtanspruchsdauer von 208 Tagen.
Mit Schreiben vom 05.09.1997 forderte die Beklagte den Kläger auf, am 10.09.1997 in der Abteilung Arbeitsvermittlung und Arbeitsberatung des Arbeitsamtes Leipzig vorzusprechen. Zu dem angegebenen Termin erschien er - ohne Angaben von Gründen - nicht. Mit Schreiben vom 11.09.1997 erfolgte hierauf eine zweite Meldeaufforderung zum 16.09.1997. Zu diesem Termin erschien der Kläger beim Arbeitsamt. Durch Bescheid vom 02.10.1997 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg wegen eines Meldeversäumnisses ab dem 11.09.1997 ganz auf. Dies stützte sie auf § 48 SGB X i.V.m. § 120 AFG. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Ab dem 23.09.1997 war der Kläger arbeitsunfähig krank. Auf der hierzu vorgelegten zweiten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gab die behandelnde Ärztin als voraussichtlichen Endtermin der Erkrankung den 08.10.1997 an.
Mit Veränderungsmitteilung vom 09.10.1997 zeigte der Kläger ab dem 06.10.1997 eine selbstständige Tätigkeit an.
Im Hinblick auf eine bereits ab 01.06.1997 beabsichtigte selbstständige Tätigkeit hatte der Kläger schon am 23.04.1997, eingegangen am 18.09.1997, die Gewährung von Leistungen zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit beantragt. Es sollte sich um eine Tätigkeit als Subunternehmer für M ... handeln: Ausführung von Aufträgen im M ... sowie Auf- und Abbau von M ... mit Material der Auftraggeber. Die Gewerbeanmeldung bei der Stadt L ... erfolgte mit Wirkung zum 01.10.1997, die tatsächliche Aufnahme der Geschäftstätigkeit nach Angabe des Klägers erst ab 06.10.1997.
Nach einer gutachterlichen Beurteilung durch die Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft C ... T ... vom 21.01.1998 konnte das Vorhaben des Klägers unter Berücksichtigung einer Anlaufphase und der Gewährung von Leistungen nach § 55a AFG gegen Ende 1998 eine tragfähige Vollexistenz erreichen.
Mit Bescheid vom 13.02.1998 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen nach § 55a AFG ab, da der Kläger nicht bis unmittelbar vor Aufnahme der Tätigkeit Alg oder Alhi bezogen habe. Diese Voraussetzung müsse nach § 55a AFG i.V.m. § 24 der Anordnung zur Arbeitsaufnahme gegeben sein.
Dem widersprach der Kläger am 23.02.1998. Er habe alle Voraussetzungen für die Leistung erfüllt und bis zum 30.09.1997 einen Anspruch auf Alg gehabt.
Durch Widerspruchsbescheid vom 11.05.1998 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach § 55a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 24 Abs. 1 der Anordnung zur Förderung der Arbeitsaufnahme müsse ein Antragsteller grundsätzlich bis unmittelbar vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit Alg oder Alhi bezogen haben. Die einzige Ausnahme bilde das Ruhen wegen einer bis zu 12-wöchigen Sperrzeit. Entscheidend sei, dass trotz der Unterbrechung des Leistungsbezuges das Stammrecht erhalten bleibe. Säumniszeit - Anspruch auf Krankengeld gehabt. Solche anderen Leistungen könnten jedoch keine Überbrückungs- bzw. Gleichstellungstatbestände bilden.
Am 11.06.1998 hat sich der Kläger hiergegen an das Sozialgericht Leipzig gewandt. Es habe ein nahtloser Übergang von der Arbeitslosigkeit in die Selbstständigkeit vorgelegen.
Mit Urteil vom 15. Juni 2000 hat das Sozialgericht Leipzig (SG) die Beklagte verurteilt, den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu verbescheiden. Die Beklagte habe ihr Ermessen nicht pflichtgemäß ausgeübt. Im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG müsse Alg oder Alhi nicht unter allen Umständen nahtlos bis zum Beginn der Selbstständigkeit bezogen werden. Die für Sperrzeitfälle maßgebende Erwägung greife auch hier ein. Sowohl während einer Säumniszeit als auch während des Krankengeldbezuges ruhe der Anspruch auf Alg. Auch hier hätte anderenfalls die Säumniszeit zu weit reichende Folgen. Wäre nämlich diese nicht eingetreten, hätte der Kläger weiter Anspruch auf Alg gehabt.
Gegen dieses, ihr am 01.08.2000 zugegangene, Urteil hat die Beklagte am 31.08.2000 Berufung eingelegt. In der Zeit vom 23.09. bis zum 05.10.1997 habe der Leistungsanspruch des Klägers nicht geruht, da ein Anspruch auf Krankengeld zwar dem Grunde nach bestanden habe, aber nicht zuerkannt worden sei, zumal der Kläger auch kein Krankengeld beantragt habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 15.06.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Leistungsakte der Beklagten zur Gewährung von Alg sowie die FdA-Akte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) sowie form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG).
Sie ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht Leipzig (SG) hat die angefochtenen Bescheide zutreffend als rechtswidrig aufgehoben und zur erneuten Verbescheidung verurteilt.
Das SG hat zu Recht beanstandet, dass die Beklagte bei der Entscheidung über den Förderungsantrag des Klägers das ihr durch § 55a AFG eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt hat. Der Rechtsauffassung der Beklagten, der Kläger erfülle schon deshalb nicht die gesetzlichen Voraussetzungen des Überbrückungsgeldes, weil es an einem unmittelbaren Vorbezug von Alg fehle, vermag sich auch der Senat nicht anzuschließen.
§ 55a Abs. 1 Satz 1 AFG (in der hier maßgeblichen Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes - AFRG vom 24.03.1997 - BGBl. I S. 594) sieht vor, dass die BA Arbeitslosen bei Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 18 Stunden Übergangsgeld gewähren kann, wenn der Arbeitslose u.a. bis zur Aufnahme dieser Tätigkeit mindestens 4 Wochen Alg oder Alhi bezogen hat. Das Übergangsgeld wird grundsätzlich für 26 Wochen und in Höhe des Betrages gewährt, den der Antragsteller als Alg oder Alhi zuletzt bezogen hat (Abs. 2).
Nach dem Wortlaut des Gesetzes muss der Arbeitslose "bis zur Aufnahme" der selbstständigen Tätigkeit mindestens 4 Wochen Alg oder Alhi "bezogen" haben. Diese Worte sprechen zwar dafür, dass sich der Leistungsbezug bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit erstrecken muss und nicht ein irgendwie gearteter früherer Leistungsbezug ausreicht. Eindeutig ist dieser Wortlaut jedoch nicht. Denn im Unterschied zu der vergleichbaren Regelung des § 44 Abs. 3 Nr. 1 AFG ist nicht davon die Rede, dass der Arbeitslose "unmittelbar" bis zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit Alg oder Alhi bezogen haben muss.
Die rein wörtliche Auslegung des § 55a Abs. 1 Satz 1 AFG, nach der nur Arbeitslose erfasst werden, die aktuell im Leistungsbezug stehen, wird jedoch dem Zweck des Gesetzes nicht gerecht. Diese hätte nämlich zur Folge, dass bei jeder Art von Unterbrechung des Leistungsbezuges, die Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit davon abhängig wäre, dass erneut Alg oder Alhi bezogen wird. Dies entspricht jedoch nicht der Absicht des Gesetzgebers: Mit § 55a AFG hat der Gesetzgeber - im Gegensatz zu der Vorgängervorschrift des § 135 Abs. 1 AVAVG - erstmals einen vorausgegangenen Bezug von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit (zunächst 10 Wochen und nunmehr reduziert auf 4 Wochen) zur grundsätzlichen Voraussetzung für die Förderung durch Überbrückungsgeld gemacht. Dies beruhte auf den Erwägungen, die für die Einführung des Überbrückungsgeldes in das AFG entscheidend waren. In der Begründung des Regierungsentwurfes (BT-Drucks. 10/3923 zu Nr. 11, S. 20) wird ausgeführt, die Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit durch einen Arbeitslosen trage ebenso zur Entlastung des Arbeitsmarktes bei, wie die Vermittlung in eine abhängige Beschäftigung. Außerdem könne eine erfolgreiche Existenzgründung zur Schaffung weiterer Arbeitsplätze führen. Deshalb werde eine neue Leistung "Überbrückungsgeld" vorgesehen. Sobald nämlich die Vorbereitung für die Existenzgründung einen Empfänger von Alg oder Alhi für 18 Stunden wöchentlich in Anspruch nehme, gelte dieser nicht mehr als arbeitslos und verliere damit seinen Anspruch auf diese Leistung. In solchen Fällen solle er daher die Möglichkeit erhalten, Überbrückungsgeld zu beziehen.
Hieraus wird deutlich, dass durch die Gewährung von Überbrückungsgeld der Wille und die Bereitschaft des Arbeitslosen zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit gestärkt werden soll. Gefördert werden soll lediglich der Antragsteller, der bereits Alg oder Alhi bezogen hat und daher eine Belastung der Versichertengemeinschaft bedeutet hat, von der diese nun um den Preis einer zeitlich begrenzten Weiterzahlung für die Zukunft befreit wird (vgl. GK-Komm., AFG, Anm. 8 zu § 55a, Gagel/Winkler, AFG, Rdnr. 2 zu § 55a).
Unter Berücksichtigung dieses Gesetzeszweckes hat das BSG bereits mehrfach entschieden, dass in erweiternder Auslegung des Wortlautes für die Anwendung des § 55a Abs. 1 Satz 1 AFG auch ein - wegen Eintritts einer Sperrzeit - zeitlich begrenzt ruhender Alg-Anspruch ausreichend ist, wenn nur der Arbeitslose unmittelbar vor der Unterbrechung des Bezuges die Leistung über einen entsprechenden Zeitraum tatsächlich erhalten hat. Entscheidend sei dabei, dass trotz der Unterbrechung dieses Leistungsbezuges durch den Ruhenstatbestand das Stammrecht erhalten bleibe, so dass der Arbeitslose nach einer solchen Unterbrechung weiterhin Alg oder Alhi beanspruchen könnte, falls die Förderung nicht stattfände (BSG, SozR 3-4100 § 55a Nr. 2 S. 12; Nr. 3 Abgrenzung zu einem Ruhen gemäß § 117 Abs. 2 und 3 AFG ohne vorausgehenden Alg-Bezug; Nr. 4 - Fortführung von BSG SozR 3-4100 § 55a Nr. 2). Von Bedeutung ist hierbei, dass der ruhensbedingte Abstand zum Vorbezug von Alg oder Alhi nicht länger als die bei Ablehnung von Arbeitsangeboten mögliche Sperrzeit (also maximal 12 Wochen). Denn ein Bezug von Alg oder Alhi "bis zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit" im Sinne des § 55a Abs. 1 Satz 1 AFG ist nur dann gegeben, wenn der Bezug "zeitlich begrenzt" im Sinne von "kurzzeitig" unterbrochen, (BSG SozR 3-4100 Nr. 4 S. 23 und 24). Anderenfalls entsteht die Gefahr, dass bei der Bearbeitung von Anträgen von Überbrückungsgeld durch Aufklärung weit zurückliegender Umstände ein Verwaltungsaufwand erforderlich wird, den das Gesetz im Sinne der Praktikabilität gerade ausschließen will (vgl. BT-Drucks. 11/800, S. 17). Ein solches Bedenken besteht aber nicht, wenn bei Unterbrechung des Bezuges von Alg oder Alhi ein zeitlicher Abstand zwischen dem Leistungsbezug und der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit bis zur Dauer einer Sperrzeit ist wegen Ablehnung eines Arbeitsangebotes hingenommen wird (BSG SozR 3-4100 Nr. 4 a.a.O.).
In Fortführung dieser Rechtsprechung des BSG, welcher sich der Senat anschließt, ist darüber hinaus § 55a Abs. 1 AFG dahingehend auszulegen, dass eine "kurzzeitige" Unterbrechung auch dann unschädlich sein kann, wenn kein "Ruhenstatbestand" vorliegt. Auf das Fortbestehen eines Stammrechts - als solches - kommt es nicht entscheidend an. (Zumindest angedeutet hat auch das BSG diese Auffassung im Urteil vom 24.06.1993, SozR 3-4100 § 55a Nr. 4, S. 26. Hierauf kam es in dieser Entscheidung jedoch letztlich nicht an, da zwar ein Ruhenstatbestand gegeben war, es aber bereits an der "Kurzzeitigkeit" mangelte.) Maßgebender Gesichtspunkt ist vielmehr, ob nach dem Ende des Leistungsbezuges ohne Beginn der selbstständigen Tätigkeit ein baldiger Bezug von Alg oder Alhi wieder zu erwarten ist. Soweit eine solche Situation vorliegt, wird die Versichertengemeinschaft durch die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit gleichsam von einem potentiellen Alg- oder Alhi-Bezieher befreit. Daher kann - entsprechend dem dargestellten Gesetzeszweck - auch dann dem Grunde nach ein Anspruch auf Überbrückungsgeld nach § 55a AFG bestehen, wenn es vor dem Beginn der selbstständigen Tätigkeit ohne einen Ruhenstatbestand zu einer kurzzeitigen Unterbrechung des Leistungsbezuges kam, jedoch andererseits einer baldigen Fortsetzung des Leistungsbezuges nichts entgegensteht.
So lag der Fall hier. Ohne die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit hätten einem Anspruch des Klägers auf Arbeitslosigkeit ab dem 09.10.1997 (AU-Bescheinigung bis zum 08.10.1997) keinerlei Hindernisse entgegengestanden. Allerdings hätte die weitere Restanspruchsdauer - zumindest auf Alg - lediglich 30 Leistungstage betragen. (Dieser Gesichtspunkt könnte jedoch - gegebenenfalls - im Rahmen der Prüfung des Vorliegens eines Ausnahmefalles hinsichtlich der Regeldauer berücksichtigt werden).
Im Übrigen greift hier - obwohl mangels Krankengeld-Bezug kein Ruhenstatbestand vorlag - der im Urteil des BSG vom 24.06.1993 (a.a.O.) ausgeführte Gesichtspunkt, dass anderenfalls die Folgen der Sperrzeit über die Sanktion des § 119 AFG hinaus verschärft würden, wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, in entsprechender Weise ein: Hätte der Kläger durch sein Meldeversäumnis keinen Anlass für die Feststellung einer Säumniszeit gegeben, dann hätte er für die Zeit ab dem 23.09.1997 bis zur Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Alg gemäß § 105b Abs. 1 AFG gehabt. Die in § 120 Abs. 1 Satz 1 AFG vorgesehene Sanktion eines Ruhens der Leistung für 2 Wochen würde daher bei einer unmittelbar hieraus folgenden Ablehnung von Überbrückungsgeld deutlich überschritten.
Dass es für den Anspruch auf Überbrückungsgeld nach § 55a AFG entscheidend darauf ankommt, ob in Kürze eine Fortsetzung des Leistungsbezuges zu erwarten gewesen wäre, wird auch in einem Urteil des LSG Hamburg vom 11.11.1999 (L 5 AL 63/98) deutlich. Nach dem diesem zu Grunde liegenden Sachverhalt lag zwischen dem Ende des Alg-Bezuges und dem Beginn der selbstständigen Tätigkeit lediglich ein Tag. Dennoch hat das Gericht einen Anspruch auf Überbrückungsgeld nicht wegen der "Lücke" zwischen Leistungsbezug und dem Beginn der selbstständigen Tätigkeit, sondern lediglich deshalb abgelehnt, weil an diesem Tag das Stammrecht auf Arbeitslosengeld deshalb erloschen war, weil weder eine weitere Restanspruchsdauer noch ein Anspruch auf Anschluss-Arbeitslosenhilfe (mangels Bedürftigkeit) bestand. Der Kläger jenes Rechtsstreits - anders als hier - hätte mithin die Versichertengemeinschaft durch einen Alg- oder Alhi-Bezug zu diesem Zeitpunkt nicht mehr belasten können.
Der Kläger stand auch keiner Person gleich, die lediglich potentiell einen Alg- oder Alhi-Anspruch geltend machen könnte, ohne dass dies bisher tatsächlich erfolgt wäre, so dass auch noch gar kein Leistungsbezug vorlag. Im Gegensatz zu einer solchen Situation war bei dem Kläger durch den bisherigen Alg-Bezug bereits deutlich geworden, dass er für seine Lebensführung den Leistungsbezug benötigt. Dies entspricht auch - wie oben dargestellt - den gesetzlichen Gründen für die Einführung der Notwendigkeit eines Vorbezuges der Leistungen Alg oder Alhi.
Bei dem Kläger lag letztlich auch kein Ausscheiden aus dem Kreis der Versicherten vor, sondern lediglich aus dem aktuellen Leistungsbezug. Hierbei ist zu beachten, dass die Beklagte durch den Bescheid vom 02.10.1997 rechtsfehlerhaft die Alg-Bewilligung (ab dem 11.09.1997) ganz aufgehoben hat. Materiell-rechtlich bleibt beim Eintritt einer Säumniszeit das Stammrecht erhalten, so dass nach Ablauf dieser Zeit - ohne erneuten Antrag - die Leistung weiterzuzahlen ist. Verfahrensrechtlich zutreffend wäre daher gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X lediglich die befristete Aufhebung des Leistungsbezuges wegen Ruhens gewesen. Aber auch trotz der Bestandskraft dieses Bescheides ist der Kläger nicht abschließend aus dem versicherten Kreis ausgeschieden. Vielmehr war durch den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 21.04.1997 das Bestehen der grundsätzlichen Voraussetzungen für einen Alg-Anspruch von 208 Tagen festgestellt worden. Diese Anspruchsdauer war weder durch Erfüllung noch aus sonstigen Gründen erloschen. Soweit sich die Beklagte auf die formelle Verbindlichkeit des Bescheides vom 02.10.1997 beruft, bliebe es ihr unbenommen, im Rahmen der vorzunehmenden Ermessensentscheidung auch ein Verfahren nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X einzuleiten und diesen entsprechend abzuändern.
Auch die Feststellung der Tragfähigkeit der Existenzgründung gem. § 55a Abs. 1 Satz 2 durch Vorlage der Stellungnahme einer fachkundigen Stelle war mit der Stellungnahme der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft C ... T ... vom 21.01.1998 gegeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Fragestellung, ob trotz des fehlenden Ruhenstatbestandes in Fällen wie dem vorliegenden, ein Anspruch auf § 55a AFG dem Grund nach bestehen kann, ist nicht nur auf den Einzelfall dieses Rechtsstreites bezogen. Vielmehr kann sich eine solche Konstellation in zahlreichen weiteren Fällen in ähnlicher Weise ergeben, zumal insoweit die Rechtslage nach dem SGB III (§ 57 Abs. 2 Nr. 1a SGB III) der des AFG entspricht. Eine höchstrichterliche Entscheidung des BSG liegt zu dieser Fragestellung noch nicht vor. Das Verfahren hat daher grundsätzliche Bedeutung, so dass die Revision zuzulassen war, § 160 Abs. 2 SGG.
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