L 3 AL 156/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 3 AL 1220/95
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 156/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 18. August 1999 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Berufungsverfahren.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab 07.03.1995 sowie auf Konkursausfallgeld (Kaug) ab 01.12.1994 aufgrund einer Tätigkeit als Geschäftsführer für die Firmen a ... s ... GmbH, a ... Akademie GmbH und a ... Hotel- und Gaststättenvertriebsgesellschaft mbH.

Der am ... geborene, verheiratete Kläger war von September 1961 bis September 1962 zunächst als Direktionsassistent eines Hotels tätig, um hiernach die Hotelschule (Oktober 1962 bis September 1963) zu besuchen und nachfolgend als Hotelfachmann (Oktober 1963 bis September 1966), als Geschäftsführer eines Hotels (Oktober 1966 bis Dezember 1969) bzw. als Verkaufsleiter (Januar 1970 bis September 1991) versicherungspflichtig beschäftigt zu sein.

Die a ...-Firmengruppe wurde 1990 ins Leben gerufen, um in den neuen Bundesländern wirtschaftliche Aktivitäten zu entfalten. Ausgangsgesellschaft war die am 20.06.1990 gegründete und am 25.09.1990 ins Handelsregister des Amtsgerichts München (HRB 92427) eingetragene a ... S ... GmbH.

Sie war sogleich die Muttergesellschaft der a ... p ... A ... GmbH, der a ... Hotel- und Gaststätten-Vertriebsgesellschaft mbH und der F ... GmbH. Sie erbrachte gemeinsame Verwaltungsleistungen und koordinierte die verschiedenen Aktivitäten der einzelnen Gesellschaften.

Gesellschafter der a ... S ... GmbH waren anfangs der Kläger, M ... R ... (M. R.), T ... R ... (T. R.) und C ... M ... (C. M.) zu gleichen Anteilen a 12.500,00 DM. Zum 21.01.1991 wurde das Stammkapital auf 62.500,00 DM erhöht. Den neuen Geschäftsanteil zu 12.500,00 DM übernahm D ... N ... (D. N.). Zum 08.12.1993 schied C. M. aus der Gesellschaft aus. Das Stammkapital wurde auf 80.000,00 DM erhöht. Jeder Gesellschafter hielt einen Anteil von 20.000,00 DM. Mit Vertrag vom 28.11.1994 trat D. N. seine Anteile an H ... W ... (H. W.) ab. T. R. wurde durch Gesellschafterbeschluss vom 16.01.1995 aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Die Unwirksamkeit dieses Beschlusses stellte das Landgericht München I mit Urteil vom 10.04.1995 fest (15 HUO 3512/95). Die Gesellschafterbeschlüsse bedurften nach dem Gesellschaftsvertrag einer 3/4-Mehrheit. Zu den Geschäftsführern der Gesellschaft wurden anfangs C. M. und T. R. und ab 1991 G ... R ... (G. R.) und der Kläger berufen. 1994 schieden T. R. und C. M. aus der Geschäftsführung aus. Die Geschäftsführer waren allein vertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.

Laut dem im November 1991 zwischen dem Kläger und der a ... S ... GmbH geschlossenen Geschäftsführervertrag war der Kläger allein vertretungsbefugt. Er war im Innenverhältnis für die Geschäftsbereiche Gastronomie, Kooperation, Kontakte, Vermittlung gewerblicher und handwerklicher Leistungen, Büroservice und Haustechnik verantwortlich (§ 1). Der Vertrag wurde mit Wirkung vom 01.10.1991 bis 31.03.1996 geschlossen und verlängerte sich jeweils um weitere 3 Jahre, wenn er nicht 6 Monate vor Vertragsablauf durch die Vertragsparteien gekündigt wurde (§ 2). Eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund war jederzeit zulässig (§ 2). Eine solche konnte insbesondere erfolgen, wenn der Geschäftsführer gegen die im Innenverhältnis auferlegten Beschränkungen hinsichtlich der Geschäftsführung schuldhaft verstieß. Eine Abberufung des Geschäftsführers war ebenfalls nur aus wichtigem Grund möglich, solange er Gesellschafter war (§ 2). Der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedurften folgende Geschäfte: - Veräußerung des Unternehmens als Ganzes oder von Teilbetrieben; - Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken, einschließlich der zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäfte, - Abschluss von Pacht- oder Mietverträgen, soweit es sich nicht um Verträge für einmalige Veranstaltungen im Rahmen seines Geschäftsbereichs handelte, wobei die Eingehung von Verpflichtungen insoweit auf 1.000,00 DM beschränkt war; - Eingehen von Kreditverpflichtungen, Wechselverbindlichkeiten und Bürgschaftsverpflichtungen, soweit diese im Einzelfall 10.000,00 DM überstiegen; - Einstellungen und Entlassungen von Arbeitnehmern; - Verträge mit Verwandten und Verschwägerten; - Erteilung und Widerruf von Prokura und Handlungsvollmacht; - im Einzelfall, wenn die Gesellschafterversammlung dies vorher beschloss (§ 3). Der Kläger war an keine Arbeitszeit gebunden. Dauer, Umfang und Ort der Tätigkeit konnte er selbst bestimmen (§ 4). Ferner war er von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit (§ 5). Für die Tätigkeit erhielt der Kläger ein Jahresgehalt i.H.v. 162.000,00 DM brutto (§ 6). Die Gesellschaft trug zusätzlich die Hälfte der gesetzlichen Sozialabgaben (Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung). Im Krankheitsfalle blieb der Gehaltsanspruch für 3 Monate bestehen (§ 6).

Den Protokollen der Gesellschafterversammlungen der a ... S ... GmbH ist zu entnehmen, dass über die Einstellung von Arbeitnehmern sowie über Gehaltserhöhungen und Weihnachtsgratifikationen die Gesellschafterversammlung entschied.

Ab 01.08.1992 stand der Kläger nicht mehr in einem Dienstverhältnis zur a ... S ... GmbH. Er war lediglich noch ihr Geschäftsführer. Das Dienstverhältnis wurde ab diesem Zeitpunkt von der a ... p ... A ... GmbH übernommen. Ab 01.08.1992 war der Kläger auch Geschäftsführer dieser GmbH.

Bei der a ... p ... A ... GmbH, die am 09.09.1991 gegründet worden war und über ein Stammkapital von 50.000,00 DM verfügt hatte, war die a ... S ... GmbH alleinige Gesellschafterin. Geschäftsführer der a ... p ... A ... GmbH waren der Kläger und sein Bruder G. R. Die Geschäftsführer waren zur alleinigen Vertretung berechtigt. Gegenstand des Unternehmens war die Ausbildung und Fortbildung von Umschülern und sonstigen Bildungsintressierten, die Durchführung von Seminaren und Kursen zur Erlangung beruflicher Qualifikationen (§ 3 der Satzung). Die a ... p ... A ... GmbH war das bedeutendste Unternehmen der a ...-Firmengruppe.

Am 09.09.1991 wurde die a ... Wirtschaftsdienst und Versicherungsvermittlungs GmbH mit einem Stammkapital von 50.000,00 DM gegründet, deren alleinige Gesellschafterin ebenfalls die a ...S ... GmbH war. Die Funktion des Geschäftsführers nahm anfangs T. R. wahr. Dieser trat im Jahre 1994 - um einer Abberufung zuvorzukommen - zurück. Neuer Geschäftsführer wurde Herbert Wegmann (H. W.), der im Jahre 1995 zurücktrat.

Die Gründung der a ... Hotel- und Gaststätten-Vertriebsgesellschaft mbH erfolgte am 21.01.1993. Der Kläger war auch Geschäftsführer dieser GmbH. Ab 12.04.1994 war H. W. weiterer Geschäftsführer. Am Stammkapital von 50.000,00 DM hielt die a ... S ... GmbH einen Anteil von 74 %. Weiterer Gesellschafter war H. W.(26 % der Anteile). Aufgabe der a ... Hotel- und Gaststättenvertriebs GmbH war es, Gaststätten und Hotels anzupachten und zu betreiben, die für die praktische Ausbildung der Schüler der a ... p ... A ... GmbH benötigt wurden.

Am 02.09.1991 wurde die F ... GmbH mit einem Stammkapital von 200.000,00 DM gegründet, deren Anteile die a ... S ... GmbH zu 60 % hielt. Weitere 40 % der Anteile befanden sich in den Händen der Mitarbeiter der a ... S ... GmbH Dr. M ..., Frau N ..., Herr Sch ..., Herr Sch ... und Frau W ... Der F ... GmbH gehörten zwei Immobilien, die vermietet wurden.

Der Kläger war von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und Krankenversicherung befreit. Für ihn wurden jedoch Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgeführt.

Am 01.03.1995 erfolgte die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der a ... p ... A ... GmbH, der a ... Hotel- und Gaststättenvertriebs GmbH sowie am 11.05.1995 über das Vermögen der a ... S ... GmbH.

Laut der vom Gesamtvollstreckungsverwalter ausgestellten Verdienstbescheinigung vom 11.05.1995 stehe dem Kläger für den Zeitraum 01.12.1994 bis 28.02.1995 ein Anspruch auf Arbeitsentgelt i.H.v. insgesamt 33.468,61 DM zu.

Am 07.03.1995 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg sowie von Kaug.

Laut Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern sei der Kläger wie ein fremder Arbeitnehmer dem Direktionsrecht der Gesellschaft bezüglich Zeit, Ort und Art der Beschäftigung unterworfen gewesen. Das Weisungsrecht sei von der Gesellschafterversammlung ausgeübt worden. Der Kläger habe jedoch seine Tätigkeit in der Gesellschaft frei bestimmen und gestalten können. Er habe nicht als einziger Gesellschafter über die für die Führung des Unternehmens erforderlichen einschlägigen Branchenkenntnisse verfügt. Seine Tätigkeit sei nicht aufgrund von familienhaften Rücksichtnahmen durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zu anderen Gesellschaften geprägt gewesen. Er habe seinen Urlaub genehmigen lassen müssen. Seine Abberufung als Geschäftsführer sei nur aus wichtigem Grund möglich gewesen. Er habe eine monatliche Vergütung von 14.150,00 DM bezogen. Eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle sei für die Dauer von 3 Monaten erfolgt. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung seien mit einer Mehrheit von 75 % der Stimmen zu fassen gewesen.

Für den Zeitraum vom 16.03.1995 bis 14.07.1995 legte der Kläger ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor.

Mit Bescheid vom 12.05.1995 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Alg ab. Der Kläger habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, da er in der Rahmenfrist keine 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden habe. Er sei vielmehr selbstständig tätig gewesen. Er habe seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten können. Dem Kläger stehe auch kein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) zu, weil er innerhalb eines Jahres vor der Arbeitslosmeldung weder Alg bezogen noch mindestens 150 Kalendertage beitragspflichtig beschäftigt gewesen sei.

Die Beklagte lehnte auch den Anspruch des Klägers auf Kaug ab (Bescheid vom 23.05.1995). Der Kläger sei im Kaug-Zeitraum nicht als Arbeitnehmer tätig gewesen. Er habe entsprechend des Geschäftsführervertrages Dauer, Umfang und Ort der Tätigkeit nach eigenem Ermessen selbst bestimmen können. Aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung bzw. Beteiligung am Stammkapital habe keiner der Gesellschafter allein entscheidenden Einfluss auf die GmbH ausüben können. Damit sei von einer gleichmäßigen Einwirkungsmöglichkeit auf die Unternehmensführung und Leitung der GmbH auszugehen. Die Gesellschafter hätten mithin gleichermaßen das Unternehmerrisiko getragen.

Gegen den Bescheid vom 12.05.1995 richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 07.06.1995. Dem Bescheid vom 23.05.1995 widersprach er mit Schreiben vom 02.06.1995. Da er nicht mindestens 50 % der Geschäftsanteile an der a ... S ... GmbH gehalten habe, sei er als Arbeitnehmer einzustufen.

Am 10.08.1995 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Alg, den die Beklagte mit Bescheid vom 29.09.1995 ablehnte.

Mit undatiertem Widerspruchsbescheid, dem Klägervertreter am 16.10.1995 zugestellt, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen die Ablehnung der Bewilligung von Alg als unbegründet zurück. Der Kläger habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, da er innerhalb der vom 07.03.1992 bis 06.03.1995 dauernden Rahmenfrist keine beitragspflichtige Beschäftigung bei der a ... p ... A ... GmbH ausgeübt habe. Aufgrund seines Anteils am Stammkapital der Muttergesellschaft i.H.v. 20 bzw. 25 % habe er Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben können. Auch liege keine fremdbestimmte Tätigkeit vor, da er seine Tätigkeit in der Gesellschaft habe frei gestalten können. Des Weiteren sei er allein vertretungsberechtigt gewesen. Dem Kläger stehe ebenso wenig ein Anspruch auf Alhi zu, weil er in der vom 07.03.1994 bis 06.05.1995 dauernden Vorfrist weder Alg bezogen noch eine Zeit zurückgelegt habe, die der Erfüllung der Anwartschaftszeit diene.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.11.1995 wies die Beklagte aus den selben Gründen auch den Widerspruch gegen die Ablehnung der Bewilligung von Kaug als unbegründet zurück.

Gegen den den Anspruch auf Alg ablehnenden Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 16.11.1995 Klage zum Sozialgericht (SG) Chemnitz erhoben (S 3 AL 1220/95). Am 11.12.1995 hat er daneben Klage (S 3 AL 1297/95) gegen den Widerspruchsbescheid vom 07.11.1995 eingereicht. Er ist der Auffassung, ihm stehe sowohl ein Anspruch auf Alg als auch auf Kaug zu. Er habe in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur a ... p ... A ... GmbH gestanden. An dieser Gesellschaft sei er nicht beteiligt gewesen. Er sei lediglich an der Gesellschafterin der a ... p ... A ... GmbH, der a ... S ... GmbH, mit einem Anteil von 25 % beteiligt gewesen. Aufgrund der geringen Beteiligung sei er als abhängig beschäftigter Geschäftsführer anzusehen. Die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB spreche nicht dagegen. Als einer der vier Geschäftsführer der Muttergesellschaft habe er zwangsläufig Geschäfte zwischen der Muttergesellschaft und der Tochtergesellschaft a ... p ... A ... GmbH abschließen müssen. Er habe daher notwendigerweise für seinen Geschäftsbereich von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden müssen. Auch sei die relative Freiheit hinsichtlich der Dauer, des Ortes und des Umfangs der Tätigkeit aus der Natur der Sache heraus nicht anders möglich gewesen. Eine exakte Abgrenzung der einzelnen Faktoren der Arbeit sei damals wegen der mehrfachen Geschäftsführertätigkeit in der Muttergesellschaft und anderen Tochtergesellschaften formulierungstechnisch sehr schwierig gewesen und hätte auch den Erfordernissen der Praxis nicht gerecht werden können, da der erforderliche Zeitaufwand je nach Geschäftslage in den Gesellschaften höchst unterschiedlich gewesen sei. Des Weiteren widerspreche der Katalog der zustimmungsbedürftigen Geschäfte einer selbstständigen Tätigkeit. Danach seien alle wesentlichen Geschäftsentscheidungen, vor allem Entscheidungen von wirtschaftlichem Gewicht, an eine vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung gebunden gewesen. Im Ergebnis sei das Alleinvertretungsrecht nach außen im Innenverhältnis weitestgehend eingeschränkt gewesen. Er habe bestenfalls den Status eines leitenden Angestellten erreicht.

Mit Beschluss vom 28.01.1997 hat das SG die Verfahren S 3 AL 1220/95 und S 3 AL 1297/95 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Das SG hat mit Urteil vom 18.08.1999 den Bescheid der Beklagten vom 12.05.1995 in der Fassung des undatierten Widerspruchsbescheides aufgehoben und die Beklagte zur Gewährung von Alg verurteilt. Des Weiteren hat es den Bescheid vom 23.05.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.11.1995 aufgehoben und die Beklagte zur Gewährung von Kaug verurteilt. Der Kläger habe die Anwartschaftszeit für den Anspruch auf Alg ab 07.03.1995 erfüllt, weil er in der Zeit vom 07.03.1992 bis 06.03.1995 versicherungspflichtig als Geschäftsführer der a ... p ... A ... GmbH tätig gewesen sei. Aus seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung ergebe sich keine selbstständige Tätigkeit. So habe er 20 bis 25 % der Anteile am Stammkapital der a ... S ... GmbH besessen. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung seien mit einer Mehrheit von 75 % der abgegeben Stimmen zu fassen gewesen. Er habe daher nicht über eine Sperrminorität verfügt. Eine ständige Vertretung der Geschäftsanteile seiner Nichte M. R. sei ebenso wenig erfolgt. Er sei auch nicht in der Lage gewesen, sich gegenüber nicht genehmen Weisungen der Mehrheit der Gesellschafter in Bezug auf Zeit, Dauer, Umfang und Ort seiner Geschäftsführertätigkeit zur Wehr zu setzen. Ferner hätten Entscheidungen, die die Firmenpolitik des Betriebes betrafen, der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedurft. Zwar sei in seinem Geschäftsführervertrag keine arbeitnehmertypische Kündigungsregelung vereinbart gewesen. Des Weiteren sprächen die alleinige Vertretungsbefugnis sowie die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB eher für eine selbstständige Tätigkeit. Selbiges gelte für die Vereinbarung, nach der der Kläger an keine Arbeitszeit gebunden gewesen sei und seine Tätigkeit in Bezug auf Dauer, Umfang und Ort der Tätigkeit nach eigenem Ermessen bestimmen konnte. In einem solchen Falle genüge jedoch für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung die Eingliederung in eine vorgegebene Arbeitsorganisation, d. h. die Weisungsgebundenheit verfeinere sich zu einer funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess. Eine andere Gestaltung des Weisungsrechts sei wegen der Verflechtung der Firmen und der einzelnen Tätigkeiten des Klägers für diese Firmen nicht möglich gewesen. Den Protokollen der Gesellschafterversammlungen sei zu entnehmen, dass die Gesellschafter dem Kläger über entsprechende Beschlussfassungen genaue Weisungen hinsichtlich der Ausführung seiner Arbeit erteilt hätten. So sei dem Kläger beispielsweise in der Gesellschafterversammlung vom 22.03.1993 aufgegeben worden, mit dem Bürgermeister Barth ein Gespräch über Strahlenschutz-Stichproben zu führen. Weiterhin habe die Gesellschafterversammlung über Einstellungen, Entlohnungen und Weihnachtsgratifikationen beschlossen. Auch die Tatsache, dass der Kläger eine selbstschuldnerische Bankbürgschaft i.H.v. 120.000,00 DM für die a ... S ... GmbH beigebracht habe, führe nicht zur Annahme einer selbstständigen Tätigkeit. Zwar habe er damit ein gewisses unternehmerisches Risiko übernommen, denn bei Liquititätsproblemen hätte unter Umständen auf sein Vermögen zurückgegriffen werden können. Dem stehe jedoch entgegen, dass der Kläger nicht allein, sondern wie alle anderen Gesellschafter auch, eine Bürgschaft übernommen habe, so dass das entsprechende Risiko anteilsgleich verteilt gewesen sei. Weil die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale überwögen, stehe dem Kläger Anspruch auf Alg zu. Auch ein Anspruch auf Kaug sei zu bejahen. Über das Vermögen der a ... p ... A ... GmbH sei am 01.03.1995 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet worden. Der Kläger sei Arbeitnehmer dieser GmbH gewesen. Er habe das Arbeitsentgelt für die letzten 3 Monate des Arbeitsverhältnisses nicht erhalten.

Gegen das der Beklagten am 08.09.1999 zugestellte Urteil hat diese am 06.10.1999 Berufung beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG liege bei mitarbeitenden Gesellschafter-Geschäftsführern ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nur dann vor, wenn der Gesellschafter funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess der GmbH teilhabe, für seine Beschäftigung ein entsprechendes Entgelt erhalte und keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft kraft eines etwaigen Anteils am Stammkapital geltend machen könne. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer mit einer Kapitalbeteiligung von unter 50 % unterliege jedoch dann nicht der Sozialversicherungspflicht, wenn er das Unternehmen gleichberechtigt mitleite und deshalb in keinem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis zur GmbH stehe. Vorliegend sei der Kläger unternehmerisch im eigenen Interesse tätig gewesen. Er habe damit auch das Unternehmerrisiko getragen. Er habe keinerlei Weisungen unterlegen und seine Tätigkeit vielmehr entsprechend den Belangen des Unternehmens selbst frei bestimmen können. Dass er für bestimmte Geschäfte die Genehmigung der Gesellschaft einzuholen hatte, stehe dem nicht entgegen. Der Auffassung des SG, wonach trotz erheblicher Einschränkung des Weisungsrechts eine abhängige Beschäftigung vorliege, könne nicht gefolgt werden. Eine Tätigkeit sei nämlich nur dann fremdbestimmt, wenn sie in der von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehe. Der Kläger habe sich jedoch lediglich in die von ihm und den anderen Gesellschaftern gleichberechtigt vorgegebene Ordnung der GmbH gefügt. Vorliegend hätten sich durch die Verflechtung mit der Muttergesellschaft als Gesellschafter und zugleich Geschäftsführer dieselben Personen gegenüber gestanden. Dadurch sei aber ein für ein Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnis typischer Interessengegensatz kaum denkbar. Vorliegend sei von einer selbstständigen Tätigkeit des Klägers auszugehen, weil keine arbeitnehmertypische Kündigungsregelung vereinbart gewesen sei, er alleinige Vertretungsbefugnis hatte und vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB befreit war, keine arbeitnehmertypische Lohnfortzahlung im Krankheitsfall vereinbart gewesen sei, der Kläger Ort, Dauer und Umfang seiner Tätigkeit frei bestimmen konnte, er für die Muttergesellschaft eine Bankbürgschaft von 120.000,00 DM übernommen und auch die Krankenkasse die Arbeitnehmereigenschaft verneint habe. Für den Zeitraum vom 01.12.1994 bis 28.02.1995 lägen zwar alle sonstigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Kaug - nicht jedoch die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers - vor. Im Zeitraum vom 07.03.1995 bis 26.04.1995 und ab 10.08.1995 seien die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Alg gegeben.

Vom Amtsgericht (AG) Chemnitz hat der Senat die Akten HRB 6297 und N 291/95 angefordert. Ferner hat der Senat die Akte des SG Chemnitz, Az.: S 1 KR 51/96, beigezogen.

In der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2001 hat der Senat zur Beweisaufnahme die Zeugen Sabine Schumann, G. R., T. R. und D. N. vernommen. Bezüglich der Einzelheiten der Aussagen wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 18. August 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verweist zur Begründung seiner Auffassung auf seinen Vortrag im sozialgerichtlichen Verfahren sowie das sozialgerichtliche Urteil. Ergänzend führt er aus, sein Anstellungsvertrag sei mehrdeutig gewesen. Einerseits habe er durch die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB und die vertraglich nicht festgelegte Arbeitszeit eine große Freiheit gehabt, die gegen eine abhängige Tätigkeit spreche. Andererseits sei er im Innenverhältnis tatsächlichen Beschränkungen ausgesetzt gewesen, wie sie in der Privatwirtschaft selbst bei typischen Fremdgeschäftsführern nur sehr selten anzutreffen seien (Zustimmung der Gesellschafterversammlung zur Einstellung und Entlassung aller Arbeitnehmer). Sogar Prokuristen hätten in der Privatwirtschaft regelmäßig einen wesentlich größeren Gestaltungsfreiraum. Ein Verstoß gegen die Verpflichtungen im Innenverhältnis hätte die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund zur Konsequenz gehabt.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts hat der Senat auf die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Leistungsakten der Beklagten, die Akten des AG Chemnitz (HRB 6297 und N 291/95) sowie die Akte des SG Chemnitz (S 1 KR 51/96), die er zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht hat, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) sowie form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das mit der Berufung angegriffene Urteil des SG Chemnitz zum 18.08.1999 ist rechtmäßig. Zu Unrecht hat die Beklagte im Bescheid vom 12.05.1995 in der Gestalt des undatierten Widerspruchsbescheides den Anspruch des Klägers auf Alg verneint. Gleichfalls zu Unrecht hat sie im Bescheid vom 23.05.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.1995 den klägerischen Anspruch auf Kaug abgelehnt.

I.

Dem Kläger steht für die Zeit vom 07.03.1995 bis 26.04.1995 und ab 10.08.1995 Anspruch auf Alg zu. Gemäß § 100 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der Fassung des Art. 93 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung vom 05.10.1994 (BGBl. I S. 2911) hat Anspruch auf Alg, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat.

Der Kläger war in den genannten Zeiträumen arbeitslos. Er stand der Arbeitsvermittlung - außer während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit (16.03.1995 bis 26.04.1995) - zur Verfügung. Der Kläger hatte sich ab 07.03.1995 arbeitslos gemeldet und Alg beantragt.

Die Anwartschaftszeit war erfüllt. Gemäß § 104 Abs. 1 AFG hat derjenige die Anwartschaftszeit erfüllt, der in der Rahmenfrist 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168a AFG) gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt gem. § 104 Abs. 3 AFG drei Jahre und geht dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit unmittelbar voraus, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erfüllt sind (§ 104 Abs. 2 AFG).

Die Rahmenfrist für den ab 07.03.1995 geltend gemachten Anspruch auf Alg dauerte vorliegend vom 07.03.1992 bis 06.03.1995.

Der Kläger hat während der Rahmenfrist in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden. Beitragspflichtig sind nach § 168 Abs. 1 Satz 1 AFG Personen, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (Arbeiternehmer). Arbeitnehmer ist, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Persönliche Abhängigkeit erfordert Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung (BSGE 13, 196, 201; BSGE 38, 53, 57; BSGE 51, 164, 167; BSG, Urteil vom 30.01.1997, Az. 10 RAR 6/95).

Der Kläger war nicht bereits auf Grund seines Anteils am Gesellschaftsvermögen als Selbstständiger einzustufen. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht vor, wenn der Geschäftsführer an der Gesellschaft beteiligt ist und allein oder jedenfalls mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zur GmbH hat das BSG daher grundsätzlich verneint, wenn der Geschäftsführer über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügt (BSGE 23, 83, 84; BSG, Urteil vom 30.01.1997, a.a.O.; BSG SozR 3-4100 § 168 Nr. 18).

Der Kläger war weder Inhaber der Hälfte des Stammkapitals an der a ... S ... GmbH noch einer anderen Gesellschaft der a ... Firmengruppe.

Auch verfügte der Kläger nicht über eine Sperrminorität, um ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschaft zu verhindern (BSG SozR 3-4100 § 168 Nr. 5, BSGE 42, 1, 2). Nach dem Gesellschaftsvertrag der a ...s ... GmbH wurden Gesellschafterbeschlüsse mit einer 3/4-Mehrheit getroffen. Die übrigen Gesellschafter konnten, da sie im streitgegenständlichen Zeitraum zumindest über 3/4 der Geschäftsanteile verfügten, für den Kläger nicht genehme Beschlüsse auch gegen seinen Willen treffen.

Auch aus anderen Gründen war eine selbstständige Tätigkeit nicht anzunehmen. Selbst dann, wenn die Kapitalbeteiligung des Geschäftsführers hierfür nicht ausreicht, kann ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen sein, soweit der Geschäftsführer hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort seiner Tätigkeit im Wesentlichen weisungsfrei ist und, wirtschaftlich gesehen, seine Tätigkeit nicht für ein fremdes, sondern für sein eigenes Unternehmen ausübt (BSGE 13, 196).

Zwar kann bei einer abhängigen Tätigkeit das Weisungsrecht erheblich eingeschränkt sein, wie dies insbesondere bei Diensten höherer Art der Fall ist, vollständig entfallen darf es jedoch nicht; es muss eine fremdbestimmte Dienstleistung bleiben, sie muss also zumindest in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen. Ist ein Weisungsrecht nicht vorhanden, kann der Betreffende seine Tätigkeit also im Wesentlichen frei gestalten, insbesondere über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei verfügen, oder fügt er sich nur in die von ihm selbst gegebene Ordnung des Betriebes ein, liegt keine abhängige, sondern eine selbstständige Tätigkeit vor, die durch ein Unternehmerrisiko gekennzeichnet zu sein pflegt (BSG SozR 3-4100 § 104 Nr. 8; BSG SozR 3-4100 § 168 Nr. 11).

Ein GmbH-Geschäftsführer ist weder aufgrund seiner Organstellung noch deshalb von einer abhängigen Beschäftigung ausgeschlossen, weil er gegenüber Arbeitnehmern der GmbH Arbeitgeberfunktionen ausübt; denn auch wer Arbeitsgeberfunktionen inne hat, kann seinerseits bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein. Maßgebend bleibt daher die Bindung des Geschäftsführers an das willensbildende Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter. Diese Bindung kann nach dem Recht der GmbH in unterschiedlichster Weise geregelt werden. Neben weisungsfreien Geschäftsführern gibt es daher Geschäftsführer, die durchgehend weisungsgebunden sind; in den letztgenannten Fällen führen die Gesellschafter mit Hilfe des Weisungsrechts die Geschäfte der GmbH im Wesentlichen selbst.

Maßgeblicher Ausgangspunkt für die Prüfung und Bewertung der Verhältnisse ist die für die Tätigkeit zwischen den Beteiligten getroffene vertragliche Regelung, welche allerdings zurücktritt, wenn die tatsächliche Gestaltung der Verhältnisse in der Tätigkeitspraxis entscheidend davon abweicht. Im Zweifel ist zur Abgrenzung einer abhängigen von einer selbstständigen Tätigkeit darauf abzustellen, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 30.01.1997, a.a.O.).

Zu Recht hat das SG nach ausführlich vorgenommener Gesamtabwägung den Kläger als Arbeitnehmer eingestuft.

Zwar liegen beim Kläger auch eine Reihe von Merkmalen vor, die für eine Selbstständigkeit sprechen:

So war der Kläger von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Diesem Argument ist jedoch vorliegend keine allzugroße Bedeutung beizumessen, da die Befreiung schon deswegen notwendig war, weil der Kläger Geschäftsführer mehrerer Unternehmen der a ...-Firmengruppe war. Auch bei einem nicht am Unternehmen beteiligten Geschäftsführer hätte sich, um Verträge zwischen den einzelnen Gesellschaften abschließen zu können, eine Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot erforderlich gemacht.

Der Kläger war sowohl bezüglich der a ... p ... A ... GmbH als auch der a ... S ... GmbH alleinvertretungsberechtigt.

In § 6 des Geschäftsführervertrages des Klägers war eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle für drei Monate vorgesehen. Typisch für den Arbeitnehmer, der keine höheren Dienste verrichtet, ist jedoch eine Lohnfortzahlung lediglich für sechs Wochen.

Auch die im Geschäftsführervertrag des Klägers normierte Kündigungsregelung war nicht arbeitnehmertypisch. Nach § 2 des Vertrages konnte dem Kläger lediglich fristlos und nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gekündigt werden. Nach dem Vertrag lag ein wichtiger Grund u.a. dann vor, wenn der Geschäftsführer schuldhaft gegen die im Innenverhältnis auferlegten Beschränkungen hinsichtlich der Geschäftsführung oder die Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung verstieß oder er durch Krankheit oder sonstige in seiner Person liegende Umstände an der Ausübung der Geschäftsführung länger als sechs Monate verhindert war. Nicht unberücksichtigt bleiben kann jedoch, dass in § 3 des Geschäftsführervertrages ein umfangreicher Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte aufgenommen war. In den dort genannten Fällen, u.a. dem Abschluss von Pacht- oder Mietverträgen bei Eingehung von Verpflichtungen über 1.000,00 DM, der Aufnahme von Kreditverpflichtungen über 10.000,00 DM, der Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern, war die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich. Verstieß der Kläger schuldhaft gegen diese Regelung, konnte ihm jederzeit fristlos gekündigt werden.

Nach § 4 des Geschäftsführervertrages konnte der Kläger Dauer, Umfang und Ort seiner Tätigkeit als Geschäftsführer sowohl bezüglich der a ... p ... A ... GmbH als auch der a ... S ... GmbH selbst bestimmen. Er war an keine Arbeitszeit gebunden. Wie die Beweisaufnahme bestätigte, wurde tatsächlich nicht von der vertraglichen Regelung abgewichen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass eine derartige vertragliche Regelung und tatsächliche Ausgestaltung auch bei Arbeitnehmern, die Dienst höherer Art verrichten, nicht unüblich ist. In Verträgen zahlreicher Geschäftsführer, die nicht gleichzeitig Gesellschafter sind, finden sich ähnliche Regelungen.

Das aus Sicht des Senates stärkste Indiz für eine selbstständige Tätigkeit stellt die Übernahme einer selbstschuldnerischen Bürgschaft in Höhe von 120.000,00 DM für die Gesellschaft dar. Während des Aufbaues der Firmengruppe räumten alle Gesellschafter der GmbH eine derartige Sicherheit ein. Hiermit übernahmen sie unternehmerisches Risiko. Nach der Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteil vom 13.07.1978, SozR 2200 § 1227 Nr. 17) ist das Bestehen bzw. die Übernahme eines Unternehmerrisikos jedoch nicht schlechthin entscheidend, sondern nur im Rahmen der Würdigung des Gesamtbildes zu beachten. Die Gesellschafter gingen, wie der Zeuge T. R. in der mündlichen Verhandlung glaubhaft aussagte, zum Zeitpunkt der Einräumung der Sicherheit auf Grund des florierenden Geschäftes und der ständigen Expansion allergings davon aus, aus der Bürgschaft nie in Anspruch genommen zu werden.

Trotz des Vorliegens einiger Indizien für eine Selbstständigkeit war der Kläger gleichwohl als Arbeitnehmer einzustufen. Zu Recht hat das SG dem Kläger für die streitgegenständlichen Zeiträume Alg bzw. Kaug zugesprochen.

Bei der Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer handelte es sich um eine fremdbestimmte Dienstleistung. Die Ordnung des Betriebes wurde von der Gesellschafterversammlung, die die Rechte der Geschäftsführer stark eingeschränkt hatte, vorgegeben. Nach den geschlossenen Geschäftsführerverträgen behielt sich die Gesellschafterversammlung alle bedeutsamen Entscheidungen der Unternehmen der Firmengruppe vor.

So durften die Geschäftsführer keine Arbeitnehmer selbstständig einstellen oder entlassen. Diese Regelung ist untypisch für Geschäftsführerverträge. Üblicherweise behält sich die Gesellschafterversammlung lediglich die Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern, die Dienste höherer Art verrichten, vor. Bereits damit beschnitt die Gesellschafterversammlung die Rechte des Klägers als Geschäftsführer gegenüber den ihm unterstellten Arbeitnehmern erheblich.

Des Weiteren durfte er keine Miet- oder Pachtverträge, soweit Verpflichtungen über 1.000,00 DM eingegangen wurden, und keine Kreditverträge, soweit Verpflichtungen über 10.000,00 DM betroffen waren, eingehen. Auch hierbei handelt es sich um für Geschäftsführerverträge untypische Regelungen. Auf Grund dieser Regelung war es dem Kläger nicht möglich, Geschäftsräume selbstständig anzumieten. Dass Miet- und Pachtverträge auch tatsächlich nur nach Zustimmung der Gesellschafterversammlung abgeschlossen wurden, ergibt sich u.a. aus dem Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 12.10.1992.

Wie die Beweisaufnahme gezeigt hat, wurden die Regelungen des Geschäftsführervertrages auch in der tatsächlichen Geschäftsdurchführung eingehalten. So sagte die Zeugin Schumann aus, über ihre Einstellung wie über die Einstellung aller anderen Mitarbeiter der private Akademie GmbH habe die Gesellschafterversammlung entschieden. Auch über Entlassungen sei stets ein Beschluss der Gesellschafterversammlung herbeigeführt worden.

Die Gesellschaftsversammlungsprotokolle sowie der Beweisaufnahme vor dem Sächsischen Landessozialgericht haben zudem offen gelegt, dass die Gesellschafterversammlung über die im Geschäftsführervertrag geregelten Geschäfte hinaus, tatsächlich über zahlreiche Angelegenheiten selbst entschied, die üblicherweise einem Geschäftsführer obliegen. So beschloss die Gesellschafterversammlung über die Entlohnung aller Mitarbeiter. Selbst die Einstellung einer Aushilfskraft mit einem Monatsgehalt von 470,00 DM und die Auszahlung von Weihnachtsgratifikationen waren Gegenstand der Gesellschafterversammlung. Ferner wurden über die Anschaffung technischer Geräte, wie z.B. eines Telefaxes, und die Vergabe von Dienstwagen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung herbeigeführt.

Aus den Gesellschafterversammlungsprotokollen geht zudem hervor, dass über die bedeutsamen Angelegenheiten der gesamten Firmengruppe stets die Gesellschafterversammlung entschied. Dies bestätigte die Beweisaufnahme. Die Gesellschafterversammlung erteilte den Geschäftsführern bezüglich der Ausführung der getroffenen Beschlüsse Weisungen. So wies sie den Kläger am 04.11.1991 an, auf einer Nachbesserung bezüglich der Bauausführung gegenüber der Firma "Glück Auf" zu beharren, erforderlichenfalls eine Nachfrist mit Ablehnungsandrohung zu setzen. Minderung sollte allenfalls bei rein optischen, nicht jedoch funktionalen Mängeln, akzeptiert werden.

Hieraus ergibt sich zur Überzeugung des Senats, dass das willensbildene Organ die Gesellschafterversammlung war. Die Gesamtheit der Gesellschafterversammlung führten die Unternehmen der Firmengruppe.

Innerhalb der Gesellschafterversammlung verfügte der Kläger nicht über die Macht und den Einfluss, um seine Meinung gegen die Interessen der anderen Gesellschafter durchzusetzen.

Zwar war der Kläger Geschäftsführer des bedeutendsten Unternehmens der a ... Firmengruppe, der a ... p ... A ... GmbH. Neben ihm war sein Bruder G. R. weiterer Geschäftsführer. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass G. R. rein tatsächlich über die wesentlichen, die Führung der Firma private Akademie GmbH betreffenden Kompetenzen verfügte. Er war praktisch der der Chef des Unternehmens. Das steht zur Überzeugung des Senats auf Grund der übereinstimmenden Aussagen sowohl des Klägers als auch seines Bruders, insbesondere jedoch der Zeugin Schumann, fest. Der Kläger ließ sich dahingehend ein, sein Bruder habe die Lehrgangsangelegenheiten der private Akademie GmbH geregelt, mithin das Kerngeschäft des Unternehmens bestimmt. Er - der Kläger - sei lediglich für die nicht der Gesellschafterversammlung obliegenden Personalangelegenheiten, weitgehend also die Urlaubsgewährung, sowie die Leitung und Überwachung des Baues eines Schulungsgebäudes zuständig gewesen. Die Einlassung des Klägers wurde durch die Aussage der Zeugin Schumann bestätigt. Als Chef der a ... p ... A ... GmbH sah sie den Bruder des Klägers G. R., nicht hingegen den Kläger, an. Dieser sei es gewesen, der die ganze Akademie am Laufen gehalten habe und die Lehrgänge organisiert habe.

Dem Bruder des Klägers G. R. kam auch in der Gesellschafterversammlung, jedenfalls soweit es dort zu Auseinandersetzungen kam, der entscheidende Einfluss zu.

Zwar war G. R. nicht Gesellschafter der a ... S ... GmbH. Er vertrat jedoch seine Tochter M. R. in den Gesellschafterversammlungen regelmäßig. Das ergibt sich zur Überzeugung des Senats zum einen aus den vorliegenden Gesellschafterversammlungsprotokollen als auch der Aussage des Klägers in der mündlichen Verhandlung. Zwar enthalten die Protokolle der Gesellschafterversammlungen nicht in jedem Fall eine Regelung darüber, ob und gegebenenfalls durch wen die Gesellschafterin M. R. vertreten wurde. Nach § 10 des Gesellschaftsvertrages vom 20.06.1990 war die Gesellschafterversammlung jedoch nur beschlussfähig, wenn 90 % aller Stimmen vertreten waren. Hätte sich die Gesellschafterin M. R. bei den in ihrer Abwesenheit stattfindenden Gesellschafterversammlungen nicht vertreten lassen, hätten Beschlüsse nicht gefasst werden können. Die Gesellschafterin M. R. war bei den stattfindenden Gesellschafterversammlungen regelmäßig nicht anwesend. Eine Regelung über die Vertretung findet sich lediglich im Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 02.09.1991 und vom 22.03.1993. Sie wurde jeweils durch ihren Vater G. R. vertreten.

Dass G. R. in den Gesellschafterversammlungen den größten Einfluss hatte, zeigt sich u.a. darin, dass er - wie er selbst in der mündlichen Verhandlung einräumte - die Entlassung des Geschäftsführers T. R. bezüglich der a ... Wirtschaftsdienst- und Versicherungsvermittlungs GmbH als auch den Ausschluss des Gesellschafters T. R. aus der a ... S ... GmbH betrieben habe. Er überzeugte die anderen Gesellschafter von der Notwendigkeit dieser Maßnahme. Daraufhin führte die Gesellschafterversammlung entsprechende Beschlüsse herbei.

Beim Kläger lag zudem keine alleinige Branchenkenntnis bezüglich der Tätigkeit der a ... p ... A ... GmbH vor. Bei diesem Unternehmen handelte es sich um eine Bildungsfirma. Zwar verfügte der Kläger aus seiner Tätigkeit bei der Firma P ... über Erfahrungen in der Bildungsbranche. Er war 17 Jahre lang als Vertriebsleiter in Süddeutschland tätig. In dieser Eigenschaft hat er öfter Seminare über Vertriebs- und Marketing gehalten. Auch musste er seine 25 Mitarbeiter regelmäßig schulen. Neben ihm verfügten jedoch sein Bruder als auch zahlreiche Mitarbeiter der privaten Akademie GmbH über Kenntnisse im Bildungsbereich. Der Schulleiter der private Akademie GmbH Dr. M ... war vor Aufnahme seiner Tätigkeit im Unternehmen an einer Hochschule tätig. Auch Dr. H ... und weitere Mitarbeiter konnten Vorkenntnisse im Bildungsbereich vorweisen. Dies ergibt sich Überzeugung des Senats aus der Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung sowie der Aussage der Zeugin Sch ... Auch der Bruder des Klägers konnte auf Grund seiner Tätigkeit als selbstständiger Reisekaufmann Vorkenntnisse in der Bildungsbranche und insbesonder Kenntnisse auf kaufmännischem Gebiet, die zur Leitung des Unternehmens unabdingbar war, vorweisen.

Aus den genannten Gründen war der Kläger als Arbeitnehmer einzustufen. Ihm steht für den streitgegenständlichen Zeitraum Alg zu.

Dem Kläger ist zudem für den Zeitraum vom 01.12.1994 bis 28.02.1995 Kaug zu bewilligen. Anspruch auf Kaug hat nach § 141b AFG ein Arbeitnehmer, der bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden 3 Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat.

Über das Vermögen der a ... p ... A ... GmbH wurde am 01.03.1995 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet.

Wie oben ausgeführt war der Kläger Arbeitnehmer dieser GmbH. Er hat für die letzten 3 Monate des Arbeitsverhältnisses (01.12.1994 bis 30.02.1995) kein Arbeitsentgelt erhalten.

Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG; Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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