L 3 AL 190/00

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 10 AL 732/99
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 190/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 15. September 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Beklagte die Verpflichtung hat, zum Zwecke der Vermögensbildung des Klägers Anteile des Arbeitslosengeldes (Alg) bzw. der Arbeitslosenhilfe (Alhi) auf gesonderte Konten (z. Bausparen und Aktiensparen) zu überweisen.

Der am ... geborene Kläger war bis zum 31.12.1996 als Bauingenieur beschäftigt. Zuletzt erzielte er hierbei ein monatliches Bruttogehalt von 6.052,00 DM.

Auf entsprechende Anträge bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 01.01.1997 Alg mit einer Gesamtanspruchsdauer von 832 Tagen. Unterbrochen durch mehrere kürzere Zeiträume selbstständiger Beschäftigungen bezog der Kläger diese Leistung bis zum 27.12.1999, zuletzt in Höhe von 619,01 DM (Leistungsgruppe C/erhöhter Leistungssatz, BE 1.480,00 DM).

Nach der Erschöpfung des Alg-Anspruches beantragte der Kläger ab dem 28.12.1999 Anschluss-Arbeitslosenhilfe (A-Alhi). Entsprechend diesem Antrag bewilligte die Beklagte A-Alhi i. H. v. zunächst 526,61 DM (sonstige Leistungsparameter unverändert). Diese Leistung bezog der Kläger bis zur Entscheidung des Senats, zuletzt i. H. v. 543,41 DM wöchentlich (BE 1.440,00 DM, Leistungsgruppe C/erhöhter Leistungssatz).

Der Kläger hat einen Bausparvertrag mit der Bausparkasse Sch ... abgeschlossen (Bausparnummer: ...). Weiter unterhält er ein Depot-Konto bei der Union-Investment-Gesellschaft mbH mit der Nr ... bei der DG-Bank AG Frankfurt/Main (Depot-Nummer ...). geförderte Vermögensbildung zu ermöglichen, folgende Alg-Beträge auf gesonderte Konten zu überweisen: 936,00 DM jährlich auf ein Bausparkonto und 800,00 DM jährlich auf ein Depot-Konto zum Zwecke des Aktiensparens. Mit Schreiben vom 20.04.1999 wiederholte er diesen Antrag.

Durch Bescheid vom 06.05.1999 wies die Beklagte diesen Antrag zurück. Gemäß § 3 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gehöre diese Art der Förderung nicht zu den Leistungen der Arbeitsförderung die das Arbeitsamt zu übernehmen habe bzw. übernehmen könne.

Dem widersprach der Kläger am 31.05.1999. Er habe keine zusätzlichen Zahlungen beantragt, sondern lediglich, dass zum Zwecke der Vermögensbildung Beträge vom Alg abgezogen und auf entsprechende andere Konten überwiesen werden. Damit wolle er die staatliche Förderung auch für sich geltend machen, denn alleine auf Grund der Arbeitslosigkeit dürfe er keine Nachteile erleiden.

Durch Widerspruchsbescheid vom 28.06.1999 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Geldleistungen gemäß § 337 Abs. 1 Satz 1 SGB III seien auf ein Konto des Leistungsberechtigten zu überweisen. Weitere zusätzliche Bankverbindungen könnten nicht berücksichtigt werden.

Hiergegen hat sich der Kläger am 07.07.1999 an das Sozialgericht Dresden (SG) gewandt. Er sei seit 2 1/2 Jahren arbeitslos. Da er jedoch im Alter von 57 Jahren keine Chance auf dem Arbeitsmarkt mehr habe, müsse er sich zwangsweise auf den Ruhestand vorbereiten. Seine berechenbare Rente werde nicht besonders hoch ausfallen, daher habe man ihm eine private Rentenvorsorge empfohlen. Auf die staatliche Förderung durch eine verzichten, daher habe er beim Arbeitsamt, als seinem "Ersatz-Arbeitgeber", beantragt, Beträge in Höhe von 936,00 DM für Bausparen und 800,00 DM für Aktiensparen jeweils auf gesondere Konten zu überweisen. Die Eigenschaft als "Ersatz-Arbeitgeber" zeige sich bei den Regelungen bezüglich Urlaub und Krankheit. Die Ablehnung des Arbeitsamtes führe zu einer Ungleichbehandlung.

Hierauf hat die Beklagte entgegnet, die Bundesanstalt für Arbeit habe lediglich dafür zu sorgen, dass die Lohnersatzleistungen pünktlich den Empfänger erreichen. Für weitere finanzielle Belange sei sie nicht verantwortlich. Es sei nicht klar, weshalb der Kläger die entsprechenden Überweisungen nicht selbst vornehme.

Hierzu machte der Kläger geltend, das vom Staat geförderte Sparen sei nur möglich, wenn es sich um Leistungen des Arbeitgebers handele. Es sei reine "Formsache", ob die Arbeitslosenunterstützung Arbeitsentgelt oder eine Lohnersatzleistung darstelle. Diese sei jedenfalls sein Einkommen, welches er für die staatlich geförderte Vermögensbildung einsetzen wolle. Für die bereits entgangene Förderung stelle er zusätzlich den Antrag, diese zu ersetzen.

Durch Gerichtsbescheid vom 15. September 2000 hat das SG die Klage als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 337 Abs. 1 SGB III habe die Beklagte die Leistungen nur auf ein Konto zu überweisen. Diese Regelung verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. § 1 Abs. 2 des 5. Vermögensbildungsgesetzes beschränke den persönlichen Geltungsbereich des Gesetzes auf Arbeitnehmer. Der Kläger stehe jedoch nicht in einem Arbeitsverhältnis; er gehe keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung nach und erhalte folglich auch kein Arbeitsentgelt. Ersatzarbeitgeber. Vielmehr handele es sich um ein Pflichtversicherungsverhältnis. Im Übrigen würde die Forderung des Klägers, in Anbetracht der Vielzahl der Leistungsempfänger, zu einem erheblichen Verwaltungsmehraufwand führen. Auch liege hier kein Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vor, da es im Bereich des gesetzgeberischen Ermessens liege, speziell das Ansparen von Teilen des Arbeitsentgeltes staatlich zu fördern. Da der Kläger bereits keinen Anspruch auf die Förderung nach dem 5. Vermögensbildungsgesetz habe, könne er auch keinen Schaden gegenüber der Beklagten geltend machen.

Gegen diesen, am 18.09.2000 abgesandten, Gerichtsbescheid hat der Kläger am 16.10.2000 beim SG Berufung eingelegt, die am 27.10.2000 beim LSG eingegangen ist. Er habe ausdrücklich dem Erlass eines Gerichtsbescheid nicht zugestimmt, da während einer mündlichen Verhandlung mehr Argumente hätten dargestellt werden können. Insofern stelle der Gerichtsbescheid für ihn eine Überraschungsentscheidung dar. Die Überweisung auf verschiedene Konten führe nicht zu einem erheblichen Verwaltungsmehraufwand. Sie sei lediglich einmal zu programmieren. Auch wenn er als Arbeitsloser z. Z. keinen Arbeitgeber habe, habe er das Recht, als "Werktätiger" und "Arbeitnehmer" anerkannt zu werden. Das Arbeitsamt sei sozusagen sein "Ersatz-Arbeitgeber". Auf der dem Arbeitsamt vorzulegenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei ausdrücklich angegeben "zur Vorlage beim Arbeitgeber". Die Verweigerung der Förderung stelle eine sozial ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 15. September 2000 sowie den Bescheid vom 06.05.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Arbeitslosenhilfe des Klägers in Höhe von 78,00 DM auf ein noch zu benennendes Konto der Bausparkasse Sch ... zur Bausparnummer ... und in Höhe von 67,00 DM monatlich auf das Konto der Union-Investment-Gesellschaft mbH Nr ... bei der DG-Bank AG Frankfurt/Main zu überweisen sowie die Beklagte zu verpflichten, den ihm bisher durch die entgangene Förderung für die Jahre 1999 und 2000 entstandenen Schaden zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hierzu hat sie im Wesentlichen ihre erstinstanzlichen Ausführungen wiederholt.

Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist statthaft.

1. Die Beschränkung der Statthaftigkeit gemäß § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) greift nicht ein. Der streitige Auszahlungsmodus stellt weder eine Geld- oder Sachleistung noch eine wiederkehrende oder laufende Leistung für mehr als ein Jahr dar, zumal auch bezüglich der Letzteren nur Geld- oder Sachleistungen in Betracht kämen (vgl. Zeihe, SGG, 7. Auflage, Rdnr. 10a). Im Streit ist insoweit nicht die Leistung (Arbeitslosengeld bzw. nunmehr Arbeitslosenhilfe) als solche, sondern die Modalitäten der Überweisung, also eine etwaige zusätzliche, über die Zahlung des Geldbetrages hinausgehende, Verpflichtung der Beklagten.

2. Hinsichtlich des weiteren Antrages auf Ersatz des bisher entstandenen Schadens ist die Berufung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthaft, denn es handelt sich hierbei um laufende Leistungen für mehr als ein Jahr.

Auch im Übrigen ist die Berufung zulässig, sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, § 151 SGG.

II.

1. Die Berufung ist jedoch nicht begründet, der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Überweisung eines Teils der gewährten Leistungen - zwecks Vermögensbildung - auf anderweitige Konten. Die Bescheide der Beklagten sowie der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden (SG) haben dieses Begehren zu Recht abgewiesen.

In § 47 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ist zunächst allgemein die Auszahlung von Geldleistungen geregelt. Für die Geldleistungen der Bundesanstalt für Arbeit und die Leistungsberechtigten enthält jedoch § 337 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) eine spezielle Regelung. Nach § 337 Abs. 1 Satz 1 SGB III werden Geldleistungen grundsätzlich auf das vom Leistungsberechtigten angegebene inländische Konto bei einem Geldinstitut überwiesen, wobei die Zahlung gemäß § 47 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) kostenfrei erfolgt.

Wortlaut dieser Norm für lediglich ein Konto spricht, da der Begriff im Singular gebraucht ist. Zwingend ist dieses Verständnis allerdings nicht, denn die Bezeichnung "auf das angegebene Konto" könnte in diesem Zusammenhang auch lediglich allgemein die Art der Auszahlung, nämlich durch Überweisung auf ein (oder mehrere) Konto (Konten), verdeutlichen, so dass nicht etwa mehrere Konten, sondern im Regelfall nur andere Auszahlungsarten (Übergabe von Schecks, Barauszahlung etc.) ausgeschlossen werden sollen.

Die Materialien zu § 337 SGB III (BT-Drucks. 13/4941 S. 87, 198 u. 214) enthalten zu dieser Fragestellung keine näheren Hinweise.

Allerdings erschließt sich aus den Aufgaben der Bundesanstalt für Arbeit sowie den Zielvorstellungen des SGB III im Gegensatz zu denen des 5. Vermögensbildungsgesetzes (i.d.F. vom 04.03.1994 - BGBl. I S. 406 - zuletzt geändert durch Art. 1 des 3. Vermögensbeteiligungsgesetzes vom 07.09.1998 - BGBl. I S. 2647), dass es nicht zu den Verpflichtungen der BA gehören kann, im Verhältnis zu den Leistungsberechtigten gleichsam die Funktionen des Arbeitgebers nach dem Vermögensbildungsgesetz zu erfüllen. Nach den in § 1 Abs. 1 und 2 SGB III formulierten Zielvorstellungen sollen durch die Leistungen der Arbeitsförderung vor allem Zeiten der Arbeitslosigkeit vermieden oder verkürzt und die Beschäftigungspolitik (der Bundesregierung) unterstützt werden. Unterstrichen wird dies u.a. durch Vorschriften wie §§ 4, 6 ff. SGB III (Vorrang der Vermittlung und aktiver Arbeitsförderung, Maßnahmen zur Vermeidung von Langzeitarbeitslosigkeit) und § 119 Abs. 1 bis 5 SGB III (Anforderungen an die Verfügbarkeit, um jede zumutbare Vermittlungsmöglichkeit anzunehmen). Der hinaus zahlreiche Leistungen sowohl an Arbeitslose als auch an Arbeitgeber, wie z.B. Leistungen zur Eingliederung von Arbeitnehmern, Förderung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, von Strukturanpassungsmaßnahmen sowie Förderung der beruflichen Ausbildung und Weiterbildung etc. Auch wenn die tatsächliche Situation des Klägers - insbesondere auf Grund seines Alters - kaum mehr die Chance auf eine Vermittlung in eine Arbeit gewährt, ist dennoch das SGB III - als gesetzliche Grundlage - auf Beendigung, Verkürzung und Vermeidung von Arbeitslosigkeit bzw. den Bezug von Alg oder Alhi ausgerichtet. Die Förderung der Vermögensbildung gehört dagegen nicht zu den Aufgaben der BA.

Das 5. Vermögensbildungsgesetz (VermBG) (a.a.O.) betrifft die Vermögensbildung von Arbeitnehmern. Definiert wird dieser Begriff in § 1 Abs. 2 5. VermBG i. d. F. von Artikel 6 des Gesetzes vom 25.03.1997 (BGBl. I S. 726). Demnach sind Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Hierunter fällt der Kläger unstreitig nicht. Das 5. VermBG kann jedoch auch nicht - entgegen der Auffassung des Klägers - auf seine Situation in der Weise entsprechend angewandt werden, dass die Bundesanstalt für Arbeit gleichsam als eine Art "Ersatz-Arbeitgeber" fungiert. Sämtliche in § 2 VermBG genannten Anlageformen sind - im Gegensatz zum Alg- oder Alhi-Bezug - als dauerhafte Vertragsverhältnisse mit unterschiedlichen Sperrfristen von 6 bis 12 Jahren angelegt. Diese gesetzliche Systematik widerspricht der des SGB III. Daher kommt auch eine entsprechende Anwendung bei Leistungen der Beklagten nicht in Betracht.

Darüber hinaus ergäbe sich - worauf bereits das SG zutreffend hingewiesen hat - bei der Verpflichtung zur anteiligen Überwei- Verwaltungsaufwand, verbunden mit dem Risiko von Überzahlungen. Hierbei ist zu beachten, dass nicht nur dem Kläger, sondern allen Leistungsberechtigten ein solches Recht eingeräumt werden müsste. Die Leistungen der BA sind jedoch - wie dargestellt - auf einen kurzfristigen Leistungsbezug, insbesondere auch verbunden mit zwischenzeitlichen Beschäftigungsverhältnissen, angelegt. Hierfür sind schnelle und unkomplizierte Reaktionen der Verwaltung im Hinblick auf die Zahlung und Beendigung der Leistungen erforderlich. Dies wäre nicht möglich, wenn regelmäßig mehrere Konten zu beachten wären und zudem die Zahlungen auf Sparverträge oder andere dauerhafte Anlagen erfolgten.

Das Anliegen des Klägers als solches - auch als Arbeitsloser Anteil an der staatlich geförderten Vermögensbildung zu erlangen - mag nachvollziehbar erscheinen, die Ausgestaltung des Vermögensbildungsgesetzes ist hierfür jedoch nicht geeignet. Daher war die Beklagte nicht entsprechend dem Begehren des Klägers zu verurteilen.

2. Hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruches, der sich nur aus § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. Artikel 34 Grundgesetz (GG)ergeben konnte, hatte der Senat die Zulässigkeit der Klage zum Sozialgericht nicht mehr zu überprüfen. Da das SG eine Entscheidung in der Sache getroffen hat, war das LSG gem. § 17 a Abs. 5 GVG jedenfalls daran gebunden.

Auch insoweit ist jedoch die Berufung nicht begründet. Eine Verpflichtung zum Schadensersatz kann bereits deshalb nicht bestehen, weil keine Pflichtverletzung der BA bzw. von deren Mitarbeitern gegeben war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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