L 3 AL 217/00

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 6 AL 1038/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 217/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 01. November 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten - auch der Berufungsinstanz - sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Eintritt einer vom 01.10.1997 bis 23.12.1997 dauernden 12-wöchigen Sperrzeit sowie eine Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg).

Die am ... geborene Klägerin war vom 01.09.1979 bis 31.08.1980 als pflegerische Hilfskraft versicherungspflichtig tätig. Hiernach absolvierte sie vom 01.09.1980 bis 31.08.1986 ein Medizinstudium, um danach vom 01.09.1986 bis 30.06.1994 als Assistenzärztin bzw. FÄ für Orthopädie an der Medizinischen Akademie D ... tätig zu sein. Vom 01.07.1994 bis 30.09.1997 arbeitete sie als Oberärztin in der Klinik B ... K ... Das Beschäftigungsverhältnis wurde durch Aufhebungsvertrag, der von der Klinik am 07.08.1997 und von der Klägerin am 01.09.1997 unterzeichnet worden war, mit Wirkung zum 30.09.1997 beendet.

Mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte vom 05.05.1997 wurde die Klägerin zur vertragsärztlichen Tätigkeit ab 01.10.1997 zugelassen. Die Tätigkeit war bis zum 01.01.1998 aufzunehmen.

Mit Arbeitsverträgen vom 05.09.1997, 26.09.1997 und 30.09.1997 stellte die Klägerin drei Arzthelferinnen mit Wirkung zum 01.11.1997 ein. Mit Änderungsverträgen vom 14.10.1997 wurde der Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit auf den 10.11.1997 verschoben.

Am 11.09.1997 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosgengeld (Alg).

In der Stellungnahme zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses vom 01.10.1997 gab sie an, im Rahmen der Gesundheitsreform bzw. des Gesundheitsstrukturgesetzes sei es im Rehabilitations- und Kurwesen zu einem deutlichen Rückgang der Belegung gekommen. Daher habe sie in der Zeit von Dezember 1996 bis Mai 1997 in Kurzarbeit gestanden. Sie habe einen Stellenabbau im ärztlichen Bereich erwartet. Aus diesem Grund habe für sie die Gründung einer eigenen Praxis eine sicherere berufliche Zukunft dargestellt. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages habe in Dresden noch keine Niederlassungssperre für Orthopäden bestanden. Eine solche sei jedoch zu erwarten gewesen. Aus diesen Gründen habe sie mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber die Aufhebung des Beschäftigungsverhältnisses mit Aufhebungsvertrag vereinbart.

Die Klägerin schloss am 21.10.1997 mit der Deutschen Apotheker- und Ärztebank einen Vertrag über ein Darlehen zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit i.H.v. 70.000,00 DM.

Am 04.07.1997 vereinbarte sie mit der I. I ... D ... GmbH vertraglich die Anmietung von Praxisräumen. Als Übergabezeitpunkt wurde "voraussichtlich" der 31.10.1997 vorgesehen. Falls der Termin nicht eingehalten werden könne, werde dem Vermieter eine Nachfrist von vier Wochen eingeräumt.

Mit Bescheid vom 10.10.1997 stellte die Beklagte den Eintritt einer vom 01.10.1997 bis 23.12.1997 dauernden 12-wöchigen Sperrzeit fest, während der der Anspruch auf Alg ruhe. Die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis zum 30.09.1997 einvernehmlich mit ihrem Arbeitgeber durch Aufhebungsvertrag gelöst. Ein Aufhebungsvertrag stelle eine freiwillige Lösung des der Klägerin nicht zustande kommen könne. Die Klägerin habe ihr Verhalten damit erklärt, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages in Dresden für Orthopäden noch keine Niederlassungssperre bestanden und sie deshalb die Selbstständigkeit angestrebt habe. Diese Gründe könnten jedoch bei Abwägung ihrer Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft den Eintritt einer Sperrzeit nicht abwenden. Die Beklagte verkenne hierbei nicht, dass die Gründe für das Verhalten der Klägerin aus deren Sicht bedeutsam waren. Ein wichtiger Grund im Sinne der Sperrvorschriften liege aber nur vor, wenn ihr die Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses objektiv nicht mehr hätte zugemutet werden können. Eine besondere Härte, die zur Reduzierung der Sperrzeit führen könnte, sei ebensowenig gegeben. Die Sperrzeit mindere den Anspruch auf Alg um 78 Tage.

Gegen den Bescheid vom 10.10.1997 richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 10.11.1997. Durch ihr Ausscheiden aus der Klinik B ... K ... habe sie einen Arbeitsplatz gesichert, da ihre ehemalige Stelle als Oberärztin im Zentrum für Querschnittsgelähmte der Klinik B ... nicht extern neu besetzt wurde, sondern intern durch einen Oberarzt aus einer anderen Abteilung der Orthopädie. Ferner habe sie durch ihre Selbstständigkeit drei Arbeitsplätze geschaffen. Dadurch habe sie den Arbeitsmarkt entlastet.

Die Klägerin teilte der Beklagten mit Veränderungsmitteilung vom 11.11.1997 mit, sie habe die selbstständige Tätigkeit zum 17.11.1997 aufgenommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.1997 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die Klägerin habe das Arbeitsverhältnis durch Zustimmung zum Aufhebungsvertrag selbst gelöst. Ihr habe hierfür kein wichtiger Grund i.S. des § 119 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 119a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zur Verfügung gestanden. Vielmehr sei der Klägerin die Fortsetzung ihres Beschäftigungsverhältnisses zumutbar gewesen. Die Klägerin habe auch erkennen können, dass die Lösung des Arbeitsverhältnisses den Eintritt der Arbeitslosigkeit zur Folge haben würde. Eine besondere Härte liege nicht vor.

Am 17.12.1997 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Dresden erhoben. Die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses sei in Abstimmung und im Interesse der Klinik erfolgt, da die Patientenzahlen rückläufig gewesen seien und daher ein ständiger Personalabbau vorgenommen worden sei. Sie habe durch den Schritt in die Selbstständigkeit die Kündigung eines Oberarztes in der Klinik B ... K ... abwenden können. Ein direkter Übergang aus dem Arbeitsverhältnis in die Selbstständigkeit sei nicht möglich gewesen. Sie habe zunächst zum 01.10.1997 die selbstständige Tätigkeit aufnehmen wollen. Zu diesem Zeitpunkt sei sie vom Zulassungsausschuss der Ärzte als Vertragsärztin zugelassen worden. Die rechtzeitige Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit sei durch verspätete Übergabe der Praxisräume seitens des Vermieters verzögert worden. Erst am 21.10.1997 sei diese erfolgt. Sie habe angesichts der verzögerten Fertigstellung der Praxisräume ihren ehemaligen Arbeitgeber hierüber informiert. Dieser habe sie dennoch zum schnellstmöglichen Abschluss des Aufhebungsvertrages gedrängt. Schon vor dem 21.10.1997 sei sie täglich in den Praxisräumen gewesen, um die Bau- und Einrichtungsmaßnahmen zu überwachen. Ab 21.10.1997 sei sie ständig anwesend gewesen. Ihr wäre bei Nichtunterzeichnung des Aufhebungsvertrages betriebsbedingt gekündigt worden, weil sie die jüngste und zuletzt eingestellte Oberärztin gewesen sei. Zudem habe sie sich über die Rechtsfolgen des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages geirrt. Sie sei davon ausgegangen, dass die Folgen bei einer arbeitgeberseitigen Kündigung und bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages dieselben seien.

Die Klinik B ... K ... hat mit Schriftsatz vom 12.12.1997 bestätigt, der Aufhebungsvertrag sei vom Arbeitgeber aus betriebswirtschaftlichen Gründen veranlasst worden. Die Auslastungssituation habe eine Reduzierung der Oberarztstellen im orthopädischen Bereich erforderlich gemacht. "Mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte die Sozialauswahl" eine betriebsbedingte Kündigung der Klägerin zur Folge gehabt.

Auf Nachfrage des SG hat die Klinik B ... mit Schriftsatz vom 22.12.1998 angegeben: Bei Nichtunterzeichnung des Aufhebungsvertrages habe der Klägerin eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung gedroht. Anderen Mitarbeitern sei wegen Nichtunterzeichnung eines solchen Vertrages gekündigt worden. Die Kündigungsfrist habe im Falle der Klägerin sechs Wochen zum Quartalsende betragen. Neben der Klägerin hätten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages folgende Oberärzte im orthopädischen Bereich gearbeitet: Dr. F ... B ..., geb. am 08.02.1945, betriebszugehörig seit 01.10.1971, verheiratet, ein Kind, Dr. K ... M ..., geb. am 27.04.1947, betriebszugehörig seit 01.11.1973, verheiratet, keine Kinder, Dr. U ... N ..., geb. am 26.04.1955, betriebszugehörig seit 01.12.1981, verheiratet, zwei Kinder, Dr. R ... K ..., geb. am 24.04.1945, betriebszugehörig seit 19.10.1970, verheiratet, ein Kind, Dr. W ... G ..., geb. am 03.04.1937, betriebszugehörig seit 01.10.1993, verheiratet, keine Kinder und die Klägerin, betriebszugehörig seit 01.07.1994, ledig, ein Kind. Den übrigen Oberärzten sei keine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen worden. Ein weiterer Aufhebungsvertrag sei ebenfalls nicht geschlossen worden.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin habe die Arbeitslosigkeit genutzt, um ihre Praxiseröffnung vorzubereiten. Verfügbarkeit i.S.d. § 103 AFG habe folglich während der Zeit seitens der Klägerin erst am 01.09.1997 unterzeichnet worden war, hätte ihr wirksam erst zum 31.12.1997 gekündigt werden können.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 01.11.2000 die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe ihr Arbeitsverhältnis gelöst. Sie habe mit ihrem Arbeitgeber vertraglich vereinbart, das Arbeitsverhältnis ende mit Wirkung zum 30.09.1997. Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages am 01.09.1997 sei ihr bewusst gewesen, dass sie zum 01.10.1997 kein Anschlussarbeitsverhältnis habe. Dies sei von ihr auch nicht gewünscht gewesen, da sie sich als Fachärztin für Orthopädie niederlassen wollte. Sie habe jedoch unter Berücksichtigung des von ihr abgeschlossenen Mietvertrages für die Praxisräume nicht davon ausgehen können, die Praxis bereits zum 01.10.1997 eröffnen zu können. Ihr habe also bei Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages bewusst sein müssen, dass sie ab 01.10.1997 arbeitslos sein würde. Daher habe die Klägerin zumindest grob fahrlässig ihre konkret zum 01.10.1997 eingetretene Arbeitslosigkeit herbeigeführt. Gründe, aus denen der Klägerin ein Abwarten einer möglichen betriebsbedingten Kündigung seitens des Arbeitgebers unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar gewesen wären, seien nicht ersichtlich. Hätte der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages durch die Klägerin am 01.09.1997 eine Kündigung mit einer Frist von sechs Wochen zum Quartalsende, mithin zum 31.12.1997, ausgesprochen, so hätte die Klägerin zum 01.01.1998 ihre Praxis als niedergelassene Orthopädin eröffnen können. Alternativ hierzu wäre von der Klägerin zumindest zu erwarten gewesen, dass sie ihr Arbeitsverhältnis so lange fortdauern lässt, bis sie ihre Tätigkeit als niedergelassene Orthopädin tatsächlich aufnehmen konnte. Das Mietobjekt sollte nach dem Mietvertrag voraussichtlich zum 31.10.1997 übergeben werden. Die Klägerin habe daher schon Praxisräume zu einem früheren Zeitpunkt, mithin zum 01.10.1997, nutzen konnte. Eine besondere Härte liege nicht vor.

Gegen den den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 07.11.2000 zugestellten Gerichtsbescheid haben diese am 06.12.2000 Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht eingelegt. Die Klägerin habe bei Abschluss des Aufhebungsvertrages nicht grob fahrlässig gehandelt. Sie sei durch ihren Arbeitgeber bereits im Frühsommer 1997 auf die bevorstehende Kündigung von Arztpersonal angesprochen worden. Hierbei habe ihr Arbeitgeber mehr als deutlich gemacht, dass sie als jüngste und zuletzt eingestellte Oberärztin im Bereich der Orthopädie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fristgerecht zum 30.09.1997 betriebsbedingt gekündigt würde. Grund hierfür sei die außerordentlich schlechte Auslastung der Klinik B ... gewesen. Die Klägerin habe daher versucht, eine andere Beschäftigungsmöglichkeit zu finden und sich aus diesem Grund entschlossen, sich selbstständig zu machen. Gleichzeitig habe sie dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages zugestimmt, der am 07.08.1997 schriftlich fixiert worden sei. Zumindest lägen die Voraussetzungen für eine Sperrzeitverkürzung vor, da dass Arbeitsverhältnis ohne Abschluss des Aufhebungsvertrages ebenfalls zum 30.09.1997 durch arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung geendet hätte.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des SG Dresden vom 01.11.2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10.10.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des vom 27.11.1997 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, der Abschluss des Aufhebungsvertrages habe auf den Überlegungen der Klägerin basiert, dass einerseits bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber ein Personalüberhang bestanden habe und andererseits eine Niederlassung als Orthopädin zu diesem Zeitpunkt ohne Niederlassungsbeschränkungen möglich gewesen sei. Die Klägerin habe sich in dieser Situation bewusst für den Weg in die Selbstständigkeit entschieden und dabei für die Überbrückungszeit die Arbeitslosigkeit ab 01.10.1997 herbeigeführt. Im erstinstanzlichen Verfahren habe sie ausgeführt, ein direkter Übergang aus der Tätigkeit als Oberärztin in die Selbstständigkeit sei praktisch nicht möglich gewesen. Auch in der Berufungsbegründung gebe sie diese Grundintention wieder. Daher dürfte unstreitig sein, dass die Klägerin den Eintritt ihrer Arbeitslosigkeit bewusst in Kauf genommen hat, um sich in dieser Zeit eine neue Existenz aufzubauen. Eine wichtiger Grund für die einvernehmliche Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses habe der Klägerin nicht zur Seite gestanden. Selbst wenn eine arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung gedroht habe, wäre sie gehalten gewesen, diese abzuwarten. Nur unter besonderen Umstände dürfe der Arbeitnehmer einer Kündigung zuvor kommen. Zu diesen Umständen zähle, dass die arbeitgeberseitige Kündigung zu demselben Zeitpunkt, zu dem das Beschäftigungsverhältnis geendet habe, wirksam geworden wäre. Dies sei hier nicht der Fall. Der Aufhebungsvertrag sei seitens der Klägerin am 01.09.1997 unterzeichnet worden. Hätte sie an diesem Tag den Vertrag nicht unterschrieben, wäre eine arbeitgeberseitige Kündigung erst zum 31.12.1997 möglich gewesen. Gründe, die eine Herabsetzung der Sperrzeit rechtfertigten, seien nicht erkennbar. Zwar erscheine das Verhalten der Klägerin, sich wegen der unsicheren Weiterbeschäftigungsperspektiven und der künftig unter Umständen zu erwartenden Niederlassungs- orientieren, verständlich und aus ihrer Sicht sinnvoll. Vorrang vor den Interessen der Versichertengemeinschaft könne das Verhalten, die Übergangsphase bewusst mit Arbeitslosengeld zu bestreiten, jedoch nicht beanspruchen.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts hat der Senat auf die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Leistungsakte der Beklagten, die er zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht hat, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) sowie form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG Dresden mit Gerichtsbescheid vom 01.11.2000 die Klage abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 10.10.1997 und 27.11.1997 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten.

Zutreffend hat die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1, § 119a AFG i.d.F. des Art. 11 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24.03.1997, BGBl. I S. 594, festgestellt. Gemäß §§ 119 Abs. 1 Nr. 1, 119a AFG tritt eine 12-wöchige Sperrzeit (Regelsperrzeit) ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Die Sperrzeit beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet. Während der Sperrzeit ruht der Anspruch auf Alg.

Die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit liegen im Falle der Klägerin vor. Durch Abschluss des Aufhebungsvertrages hat sie das mit der Klinik B ... K ... bestehende Beschäftigungsverhältnis mit Wirkung zum 30.09.1997 gelöst. Ein Aufhebungsvertrag setzt übereinstimmende Willenserklärungen sowohl des Arbeitgebers als auch des Arbeitnehmers voraus, das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt beenden zu wollen. Unerheblich für den Eintritt einer Sperrzeit ist es, ob die Initiative zum Abschluss des Aufhebungsvertrages vom Arbeitgeber oder Arbeitnehmer ausging (BSG SozR 4100 § 119 Nr. 28; Niesel, AFG, 2. Aufl., Rn. 22 zu § 119). In dem die Klägerin dem Abschluss des Aufhebungsvertrages zustimmte, hat sie eine wesentliche Ursache für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gesetzt. Dieses Verhalten war hierfür kausal.

Durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages hat die Klägerin zumindest grob fahrlässig ihre Arbeitslosigkeit ab 01.10.1997 herbeigeführt (Niesel, a.a.O., Rn. 28 zu § 119). Eine konkrete Aussicht auf einen Anschlussarbeitsplatz, den die Klägerin zum 01.10.1997 hätte aufnehmen können, bestand nicht.

Eine realistische Aussicht auf Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit zum 01.10.1997 war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages am 01.09.1997 ebenfalls nicht vorhanden. Zwar war die Klägerin laut Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte vom 05.05.1997 ab 01.10.1997 zur vertragsärztlichen Tätigkeit berechtigt. Nach dem Beschluss war die vertragsärztliche Tätigkeit jedoch nicht zwingend zum 01.10.1997 aufzunehmen, vielmehr wurde der Klägerin hierfür eine Frist bis zum 01.01.1998 eingeräumt.

Eine Praxiseröffnung zum 01.10.1997 war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages äußerst unwahrscheinlich. damit begründen, der Vermieter habe die Praxisräume verspätet übergeben. Die Übergabe der Praxisräume erfolgte am 21.10.1997 und folglich innerhalb der im Mietvertrag vereinbarten Frist (bis 31.10.1997), obwohl dem Vermieter laut Vertrag sogar eine Nachfrist von vier Wochen ohne Konsequenzen zugestanden hätte. Die Praxisräume mussten nach Übergabe eingerichtet werden. Auch hierfür war eine gewisse Zeit zu veranschlagen. Daher konnte die Klägerin zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages realistischer Weise lediglich mit einer Praxiseröffnung Mitte November 1997 rechnen.

Ferner schloss die Klägerin erst am 21.10.1997 einen Darlehensvertrag über 70.000,00 DM mit der Deutschen Apotheker- und Ärztebank eG. Als Zeitpunkt der Mittelausreichung war Ende Oktober 1997 vorgesehen. Da das Kapital zur Einrichtung der Praxis und zur Überbrückung der ersten Monate der selbstständigen Tätigkeit gedacht war, konnte die Klägerin auch aus diesem Grunde am 01.09.1997 nicht davon ausgehen konnte, am 01.10.1997 ihre Praxis eröffnen zu können.

Zudem hatte sie laut Arbeitsverträgen vom 05.09.1997, 26.09.1997 und 30.09.1997 die Arzthelferinnen erst zum 01.11.1997 eingestellt.

Dem SG ist ferner darin zuzustimmen, dass der Klägerin kein wichtiger Grund für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zum 30.09.1997 zur Seite stand. Ein wichtiger Grund ist gegeben, wenn Umstände vorliegen, die dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr zumutbar erscheinen lassen. Der wichtige Grund muss auch den Zeitpunkt der Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses decken, d. h. der Arbeitnehmer muss einen wichtigen Grund dafür haben, dass er das Beschäftigungsverhältnis zu dem von ihm gewählten Zeitpunkt auflöst (BSG, SozR 4100 § 119 Nr. 17).

Wurde das Beschäftigungsverhältnis durch Aufhebungsvertrag gelöst, weil andernfalls eine Kündigung des Arbeitgebers drohte, liegt allein darin in der Regel kein wichtiger Grund (Niesel, a.a.O., Rn. 69 zu § 119). Ein wichtiger Grund kann lediglich dann anerkannt werden, wenn - eine Kündigung durch den Arbeitgeber mit Bestimmtheit in Aussicht gestellt worden war, ohne dass der Arbeitnehmer hierzu durch einen arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass gegeben hat, - diese Kündigung zum gleichen Zeitpunkt, zudem das Beschäftigungsverhältnis geendet hat, wirksam geworden wäre, - diese Kündigung arbeitsrechtlich zulässig gewesen wäre und - dem Arbeitslosen nicht zuzumuten war, die arbeitgeberseitige Kündigung abzuwarten.

Zwar war der Klägerin seitens der Klinik B ... K ... mit Bestimmtheit eine betriebsbedingte Kündigung in Aussicht gestellt worden. Dies ergibt sich aus den Schriftsätzen der Klinik vom 12.12.1997 und 22.12.1998. Aus diesen ist erkennbar, dass die Klinik beabsichtigte, der Klägerin wegen der Verringerung der Patientenzahlen im orthopädischen Bereich zu kündigen.

Mit dem SG ist jedoch davon auszugehen, dass die Kündigung nicht zum gleichen Zeitpunkt wie der Aufhebungsvertrag, mithin zum 30.09.1997, wirksam geworden wäre. Eine Aufhebungsvertrag erlangt - wie jeder andere Vertrag - erst durch übereinstimmende Willenserklärungen Wirksamkeit. Zwar unterbreitete die Klinik B ... der Klägerin am 07.08.1997 ein Angebot zur Aufhebung des Beschäftigungsverhältnisses mit Wirkung zum 30.09.1997. Wirksam wurde dieser Vertrag erst durch die Unterzeichnung seitens der Klägerin am 01.09.1997. Hätte die Klägerin am 01.09.1997 die Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages verweigert, wäre eine arbeitgeberseitige Kündigung erst mit Wirkung zum 31.12.1997 möglich gewesen, weil in dem zwischen der Klinik B ... K ... und der Klägerin geschlossenen Arbeitsvertrag eine Kündigung lediglich mit einer Frist von sechs Wochen zum Quartalsende erfolgen konnte. Hätte die Klinik eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30.09.1997 mit Sicherheit ausschließen wollen, hätte sie der Klägerin eine Frist zur Annahme des Angebotes auf Vertragsaufhebung bis zum 14.08.1997 gesetzt, um - bei Nichtannahme - rechtzeitig kündigen zu können. Dies ist jedoch nicht geschehen.

Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin das Abwarten der Kündigungsfrist bis 31.12.1997 nicht zuzumuten gewesen wäre, bestehen nicht. Laut Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte vom 05.05.1997 hätte sie die vertragsärztliche Tätigkeit auch zum 01.01.1998 aufnehmen können.

Zudem ist zumindest fraglich, ob eine von der Klinik B ... gegenüber der Klägerin ausgesprochene Kündigung arbeitsrechtlich zulässig gewesen wäre. Nach § 1 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ist eine Kündigung unwirksam, wenn keine hinreichende soziale Auswahl getroffen worden ist. Das Kündigungsschutzgesetz ist auf die Klägerin anzuwenden gewesen (§ 23 KSchG).

Im Rahmen der Sozialauswahl ist unter mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern derjenige zu entlassen, der nach seinen Sozialdaten des geringsten Schutzes bedarf. Bei Gewichtung der Sozialdaten sind das Lebensalter, die Betriebszugehörigkeit und die bestehenden Unterhaltsverpflichtungen zu berücksichtigen. Als weitere Auswahlgesichtspunkte kommen der Familienstand sowie Einkünfte anderer Familienangehöriger in Betracht (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 7. Aufl., S. 1069).

Bei der Sozialauswahl im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung der Klägerin hätte berücksichtigt werden müssen, dass Dr. W ... G ... und die Klägerin eine ähnliche Dauer der Betriebszugehörigkeit hatten. Herr Dr. G ... war zum 01.10.1993 eingestellt worden, die Klägerin zum 01.07.1994. Dr. G ... befand sich zum Zeitpunkt der Kündigung im 61. Lebensjahr, während die Klägerin lediglich im Alter von 37 Jahren war. Dr. G ... hat jedoch keine Kinder. Folglich bestanden keine diesbezüglichen Unterhaltsverpflichtungen. Andererseits hatte die Klägerin ein damals 13-jähriges Kind, für das sie unterhaltsverpflichtet war. Dieser Gesichtspunkt spricht für eine nicht zutreffende Sozialauswahl.

Selbst wenn der Klägerin betriebsbedingt gekündigt worden wäre, wäre ein Kündigungsschutzverfahren gegen diese Kündigung folglich nicht aussichtslos gewesen.

Eine Verkürzung der Sperrzeit gemäß §§ 119 Abs. 2, 119a AFG ist nicht möglich.

Gemäß § 119 Abs. 2, 119a AFG umfasst die Sperrzeit lediglich sechs Wochen, wenn eine Sperrzeit von 12 Wochen für den Arbeitslosen nach dem für die Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde. Eine besondere Härte liegt vor, wenn nach den Umständen des Einzelfalles die Regeldauer im Hinblick auf die für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen objektiv als unverhältnismäßig anzusehen ist. Maßgebliche Tatsachen sind hierbei nur solche, die mit dem Eintritt der Sperrzeit in einem ursächlichen Zusammenhang stehen (BSG SozR 4100 § 119 Nr. 32; BSG SozR 3-4010 § 119 Nr. 11).

Ein vermeidbarer Irrtum über die Tatsachen, die zur Sperrzeit geführt haben, reicht nach der Rechtsprechung des BSG nicht (SozR 4100 § 119 Nr. 36; Niesel, a.a.O., Rn. 94).

Zwar irrte sich die Klägerin über die Tatsache, dass der Abschluss eines Aufhebungsvertrages anders als eine betriebsbedingte Kündigung eine Sperrzeit zur Folge haben würde. Bei diesem Irrtum handelte es sich jedoch um einen vermeidbaren Irrtum. Bei Vorsprache der Klägerin beim Arbeitsamt oder einer rechtskundigen Person hätte ihr die Auskunft gegeben werden können, dass lediglich bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit dem Eintritt einer Sperrzeit zu rechnen ist.

Eine Verkürzung der Sperrzeit kommt auch aus anderen Gesichtspunkten nicht in Betracht. Aus der Regelung des § 119 Abs. 2 Satz 2 AFG hat das BSG abgeleitet, die Sperrzeit dürfe nur sechs Wochen betragen, wenn das Arbeitsverhältnis ohne das Sperrzeitereignis nach spätestens zwölf Wochen zu Ende gegangen wäre, und dieses Ergebnis auf die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes als Bestandteile des Rechtsstaatsprinzipes des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) gestützt (BSG SozR 3-4100 § 119a Nr. 2, 3; Winkler/Gagel, in Gagel, AFG, Rn. 89 zu § 119; Niesel, a.a.O., Rn. 97 zu § 119).

Das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin hätte jedoch, wenn ihr eine betriebsbedingte Kündigung zum 31.12.1997 ausgesprochen worden wäre, nicht innerhalb von 12 Wochen geendet. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wäre ohne Abschluss des Aufhebungsvertrages durch arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung zum 31.12.1997 beendet worden. Zwischen 30.09.1997 und 31.12.1997 liegen jedoch mehr als 12 Wochen.

Die Dauer der Minderung des Anspruchs auf Alg beträgt gem. § 110 Nr. 2 AFG 78 Tage.

Einem Anspruch auf Alg steht zumindest ab 21.10.1997 auch die fehlende Verfügbarkeit der Klägerin für die Arbeitsvermittlung entgegen. Gemäß § 100 Abs. 1 AFG hat Anspruch auf Alg lediglich derjenige, der - neben weiteren Voraussetzungen - der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Gemäß § 103 Abs. 1 AFG steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer eine zumutbare, die Beitragspflicht begründende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf und hierzu bereit ist. Im erstinstanzlichen Verfahren hat die Klägerin erklärt, ab 21.10.1997 ständig den Fortgang der Arbeiten in den Praxisräumen überwacht und diese eingerichtet zu haben. Aus diesem Grunde stand sie der Arbeitsvermittlung spätestens ab diesem Zeitpunkt nicht zur Verfügung.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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