S 1 R 103/17

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 1 R 103/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 487/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 29/19 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen hat der Kläger zu tragen.
Seine außergerichtlichen Kosten trägt der Beigeladene selbst.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Tätigkeit des Beigeladenen als Notarzt bei der Klägerin der Sozialversicherungspflicht unterliegt.

Die Beigeladene ist seit dem 3.8.2016 als Notarzt für den Kläger tätig. Daneben übte er eine weitere Tätigkeit als beschäftigter Notarzt in Vollzeit beim B. gGmbH aus.

Der Kläger ist als Landkreis in Hessen öffentlich-rechtlicher Träger des bodengebundenen Rettungsdienstes einschließlich der notärztlichen Versorgung sowie der Berg- und Wasserrettung (Rettungsdienstträger). Daneben ist er auch Leistungserbringer im Rettungsdienst. Als Leistungserbringer "Notarzt" besteht das Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen.

Die rettungsdienstliche Versorgung im Landkreis Fulda umfasst seit dem 1.1.2017 neun Rettungswagen und vier Notarztstandorte, die durch den Kläger in seiner Funktion als Rettungsdienstträger im Rahmen des gesetzlichen Auftrages bemessen und festgelegt wurden. Der Beigeladene ist als Notarzt für den Kläger auf dem Notarzteinsatzfahrzeug "CX." an der C. Fulda tätig.

Der Kläger hat am 6.6.2016 eine Honorarvereinbarung mit dem Beigeladenen geschlossen. Danach erbringt er als Notarzt Leistungen im Rettungsdienst des Landkreises Fulda. "Gegenstand der Leistung nach dieser Vereinbarung ist die Übernahme von Bereitschaftsdiensten für die notärztliche Versorgung im Rettungsdienstbereich Fulda mittels bodengebundenem Notarztsystem (NEF). Der Notarzt ist in seiner Verantwortung in Diagnostik und Therapie unabhängig und nur dem Gesetz verpflichtet. Er ist im Einsatzgeschehen an die Weisungen des leitenden Notarztes (LNA) gebunden. Der Notarzt ist freiberuflich tätig und wird nicht in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingebunden. Er unterwirft sich keinen einseitigen nachträglichen Weisungen von Bediensteten des Auftraggebers. Der Notarzt leistet Rettungseinsätze, die während der vom Auftraggeber gestellten Dienste von der Leitstelle des Auftraggebers angezeigt werden.

Der Notarzt verpflichtet sich, im Einsatz persönliche Schutzausrüstung entsprechend den jeweils gültigen Sicherheitsvorschriften zu tragen.

Der Beigeladene wird im Bereich Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) der D. Fulda, stationiert an der C. Fulda, eingesetzt. Es gelten folgende Dienstzeiten:

Montag bis Donnerstag 7:30 Uhr bis 21:00 Uhr
Freitag 7:30 Uhr bis 23:00 Uhr
Samstag 7:30 Uhr bis 23:00 Uhr
Sonntag und Wochenfeiertag 11:00 Uhr bis 22:00 Uhr

Der Notarzt teilt per E-Mail dem Dienstplankoordinator mit, welche Dienste er zu übernehmen bereit ist. Der Auftraggeber entscheidet im Rahmen der vom Notarzt angebotenen Termine, zu welchen Diensten er ihn bestellt und teilt ihm dies per E-Mail spätestens fünf Tage vor dem Termin mit.

Aus dem Abschluss dieses Vertrages erwächst kein Anspruch des Notarztes gegen den Auftraggeber auf Bestellung der von ihm angebotenen Dienste und kein Anspruch des Auftraggebers, dass der Notarzt bestimmte Diensttermine anbietet. Der Dienstplan wird vom Auftraggeber oder eines von ihm Beauftragten aufgestellt.

Der Auftragnehmer erhält pro geleistete Stunde ein Stundensatz von 35 EUR (Brutto). Bei angefangenen Stunden wird ab der 16. Minute der halbe Stundensatz und ab der 46. Minute der volle Stundensatz vergütet.

Der Notarzt stellt die von ihm erbrachten Leistungen monatlich, bis spätestens 15. des übernächsten Monats, dem Kläger in Rechnung. Das Honorar wird auf das vom Notarzt angegebene Konto überwiesen.

Das Honorar wird nur für tatsächlich geleisteten Bereitschaftsdienst sowie im Einsatzfall gezahlt. Das Honorar deckt alle Aufwendungen inklusive Reisekosten. Weitere Honoraransprüche gegenüber dem Landkreis Fulda oder Dritten bestehen nicht.

Ansprüche wegen vorübergehender Dienstverhinderung sind ausdrücklich ausgeschlossen. Es besteht kein Urlaubsanspruch sowie kein Anspruch auf Weihnachtsgeld oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Das Honorar unterliegt der Einkommenssteuer. Die selbstständige Tätigkeit des Notarztes ist für den Auftraggeber sozialversicherungsfrei."

Am 25.8.2016 beantragte der Beigeladene die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status.

Nach Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 8.12.2016 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 10.1.2017 fest, dass der Beigeladene die Tätigkeit als Notarzt bei dem Kläger seit dem 3.8.2016 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. In dem Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen würden die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche, dass die Verpflichtung bestehe, die Leistung persönlich zu erbringen. Die Tätigkeit werde in einer fremdbestimmten Arbeitsorganisation ausgeübt. Die Eingliederung in die Organisation des Rettungsdienstes ergebe sich aus dem HRDG. Die Anwesenheit des Notarztes sei auf der Rettungswache erforderlich (§ 3 Abs. 8 HRDG). Lenkung der Einsätze erfolge durch die Zentrale Leitstelle. Die Weisungsbefugnis habe die Leitstelle (§ 6 Abs. 2 S. 1 HRDG). Es bestehe die Verpflichtung zur laufenden Fortbildung gemäß § 18 Abs. 2 HRDG. Die Eingliederung in die Organisation des Rettungsdienstes ergebe sich unter anderem aus der Verordnung zur Durchführung des hessischen Rettungsdienstgesetzes (RettDGVHE). Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 und 3 RettDGV HE erfolge die Alarmierung und Lenkung der Einsätze durch die Zentrale Leitstelle. Gemäß § 8 Abs. 1 RettDGV HE sei der Einsatz zu dokumentieren. Gemäß § 25 Abs. 4 RettDGV HE bestehe die Verpflichtung zur Weiterbildung. Gemäß § 27 RettDGV HE seien Vorgaben zur Hygiene bei der Durchführung von Einsätzen einzuhalten. Gemäß § 30 RettDGV HE seien Vorgaben zum Verhalten im Einsatz einzuhalten. Gemäß § 30 Abs. 1 RettDGV HE müssten Einsatzprotokolle nach einheitlichen Vorgaben erstellt werden.

Demgegenüber spreche für eine selbständige Tätigkeit, dass angabengemäß keine Teilnahme an Team- oder Dienstbesprechungen erfolge. Zudem habe der Auftragnehmer eine eigene Berufshaftpflichtversicherung.

Hiergegen erhob der Kläger am 26.1.2017 Widerspruch mit der Begründung, dass die Tätigkeit des Beigeladenen als Notarzt an dem betreffenden Einsatztagen nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden sei. Bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung des vorliegenden Vertragsverhältnisses komme es auf die Individualität des Falles an. Zur Klarstellung bedürfe es daher einer detaillierten Betrachtung der rechtlich vorgegebenen Rettungsdienststruktur in Hessen, deren Umsetzung im Bereich des Landkreises Fulda, der Funktion des Landkreises Fulda als Leistungserbringer im Rettungsdienst sowie des vereinbarten und geliebten Vertragsverhältnisses. Hier sei insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger in seinem Zuständigkeitsbereich sowohl Rettungsdienstträger als auch Leistungserbringer im Rettungsdienst sei. Zur Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen seien ausschließlich die vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger als Leistungserbringer und dem Beigeladenen zu betrachten. Der vertraglich vereinbarte Auftrag des Beigeladenen umfasse die Wahrnehmung von Bereitschaftszeiten sowie der Notarzttätigkeit während eines in dieser Zeit alarmierten Einsatzes. Der Beigeladene sei weder in den Betrieb des Klägers eingebunden gewesen noch seien ihm die Bereitschaftszeiten vorgegeben worden. Der Auftraggeber habe sich zur Koordinierung der Dienstplanung der Internet Software "Notarztportal" bedient. Zeit und Dauer der Bereitschaftsdienste sei dem Beigeladenen nicht durch den Auftraggeber vorgegeben worden. Insbesondere beinhalte die Honorarvereinbarung diesbezüglich keine verbindlichen Zeiten. In § 3 des Vertrages seien keine Dienstzeiten vereinbart, sondern lediglich die im Bereichsplan vorgegebenen Vorhaltezeiten des Notarzteinsatzfahrzeuges wiedergegeben. Der Beigeladene habe die Wahl, ob, wann und - nach Absprache - wie lange er ein Auftrag wahrnehmen möchte.

Die Wahrnehmung von Bereitschaftsdiensten durch den Beigeladenen an den betreffenden Tagen sei nicht durch den Auftraggeber erfolgt, sondern beruhe auf freiwillige Entscheidung des Notarztes. Dienste würden nicht vorgeschrieben. Vielmehr schreibe der Auftraggeber die zu vergebenden Dienste/Aufträge über die Internet Software "Notarztportal" aus und die sich vertraglich im Notarztpool des Auftraggebers befindlichen Notärzte könnten sich auf diese Dienste bewerben. Ein Auftrag komme dann im Einzelfall durch Antrag/Annahme zu Stande.

Bereitschaftszeiten würden nicht vom Auftraggeber einseitig bestimmt. Es existiere allerdings ein ständig vorzuschreibender, vierteljährlicher Dienstplan, indem die vertraglich vereinbarten Bereitschaftszeiten notiert gewesen seien. Es sei dem Vertrag immanent, dass der Beigeladene die mit ihm vereinbarte Bereitschaftsdienst auch wahrnahm. Dies stelle jedoch kein Kriterium für ein Weisungs- und Direktionsrecht des Auftraggebers dar. Der Auftraggeber sei insbesondere nicht berechtigt gewesen ohne Einverständnis des Auftragnehmers ihn an anderen Orten einzusetzen oder Bereitschaftszeiten zu verkürzen oder zu verlängern.

Der Beigeladene sei auch nicht zur Übernahme einer Mindestzahl von Aufträgen verpflichtet gewesen.

Die vom Beigeladenen erbrachten Einsatzdienste seien von der Zentralen Leitstelle alarmiert worden, die hierzu rechtlich verpflichtet sei. Die Zentrale Leitstelle gehöre nicht zum Betrieb des Auftraggebers und dieser habe auch keine Möglichkeit, auf das ob und wie sowie den Beginn, Ende und die Dauer des Einsatzes Einfluss zu nehmen.

Aus der Pflicht zur Wahrnehmung vereinbarter Bereitschaftsdienste und aus der Pflicht zur ärztlichen Tätigkeit im Notfall ergebe sich kein Kriterium für eine abhängige Beschäftigung. Es sei jedem Werkvertrag oder freien Honorarvertrag immanent, dass je nach Auftragsinhalt Ausführungszeiten vereinbart werden.

Die Vertretung für vereinbarte, aber nicht wahrnehmbare Aufträge würden nicht "durch" sondern "über" den Auftraggeber organisiert. Dies stelle aber ebenfalls kein Kriterium für die Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers dar. Grundsätzlich müsse sich der Auftragnehmer selbst ständig um eine Vertretung bemühen. Im Notarztvertrag sei jedoch vereinbart, dass eine Vertretungstätigkeit nur über den Auftraggeber erfolgen dürfe, da nur solches Personal zugelassen werden könne, dass dafür die Eignung und Befähigung besitze.

Der Bereitschaftsort sei auch kein Merkmal für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Der Leistungserbringer Notarztstandort, Notarztfahrzeug und Fahrzeugführer sei bei der C. Fulda die Stadt Fulda. Gemäß § 15 Abs. 1 HRDG i.V.m. Nr. 1.1.5. Rettungsdiensplan des Landes Hessen sei die Notfallversorgung durch ein Rendezvous-System sicherzustellen (getrennte Anfahrt von Rettungswagen und Notarzteinsatzfahrzeug). Zudem seien Notarzteinsatzfahrzeug mit Fahrer und Notarzt am selben Standort zu stationären. Der Aufenthaltsbereich des Beigeladenen habe sowohl während der Bereitschaftszeiten als auch während des Einsatzes weder auf dem Vertrag noch auf Weisungen des Auftraggebers basiert, sondern auf öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Die auf dem Notarztstandort befindlichen Räume würden von der Stadt Fulda und nicht vom Kläger vorgehalten, so dass sich die Notärzte nicht in den Betriebsräumen des Auftraggebers aufhalten würden.

Auch der Einsatzort könne nicht durch den Auftraggeber vorgegeben werden. Diese seien in den Bereichsplänen vorgegeben und wieder durch den Auftraggeber noch die Notarzt frei bestimmbar. Auf Honorarbasis tätigen Notärzte könnten allerdings durch die Auswahl des Auftraggebers frei bestimmen, in welchem Einsatzgebiet sie tätig werden möchten, eine Option, die abhängig beschäftigten Notärzten nicht zustehe, da diese wiederum dem Direktionsrecht des Arbeitgebers unterstehen würden.

Hinsichtlich der Art und des Umfangs der zu erbringenden Leistung seien dem Beigeladenen weder Weisungen erteilt worden, noch hätten Dienstbesprechungen stattgefunden oder seien Beurteilungen erstellt worden.

Die Notwendigkeit, dass der Beigeladene am selben Standort wie das Notarzteinsatzfahrzeug und Fahrer einsatzbereit sein müsse, ergebe sich aus dem hessischen Rettungsdienstplan.

Der Beigeladene hatte im Durchschnitt 3 Einsätze pro Tag abzuarbeiten, was einer Einsatzzeit von ca. 3 Stunden entsprechen würde. Die übrige Dienstzeit habe dem Beigeladenen mit der Maßgabe zur freien Verfügung gestanden, dass er im Fall eines Einsatzes das Notarzteinsatzfahrzeug fristgerecht (1 Minute) habe besetzen müssen. Während der einsatzfreien Zeit sei er frei in seinen Handlungen gewesen.

Einsatzaufträge seien durch die Zentrale Leitstelle vergeben worden (Stadt Fulda = Leistungserbringer Leitstelle) dem Auftraggeber habe hier kein Direktions- und Weisungsrecht oblegen.

Während der Einsatzzeit obliege es dem Notarzt, die Notfallpatienten prästationär zu behandeln. Er stelle im Rahmen seiner Therapiefreiheit selbstständig eine Diagnose und entscheide über das weitere Verfahren. Bei der Ausführung seiner Tätigkeit sei er nicht durch den Auftraggeber beeinflusst gewesen.

Der Beigeladene sei auch während der Einsatztätigkeit nicht in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert, da weder das Einsatzfahrzeug inklusive Fahrer noch die Zentrale Leitstelle zu dessen Betrieb gehören. Der Beigeladene war auch während des Einsatzes nicht Mitglied eines Teams und schon gar nicht eines Teams, dass der Weisungskompetenz des Auftraggebers unterlegen habe. Das Notarzteinsatzfahrzeug incl. Fahrer würden zur Stadt Fulda gehören.

Der Kläger sei hier gesetzmäßiger Träger der Leitstelle (§ 6 Abs. 3 HRDG). Der Einsatz des Notarztsystems werde nur geringfügig von der Zentralen Leitstelle gesteuert. Ihr obliege zwar die Lenkung und Dokumentation aller Einsätze. Der Beigeladene sei in diesem Zusammenhang lediglich an den Ausrückealarm und den vorgegebenen Einsatzort gebunden, aber ansonsten frei in seiner Therapie.

Auch bei Großschadensereignissen unterstehe der Beigeladene nicht den Weisungen der Einsatzleitung Rettungsdienst. Gemäß § 7 HRDG sei zur Sicherstellung der rettungsdienstlichen Versorgung bei Schadensereignissen sei für jeden Rettungsdienstbereich eine Einsatzleitung Rettungsdienst einzurichten. Sie sei in ihrer Funktion dem Rettungsdienstträger (also hier der Klägerin) zuzuordnen. Der leitende Oberarzt setze jedoch nur Behandlungsschwerpunkte, welche Behandlung und welcher Transport Vorrang habe, was für die Versorgung erforderlich sei und Entscheidung für ein Ziel Krankenhaus. Die therapeutische Tätigkeit des Notarztes am Patienten bleibe davon jedoch unberührt, so dass der Beigeladene auch hier keinen Weisungen unterliege. Im Übrigen seinen Einsätze des leitenden Oberarztes nur in 0,2 % aller Fälle erforderlich.

Der Notarzt habe nach jedem Einsatz ein Protokoll anzufertigen. Dies ist jedoch keine angeordnete Maßnahme seitens des Auftraggebers, sondern eine Vorgabe des Landes Hessen (Erlass des hessischen Sozialministeriums vom 8.2.2011, Aktenzeichen: V9A - 18r - 2400).

Die Verpflichtung zur Nutzung der auf dem Notarzteinsatzfahrzeug befindlichen standardisierten Sachmittel würden sich unmittelbar aus dem hessischen Rettungsdienstgesetz ergeben. Entscheidend sei dann nur, dass der Beigeladene im Bereich der Nutzung dieser Mittel nicht den Weisungen des Auftraggebers unterliege.

Der Beigeladene habe in der Zeit von Juli bis Oktober 2016 insgesamt 4 Bereitschaften mit einem Stundenlohn von 47,5 Stunden übernommen. Dies seien 3 % der gesamten Bereitschaften gewesen.

Dem Vertrag sei zu entnehmen, dass den Auftraggeber keine Beschäftigungspflicht treffe und umgekehrt der Beigeladene keine Mindestaufträge übernehmen müsse.

Es sei ferner geregelt, dass kein Anspruch auf Urlaubs- oder Weihnachtsgeld bestehe. Keine Über- oder Mehrarbeits- sowie Sonntagszuschläge gewährt würden und er weder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall noch bezahlten Urlaub erhalte. Ferner würde eine Vergütung noch Pauschalen gewährt, welche bei Wegfall eines vereinbarten Auftrags nicht beansprucht werden könne. Des Weiteren obliege dem Notarzt die selbständige Rechnungsstellung und er unterliege einem Kündigungsrecht, wenn er Vertragspflichten verletze.

Der Beigeladene habe bei der Durchführung der Notarzttätigkeiten keinem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Auftraggebers unterlegen, aus dem sich eine Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers und damit abgeleitete persönliche Abhängigkeit ergebe. Alleine aus der diesbezüglich "geminderten Autonomie könne nicht auf eine Weisungsgebundenheit im geforderten Sinne und damit auf eine persönliche Abhängigkeit der Auftragnehmer geschlossen werden (vergleiche Urteil BSG vom 18.5.2008, B 12 KR 13/07, Urteil 12.2.2004, aaO, Seite 109 f., mwN aus der Rechtsprechung zu § 165 der Reichsversicherungsordnung).

Es sei unstrittig, dass verschiedene Strukturen und Abläufe in Erbringung der notärztlichen Leistung fremdbestimmt sind und waren. Diese Fremdbestimmung erfolge jedoch nicht durch den Auftraggeber sondern durch die Gesetzgebung und den darauf basierenden Vorgaben.

Der Beigeladene unterliege einem Unternehmerrisiko im Zusammenhang mit der Verwertung seiner Arbeitskraft und des Ausfalls des Hinzuverdienstes. Es bestehe ein Gewinn- und Verlustrisiko, da der Beigeladene kein fest kalkulierbares Einkommen erhalte. Dieses sei vielmehr von der Verfügbarkeit abhängig.

Er habe ferner die notwendigen Kosten für Fortbildung, Schutzkleidung, Reisekosten, Büroausstattung und so weiter selbst zu tragen.

Der fehlende Einsatz eines eigenen Kapitals sei kein Argument gegen die Selbständigkeit eines Notarztes, denn diese sei bei Dienstleistungen höherwertiger Art nicht ungewöhnlich. Auch Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, sonstige Berater würden gedankliche Tätigkeiten erbringen, wofür sie kein eigenes Kapital einsetzen müssten.

Der Kläger habe eigenständig für eine eigene Schutzausrüstung zu sorgen. Auch die Kosten für die Erreichung des Bereitschaftsortes würden ihm obliegen.

Dass der Beigeladene wegen einem festen Stundensatz erhält, die sich nach keinem Erfolg, sondern nach der Dauer richtet und der damit kein Risiko trägt, spreche nicht gegen eine Selbstständigkeit.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4.4.2017 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen würden die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen. Insbesondere sei für die Beurteilung maßgebend, dass Ärzte in ihren eigentlichen ärztlichen Tätigkeiten keinen Weisungen unterliegen würden. Daher komme es bei der Prüfung des sozialversicherungsrechtlichen Status entscheidend darauf an, inwieweit der Arzt in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert sei. Diese Eingliederung könne nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts insbesondere bei Diensten höherer Art zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess des Arbeitgebers verfeinert sein.

Die von dem Beigeladenen als Notarzt zu erbringenden Dienste würden bereits sachlogisch eine Zusammenarbeit mit dem weiteren Personal erfordern. Dabei habe er den Weisungen der Einsatzleitung des Rettungsdienstes unterstanden. Der Beigeladene arbeite in Bezug auf Zeit, Ort und Umfang der zu erbringenden Leistungen überwiegend fremdbestimmt und sei in gleichem oder zumindest ähnlichem Maße in die üblichen organisatorischen Abläufe und Strukturen integriert und involviert wie ein angestellter Notarzt. Er nehme insofern funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess teil.

Die erforderliche Organisation der arbeitsteiligen Aufgabenwahrnehmung mache die Einhaltung von Dienstplänen und die ärztliche Verantwortungstruktur im Rettungsteam erforderlich.

Zwar könne die Möglichkeit des Beigeladenen, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen grundsätzlich als Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angesehen werden, weil der Betroffene damit den Umfang der Tätigkeit weitestgehend selbst bestimme. Jedoch seien auch im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Arbeitnehmer überließen, ob er im Anforderungsfall tätig werde oder ob er ein konkretes Angebot im Einzelfall ablehne. Nehme der Betroffene das angetragene Angebot jedoch an, übe er die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in einem fremden Betrieb und damit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung aus und werde nicht allein wegen der grundsätzlich bestehenden Ablehnungsmöglichkeit zum selbständig Tätigen.

Der Beigeladene sei während der übernommenen Dienste weisungsgebunden in die Betriebsorganisation eingegliedert und insofern abhängig beschäftigt gewesen. Er erfülle keine mit ihm selbst geschlossenen Behandlungsverträge, sondern sei weisungsgebunden eingesetzt gewesen, um seine gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen.

Die Verantwortung für das Qualitätsmanagement liege beim Auftraggeber. Dieser könne seine vertraglich zugesicherten Aufgaben gegenüber seinen Kunden nur erfüllen, wenn er die Arbeitsabläufe verantwortlich steuere und die Umsetzung kontrolliere, was denknotwendig Weisungen gegenüber dem Auftragnehmer voraussetze.

Die Leistung sei teilweise in Teamarbeit mit dem (abhängig Beschäftigten) Stammpersonal und unter Beachtung der fachlichen und organisatorischen Vorgaben des Teamleiters zu erbringen.

Sofern sich das Weisungsrecht regelmäßig lediglich auf allgemeine organisatorische Fragen beziehen und fachliche Einzelanweisungen nicht geboten seien, entspreche dies der Typik bei fachlich qualifiziertem Personal.

Der Beigeladene habe zudem kein nennenswertes Unternehmerrisiko getragen. Insbesondere seien ihm die zur Erbringung der Dienstleistung erforderlichen Hilfsmittel, Werkzeuge und Materialien unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden. Vorliegend habe der Beigeladene nicht eigene Betriebsmittel im wesentlichen Umfang zu Erbringung der Arbeitsleistung unterhalten und eingesetzt. Die Nutzung selbstbeschaffter Arbeitsmittel (zum Beispiel Schutzkleidung) sei auch bei abhängig Beschäftigten anzutreffen.

Kennzeichnend für ein Unternehmerrisiko sei insbesondere, dass eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt werde, der Erfolg des Einsatzes der sachlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss sei. Dabei spreche die Belastung mit Risiken im Zusammenhang mit der Verwertung der Arbeitskraft nur dann für eine selbständige Tätigkeit, wenn mit der Übernahme der Risiken auch größere Freiheiten bei der Gestaltung und Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft verbunden sei. Der Beigeladene setze jedoch kein eigenes Kapital und auch nicht eine Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes ein, sondern erhalte ein vorab ausgehandeltes erfolgsunabhängiges Honorar.

Die von den Beteiligten vereinbarte Abrechnung nach Stunden sei typisch für abhängige Beschäftigungsverhältnisse. Der Beschäftigte stelle seine Arbeitskraft mit seinen beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten im Arbeitgeber für eine gewisse Zeitdauer zur Verfügung (fremdbestimmte Tätigkeit). Der Arbeitgeber mache davon Gebrauch, indem er dem Beschäftigten anweise, wie und wozu er seine Arbeitskraft während dieser Zeit einzusetzen habe. Der Beschäftigte schulde die weisungsgemäße Verwendung seiner Arbeitskraft. Ein wesentliches Merkmal für eine Einführung in den Betrieb sei der Umstand, dass die Leistungserbringung nicht ohne die Benutzung der Einrichtung des Betriebes möglich sei. Es bestehe vielmehr eine Abhängigkeit vom Personal und sachlichem Know-how des Betriebes.

Der Beigeladene habe die vereinbarten Dienste wie bei abhängigen Beschäftigungsverhältnissen üblich unter kostenloser Nutzung der vorgegebenen Infrastruktur und bereitgestellten Arbeitsmittel genutzt.

Gegen die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses spreche auch nicht, dass der Beigeladene keinen Anspruch auf Erholungsurlaub oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall habe. Gehen Vertragsparteien von einer selbständigen Tätigkeit aus, würden derartige Schutzrechte typischerweise nicht vereinbart und die entsprechenden Risiken einseitig dem "Subunternehmer" auferlegt. Allein die Auferlegung besonderer Risiken mache einen abhängig Beschäftigten nicht zu einem Selbstständigen.

Im Übrigen sichere es nicht den Status der selbständigen Tätigkeit, wenn die Vergütung der geleisteten Arbeiten durch Rechnungsstellung des Auftragnehmers - gegebenenfalls inklusive Mehrwertsteuer - erfolge. Dies sei lediglich eine Folge der rechtsfehlerhaften eigenen Einstufung als selbständige Tätigkeit.

Hiergegen hat der Kläger am 26.4.2017 Klage vor dem Sozialgericht Fulda erhoben.

Der Kläger ist der Auffassung, dass es sich bei der Tätigkeit des Beigeladenen um eine selbstständige Tätigkeit handele, so dass die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Beklagten fehlerhaft sei. Insbesondere seien bei der Entscheidung die Besonderheiten der Rettungsdienststruktur in Hessen und insbesondere im Landkreis Fulda nicht berücksichtigt worden.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 10.1.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.4.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Tätigkeit des Beigeladenen bei dem Kläger ab dem 3.8.2016 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen würden.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten und Unterlagen, insbesondere des weiteren Vorbringens der Beteiligten, wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Akte der Beklagten, die Gegenstand dieser Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 10.1.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.4.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass bei dem Beigeladenen ab dem 3.8.2016 im Rahmen der ausgeübten Beschäftigung als Notarzt bei dem Kläger Versicherungspflicht in der Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V), der Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 i.V.m. S. 1 SGB XI), der Rentenversicherung (§ 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs. 1 S. 1 SGB III) besteht.

Die Beklagte war zur Entscheidung über den Antrag der Beigeladenen berufen. Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) können die Beteiligten - in der Regel der Dienstgeber und der Dienstnehmer - schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Für eine solche Statusfeststellung ist nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV die Beklagte zuständig, nicht die nach § 28h Abs 2 Satz 1 SGB IV zur Entscheidung berufene Einzugsstelle. Einen solchen Antrag auf Statusfeststellung hatte der Beigeladene am 25.8.2016 bei der Beklagten gestellt. Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle ist nicht ersichtlich.

Im Rahmen einer Statusfeststellung nach § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV darf sich die Beklagte nicht darauf beschränken, eine abhängige Beschäftigung oder zusätzlich eine daraus folgende Versicherungspflicht "dem Grunde nach" festzustellen. Dies käme einer unzulässigen Elementenfeststellung gleich. Die Beklagte muss vielmehr, um einen Lebenssachverhalt zum Rechtsbegriff der abhängigen Beschäftigung zuzuordnen, das konkrete Rechtsverhältnis bezeichnen, an das sozialrechtlich angeknüpft werden soll, auch Aussagen darüber treffen, in welchen Zweigen der Sozialversicherung die festgestellte Beschäftigung im jeweiligen Feststellungszeitraum zur Sozialversicherung geführt hat. Dies hat das BSG in seinen Urteilen vom 11. März 2009 (B 12 R 11/07 R, SozR 4-2400 § 7a Nr 2) und vom 04. Juni 2009 (B 12 R 6/08 R, veröffentlicht in Juris) ergänzend zu seiner früheren Rechtsprechung entschieden.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 10.1.2017 zutreffend festgestellt, dass der Beigeladene ab dem 3.8.2016 in der Kranken-, Pflege und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund ihrer abhängigen Beschäftigung bei dem Kläger versicherungspflichtig ist.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, § 20 Abs 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, § 25 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch).

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, vgl. Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4 - 2400 § 7 Nr 7, Urteil vom 04. Juli 2007, B 11 a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 8) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem die Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Dieses Weisungsrecht kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Bei untergeordneten und einfachen Arbeiten ist eher eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation anzunehmen. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vorrangig durch das eigene Unternehmensrisiko, dass Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen, das heißt, es kommt auf eine qualitative Bewertung der Gesamtumstände an (ständige Rechtsprechung; vgl. BSG Urteil vom 27. Juli 2011 B 12 KR 10/09 R, Urteil vom 28. September 2011 - B 12 R 17/09 R, in Juris; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit, vgl. auch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Mai 1996, 1 BvR 21/96, SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 11).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG SozR 3 - 2400 § 7 Nr 4; SozR 3 - 4100 § 168 Nr 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSGE 45, 199, 200 ff.; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13; BSGE 87, 53, 56; jeweils mwN). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4 - 2400 § 7 Nr 7).

Im vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt überwiegen die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale.

Der Beigeladene nimmt als Notarzt funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess teil und ist somit vom Arbeitgeber persönlich abhängig. Da es sich bei der Tätigkeit als Notarzt um eine Tätigkeit "höherer Art" handelt, reicht dies für eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation aus.

Der Kläger ist in seinem Zuständigkeitsbereich sowohl Rettungsdienstträger als auch Leistungserbringer im Rettungsdienst, wobei der Kläger im Vertragsverhältnis zum Beigeladenen als Leistungserbringer "Notarzt" steht.

Der Beigeladene unterliegt dem Weisungsrecht des Klägers. Er hat die Tätigkeit zu verrichten, die dem Kläger als Leistungserbringer "Notarzt" übertragen ist. Die Weisung seitens des Auftraggebers besteht darin, diese Aufgabe innerhalb des Systems wahrzunehmen. Die Weisungsgebundenheit kann - vorrangig bei Diensten höherer Art - eingeschränkt sein, die Arbeitsleistung bleibt dennoch fremdbestimmt, wenn diese im Auftrag eines Betriebes verrichtet werden. Denn gerade bei Diensten höherer Art, bei dem dem Arbeitgeber eine Einflussnahme auf die Art der Ausführung einer Tätigkeit rechtlich versagt oder aus tatsächlichen Gründen - etwa wegen der überragenden Sach- und Fachkunde des Dienstleistenden - nicht möglich ist, führt dies nicht quasi zwangsläufig zu einer selbständigen Tätigkeit.

Der Beigeladene erfüllt keine mit ihm selbst geschlossenen Behandlungsverträge, sondern ist weisungsgebunden eingesetzt gewesen, um seine gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Kläger zu erfüllen.

Dass der Beigeladene im Rahmen seiner Therapiefreiheit selbstständig eine Diagnose stelle und über das weitere Verfahren entscheide, ohne dass der Kläger darauf Einfluss nehmen würde, ist üblich bei Tätigkeiten mit höherer fachlicher Qualifikation.

Nach dem Vertrag zwischen den Beteiligten ist der Bereichtschaftsort vom Kläger vorgegeben. Das ist nämlich die C. Fulda. Zudem ist der Kläger an den Einsatzort und den Ausrückealarm gebunden.

Das der Beigeladene selbst entscheiden kann, ob und wann er Bereitschaftsdienste überhaupt wahrnimmt, spricht zwar für eine selbstständige Tätigkeit, weil er damit den Umfang seiner Tätigkeit selbst bestimmt, es überwiegen jedoch die tatsächlichen Gegebenheiten der eigentlichen Notarzttätigkeit nach Annahme des Auftrages, die eher für eine abhängige Beschäftigung sprechen. Nimmt der Beigeladene das angetragene Angebot an, übt er die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in einem fremden Betrieb und damit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung aus und wird nicht allein wegen der grundsätzlich bestehenden Ablehnungsmöglichkeit zum selbständig Tätigen (vgl. BSG, Urteil vom 1.8.2016, B 12 R 19/15 B; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28.4.2015, L 7 R 60/12).

Vorliegend bediente sich der Kläger zur Koordinierung der Dienstplanung der Internet Software "Notarztportal", wobei der Beigeladene einmal im Monat die Möglichkeit hatte, seine Dienstleistung ohne ein Zutun des Klägers zu bestimmen. Die Festlegung der Bereitschaftstage war daher dem freien Willen des Beigeladenen zuzuordnen. Zeit und Dauer der Bereitschaftsdienste wurden nicht vom Beklagten vorgegeben. Der Kläger schreibt die zu vergebenden Dienste/Aufträge über die Internet Software "Notarztportal" aus und die sich vertraglichen Notarzt E. des Auftraggebers befindlichen Notärzte können sich auf diese Dienste bewerben, wobei die Konditionen Vorhinein einem Rahmenvertrag geregelt wurden. Ein Auftrag kommt einem Einzelfall durch Antrag/Annahme zustande.

Nach Annahme des Auftrages hat sich der Beigeladene aber zur vereinbarten Zeit am Bereitschaftsort aufzuhalten. Den Bereitschaftsort hat der Kläger im Honorarvertrag bestimmt. Der Kläger war im NEF der D. Fulda an der C. Fulda eingesetzt.

Gemäß dem Bereich seines Landkreises Fulda ist an der C. Fulda bedarfsgerecht ein Notarzteinsatzfahrzeug vorzuhalten. Notarztstandort, Fahrzeug und Fahrzeugführer werden von der Stadt Fulda als Leistungserbringer (§ 5 Abs. 2 S. 1 HRDG) gestellt. Gemäß § 15 Abs. 1 HRDG i.V.m. Nr. 1.1.5. Rettungsdienstplan des Landes Hessen ist die Notfallversorgung durch ein Rendezvous System sicherzustellen (getrennte Anfahrt von Rettungswagen und Notarzteinsatzfahrzeug) und Notarzteinsatzfahrzeug mit Fahrer und Notarzt sind am selben Standort zu stationären.

Die auf dem Notarztstandort befindlichen Räume werden von der Stadt Fulda und nicht vom Kläger vorgehalten. Die auf dem "CX." tätigen Notärzte hatten sich daher nicht in den Betriebsräumen des Klägers auf. Das Notarzteinsatzfahrzeug ist jedoch dort stationiert, so dass der Beigeladene aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften sich während der Bereitschaft dort aufzuhalten hat oder jedenfalls in solcher Entfernung, dass er im Fall eines Einsatzes in 1 Minute (vorgegebene Frist) das Notarzteinsatzfahrzeug besetzen kann.

Es steht einem Arbeitsverhältnis nicht entgegen, dass sich der Beigeladene während der Bereitschaft nicht in Räumen des Klägers, sondern der Stadt Fulda aufzuhalten hatte. Auch steht dem nicht entgegen, dass sich der Aufenthaltsbereich des Beigeladenen sich aus öffentlich-rechtlichen Vorgaben ergibt.

Die vom Beigeladenen zu erbringenden Dienste erfordern eine Zusammenarbeit mit den weiteren am Rettungsdienst Beteiligten, auch wenn diese im Auftrag der Stadt Fulda arbeiten. Der Beigeladene arbeitet in Bezug auf Zeit, Ort und Umfang der zu erbringenden Leistung überwiegend fremdbestimmt. Durch die Verrichtung seiner Dienste war der Beigeladene in die entsprechende Organisation des Klägers auch eingegliedert, letztlich genauso wie dies bei einem bei dem Kläger tätigen "angestellten" Arzt im Rahmen seines Bereitschaftsdienstes gewesen ist.

Der Beigeladene war keinem Unternehmerrisiko ausgesetzt. Kennzeichen hierfür ist nämlich, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft, verbunden mit der Gefahr des Verlustes, eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sachlichen oder persönlichen Mittel also gerade ungewiss ist (vergleiche BSG, Urteil vom 25. Januar 2001, B 12 KR 17/00R).

Der Beigeladene musste kein eigenes Material einsetzen. Selbst wenn er seinen eigenen "Arztkittel" und gegebenenfalls einen Notarztkoffer selbst gestellt hat, so ist dieser Einsatz unerheblich gegenüber den Betriebsmitteln (Einsatzfahrzeug mit Fahrer und medizinischer Ausstattung Einsatzfahrzeug etc.), die ihm zur Verfügung gestellt wurden. Ob sich diese Geräte oder Fahrzeug im Eigentum des Klägers oder der Stadt Fulda befunden haben, ist letztlich unerheblich. Sie wurden ihm von dem Kläger zur Verfügung gestellt. Zudem ist ein unternehmerisches Risiko nur dann ein Ausdruck einer selbständigen Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch große Freiheit in der Gestaltung in der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (vergleiche BSG, Urteil vom 25. April 2012 - B 12 KR 24/10 R). Der Beigeladene hatte keine Möglichkeiten, durch etwa eigene Entscheidung die Höhe seines, ihm für die jeweilige Schicht zustehenden Verdienstes, zu beeinflussen.

Dementsprechend spricht die im Vertrag vereinbarte Vergütung nach Stunden für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Das Entgelt des Beigeladenen war, wie auch bei sonst abhängig Beschäftigten typisch, allein vom zeitlichen Einsatz abhängig, nicht hingegen von der Güte bzw. dem Erfolg der verrichteten Dienste. Der Beigeladene stellte seine Arbeitskraft mit seinen beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten dem Kläger für eine gewisse Zeitdauer zur Verfügung. Der Kläger macht davon Gebrauch, indem er den Beigeladenen anweist, wie und wozu er seine Arbeitskraft während dieser Zeit einzusetzen hat. Der Beigeladene schuldet nur die Verwendung seiner Arbeitskraft.

Demgegenüber treten Gesichtspunkte zurück, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen. Insbesondere ist die Nichtgewährung von Entgeltfortzahlung im Urlaubs- und Krankheitsfalle vorliegend kein Indiz der Selbstständigkeit, sondern bedeutet nur die Versagung von Arbeitnehmerrechten. Im Übrigen ist diese Nichtgewährung dem Willen der Beteiligten geschuldet, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründen zu wollen. Dementsprechend sind die steuerliche Behandlung des Honorars, die Verpflichtung des Abschlusses einer eigenen Versicherung sowie die Regelung zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen im vorliegenden Fall keine geeigneten Kriterien für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit des Beigeladenen, da dieser Wille der Beteiligten den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen widerspricht.

Abhängig Beschäftigte unterliegen der Versicherungspflicht nach Maßgabe der besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige der Sozialversicherung. Versicherungspflicht tritt nicht ein, wenn ein Tatbestand vorliegt, der Versicherungspflicht ausschließt bzw. Versicherungsfreiheit begründet oder wenn eine Befreiung von der Versicherungspflicht besteht.

In dem vorliegenden Beschäftigungsverhältnis besteht Versicherungspflicht in der Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V), in der Pflegeversicherung (§ 20 Absatz 1 S. 2 Nr. 1 i.V.m. S. 1 SGB XI), in der Rentenversicherung (§ 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI) und nach dem Recht der Arbeitsförderung (§§ 20 Absatz 1 S. 1 SGB III), weil sich aus den vorliegenden Unterlagen keine Tatbestände ergeben, die die Versicherungspflicht ausschließen oder Versicherungsfreiheit begründen bzw. weil keine Befreiung von der Versicherungspflicht besteht.

Die Versicherungspflicht beginnt mit dem Tag der Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses am 3.8.2016.

Die Regelung des § 23c Abs. 2 SGB IV findet vorliegend keine Anwendung. Der Ausschluss der Beitragspflicht der Einnahmen aus der nebenberuflichen Beschäftigung als Notarzt gilt nicht für Einnahmen aus einer vor dem 1.4.2017 vereinbarten Tätigkeit als Notarzt im Rettungsdienst gemäß § 118 SGB IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entsprach hier der Billigkeit, dem Beigeladenen seine außergerichtlichen Kosten selbst aufzuerlegen, da dieser mangels eines Antrages kein Kostenrisiko übernommen hatte.
Rechtskraft
Aus
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