L 3 AL 37/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 10 AL 1012/96
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 37/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 09.12.1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) im Zeitraum ab 01.03.1996.

Der am ... geborene Kläger arbeitete seit 01.08.1978 als Filmvorführer und ab 01.07.1984 als Sicherheitsinspektor bei der Bezirksfilmdirektion Dresden. Nachdem er an einem Fortbildungslehrgang und einem postgradualen Studium mit Fachabschluss "Arbeitsschutz" teilgenommen hatte, absolvierte der Kläger vom 01.09.1990 bis 30.06.1991 ein vom Arbeitsamt Dresden gefördertes weiteres Studium an der TU Dresden mit dem Fachabschluss "Sicherheitstechnik". Vom 01.07.1991 bis 09.09.1991 war er arbeitslos und bezog Alg. Um die von ihm begehrte Berufsbezeichnung "Ingenieur" tragen zu können, war ein weiteres Studium notwendig. Daher nahm er im September 1991 an der ehemaligen Ingenieurschule für Holztechnik in Dresden ein Studium in der Fachrichtung "Holztechnik Möbel- und Bauelemente" auf, das er am 30.06.1994 abschloss. Noch während des Studiums im Jahre 1992 war dem Kläger mitgeteilt worden, dass der Abschluss "Ingenieur" keinen gleichwertigen Bildungsabschluss im Sinne von Art. 37 Abs. 1 Einigungsvertrag darstelle. Der Kläger entschied sich, durch ein weiteres Studium den Grad eines "Diplom-Ingenieurs (FH)" zu erlangen. Die Möglichkeit zur Aufnahme eines Aufbaustudiums bestand sowohl im Wintersemester 1994/1995 als auch im Winterseminar 1995/1996.

Vom 01.07.1994 bis zum 04.07.1994 und vom 03.08.1994 bis 22.10.1994 bezog der Kläger Alg. Während der Zwischenzeit erhielt er im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme Übergangsgeld von der LVA Sachsen. Nach dem genannten Bezug von Alg verblieb dem Kläger noch ein Restanspruch auf Alg von 178 Kalendertagen. Vom 24.10.1994 bis 29.02.1996 absolvierte er das Aufbaustudium und erhielt Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz.

Am 07.02.1996 meldete er sich mit Wirkung zum 01.03.1996 bei der Beklagten erneut arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14.02.1996 und auch - auf seinen Widerspruch - im Widerspruchsbescheid vom 28.10.1996 mit der Begründung ab, dass ein Anspruch auf Alg nicht bestehe, weil der Kläger innerhalb der vom 01.03.1993 bis 29.02.1996 dauernden Rahmenfrist von drei Jahren vor Arbeitslosmeldung nicht mindestens 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden habe. Gemäß § 125 Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) komme eine Wiederbewilligung von Alg nicht in Betracht, weil nach der Entstehung des ursprünglichen Anspruchs auf Alg am 01.07.1991 vier Jahre verstrichen seien.

Am 04.12.1996 hat der Kläger gegen den seinem Prozessbevollmächtigten ausweislich Empfangsbekenntnisses am 04.11.1996 zugestellten Widerspruchsbescheid mündlich zu Protokoll des Sozialgerichts (SG) Dresden Klage erhoben. Er hat vorgetragen, er habe sich während des Bezugs von Alg im Jahre 1994 vorsorglich bei seinem damaligen Arbeitsberater erkundigt, ob er bei vorzeitigem Abbruch des Studiums oder auch nach seinem Studium zum Sicherheitsingenieur, wenn er nicht sofort wieder eine Anstellung finden würde, Alg erhalten könne. Dies sei bejaht worden. Bei diesen Gesprächen sei er nicht darauf hingewiesen worden, dass er bei Wahrnehmung der Nachdiplomierung jeglichen Anspruch auf die Zahlung von Alg verlieren würde. Die zuständigen Sachbearbeiter der Beklagten hätten ihre Beratungs- und Hinweispflicht verletzt. Sie hätten auf den erkennbaren Ablauf der Frist des § 125 Abs. 2 AFG hinweisen müssen. Wäre er hierüber aufgeklärt worden, hätte er das Aufbaustudium erst im Wintersemester 1995/1996, also ein Jahr später als tatsächlich, angetreten und wäre in der Zwischenzeit einer beitragspflichtigen Beschäftigung für mindestens 360 Tage bei der Firma PORTATEC nachgegangen. Es bestehe zwar keine allgemeine Pflicht der Beklagten, über den Ablauf der Verfallsfristen aufzuklären. Eine Beratungspflicht bestehe aber in jenen Fällen, in denen der Antragsteller einen entsprechenden Wunsch habe erkennen lassen. Der Kläger müsse im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als wenn er den Anspruch auf Zahlung von Alg rechtzeitig geltend gemacht hätte. Wenn die Klage nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gestützt werden könne, so dürfe sich die Beklagte auf Grund des infolge mehrfacher Beratungen gegenüber dem Kläger aufgebauten Vertrauenstatbestandes nicht auf ein Verstreichen der nach § 125 Abs. 2 AFG vorgesehenen Frist berufen. Dieser aus § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hergeleitete Grundsatz gelte auch im öffentlichen Recht.

Mit Urteil vom 09.12.1998 hat das SG die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Kläger habe die erforderliche Anwartschaftszeit des § 104 AFG nicht erfüllt, da er nicht innerhalb der Rahmenfrist 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden oder eine gleichgestellte Zeit gemäß § 107 AFG zurückgelegt habe. Des Weiteren komme auch eine Weiterbewilligung des früheren Alg-Anspruchs nicht in Betracht, da nach seiner Entstehung am 01.07.1991 die Frist des § 125 Abs. 2 AFG von vier Jahren verstrichen sei. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch scheitere daran, dass durch eine Amtshandlung der Beklagten die 360 Kalendertage beitragspflichtiger Beschäftigung des Klägers nicht ersetzt werden könnten.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ausweislich Empfangsbekenntnisses am 05.02.1999 zugestellte Urteil hat dieser mit Schriftsatz vom 08.03.1999, eingegangen beim Sächsischen Landessozialgericht (LSG) am selben Tag, Berufung eingelegt. Der Rechtsgedanke von Treu und Glaube gebiete die Fiktion der tatsächlichen Vornahme der damals unterlassenen Handlung. Ansonsten verbliebe beim Kläger ein Nachteil, für den allein die Beklagte die Verantwortung trage. Die Beklagte habe die Pflicht, den Leistungsempfänger ohne konkreten Anlass auf klar zutage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen.

Eine gegen die Bundesanstalt für Arbeit erhobene, auf § 839 BGB i. V. mit Artikel 34 Grundgesetz (GG) gestützte Schadensersatzklage hat das Landgericht Dresden als unbegründet abgewiesen. Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hat mit Urteil vom 19.04.2000 die Berufung des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Soweit der Kläger behaupte, er hätte bei Aufklärung der Beklagten über die Frist des § 125 Abs. 2 AFG sein Zusatzstudium nicht im Oktober 1994, sondern erst ein Jahr später aufgenommen und währenddessen eine versicherungspflichtige Tätigkeit bei der Firma ... aufgenommen, lägen die Anspruchsvoraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch aus Amtshaftung nicht vor. Eine Verletzung der Auskunfts- oder Beratungspflicht sei nicht gegeben. Wie der Kläger im Verfahren vor dem Landgericht als auch dem OLG selbst ausdrücklich eingeräumt habe, habe er gegenüber der Mitarbeiterin der Beklagten die Möglichkeit der Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit bei der Firma PORTATEC für den Zeitraum 1994 bis 1995 nicht dargelegt oder zumindest angedeutet. Unter diesen Umständen hätten die Mitarbeiterinnen der Beklagten davon ausgehen dürfen, dass dem Kläger - wie von ihm selbst auch eingeräumt - grundsätzlich daran gelegen war, bereits im Wintersemester 1994/1995, also im Rahmen des ersten Durchgangs, das zur Erreichung des begehrten akademischen Titels erforderliche Zusatzstudium aufzunehmen, um so seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt zügig zu verbessern und eine weitere Verzögerung zu vermeiden. Der Kläger habe gegenüber der Beklagten auch nicht deutlich gemacht, dass er von einer Verfolgung der Weiterqualifizierung überhaupt absehen würde, sofern die bereits im Bescheid aus dem Jahre 1991 festgestellte Anwartschaft infolge des Fristablaufs nach § 125 Abs. 2 AFG erlöschen würde. Ein Hinweis darauf, dass es bei Durchführung der Weiterqualifizierung und anschließender Arbeitslosigkeit zum Erlöschen des Alg-Anspruchs gemäß § 125 Abs. 2 AFG käme, sei unter diesen Umständen aber nicht angezeigt gewesen. Die Mitarbeiter der Beklagten hätten vielmehr davon ausgehen können, dass der Kläger primär an einer Weiterqualifizierung durch die Erlangung des gewünschten akademischen Titels zur Verbesserung seiner Arbeitsmarktchancen interessiert gewesen sei. Es habe kein Fall vorgelegen, in dem sich auch ohne ausdrückliche Nachfrage ein dahingehender Beratungsbedarf für die Mitarbeiterinnen der Beklagten hätte aufdrängen müssen. Wenn der Kläger dann nicht von sich aus darauf hinweise, dass ihm - aus Sicht der beratenden Mitarbeiter überraschend - eine zeitnahe sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bis zu einer Teilnahme am zweiten Durchgang des Aufbaustudiums zur Verfügung stehe, dann hätten die Mitarbeiter der Beklagten davon ausgehen dürfen, dass ein entsprechender Beratungsbedarf im Hinblick auf § 125 AFG nicht bestanden habe. Die beratenden Mitarbeiter hätten nicht über alle nicht erkennbaren, theoretisch möglichen Konstellationen aufklären müssen. Auch soweit der Kläger seinen Anspruch darauf stütze, dass die Mitarbeiter der Beklagten ihn auf den Verlust der noch auf Grund des Bescheides vom 04.05.1991 bestehenden Anwartschaft auf Alg für weitere 178 Tage bei Aufnahme des Aufbaustudiums bereits im Jahr 1994 hätten informieren müssen, scheide ein Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte aus. Selbst falls eine Pflichtverletzung vorgelegen haben sollte, habe diese sich jedenfalls nicht ursächlich auf den insoweit behaupteten Schaden, den Verlust der noch bestehenden Restanwartschaft von 178 Tagen, ausgewirkt. Hätte die Beklagte nämlich darüber aufgeklärt, dann hätte der Kläger nach seinem eigenen Vortrag eine Beschäftigung der Firma PORTATEC aufgenommen, um so den Zeitraum bis zur Aufnahme des Aufbaustudiums ein Jahr später, nämlich 1995, zu überbrücken. In diesem Falle hätte er den Restanspruch aber ebenfalls nicht mehr in Anspruch genommen. Aus den genannten Gründen bestehe auch kein Anspruch aus § 1 Staatshaftungsgesetz. Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 09.12.1998 und den Bescheid vom 14.02.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab dem 01.03.1996 Arbeitslosengeld für die Dauer von 156 Tagen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch sei nicht gegeben. Der Beratungsbedarf des Klägers habe sich vorliegend nicht aufdrängen müssen, da die Aufnahme des Studiums durchaus von Vorteil gewesen sei, um die Eingliederungschancen auf dem Arbeitsmarkt zu vergrößern. So sei es vorrangig Aufgabe der Beklagten, Arbeitsverhältnisse herbeizuführen, zu fördern und zu stabilisieren, nicht hingegen den Leistungsanspruch zu erhalten. Die Bundesanstalt sei nicht dazu verpflichtet, dem Kläger durch Beratung über den Ablauf der Frist des § 125 Abs. 2 AFG zu einer vorzeitigen Beendigung und damit zu einem Nichtabschluss des Studiums zu raten, um in den Genuss von Leistungen der Arbeitslosenversicherung zu gelangen (BSG, Urteil vom 21.03.1990, Az.: 7 RAr 36/88).

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts hat der Senat auf die Verfahrensakten beider Instanzen und die Leistungsakte der Beklagten, die er zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht hat, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) sowie form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das mit der Berufung angegriffene Urteil des SG Dresden vom 09.12.1998 ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 14.02.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.1996 ist rechtmäßig. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Alg ab 01.03.1996 zu.

I.

Ein Neuanspruch ergibt sich - wie vom SG zutreffend festgestellt - nicht aus § 100 Abs. 1 AFG in der Fassung des Art. 10 des Gesetzes zur Änderung des Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und anderer Gesetze vom 15.12.1995, BGBl. I S. 1824. Gemäß § 100 AFG hat Anspruch auf Alg, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Gemäß § 104 Absätze 1, 2 und 3 AFG hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist von drei Jahren 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden oder eine gemäß § 107 AFG gleichgestellte Zeit zurückgelegt hat. Die Rahmenfrist endet mit dem Tag, der dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit unmittelbar vorausgeht und an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erfüllt sind.

Der Kläger stand in der vom 01.03.1993 bis 29.02.1996 dauernden Rahmenfrist zu keinem Zeitpunkt in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung. Da er lediglich vom 05.07.1994 bis 02.08.1994 Übergangsgeld gemäß § 107 Ziff. 5a AFG bezog, ist die Anwartschaft nicht erfüllt. II.

Ein Anspruch auf Weiterbewilligung des früheren Alg-Anspruchs besteht ebenso wenig. Zwar verblieben aus dem am 01.07.1991 entstandenen Anspruch auf Alg bei Aufnahme des Zusatzstudiums noch 178 Kalendertage. Gemäß § 125 Abs. 2 AFG kann ein Anspruch auf Alg jedoch nicht mehr geltend gemacht werden, wenn nach seiner Entstehung vier Jahre verstrichen sind. Dem SG ist auch darin zuzustimmen, dass der Ablauf der Verfallsfrist des § 125 Abs. 2 AFG unabhängig davon eintritt, ob der Arbeitslose unverschuldet an der weiteren Geltendmachung des Alg-Anspruchs gehindert war (so auch BSG SozR 4100 § 125 AFG Nr. 2). Da die Beklagte als Leistungsträger an Recht und Gesetz gebunden ist, ist sie verpflichtet, gesetzliche Fristen zu beachten. Damit war der Restanspruch des Klägers bei der erneuten Antragstellung am 07.02.1996 erloschen.

III.

Ein Anspruch auf Alg ab 01.03.1996 lässt sich auch nicht als sozialrechtlicher Herstellungsanspruch auf Grund einer Beratungspflichtverletzung der Beklagten begründen. Gemäß § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) besteht eine Verpflichtung des zuständigen Leistungsträgers, den Leistungsberechtigten über seine Rechte und Pflichten zu beraten. Unter Beratung ist hierbei eine umfassende konkret-individuelle Information des Leistungsberechtigten über seine Rechte und Pflichten einschließlich der Verwaltungspraxis und des zweckmäßigen Verhaltens zu verstehen.

(1.) Soweit der Kläger behauptet, er hätte bei Aufklärung der Beklagten über die Frist des § 125 Abs. 2 AFG sein Zusatzstudium nicht im Oktober 1994, sondern erst ein Jahr später aufgenommen und währenddessen eine versicherungspflichtige Tätigkeit bei der Firma ... aufgenommen, liegen diese Anspruchsvoraussetzungen nicht vor.

Zwar muss eine vom Sozialleistungsträger vorgenommene Beratung richtig, unmissverständlich und umfassend sein, so dass der Ratsuchende entsprechend disponieren kann, und zwar auch dann, wenn es sich bei dem Beratungsgegenstand um eine schwierige Rechtsfrage handelt oder die Beratung zeit- und kostenaufwändig sein sollte. Eine Beratungspflicht hinsichtlich des Ablaufs der Verfallsfrist nach § 125 Abs. 2 AFG kann grundsätzlich gegeben sein (BSG SozR 3-4100 § 125 Nr. 1; Niesel, AFG, 2. Auflage, § 125 Rn. 7). Nach der Rechtsprechung des BSG besteht seitens der Arbeitsämter allerdings keine allgemeine Pflicht, jeden Leistungsbezieher stets auf die Verfallsfrist des § 125 Abs. 2 AFG bei der Aufhebung von Leistungsbewilligungen aufmerksam zu machen. Dies folgt - wie vom OLG zutreffend festgestellt - daraus, dass die Frist nur in besonders gelagerten Fällen zum Tragen kommt, so insbesondere, wenn Unterbrechungen im Leistungsbezug von größerer Zahl oder längerem Umfang auftreten, ohne dass der Anspruchsberechtigte in der Zwischenzeit eine neue Anwartschaft begründet. Soweit diese Voraussetzungen nicht vorliegen, hat das BSG eine Hinweispflicht verneint (BSGE 62, 179). Mitarbeiter der Beklagten trifft nach der genannten Entscheidung des BSG nur dann eine entsprechende Beratungspflicht, wenn dafür nach den Umständen des Einzelfalls besonderer Anlass bestand, insbesondere wenn sich dem Arbeitsamt aufdrängen musste, dass die Verfallsfrist des § 125 Abs. 2 AFG erreicht werden könnte (BSGE 62, 179) und deshalb eine zwischenzeitliche Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung notwendig wäre, um die Anwartschaftszeit zu erneuern. Insbesondere ist dann zu beraten, wenn der Anspruchsinhaber einen entsprechenden Wunsch erkennen lässt.

Gegen eine Verletzung der Beratungspflicht sprechen, dass der Kläger - wie er im Verfahren vor dem OLG Dresden ausdrücklich einräumte - gegenüber dem Mitarbeiter der Beklagten die Möglichkeit der Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung bei der Firma ... für den Zeitraum 1994 bis 1995 nicht dargelegt oder auch nur angedeutet hat. Er hat den Mitarbeiterinnen auch nicht zu erkennen gegeben, dass er von einer Verfolgung der Weiterqualifizierung überhaupt absehen würde, soweit davon die bereits mit Bescheid aus dem Jahre 1991 gewonnene Anwartschaft infolge des Fristablaufs des § 125 Abs. 2 AFG erlöschen würde. Der Senat kann jedoch dahingestellt bleiben lassen, ob eine Beratungspflichtverletzung der Beklagten vorliegt.

Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch scheitert - unabhängig hiervon - daran, dass die begehrte Amtshandlung - Bewilligung von Alg ohne Vorliegen einer versicherungspflichtigen Tätigkeit von mindestens 360 Kalendertagen - ihrer Art nach nicht zulässig ist. Dem SG ist darin zuzustimmen, dass das Rechtsinstitut des Herstellungsanspruchs nur in den Fällen zum Tragen kommt, in denen der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann. Dagegen bleibt für seine Anwendung in solchen Fällen kein Raum, in denen ein Nachteilsausgleich auf ein gesetzwidriges Handeln des Leistungsträgers hinauslaufen würde. Hintergrund dieser von der Rechtsprechung angenommene Differenzierung zwischen "ersetzbaren" und "nicht ersetzbaren" Voraussetzungen ist das Prinzip der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandeln als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips gemäß § 20 Abs. 3 GG. Dieses lässt nicht zu, dass die Verwaltung gesetzwidrig handelt, selbst wenn sie vorher eine falsche Beratung vorgenommen hat. Die Korrektur einer fehlerhaften Beratung ist nicht möglich, soweit es um außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses liegende Tatbestände geht, die nach dem materiellen Recht für das Entstehen des Sozialrechtsanspruchs erforderlich sind (Benz, Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch wegen Verletzuung einer Beratungspflicht des Leistungsträgers und Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung, SGb 1998, 170, 172 ff.; Koch, Wechselwirkungen von sozialrechtlichem Herstellungsanspruch und Amtshaftungsanspruch bei Auskunfts- und Beratungsfehlern, NZS 1998, 167, 171; Sächs. LSG, Urteil vom 20.05.1999, L 3 AL 5/98).

Eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in den Jahren 1994/1995, die der Kläger nach nunmehrigem Vorbringen im Falle einer ordnungsgemäßen Beratung aufgenommen hätte, kann nicht durch eine zulässige Amtshandlung der Beklagten nachgeholt werden und daher nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches fingiert werden.

(2.) Dem OLG ist auch darin zuzustimmen, dass, soweit der Kläger seinen Anspruch darauf stützt, die Mitarbeiter der Beklagten hätten ihn auf den Verlust der noch auf Grund des Bescheides vom 04.05.1991 bestehenden Anwartschaft auf Alg für weitere 178 Tage bei Aufnahme des Aufbaustudiums im Jahre 1994 hinweisen müssen, ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ebenfalls ausscheidet. Selbst für den Fall des Unterstellens einer Pflichtverletzung der Beklagten mangelt es jedenfalls an der notwendigen Kausalität zwischen einer solchen und dem Nachteil, dem Verlust der noch bestehenden Rentenanwartschaft von 178 Tagen. Hätte die Beklagte nämlich hierüber aufgeklärt, dann hätte der Kläger nach seinem eigenen Vortrag eine Beschäftigung bei der Firma PORTATEC aufgenommen, um so den Zeitraum bis zur Aufnahme des Aufbaustudiums ein Jahr später zu überbrücken. Dies müsste folgerichtig zu der weiteren Annahme führen, dass der Kläger am 01.03.1996 das Studium noch nicht abgeschlossen hätte und deshalb auch nicht arbeitslos geworden wäre. Auch in einem solchen Falle wäre daher der Restanspruch von 178 Kalendertagen untergegangen. Der Restanspruch wäre dem Neuanspruch nicht gem. § 106 Abs. 3 Satz 2 AFG hinzuzuaddieren gewesen, weil dies gesetzlich lediglich für Fälle des § 125 Abs. 1 AFG, nicht jedoch für den hier vorliegenden Fall des § 125 Abs. 2 AFG, vorgesehen ist.

IV.

Dem Kläger stand ebenso wenig ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe gem. § 134 AFG zu, weil er ebenfalls die hierfür erforderliche Anwartschaftszeit nicht erfüllte.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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