L 3 AL 59/00

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 17 AL 255/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 59/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid vom 21. Februar 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Rücknahmebescheids der Beklagten hinsichtlich Arbeitslosengeldes (Alg) mit Wirkung ab 13.01.1998, insbesondere jedoch darüber, ob die Zeit des Bezuges von ESF-Unterhaltsgeld (ESF-Uhg) einer Zeit der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichsteht.

Die am ... geborene Klägerin nahm nach einer vom 01.03.1984 bis 30.06.1991 dauernden Tätigkeit als Entwicklungsingenieurin und der Teilnahme an einem Lehrgang für Organisationsprogrammierer (vom 18.03.1991 bis zum 21.04.1992) an einer Fortbildung zum Lärmschutzberater, die in der Zeit vom 23.11.1992 bis 09.06.1994 stattfand, teil und erhielt während dieser Zeiten Unterhaltsgeld (Uhg). Vom 22.04.1992 bis 30.04.1992, 01.08.1992 bis 22.11.1992 und vom 10.06.1994 bis 19.06.1994 gewährte die Beklagte ihr Arbeitslosengeld (Alg), bevor die Klägerin vom 20.06.1994 bis zum 31.12.1994 als Mitarbeiterin Schallschutz beitragspflichtig beschäftigt war. Vom 02.01.1995 bis zum 06.08.1995 erhielt sie wiederum Alg.

Vom 07.08.1995 bis zum 22.12.1995 nahm sie an einer Umschulung zum Marketing-Referenten teil, während der sie aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds Uhg in Höhe von 1.200,00 DM pro Monat erhielt.

Nach Abschluss der Maßnahme bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 12.01.1996 für die Zeit vom 23.12.1995 bis 31.03.1996 Alg im Wege der Wiederbewilligung aus dem am 10.06.1994 entstandenen Anspruch. Das Bemessungsentgelt betrug zuletzt 1.080,00 DM. Bei Beendigung der Arbeitslosigkeit bestand ein Restanspruch von 33 Tagen.

In der Zeit vom 01.04.1996 bis zum 31.03.1997 arbeitete die Klägerin als Verwaltungsangestellte, bevor sie sich am 26.03.1997 erneut arbeitslos meldete und Alg beantragte. Mit Bescheid vom 18.04.1997 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 21.05.1997 und vom 30.05.1997 bewilligte ihr die Beklagte ab 01.04.1997 die beantragte Leistung für die Dauer von 293 Wochentagen.

Mit Schriftsatz vom 16.10.1997 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Zeitraum vom 07.08.1995 bis 22.12.1995 für die Berechnung der Anspruchsdauer des Alg einbezogen worden sei. Diese Berechnung sei jedoch falsch, da der Zeitraum des Bezugs von ESF-Uhg keine beitragspflichtige oder gleichgestellte Zeit darstelle. Daher beabsichtige sie, die Leistungsbewilligung ab 07.01.1998 aufzuheben. Die Beklagte gab der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme.

Mit Schriftsatz vom 20.10.1997 wandte sich die Klägerin gegen die Aufhebung. Der Zeitraum des Bezugs von ESF-Uhg sei eine der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gemäß § 107 Satz 1 Nr. 5 d) AFG gleichgestellte Zeit.

Mit Bescheid vom 08.01.1998 nahm die Beklagte die Bewilligung von Alg mit Wirkung vom 13.01.1998 gemäß § 45 SGB X zurück. Der Anspruch auf Alg sei erschöpft.

Mit Bescheid vom 29.01.1998 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Wirkung vom 13.01.1998 Arbeitslosenhilfe nach einem Bemessungsentgelt von 980,00 DM in Höhe von 299,95 DM wöchentlich.

Gegen die Aufhebung der Bewilligung von Alg richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 19.01.1998. In der maßgeblichen Rahmenfrist vom 01.04.1994 bis 31.03.1997 sei sie insgesamt 551 Tage beschäftigt gewesen, davon 191 Tage bei der Ingenieurgemeinschaft, 360 Tage bei der TU Dresden und 69 Tage habe sie ESF-Uhg bezogen. Damit habe sie einen Neuanspruch von 260 Werktagen erworben, dem noch der Restanspruch von 33 Werktagen hinzuzuaddieren sei. Ihr Alg-Anspruch ende somit erst am 07.03.1998.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.03.1998 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin habe sich innerhalb der vom 10.06.1994 bis 31.03.1997 dauernden Rahmenfrist einen Neuanspruch von 208 Tagen erworben, da sie 560 Kalendertage beitragspflichtige Beschäftigung aufweise. Hierzu sei noch der Restanspruch aus dem am 10.06.1994 erworbenen Anspruch im Umfang von 33 Werktagen zu addieren. Der Gesamtanspruch sei am 07.01.1998 erloschen. Zu Unrecht sei bei der Bewilligung von Alg davon ausgegangen worden, dass auch der Bezug von ESF-Uhg als gleichgestellte Zeit in die Bemessung des Alg einzubeziehen sei. Es handle sich hierbei nicht um eine gleichgestellte Zeit i.S.d. § 107 Satz 1 Nr. 5 d) AFG. Der Bewilligungsbescheid vom 18.04.1997 sei daher rechtswidrig. Da die Klägerin für die Vergangenheit in ihrem Vertrauen auf den Bestand des Bewilligungsbescheides schutzwürdig sei, komme eine Aufhebung nur mit Wirkung für die Zukunft, d. h. ab dem 13.01.1998, in Betracht. Für diesen Zeitraum sei unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens von einem Vorrang des öffentlichen Interesses vor dem Interesse der Klägerin an der Aufrechterhaltung des Bewilligungsbescheides auszugehen.

Mit Schriftsatz vom 19.03.1998, eingegangen beim Sozialgericht (SG) Dresden am 23.03.1998, hat die Klägerin unter Wiederholung der im Widerspruchsverfahren vorgetragenen Gründe Klage erhoben.

Mit Gerichtsbescheid vom 21.02.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bewilligungsbescheid vom 18.04.1997 sei rechtswidrig gewesen, soweit der Klägerin ein Anspruch von mehr als 241 Werktagen zuerkannt worden sei. Die Zeit des Bezugs von ESF-Uhg vom 07.08.1995 bis zum 22.12.1995 sei hierbei nicht zu berücksichtigen. Es handle sich weder um eine Zeit einer beitragspflichtigen Beschäftigung noch um eine gleichgestellte Zeit i. S. d. § 107 Satz 1 Nr. 5 d) AFG. Das von der Klägerin im Maßnahmezeitraum bezogene ESF-Uhg stelle kein Uhg nach dem AFG, sondern nach den Vorgaben des § 4 der Richtlinien des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung für aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds mitfinanzierte zusätzliche arbeitsmarktpolitische Maßnahmen des Bundes (ESF-Richtlinien in der Fassung vom 08.11.1994, BAnz 1994 S. 11574) dar. ESF-Uhg sei überdies kein Unterhaltsgeld, das "in entsprechender Anwendung" des AFG geleistet werde. Dies folge aus § 4 Abs. 4 ESF-Richtlinien. Hiernach gelten die Vorschriften des AFG über das Unterhaltsgeld, insbesondere § 44 Abs. 4, 5 und 6, entsprechend, soweit die Besonderheiten der Richtlinie nicht entgegenstünden. Die Richtlinien enthielten jedoch substantielle Besonderheiten gegenüber dem AFG-Uhg, so dass beide Leistungen nicht vergleichbar seien und von einer entsprechenden Anwendung des AFG nicht auszugehen sei. So bemesse sich die Höhe des AFG-Uhg gemäß § 44 Abs. 1 AFG nach dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten Arbeitsentgelt. Oberster Grundsatz der Bemessung sei, dass sich die Berechnung dieser Leistung als Lohnersatzleistung an den Berechnungsgrundlagen des Alg ausrichte. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 ESF-Richtlinien bemesse sich demgegenüber das ESF-Uhg nach einem festen Satz. Aus dieser pauschalen Abgeltung ohne Berücksichtigung des zuvor erzielten Arbeitsentgeltes werde deutlich, dass es sich beim ESF-Uhg nicht um eine Lohnersatzleistung handle, sondern vielmehr um einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Lebenshaltung. Substantielle Unterschiede bestünden ferner bezüglich der Sozialversicherungspflicht. Während der Bezieher von AFG-Uhg der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht und Rentenversicherungspflicht unterliege, gelte dies für den Bezieher von ESF-Uhg nicht. Eine Fortzahlung im Krankheitsfalle erfolge lediglich nach dem AFG, nicht jedoch nach der ESF-Richtlinie. Zwar unterschreite der Wert des Beschwerdegegenstandes den Berufungsstreitwert von 1.000,00 DM, jedoch sei die Berufung wegen der Abweichung vom Urteil des Sächsischen LSG vom 28.02.1996 (Aktenzeichen L 3 AL 124/95) zuzulassen.

Gegen den den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich Empfangsbekenntnisses vom 29.02.2000 zugestellten Gerichtsbescheid haben diese am 23.03.2000 Berufung eingelegt.

In der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2000 haben die Beteiligten erklärt, die Bescheide über die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe ab dem 13.01.1998 (Bescheid vom 29.01.1998) sowie die nachfolgenden Änderungsbescheide hierzu sollten nicht Gegenstand der Prüfung in diesem Verfahren sein. Soweit der Beginn des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe von der hier streitigen Dauer des Anspruches auf Arbeitslosengeld abhängt, werden beide Seiten den endgültigen Ausgang des hier anhängigen Berufungsverfahrens dafür als maßgeblich akzeptieren.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 21.02.2000 und den Bescheid der Beklagten vom 08.01.1998 sowie den Widerspruchsbescheid vom 10.03.1998 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte schließt sich vollinhaltlich dem erstinstanzlichen Urteil an.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts hat der Senat auf die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Leistungsakte der Beklagten, die er zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 SGG) ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. Der mit der Berufung angegriffene Gerichtsbescheid des SG Dresden ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 08.01.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.1998 ist im Ergebnis rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht die Bewilligung von Alg für den Zeitraum ab 13.01.1998 zurückgenommen.

I.

Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides sind §§ 45 Abs. 1 und 2, 50 Abs. 1 SGB X. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein anfänglich rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 - 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Er darf gemäß § 45 Abs. 2 SGB X nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann.

Zu Recht haben SG und Beklagte das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der genannten Norm bejaht. Bei dem Bewilligungsbescheid vom 18.04.1997 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 21.05.1997 und vom 30.05.1997 handelt es sich um einen anfänglich rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt. Die Rechtswidrigkeit resultiert daraus, dass der Klägerin ein Anspruch für die Dauer von mehr als 241 Werktagen zuerkannt wurde. Ein solcher stand der Klägerin jedoch nicht zu. Dies folgt für den vor dem 01.01.1998 entstandenen Anspruch - wie vom SG zutreffend ausgeführt - aus § 106 AFG in der Fassung des Arbeitsförderungsreformgesetzes vom 24.03.1997, BGBl. I S. 594. Die Dauer des Anspruchs auf Alg beträgt hiernach 156 Kalendertage und verlängert sich nach Maßgabe der Dauer der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung innerhalb der auf sieben Jahre erweiterten Rahmenfrist und des Lebensjahres, das der Arbeitslose bei Entstehung des Anspruchs vollendet hat. Vorliegend lief die Rahmenfrist des § 104 Abs. 2, 3 AFG vom 10.06.1994 bis 31.03.1997. Sie begann nicht hingegen am 01.04.1994, denn die Zeit vom 01.04.1994 bis zum 09.06.1994 wurde bereits für den am 10.06.1994 begründeten Anspruch herangezogen. Nach § 104 Abs. 3 2. Halbsatz AFG reicht die Rahmenfrist jedoch nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte.

Innerhalb dieser Rahmenfrist hat die Klägerin in der Zeit vom 20.06.1994 bis zum 31.12.1994 (195 Kalendertage) und vom 01.04.1996 bis zum 31.03.1997 (365 Kalendertage) in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden. Dies ergibt eine Gesamtbeschäftigungsdauer von 560 Kalendertagen, nach der Tabelle zu § 106 AFG unter Berücksichtigung des maßgeblichen Lebensalters der Klägerin zum Zeitpunkt der Bewilligung von 37 Jahren einen Anspruch von 208 Kalendertagen.

Zutreffend ist das SG auch davon ausgegangen, dass die Zeit des Bezugs von ESF-Uhg (119 Tage) vom 07.08.1995 bis zum 22.12.1995 bei der Feststellung dieses Anspruchs nicht einzubeziehen ist. Sie stand während dieser Zeit, wie zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist, in keinem die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis.

II.

Dem SG ist auch darin zuzustimmen, dass eine Anerkennung als gleichgestellte Zeit i. S. d. § 107 Satz 1 Nr. 5 d) AFG nicht in Betracht kommt. Nach dieser Vorschrift steht den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung u. a. die Zeit des Bezuges von Uhg nach diesem Gesetz oder auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 3 Abs. 5 AFG in entsprechender Anwendung des AFG gleich. Beachtlich ist, dass die Privilegierungstatbestände des § 107 AFG nach der Rechtsprechung des BSG abschließend und als Ausnahmetatbestände einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich sind (BSG, Urteil vom 11.01.1998, Az: 7 AR 14/89; vgl. auch Niesel, AFG, 2. Auflage, Rdnr. 3 zu § 107).

Bei dem ESF-Uhg handelt es sich nicht um Uhg nach dem AFG, weil es nicht auf Grund von § 44 AFG, sondern nach den Vorgaben des § 4 ESF-Richtlinien, bezogen wurde.

Nach nochmaliger Überprüfung der Rechtslage ist nach Ansicht des Senats (vgl. zur früheren Auffassung Urteil vom 28.02.1996, Az.: L 3 AL 124/95; Urteil vom 28.02.1996, Az.: L 3 AL 85/95; vgl. auch LSG Brandenburg, Urteil vom 18.02.2000, Az.: L 8 AL 130/99) auch die zweite Alternative des § 107 Nr. 5 d) AFG nicht gegeben. Diese verlangt den Bezug von Uhg aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 3 Abs. 5 AFG (1.) sowie den Bezug einer Leistung in entsprechender Anwendung des AFG (2.).

(1.) Der Senat ist abweichend von der bisher vertretenen Rechtsauffassung zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei ESF-Uhg nicht um Unterhaltsgeld aufgrund einer Rechtsverordnung gem. § 3 Abs. 5 AFG handelt. Unmittelbare Rechtsgrundlage für das der Klägerin gewährte Uhg ist § 4 Abs. 1 der Richtlinie für aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) mitfinanzierte zusätzliche arbeitsmarktpolitische Maßnahmen im Bereich des Bundes vom 08.11.1994 (ESF-Richtlinie), BAnz. Nr. 218 vom 22.11.1994 S. 11574, geändert durch Bekanntmachung vom 17.10.1996, BAnz. Nr. 202 vom 26.10.1996 S. 11705.

Ermächtigungsgrundlage der ESF-Richtlinie ist jedoch nicht die 16. Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 13.04.1962 (16. DVO), BGBl. I S. 237. Gemäß § 1 Nr. 2 dieser DVO wurde die Bundesanstalt für Arbeit beauftragt, nach Richtlinien der Bundesregierung Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten der Arbeitskräfte im gemeinsamen Markt im Hinblick auf Art. 123 bis 127 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25.03.1957, BGBl. II S. 766, durchzuführen.

Nach Art. 123 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft wurde, um die Beschäftigungsmöglichkeiten der Arbeitskräfte im Binnenmarkt zu verbessern und damit zur Hebung der Lebenshaltung beizutragen, ein Europäischer Sozialfonds errichtet, dessen Ziel es ist, innerhalb der Gemeinschaft die berufliche Verwendbarkeit und die örtliche und berufliche Mobilität der Arbeitskräfte zu fördern sowie die Anpassung an die industriellen Wandlungsprozesse und an Veränderungen der Produktionssysteme insbesondere durch berufliche Bildung und Umschulung zu erleichtern.

Zwar galt die 16. DVO gem. § 242 Abs. 3 AFG auch nach In-Kraft-Treten des AFG weiter, gleichwohl ermächtigte sie jedoch lediglich die Bundesregierung zum Erlass von Richtlinien, nicht hingegen einen Bundesminister.

Ist die Bundesregierung zum Erlass von Normen ermächtigt, so gilt nach einhelliger Meinung in der Rechtsprechung und Literatur die Ermächtigung lediglich für das Kollegium, nicht hingegen für den zuständigen Bundesminister (BVerfG 26, 338, 395 ff.; Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz-Kommentar, Band IV, Rn. 38 zu Art. 80; Wilke, in: Von Mangoldt/Klein, Anm. V 2 a); Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, § 38 III 1 a); Brun-Otto Bryde, in: Münch/Kunik, Grundgesetz Kommentar Rn. 11 zu Art. 80 Grundgesetz; Maunz/Zipelius, Deutsches Staatsrecht, 28. Auflage, V § 37).

Dass die gesamte Rechtsordnung zwischen der Bundesregierung als Kollegium und dem zuständigen Bundesminister unterscheidet, folgt u. a. aus Art. 80 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG), der besagt, dass durch Gesetz die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierung ermächtigt werden können, Rechtsverordnungen zu erlassen.

Auch unter Anwendung der verschiedenen Auslegungsarten vermag der Senat zu keinem anderen Ergebnis zu gelangen:

a) Die Bundesregierung ist nach der wörtlichen Auslegung das aus dem Bundeskanzler und den Bundesministern bestehende Kollegium (Art. 62 GG). Diesem Sprachgebrauch folgt u. a. auch das Grundgesetz (GG) in aller Regel (vgl. Zusammenstellung bei Von Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Auflage, Anm. V 3 zu Art. 65 sowie Art. 115 a) Abs. 1, 115 d) Abs. 2, 115 f) Abs. 1, 115 i) Abs. 2 und 115 l) Abs. 1 GG; BVerfGE 26, 338, 395 ff. m. w. N.). Auch im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet "Bundesregierung" heute im Zweifel das kollegial gebildete Verfassungsorgan, dem die Staatsleitung obliegt (BVerfGE 11, 77, 85). Die ausdrückliche Gegenüberstellung von Bundesregierung und Bundesminister in Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG, der Umstand, dass nach allgemeiner Ansicht mit "Bundesregierung" auch in Art. 84 Abs. 3 und 4 und Art. 85 Abs. 3 Satz 2 GG die Bundesregierung als Kollegium gemeint ist, können deshalb als Bestätigung dafür angesehen werden, dass das Wort "Bundesregierung" das Kollegium bezeichnet (BVerfGE 26, 338, 395 ff.).

b) Von größerem Gewicht als der Sprachgebrauch sind für die Auslegung jedoch Sinn und Zweck der Bestimmungen des Grundgesetzes, insbesondere Art. 80, 84 Abs. 2 und 85 Abs. 2 Satz 1 GG. Auch aus ihnen ergibt sich, dass mit "Bundesregierung" das Kollegium gemeint ist (BVerfGE 26, 338, 395 ff.).

c) Die historische Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Entstehungsgeschichte, insbesondere von Art. 84 Abs. 2 und 85 Abs. 2 GG, gibt keinen eindeutigen Aufschluss darüber, welche Bedeutung der Parlamentarische Rat dem Wort "Bundesregierung" in diesen Bestimmungen beigelegt hat (BVerfGE 26, 338, 395 m. w. N.). Der Ansicht, Art. 84 Abs. 2 GG knüpfe an Art. 77 Weimarer Reichsverfassung an und daher müsse unter "Bundesregierung" deshalb ebenso wie unter "Reichsregierung" in Art. 77 Weimarer Reichsverfassung der einzelne Minister verstanden werden, steht die grundlegende Verschiedenheit beider Verfassungsordnungen gerade in den hier wesentlichen Fragen entgegen. So ist die Stellung des einzelnen Bundesministers im Kabinett, im Verhältnis zum Bundeskanzler und zum Parlament verschieden von der des Reichsministers nach der Weimarer Reichsverfassung. Auch das Verhältnis der verschiedenen Verfassungsorgane untereinander ist unterschiedlich. Der Bundesrat hat nach dem GG eine ungleich stärkere Position als sie dem Reichsrat nach der Weimarer Reichsverfassung zustand. Die Selbständigkeit der Verwaltung der Länder ist durch das GG wesentlich stärker geschützt als nach der Verfassung von 1919. Es geht deshalb nicht an, von der Auslegung des Art. 77 Weimarer Reichsverfassung auf die Bedeutung des Wortes "Bundesregierung" im GG zu schließen (BVerfGE 26, 338, 395 m. w. N.).

Unter Berücksichtigung dieser Auslegung war festzustellen, dass die ESF-Richtlinie nicht von der Bundesregierung, sondern lediglich vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung erlassen worden ist. Die Richtlinie hat allein er verkündet. Der Senat verkennt hierbei nicht, dass eine Richtlinie nach der Rechtsprechung des BSG auch dann als von der Bundesregierung geschaffen angesehen werden kann, wenn sie lediglich von einem Minister im Bundesanzeiger verkündet wurde (BSG, Urteil vom 14.07.1994, Az.: 7 RAr 28/93). Zu fordern ist jedoch in einem solchen Fall, dass klar aus dem Richtlinientext (zumeist Vorspann) ersichtlich ist, dass es sich um eine Richtlinie der Bundesregierung handelt (BSG, Urteil vom 14.07.1994, a. a. O.). Im vorliegenden Fall ergibt sich jedoch weder aus dem Vorspann der Richtlinie noch aus dem sonstigen Text, dass es sich um eine Richtlinie der Bundesregierung handeln soll. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat sie auch nicht etwa "für die Bundesregierung", sondern nur im eigenen Namen unterzeichnet (Näheres dazu unter III.1).

Zu einer anderen Beurteilung vermag auch nicht das Argument zu führen, die Vergabe von ESF-Mitteln sei zwischen der Kommission der Europäischen Gemeinschaft und der Bundesregierung vereinbart worden. Denn für die Ausführung dieser Vereinbarung stehen der Bundesregierung jedenfalls mehrere Wege zur Verfügung:

Sie kann erstens eine Rechtsverordnung, die nach dem Grundsatz des Vorbehaltes des Gesetzes (vgl. Maurer, Verwaltungsrecht, 11. Auflage, S. 105 m. w. N.) auf einem Gesetz basieren und die dort benannten Voraussetzungen (vgl. Art. 80 GG: Erlass durch das ermächtigte Organ, Angabe der Ermächtigungsgrundlage) erfüllen muss, erlassen. Ebenso besteht, wenn die Bundesregierung durch eine Verordnung bereits zum Erlass einer Richtlinie ermächtigt ist, die Möglichkeit, diese als Bundesregierung zu erlassen.

Des Weiteren ist ihr der Weg eröffnet, eine Verwaltungsvorschrift durch den zuständigen Ressortminister zu erlassen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 26.03.1998, Az.: B 11 AL 37/96R; vgl. auch Maurer, a. a. O., S. 588 ff.).

Ist ihr im Gesetz die Möglichkeit eingeräumt, einer Behörde durch den Abschluss einer Vereinbarung mit dieser Behörde Aufgaben zu übertragen, kann sie dies schließlich im Vereinbarungswege tun. Durch eine derartige Vereinbarung kann dem zuständigen Minister auch die Befugnis zum Erlass von Richtlinien übertragen werden (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 26.03.1998, Az.: B 11 AL 37/96R).

Der erste Weg wurde zur Vergabe der ESF-Mittel nicht gewählt. Die Bundesregierung erließ zur Vergabe der Leistungen aus dem ESF-Fonds keine Rechtsverordnung. Sie schuf auch keine auf der 16. DVO basierende Richtlinie der Bundesregierung. Gegen die Auffassung, dass die ESF-Richtlinie auf der 16. DVO basiert, spricht zudem, dass die ESF-Richtlinie auch gegen das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG analog verstieße. Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG, der für den Erlass von Rechtsverordnungen gilt, ist die Rechtsgrundlage in der Verordnung anzugeben. Nach Auffassung des Senats ist Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG jedenfalls auch dann analog auf Richtlinien anzuwenden, wenn diese auf Rechtsverordnungen basieren.

Wie oben ausgeführt, standen der Bundesregierung neben dem Erlass einer Richtlinie, die auf einer Verordnung basierte, zwei weitere Wege der Umsetzung der Vereinbarung mit der Europäischen Gemeinschaft zur Verfügung. Welcher dieser beiden Wege hier gewählt wurde, kann dahinstehen. Der Senat muss daher insbesondere nicht entscheiden, ob die Übertragung der Vergabe von ESF-Mitteln auf die Bundesanstalt für Arbeit durch Verwaltungsvereinbarung gem. § 3 Abs. 5 2. Alternative AFG erfolgt ist. Sowohl ein Unterhaltsgeld aufgrund einer derartigen Verwaltungsvereinbarung als auch ein solches aufgrund einer Verwaltungsvorschrift erfüllt nämlich nicht die Voraussetzungen des § 107 Nr. 5 d) AFG.

Festzustellen ist jedenfalls, dass die Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und der Bundesanstalt für Arbeit über aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) mitfinanzierte zusätzliche Maßnahmen im Bereich des Bundes vom 23.11.1994 denselben örtlichen Geltungsbereich wie die ESF-Richtlinie hat. Festzustellen ist ferner, dass § 1 der genannten Vereinbarung formuliert, dass die Bundesanstalt für Arbeit die Durchführung der vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung erlassenen Richtlinien für aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) mitfinanzierte zusätzliche Maßnahmen im Bereich des Bundes vom 12. November 1994 übernimmt. Auch die Tatsache, dass in der Verwaltungsvereinbarung ausdrücklich auf diese Richtlinie Bezug genommen wurde, spricht für die Auffassung der Beklagten, die Vergabe von ESF-Mitteln beruhe auf dieser Vereinbarung. Daneben stand der Bundesregierung jedoch - wie bereits mehrfach ausgeführt - der Weg der Erfüllung der Vereinbarung mit der Europäischen Gemeinschaft durch eine Verwaltungsvorschrift des zuständigen Bundesministers offen (vgl. hierzu Maurer, a. a. O., S. 588 ff.; Stern, a. a. O., § 31 I 2.).

Dass die Richtlinie im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde, spricht jedenfalls nicht dagegen, dass es sich lediglich um eine Verwaltungsvorschrift handelt. Denn auch Verwaltungsvorschriften, die Außenwirkung entfalten, werden veröffentlicht (Maurer, a. a. O., S. 608).

(2.) Bei dem ESF-Uhg handelt es sich auch nicht um Uhg in entsprechender Anwendung des AFG.

Zwar ist der Name "Uhg" der Leistungen nach dem AFG und der ESF-Richtlinie identisch. Auch werden beide Leistungen während einer Maßnahme der beruflichen Wiedereingliederung, Fortbildung und Umschulung an Arbeitslose gewährt.

Gleichwohl ist nach Ansicht des Senats der Beklagten darin zuzustimmen, dass die substantiellen Unterschiede der Leistungen nach dem AFG und der ESF-Richtlinie dazu führen, dass die Leistungen nach der Richtlinie in ihrem Wesen nicht denen nach dem AFG entsprechen.

Während Bezieher von AFG-Uhg gem. § 155 AFG bzw. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht unterliegen, gilt dies für die Bezieher von ESF-Uhg nicht. Letztere können lediglich im Rahmen der Familienversicherung, soweit die sonstigen Voraussetzungen des § 10 SGB V erfüllt sind, mitversichert werden oder eine freiwillige Krankenversicherung gem. § 9 SGB V abschließen.

Des Weiteren sind Teilnehmer an ESF-Maßnahmen im Falle länger dauernder Krankheit wesentlich weniger abgesichert als die Bezieher von AFG-Uhg. Zwar wird gem. § 4 der ESF-Richtlinie i. V. m. § 44 Abs. 8 AFG das ESF-Uhg in entsprechender Anwendung des § 105b AFG für die Dauer von sechs Wochen weitergezahlt. Der Zeitraum verkürzt sich allerdings, sobald die Arbeitsunfähigkeit über den ursprünglichen Förderzeitraum hinaus andauert (Sächsisches LSG, Urteil vom 03.09.1998 Az.: L 3 AL 67/97). Für beitragsfrei familienversicherte Teilnehmer an ESF-Maßnahmen scheidet ein Krankengeldanspruch aus. Freiwillig versicherte Bezieher von ESF-Uhg werden versicherungsrechtlich erwerbslosen Personen gleichgestellt, für die der Krankengeldanspruch entsprechend § 44 Abs. 2 SGB V kraft Satzung ebenfalls ausgeschlossen ist (Erdmann, Die Sozialversicherung von Teilnehmern am Programm zur Förderung von aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds [ESF] mitfinanzierten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, Die Beiträge zur Sozial- und Arbeitslosenversicherung 1991 S. 1, 4; vgl. z. B. § 12 der Satzung der AOK vom 01.09.2000; § 52 der Satzung der Bundesknappschaft vom 01.01.1992 und vom 01.05.1999). Eine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung wird erst dann wieder begründet, wenn die Teilnehmer nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitsmarkt (wieder) zur Verfügung stehen und Lohnersatzleistungen nach dem AFG erhalten können. Insoweit trägt der Teilnehmer der ESF-Maßnahme das Lohnausfallrisiko (Erdmann, a. a. O.; vgl. auch Sächsisches LSG, Urteil vom 03.09.1998, Az.: L 3 AL 67/97).

Bezieher von AFG-Uhg unterliegen zudem in der Regel der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht gem. § 3 Nr. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), weil sie regelmäßig im letzten Jahr vor dem Bezug von AFG-Uhg zuletzt rentenversicherungspflichtig beschäftigt waren. Für Bezieher von ESF-Uhg ist dies in aller Regel bereits tatbestandsmäßig nicht gegeben.

Die Bewilligung von ESF-Uhg erfolgte gem. § 1 Abs. 2 der ESF-Richtlinie nur im Rahmen der verfügbaren Mittel. Für den Fall, dass die Maßnahme über den 31.12.1999 hinaus dauerte, konnte gem. § 9 Abs. 2 ESF-Richtlinie Unterhaltsgeld nur bis zum 31.12.2000 bewilligt werden. Derartige Einschränkungen sind dem AFG-Uhg fremd.

Nicht ausschlaggebend für die Beurteilung ist nach Auffassung des Senats die Bemessung der Höhe der Leistungen. Zwar bemaß sich das Uhg im vorliegenden Falle nach einem gem. § 4 Abs. 1 ESF-Richtlinie festen Satz. Dies ist jedoch nicht zwingend nach der ESF-Richtlinie der Fall. Gemäß § 4 Abs. 2 der Richtlinie entspricht die Höhe des ESF-Uhg der Höhe des zuvor während einer AFG-Weiterbildungsmaßnahme bezogenen Unterhaltsgeldes, wenn eine solche absolviert wurde.

III.

Das vom Senat in Abänderung seiner Rechtsprechung gefundene Ergebnis wird überdies durch folgende Überlegung gestützt. Als unter § 107 Nr. 5 d) AFG fallendes Unterhaltsgeld wurde jenes nach der Verordnung über die Förderung der Teilnahme von Aussiedlern an Deutsch-Lehrgängen-Sprachförderungs-VO vom 27.07.1976, BGBl. I S. 1449 (außer Kraft getreten mit Wirkung ab 01.01.1998 durch Art. 11 Abs. 3 des 8. Gesetzes zur Änderung des AFG vom 14.12.1997, BGBl. I S. 2602) angesehen (Gagel, AFG, Rn. 6 zu § 3 und Rn. 50 § 107). Die Sprachförderungs-VO erfüllt die formellen Kriterien, damit das danach gewährte Uhg als Uhg nach § 3 Abs. 5 AFG anerkannt werden kann (1.). Ferner handelt es sich um ein dem AFG-Uhg wesensgleiches Uhg, das sich substantiell von dem nach der ESF-Richtlinie gewährten unterscheidet (2.).

(1.) Die genannte Verordnung entsprach dem Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG. So war im Vorspann der Verordnung geregelt, dass die Rechtsnorm auf § 3 Abs. 5 AFG basierte. Es handelte sich um eine Verordnung der Bundesregierung, die mit Zustimmung des Bundesrates zustande gekommen war. Auch das ergab sich aus dem Vorspann. Sie war vom Bundeskanzler - für die Bundesregierung - gemeinsam mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung und dem Bundesminister der Justiz verkündet worden.

(2.) Das Uhg nach der Sprachförderungs-VO bemaß sich nicht nach einem festen Satz. Vielmehr ergab sich die Höhe des Uhg gem. § 2 Abs. 1 der VO nach einem festgelegten Prozentsatz des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten durchschnittlichen Arbeitsentgelts aller Bezieher von Arbeitslosengeld.

Die Bezieher von Uhg nach der Sprachförderungs-VO waren - anders als die des ESF-Uhg - gem. § 2 der Verordnung i. V. m. § 155 AFG in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen und hatten einen Anspruch auf Krankengeld.

Die Rechtslage bezüglich der Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung war unterschiedlich. Bis zum 31.12.1977 wurden bei Empfängern von Uhg nur bei der Teilnahme an überwiegend schulischen Maßnahmen als Ausfallzeit (§ 1259 Abs. 1 Nr. 4 RVO alte Fassung) berücksichtigt. Durch das 20. Rentenanpassungsgesetz vom 27.06.1977, BGBl. I S. 1040, wurden die Normen über dahingehend ergänzt, dass vom 01.07.1978 an auch Empfänger von Uhg pflichtversichert waren. Die Rechtslage wurde durch das Haushaltbegleitgesetz 1983 vom 20.12.1982, BGBl. I S. 1857, abermals geändert. Seit 01.01.1983 unterlagen die Leistungsempfänger nicht mehr der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Bundesanstalt für Arbeit zahlte lediglich Rentenversicherungsausfallzeitbeträge an den Rentenversicherungsträger (§ 1385 ArVO; § 112a AVG; § 130 ArKG).

Das Uhg nach der Sprachförderungs-VO wurde schließlich - anders als die Leistung nach der ESF-Richtlinie - nicht durch verfügbare Mittel begrenzt. Damit lagen zwischen dem (anwartschaftsbegründenden) Uhg nach dieser VO und dem ESF-Uhg so wesentliche rechtliche Unterschiede vor, dass eine - auch entsprechende - Gleichbehandlung dieser Leistungen im Rahmen des § 107 Nr. 5 d) AFG ungeachtet der gleichen Benennung sachlich nicht gerechtfertigt erscheint.

IV.

Dem innerhalb der Rahmenfrist erworbenen Anspruch auf Alg ist ein Restanspruch von 33 Tagen aus dem am 10.06.1994 erworbenen Anspruch hinzuzurechnen. Die zu Grunde liegende Bewilligung ist bindend und zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Dies führt zu einer Gesamtanspruchsdauer von 241 Werktagen. Der Anspruch erlosch durch Erfüllung folglich am 07.01.1998.

V.

Auf schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Verwaltungsaktes kann sich die Klägerin nicht berufen. Ob das Vertrauen des Bescheidempfängers in den Bestand des Bewilligungsbescheides schutzwürdig ist, ist unter Abwägung zwischen öffentlichem und privatem Interesse unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Bei einer Rücknahme des Bewilligungsbescheides lediglich mit Wirkung für die Zukunft besteht ein bedeutend geringerer Vertrauensschutz als bei einer Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit (Wiesner, in: Schroeder-Printzen/Engelmann/Schmalz/Wiesner/von Wulffen, SGB X, 3. Aufl., Rdnr. 17 zu § 45). Es gilt der Grundsatz, dass die rechtswidrige Dauerleistung in die Zukunft hinein die Allgemeinheit in der Regel mehr belastet, als eine einmalige, zurückliegende Leistung (BSGE 59, 157). Das öffentliche Interesse besteht im Interesse der Solidargemeinschaft an der Vermeidung jeglicher ungerechtfertigter Belastungen und nicht zu rechtfertigender Aufwendungen zu Lasten der Allgemeinheit. Sind auf Grund eines Bescheides keine Vermögensdispositionen getroffen worden, überwiegt stets das öffentliche Interesse an der Herstellung der wahren Rechtslage (BSG, SozSich 1978, 113). Wie die Bevollmächtigten der Klägerin auf Nachfrage des Senats mit Schriftsatz vom 02.11.2000 mitteilten, hatte die Klägerin vor Erlass des Rücknahmebescheides keine Vermögensdispositionen getroffen, die sie nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen konnte.

Die Beklagte hat auch das ihr im Rahmen des § 45 Satz 1 SGB X zustehende Ermessen erkannt und rechtsfehlerfrei ausgeübt.

Die Zwei-Jahres-Frist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X, nach der ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden kann, ist gewahrt. Da der Bewilligungsbescheid vom 18.04.1997 datiert und der Rücknahmebescheid am 08.01.1998 erlassen wurde, ist die genannte Frist eingehalten. Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da es sich um eine Rechtssache von grundlegender Bedeutung handelt.
Rechtskraft
Aus
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