Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 7 BL 19/99
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 BL 3/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 20. April 2000 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Beginn der Zahlung des Nachteilsausgleichs für schwerstbehinderte Kinder nach dem Gesetz über die Gewährung eines Landesblindengeldes und anderer Nachteilsausgleiche vom 11. Februar 1992 (SächsGVBl., S. 53) in der Fassung des Gesetzes vom 12. Dezember 1997 (SächsGVBl., S. 673; im Folgenden: LBlindG) streitig.
Mit Bescheid vom 15. Oktober 1997 stellte der Beklagte bei dem am ... geborenen Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) mit 80 fest und erteilte ihm die Merkzeichen "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung), "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr), "H" (Hilflosigkeit) und "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht). Als Funktionsbeeinträchtigungen berücksichtigte der Beklagte eine Beeinträchtigung der Gehirnfunktion, eine zentrale Sprachstörung sowie eine Verhaltensstörung.
Anfang April 1999 beantragte der Kläger die Erhöhung des bei ihm vorliegenden GdB. Daraufhin forderte der Beklagte ein in anderer Sache erstelltes Gutachten vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) an, das am 04. Mai 1999 beim Amt für Familie und Soziales Dresden einging. Am 09. Juli 1999 wurde dieses Gutachten dem ärztlichen Dienst des Amtes für Familie und Soziales Dresden vorgelegt; die Bearbeitung durch einen Mitarbeiter des ärztlichen Dienstes erfolgte am 31. August 1999. Entsprechend der ärztlichen Einschätzung vom 31. August 1999 erhöhte der Beklagte mit Bescheid vom 22. September 1999 den beim Kläger vorliegenden GdB auf 100. Als Funktionsbeeinträchtigung wurde zusätzlich zu den im Bescheid vom 15. Oktober 1997 aufgeführten Funktionsbeeinträchtigungen auch eine geistige Behinderung berücksichtigt. Dieser Bescheid, dem ein Merkblatt über die Nachteilsausgleiche nach dem LBlindG beigefügt war, wurde dem Kläger am 30. September 1999 übersandt. Am 05. Oktober 1999 (Eingang beim Amt für Familie und Soziales Dresden) beantragte der Kläger, ihm den Nachteilsausgleich für schwerstbehinderte Kinder nach dem LBlindG zu gewähren. Mit Bescheid vom 12. Oktober 1999 gewährte der Beklagte dem Kläger den beantragten Nachteilsausgleich ab dem 01. Oktober 1999. Mit seinem gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch beantragte der Kläger, ihm den Nachteilsausgleich bereits ab dem 01. April 1999 zu gewähren, da der bei ihm vorliegende GdB mit Wirkung ab 01.04.1999 mit 100 festgestellt worden sei. Eine frühere Beantragung des Nachteilsausgleiches sei nicht möglich gewesen, da die Erhöhung des bei ihm vorliegenden GdB erst mit Bescheid vom 22. September 1999 seitens des Beklagten festgestellt worden sei. Mit Bescheid vom 18. November 1999 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und berief sich dazu auf § 4 Abs. 2 Satz 1 LBlindG hin, wonach Leistungen nach dem LBlindG frühestens ab dem ersten Tag des Antragsmonats zu gewähren seien. Ergänzend wies der Beklagte darauf hin, dass der Antrag auf Erhöhung des GdB nicht als Antrag auf Gewährung eines Nachteilsausgleiches nach dem LblindG ausgelegt werden könne.
Am 09. Dezember 1999 hat der Kläger das Sozialgericht Dresden (SG) angerufen und zur Begründung auf sein Widerspruchsschreiben verwiesen.
Mit Urteil vom 20. April 2000 hat das SG den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 12. Oktober 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 1999 verpflichtet, dem Kläger den Nachteilsausgleich für schwerstbehinderte Kinder unter Anrechnung etwaiger zu berücksichtigender Leistungen auch für den Zeitraum vom 01. Juni bis 30. September 1999 zu gewähren und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, der Beklagte habe zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 1 LBlindG in Verbindung mit § 16 Abs. 2 Satz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) Leistungsansprüche nach dem LBlindG erst ab dem ersten Tag des Monats bestünden, in dem der Antrag bei einem Sozialleistungsträger eingehe. Ebenso zutreffend sei der Hinweis, der im Rahmen des Schwerbehindertenverfahrens gestellte Antrag auf Erhöhung des GdB sei nicht als Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem LBlindG auszulegen, da sich daraus kein dementsprechender Hinweis ergebe. Der Beklagte sei jedoch nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches, verpflichtet, dem Kläger den begehrten Nachteilsausgleich auch für den streitgegenständlichen Zeitraum zu gewähren, da er den Kläger nicht rechtzeitig auf die Möglichkeit und die Notwendigkeit einer entsprechenden Antragstellung hingewiesen habe. Gemäß § 6 Abs. 1 LBlindG in Verbindung mit § 14 Satz 1 SGB I sei die Verwaltung grundsätzlich verpflichtet, den Bürger über seine Rechte und Pflichten auf dem Gebiet des Sozialrechts zu beraten. Zwar bestehe eine Beratungspflicht der Verwaltung im Regelfall erst mit einem Beratungsbegehren des Bürgers. Bei einem konkreten Anlass für eine Beratung von Amts wegen sei die Verwaltung ausnahmsweise jedoch auch zu einer "Spontanberatung" ohne vorausgehendes Beratungsbegehren verpflichtet. Nach der Rechtsprechung des BSG sei dies dann der Fall, wenn eine sozialrechtliche Gestaltungsmöglichkeit klar zu Tage liege, deren Wahrnehmung offenbar so zweckmäßig sei, dass jeder verständige Berechtigte sie mutmaßlich nutzen würde (BSGE 50, 88, 91).
Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 LBlindG hätten Kinder unter 18 Jahren mit einem GdB von 100 Anspruch auf Gewährung des Nachteilsausgleiches für schwerstbehinderte Kinder; weitere materielle Anspruchsvoraussetzungen bestünden nicht. Aufgrund des vom Beklagten beigezogenen MDK-Gutachtens und der versorgungsärztlichen Bewertung vom 31. August 1999 habe klar zu Tage gelegen, dass die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien. Da zudem angesichts der erhöhten finanziellen Aufwendungen, welche die Betreuung eines schwerstbehinderten Kindes mit sich bringe, jeder verständige Berechtigte mutmaßlich diesen ihm zustehenden Nachteilsausgleich geltend machen werde, sei der Beklagte grundsätzlich verpflichtet, potenzielle Leistungsempfänger hinsichtlich ihrer Anspruchsberechtigung nach dem LBlindG und der Notwendigkeit der Antragstellung zu beraten. Diese Beratungspflicht des Beklagten entfalle auch nicht aus dem Grunde, dass die Bearbeitung der Schwerbehindertenangelegenheiten sowie die Bearbeitung von Angelegenheiten nach dem LBlindG von getrennten Abteilungen innerhalb der Ämter für Familie und Soziales wahrgenommen würden. Gemäß § 14 Satz 2 SGB I treffe die Beratungspflicht denjenigen Verwaltungsträger, dem gegenüber Rechte geltend zu machen seien. Aufgrund des vorangegangenen Schwerbehindertenverfahrens habe zwischen den Beteiligten ein Sozialrechtsverhältnis mit erhöhten Fürsorgepflichten bestanden, das alle Aufgaben umfasse, für welche die Ämter für Familie und Soziales zuständig seien. Dementsprechend beziehe sich auch die gesetzliche Beratungspflicht auf alle diese Aufgaben. Insofern sei die Verwaltung als Einheit zu sehen (Grundsatz der Einheit der Verwaltung) ; die innerbehördliche Arbeitsteilung gehe danach nicht zu Lasten des Bürgers. Dies gelte im vorliegenden Fall um so mehr, weil die Anspruchsberechtigung des Klägers klar ersichtlich auf der Hand gelegen habe; schwierige Rechtsfragen hätten sich nicht gestellt. Insbesondere in derart eindeutigen Fällen könne der Verwaltungsträger mit zumutbarem Aufwand sicher stellen, dass die ihn treffenden Beratungspflichten auch von Mitarbeitern einer Abteilung wahrgenommen würden, die nicht täglich mit Angelegenheiten nach dem LBlindG befasst seien. Darüber hinaus habe die Verwaltung die sie treffenden Beratungspflichten auch so rechtzeitig wahrzunehmen, dass sich der Sozialleistungsberechtigte auf die für ihn maßgebende Situation einrichten und insbesondere notwendige Anträge stellen und Fristen einhalten könne (Hinweis auf Urt. d. BSG v. 26. Oktober 1982 = SozR 1200 § 14 SGB I Nr. 13, S. 22; Mrozynski, SGB I, 2. Auflage, § 14, Rz. 6). Da im vorliegenden Fall zwischen dem Eingang des MDK- Gutachtens und der Übersendung des Merkblattes über Leistungsansprüche nach dem LBlindG als Anlage zum Bescheid vom 22. September 1999 fünf Monate vergangen seien, habe der Beklagte seine Beratungspflicht nicht rechtzeitig wahrgenommen.
Allerdings habe eine Verpflichtung zur "Spontanberatung" nicht bereits mit Eingang des Erhöhungsantrags im Schwerbehindertenverfahren bestanden, da dem Beklagten zu diesem Zeitpunkt keine Hinweise auf die Anspruchsberechtigung des Klägers vorgelegen hätten. Diesbezügliche Hinweise habe erstmals das beigezogene MDK-Gutachten enthalten. Jedoch sei die Beratungspflicht des Beklagten nicht bereits durch den Eingang des MDK-Gutachtens ausgelöst worden. Denn aufgrund dieses Gutachtens sei für den zuständigen Sachbearbeiter noch nicht ersichtlich gewesen, dass der GdB des Klägers mit 100 festzusetzen sei. Vielmehr müsse dem Beklagten zur Auswertung medizinischer Unterlagen ausreichend Zeit für eine Konsultation seines ärztlichen Dienstes eingeräumt werden. Die Länge dieses Zeitraums richte sich nach der Schwierigkeit der Sache, der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen und aller weiteren im jeweiligen Einzelfall relevanten Umstände. Angesichts der gesetzlichen Verpflichtung der Verwaltung zur Verfahrensbeschleunigung (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) halte das Gericht im vorliegenden Fall eine Bearbeitungszeit von einem Monat für angemessen. Denn der ärztliche Dienst sei in der Lage gewesen, allein aufgrund des beigezogenen MDK-Gutachtens ohne weitere Ermittlungen über den beim Kläger vorliegenden GdB zu entscheiden. Somit hätte der Beklagte den Kläger spätestens in der ersten Juniwoche 1999 auf seine Leistungsberechtigung nach dem LBlindG sowie die Notwendigkeit der Antragstellung hinweisen müssen.
Aufgrund der pflichtwidrig verspäteten Beratung des Klägers sei diesem der Nachteilsausgleich für schwerstbeschädigte Kinder für den hier streitigen Zeitraum entgangen. Hätte der Beklagte den Kläger pflichtgemäß bereits Anfang Juni 1999 beraten, hätte der Kläger den Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem LBlindG noch im Laufe des Juni 1999 gestellt. Von letzterem sei auszugehen, da nach Übersendung des Merkblattes Ende September 1999 lediglich fünf Tage bis zur Antragstellung vergangen seien. Somit sei der Kläger so zu stellen, als ob der Beklagte ihn zeitgerecht beraten hätte; dieser müsse ihm deshalb den Nachteilsausgleich für schwerstbehinderte Kinder bereits für den Zeitraum vom 01. Juni bis 30. September 1999 gewähren.
Gegen das ihm am zugestellte Urteil hat der Beklagte am Berufung eingelegt. Er führt zur Begründung im wesentlichen aus:
Würde man annehmen, dass bei der Bearbeitung im Rahmen des SchwbG eine Pflicht zur Spontanberatung hinsichtlich einer Leistungsberechtigung nach dem LBlindG und der Notwendigkeit einer Antragstellung besteht, so kann eine solche Pflicht nur aus einer Entscheidung im Bereich des SchwbG, aus der sich das Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem LBlindG mit einer Deutlichkeit ergibt, die zulässt, von einem "ins Auge springen" zu sprechen, resultieren.
Dem Bescheid vom 22.09.99, mit dem gem. § 4 SchwbG ein GdB von 100 festgestellt wurde, war ein Merkblatt über die Nachteilsausgleiche nach dem LBlindG beigefügt. Damit ist der Beklagte einer etwaigen Beratungspflicht nachgekommen,
Die Entscheidung über die Feststellung des GdB obliegt nicht dem versorgungsärztlichen Dienst. Eine versorgungsärztliche Stellungnahme ist gewissermaßen ein Vorschlag für eine Entscheidung der Verwaltung. Eine Prüfung kann durchaus ergeben, dass einer versorgungsärztlichen Stellungnahme nicht zu folgen ist. Somit ist es nicht richtig, wenn im angegriffenen Urteil ausgeführt wird, der ärztliche Dienst habe allein aufgrund des MDK-Gutachtens entscheiden können. Die Entscheidung erfolgte erst nach Prüfung der versorgungsärztlichen Stellungnahme. Ergebnis dieser Prüfung war, dass der versorgungsärztlichen Stellungnahme gefolgt wird. Am 22.09.99 wurde der entsprechende Bescheid vom Schreibdienst des Amtes für Familie und Soziales Dresden gefertigt und nach Prüfung durch den zuständigen Sachbearbeiter am 30.09.99 abgesandt. Stellt man in Rechnung, dass Verwaltungsvorgänge in einer arbeitsteilig organisierten Verwaltung eine gewisse Zeit benötigen, kann auch von einer überlangen Verfahrensdauer hier nicht die Rede sein.
Fürsorge-, Beratungs- und Hinweispflichten dürfen nicht überspannt werden. So wie ein Sozialleistungsträger nicht verpflichtet ist, sämtliche bei ihm bestehenden Aktenvorgänge regelmäßig daraufhin zu durchforsten, ob möglicherweise noch nicht verwirklichte Ansprüche vorliegen, bestehende Gestaltungsmöglichkeiten nicht oder noch nicht genutzt worden sind, so besteht auch keine generelle Verpflichtung, jede Akte, die aus einem anderen Anlass bearbeitet wird, auf derartige Rechte oder Gestaltungsmöglichkeiten hin durchzuarbeiten. Voraussetzung der Annahme einer Spontanberatungspflicht ist deshalb, dass eine Gestaltungsmöglichkeit klar zu Tage tritt. Im vorliegenden Fall kann dies für einen vor der Entscheidung über die Höhe des GdB liegenden Zeitraum keinesfalls festgestellt werden."
Der Beklagte beantragt,
das Urteils des Sozialgerichts Dresden vom 20. April 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Dem Senat liegen neben den Prozeßakten beider Rechtszüge die Verwaltungsakten vor.
Entscheidungsgründe:
Die fristgemäß eingelegte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das SG der Klage stattgegeben, denn dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.
Die hier maßgebenden Normen hat das SG zutreffend genannt. Darauf wird Bezug genommen. Den Ausführungen des SG zur Sache kann sich der Senat - bei Übereinstimmung im Ansatz - letztlich jedoch nicht anschließen.
Die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs hat das SG zutreffend dargestellt, insbesondere, was die Pflicht zur Spontanberatung betrifft. Dem ist insoweit nichts hinzuzufügen. Doch sind die vom Beklagten gegen die Folgerung des SG erhobenen Einwände gewichtig. Der Senat vermag sich nicht davon zu überzeugen, dass die vom SG entwickelten Grundsätze über den hier zu entscheidenden Einzelfall hinaus verallgemeinerungsfähig sind, sie eine dem Rechtsfrieden dienende Lösung darstellen, insbesondere, dass sich darauf eine Praxis für die Verwaltung des Beklagten entwickeln läßt, die frei ist von Willkür und Zufälligkeiten, die also insgesamt zu "gerechteren" Ergebnissen führt, als die bisher gehandhabte. Gerade in Hinblick auf die zumeist angespannte finanzielle Lage des hier betroffenen Personenkreises würden nunmehr Streitigkeiten darüber nicht ausbleiben, ob das Gutachten nicht doch schneller hätte erstellt, die Verwaltung auf dessen Ergebnis nicht doch eher hätte reagieren können. Auch ließe sich für eine derartige "Routine-Spontanberatung" keine feste Regel dafür finden, bei welcher Fallgestaltung eine Beratungspflicht "klar zu Tage" liegt. So lässt sich die Frage stellen, ob nicht bereits dann "Spontanberatungsbedarf" besteht, wenn das Gutachten (zunächst lediglich) einen GdB von 90 oder 80 ergibt, weil die Möglichkeit besteht, dass eine nachfolgende Überprüfung doch zu einem - schon zum Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden - GdB von 100 führt und ein rechtzeitig (vorsorglich) gestellter Antrag auf Leistungen nach dem LBlindG dort einen entsprechend früheren Leistungsbeginn erbracht hätte.
Diesen Ansatz weiterverfolgt führte dies in der Konsequenz zu der vom SG - letztlich zu Recht - abgelehnten Pflicht, eine derartige Beratung (durch das Übersenden des betreffenden Merkblattes) bereits bei Eingang des Antrags vorzunehmen. Damit aber würden - wie sich der Senat vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung hat überzeugen lassen - die Konturen zwischen allgemeiner Aufklärung und fallbezogener Beratung verwischt. Denn eine sichere Grenze, ab welchem Ausmaß der bisher anerkannten Behinderung (80, 70, 60, 50 Grad?) eine Erhöhung auf 100 noch zu erwarten ist, läßt sich nicht ziehen.
Auch lassen sich für den Senat die Konsequenzen des vom SG verfolgten Ansatzes für andere Rechtsgebiete und Fallgestaltungen, für die ein solches Verfahren dann ebenfalls zwingend wäre, nicht abschätzen. In Betracht kommt der gesamte Bereich derjenigen Fälle, in denen sich im Laufe eines Amtsermittlungsverfahren Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Voraussetzungen für eine andere - antragspflichtige - Leistung erfüllt sind. Hier müsste jedes Mal eine "Regel-Spontanberatung" erfolgen. Eine - zwangsläufig - derart generell zu formulierende Rechtspflicht kann jedoch nicht durch die Rechtsprechung eingeführt werden, es wäre dies vielmehr Sache des Gesetzgebers.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 SGG) liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Beginn der Zahlung des Nachteilsausgleichs für schwerstbehinderte Kinder nach dem Gesetz über die Gewährung eines Landesblindengeldes und anderer Nachteilsausgleiche vom 11. Februar 1992 (SächsGVBl., S. 53) in der Fassung des Gesetzes vom 12. Dezember 1997 (SächsGVBl., S. 673; im Folgenden: LBlindG) streitig.
Mit Bescheid vom 15. Oktober 1997 stellte der Beklagte bei dem am ... geborenen Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) mit 80 fest und erteilte ihm die Merkzeichen "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung), "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr), "H" (Hilflosigkeit) und "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht). Als Funktionsbeeinträchtigungen berücksichtigte der Beklagte eine Beeinträchtigung der Gehirnfunktion, eine zentrale Sprachstörung sowie eine Verhaltensstörung.
Anfang April 1999 beantragte der Kläger die Erhöhung des bei ihm vorliegenden GdB. Daraufhin forderte der Beklagte ein in anderer Sache erstelltes Gutachten vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) an, das am 04. Mai 1999 beim Amt für Familie und Soziales Dresden einging. Am 09. Juli 1999 wurde dieses Gutachten dem ärztlichen Dienst des Amtes für Familie und Soziales Dresden vorgelegt; die Bearbeitung durch einen Mitarbeiter des ärztlichen Dienstes erfolgte am 31. August 1999. Entsprechend der ärztlichen Einschätzung vom 31. August 1999 erhöhte der Beklagte mit Bescheid vom 22. September 1999 den beim Kläger vorliegenden GdB auf 100. Als Funktionsbeeinträchtigung wurde zusätzlich zu den im Bescheid vom 15. Oktober 1997 aufgeführten Funktionsbeeinträchtigungen auch eine geistige Behinderung berücksichtigt. Dieser Bescheid, dem ein Merkblatt über die Nachteilsausgleiche nach dem LBlindG beigefügt war, wurde dem Kläger am 30. September 1999 übersandt. Am 05. Oktober 1999 (Eingang beim Amt für Familie und Soziales Dresden) beantragte der Kläger, ihm den Nachteilsausgleich für schwerstbehinderte Kinder nach dem LBlindG zu gewähren. Mit Bescheid vom 12. Oktober 1999 gewährte der Beklagte dem Kläger den beantragten Nachteilsausgleich ab dem 01. Oktober 1999. Mit seinem gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch beantragte der Kläger, ihm den Nachteilsausgleich bereits ab dem 01. April 1999 zu gewähren, da der bei ihm vorliegende GdB mit Wirkung ab 01.04.1999 mit 100 festgestellt worden sei. Eine frühere Beantragung des Nachteilsausgleiches sei nicht möglich gewesen, da die Erhöhung des bei ihm vorliegenden GdB erst mit Bescheid vom 22. September 1999 seitens des Beklagten festgestellt worden sei. Mit Bescheid vom 18. November 1999 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und berief sich dazu auf § 4 Abs. 2 Satz 1 LBlindG hin, wonach Leistungen nach dem LBlindG frühestens ab dem ersten Tag des Antragsmonats zu gewähren seien. Ergänzend wies der Beklagte darauf hin, dass der Antrag auf Erhöhung des GdB nicht als Antrag auf Gewährung eines Nachteilsausgleiches nach dem LblindG ausgelegt werden könne.
Am 09. Dezember 1999 hat der Kläger das Sozialgericht Dresden (SG) angerufen und zur Begründung auf sein Widerspruchsschreiben verwiesen.
Mit Urteil vom 20. April 2000 hat das SG den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 12. Oktober 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 1999 verpflichtet, dem Kläger den Nachteilsausgleich für schwerstbehinderte Kinder unter Anrechnung etwaiger zu berücksichtigender Leistungen auch für den Zeitraum vom 01. Juni bis 30. September 1999 zu gewähren und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, der Beklagte habe zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 1 LBlindG in Verbindung mit § 16 Abs. 2 Satz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) Leistungsansprüche nach dem LBlindG erst ab dem ersten Tag des Monats bestünden, in dem der Antrag bei einem Sozialleistungsträger eingehe. Ebenso zutreffend sei der Hinweis, der im Rahmen des Schwerbehindertenverfahrens gestellte Antrag auf Erhöhung des GdB sei nicht als Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem LBlindG auszulegen, da sich daraus kein dementsprechender Hinweis ergebe. Der Beklagte sei jedoch nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches, verpflichtet, dem Kläger den begehrten Nachteilsausgleich auch für den streitgegenständlichen Zeitraum zu gewähren, da er den Kläger nicht rechtzeitig auf die Möglichkeit und die Notwendigkeit einer entsprechenden Antragstellung hingewiesen habe. Gemäß § 6 Abs. 1 LBlindG in Verbindung mit § 14 Satz 1 SGB I sei die Verwaltung grundsätzlich verpflichtet, den Bürger über seine Rechte und Pflichten auf dem Gebiet des Sozialrechts zu beraten. Zwar bestehe eine Beratungspflicht der Verwaltung im Regelfall erst mit einem Beratungsbegehren des Bürgers. Bei einem konkreten Anlass für eine Beratung von Amts wegen sei die Verwaltung ausnahmsweise jedoch auch zu einer "Spontanberatung" ohne vorausgehendes Beratungsbegehren verpflichtet. Nach der Rechtsprechung des BSG sei dies dann der Fall, wenn eine sozialrechtliche Gestaltungsmöglichkeit klar zu Tage liege, deren Wahrnehmung offenbar so zweckmäßig sei, dass jeder verständige Berechtigte sie mutmaßlich nutzen würde (BSGE 50, 88, 91).
Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 LBlindG hätten Kinder unter 18 Jahren mit einem GdB von 100 Anspruch auf Gewährung des Nachteilsausgleiches für schwerstbehinderte Kinder; weitere materielle Anspruchsvoraussetzungen bestünden nicht. Aufgrund des vom Beklagten beigezogenen MDK-Gutachtens und der versorgungsärztlichen Bewertung vom 31. August 1999 habe klar zu Tage gelegen, dass die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien. Da zudem angesichts der erhöhten finanziellen Aufwendungen, welche die Betreuung eines schwerstbehinderten Kindes mit sich bringe, jeder verständige Berechtigte mutmaßlich diesen ihm zustehenden Nachteilsausgleich geltend machen werde, sei der Beklagte grundsätzlich verpflichtet, potenzielle Leistungsempfänger hinsichtlich ihrer Anspruchsberechtigung nach dem LBlindG und der Notwendigkeit der Antragstellung zu beraten. Diese Beratungspflicht des Beklagten entfalle auch nicht aus dem Grunde, dass die Bearbeitung der Schwerbehindertenangelegenheiten sowie die Bearbeitung von Angelegenheiten nach dem LBlindG von getrennten Abteilungen innerhalb der Ämter für Familie und Soziales wahrgenommen würden. Gemäß § 14 Satz 2 SGB I treffe die Beratungspflicht denjenigen Verwaltungsträger, dem gegenüber Rechte geltend zu machen seien. Aufgrund des vorangegangenen Schwerbehindertenverfahrens habe zwischen den Beteiligten ein Sozialrechtsverhältnis mit erhöhten Fürsorgepflichten bestanden, das alle Aufgaben umfasse, für welche die Ämter für Familie und Soziales zuständig seien. Dementsprechend beziehe sich auch die gesetzliche Beratungspflicht auf alle diese Aufgaben. Insofern sei die Verwaltung als Einheit zu sehen (Grundsatz der Einheit der Verwaltung) ; die innerbehördliche Arbeitsteilung gehe danach nicht zu Lasten des Bürgers. Dies gelte im vorliegenden Fall um so mehr, weil die Anspruchsberechtigung des Klägers klar ersichtlich auf der Hand gelegen habe; schwierige Rechtsfragen hätten sich nicht gestellt. Insbesondere in derart eindeutigen Fällen könne der Verwaltungsträger mit zumutbarem Aufwand sicher stellen, dass die ihn treffenden Beratungspflichten auch von Mitarbeitern einer Abteilung wahrgenommen würden, die nicht täglich mit Angelegenheiten nach dem LBlindG befasst seien. Darüber hinaus habe die Verwaltung die sie treffenden Beratungspflichten auch so rechtzeitig wahrzunehmen, dass sich der Sozialleistungsberechtigte auf die für ihn maßgebende Situation einrichten und insbesondere notwendige Anträge stellen und Fristen einhalten könne (Hinweis auf Urt. d. BSG v. 26. Oktober 1982 = SozR 1200 § 14 SGB I Nr. 13, S. 22; Mrozynski, SGB I, 2. Auflage, § 14, Rz. 6). Da im vorliegenden Fall zwischen dem Eingang des MDK- Gutachtens und der Übersendung des Merkblattes über Leistungsansprüche nach dem LBlindG als Anlage zum Bescheid vom 22. September 1999 fünf Monate vergangen seien, habe der Beklagte seine Beratungspflicht nicht rechtzeitig wahrgenommen.
Allerdings habe eine Verpflichtung zur "Spontanberatung" nicht bereits mit Eingang des Erhöhungsantrags im Schwerbehindertenverfahren bestanden, da dem Beklagten zu diesem Zeitpunkt keine Hinweise auf die Anspruchsberechtigung des Klägers vorgelegen hätten. Diesbezügliche Hinweise habe erstmals das beigezogene MDK-Gutachten enthalten. Jedoch sei die Beratungspflicht des Beklagten nicht bereits durch den Eingang des MDK-Gutachtens ausgelöst worden. Denn aufgrund dieses Gutachtens sei für den zuständigen Sachbearbeiter noch nicht ersichtlich gewesen, dass der GdB des Klägers mit 100 festzusetzen sei. Vielmehr müsse dem Beklagten zur Auswertung medizinischer Unterlagen ausreichend Zeit für eine Konsultation seines ärztlichen Dienstes eingeräumt werden. Die Länge dieses Zeitraums richte sich nach der Schwierigkeit der Sache, der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen und aller weiteren im jeweiligen Einzelfall relevanten Umstände. Angesichts der gesetzlichen Verpflichtung der Verwaltung zur Verfahrensbeschleunigung (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) halte das Gericht im vorliegenden Fall eine Bearbeitungszeit von einem Monat für angemessen. Denn der ärztliche Dienst sei in der Lage gewesen, allein aufgrund des beigezogenen MDK-Gutachtens ohne weitere Ermittlungen über den beim Kläger vorliegenden GdB zu entscheiden. Somit hätte der Beklagte den Kläger spätestens in der ersten Juniwoche 1999 auf seine Leistungsberechtigung nach dem LBlindG sowie die Notwendigkeit der Antragstellung hinweisen müssen.
Aufgrund der pflichtwidrig verspäteten Beratung des Klägers sei diesem der Nachteilsausgleich für schwerstbeschädigte Kinder für den hier streitigen Zeitraum entgangen. Hätte der Beklagte den Kläger pflichtgemäß bereits Anfang Juni 1999 beraten, hätte der Kläger den Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem LBlindG noch im Laufe des Juni 1999 gestellt. Von letzterem sei auszugehen, da nach Übersendung des Merkblattes Ende September 1999 lediglich fünf Tage bis zur Antragstellung vergangen seien. Somit sei der Kläger so zu stellen, als ob der Beklagte ihn zeitgerecht beraten hätte; dieser müsse ihm deshalb den Nachteilsausgleich für schwerstbehinderte Kinder bereits für den Zeitraum vom 01. Juni bis 30. September 1999 gewähren.
Gegen das ihm am zugestellte Urteil hat der Beklagte am Berufung eingelegt. Er führt zur Begründung im wesentlichen aus:
Würde man annehmen, dass bei der Bearbeitung im Rahmen des SchwbG eine Pflicht zur Spontanberatung hinsichtlich einer Leistungsberechtigung nach dem LBlindG und der Notwendigkeit einer Antragstellung besteht, so kann eine solche Pflicht nur aus einer Entscheidung im Bereich des SchwbG, aus der sich das Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem LBlindG mit einer Deutlichkeit ergibt, die zulässt, von einem "ins Auge springen" zu sprechen, resultieren.
Dem Bescheid vom 22.09.99, mit dem gem. § 4 SchwbG ein GdB von 100 festgestellt wurde, war ein Merkblatt über die Nachteilsausgleiche nach dem LBlindG beigefügt. Damit ist der Beklagte einer etwaigen Beratungspflicht nachgekommen,
Die Entscheidung über die Feststellung des GdB obliegt nicht dem versorgungsärztlichen Dienst. Eine versorgungsärztliche Stellungnahme ist gewissermaßen ein Vorschlag für eine Entscheidung der Verwaltung. Eine Prüfung kann durchaus ergeben, dass einer versorgungsärztlichen Stellungnahme nicht zu folgen ist. Somit ist es nicht richtig, wenn im angegriffenen Urteil ausgeführt wird, der ärztliche Dienst habe allein aufgrund des MDK-Gutachtens entscheiden können. Die Entscheidung erfolgte erst nach Prüfung der versorgungsärztlichen Stellungnahme. Ergebnis dieser Prüfung war, dass der versorgungsärztlichen Stellungnahme gefolgt wird. Am 22.09.99 wurde der entsprechende Bescheid vom Schreibdienst des Amtes für Familie und Soziales Dresden gefertigt und nach Prüfung durch den zuständigen Sachbearbeiter am 30.09.99 abgesandt. Stellt man in Rechnung, dass Verwaltungsvorgänge in einer arbeitsteilig organisierten Verwaltung eine gewisse Zeit benötigen, kann auch von einer überlangen Verfahrensdauer hier nicht die Rede sein.
Fürsorge-, Beratungs- und Hinweispflichten dürfen nicht überspannt werden. So wie ein Sozialleistungsträger nicht verpflichtet ist, sämtliche bei ihm bestehenden Aktenvorgänge regelmäßig daraufhin zu durchforsten, ob möglicherweise noch nicht verwirklichte Ansprüche vorliegen, bestehende Gestaltungsmöglichkeiten nicht oder noch nicht genutzt worden sind, so besteht auch keine generelle Verpflichtung, jede Akte, die aus einem anderen Anlass bearbeitet wird, auf derartige Rechte oder Gestaltungsmöglichkeiten hin durchzuarbeiten. Voraussetzung der Annahme einer Spontanberatungspflicht ist deshalb, dass eine Gestaltungsmöglichkeit klar zu Tage tritt. Im vorliegenden Fall kann dies für einen vor der Entscheidung über die Höhe des GdB liegenden Zeitraum keinesfalls festgestellt werden."
Der Beklagte beantragt,
das Urteils des Sozialgerichts Dresden vom 20. April 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Dem Senat liegen neben den Prozeßakten beider Rechtszüge die Verwaltungsakten vor.
Entscheidungsgründe:
Die fristgemäß eingelegte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das SG der Klage stattgegeben, denn dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.
Die hier maßgebenden Normen hat das SG zutreffend genannt. Darauf wird Bezug genommen. Den Ausführungen des SG zur Sache kann sich der Senat - bei Übereinstimmung im Ansatz - letztlich jedoch nicht anschließen.
Die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs hat das SG zutreffend dargestellt, insbesondere, was die Pflicht zur Spontanberatung betrifft. Dem ist insoweit nichts hinzuzufügen. Doch sind die vom Beklagten gegen die Folgerung des SG erhobenen Einwände gewichtig. Der Senat vermag sich nicht davon zu überzeugen, dass die vom SG entwickelten Grundsätze über den hier zu entscheidenden Einzelfall hinaus verallgemeinerungsfähig sind, sie eine dem Rechtsfrieden dienende Lösung darstellen, insbesondere, dass sich darauf eine Praxis für die Verwaltung des Beklagten entwickeln läßt, die frei ist von Willkür und Zufälligkeiten, die also insgesamt zu "gerechteren" Ergebnissen führt, als die bisher gehandhabte. Gerade in Hinblick auf die zumeist angespannte finanzielle Lage des hier betroffenen Personenkreises würden nunmehr Streitigkeiten darüber nicht ausbleiben, ob das Gutachten nicht doch schneller hätte erstellt, die Verwaltung auf dessen Ergebnis nicht doch eher hätte reagieren können. Auch ließe sich für eine derartige "Routine-Spontanberatung" keine feste Regel dafür finden, bei welcher Fallgestaltung eine Beratungspflicht "klar zu Tage" liegt. So lässt sich die Frage stellen, ob nicht bereits dann "Spontanberatungsbedarf" besteht, wenn das Gutachten (zunächst lediglich) einen GdB von 90 oder 80 ergibt, weil die Möglichkeit besteht, dass eine nachfolgende Überprüfung doch zu einem - schon zum Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden - GdB von 100 führt und ein rechtzeitig (vorsorglich) gestellter Antrag auf Leistungen nach dem LBlindG dort einen entsprechend früheren Leistungsbeginn erbracht hätte.
Diesen Ansatz weiterverfolgt führte dies in der Konsequenz zu der vom SG - letztlich zu Recht - abgelehnten Pflicht, eine derartige Beratung (durch das Übersenden des betreffenden Merkblattes) bereits bei Eingang des Antrags vorzunehmen. Damit aber würden - wie sich der Senat vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung hat überzeugen lassen - die Konturen zwischen allgemeiner Aufklärung und fallbezogener Beratung verwischt. Denn eine sichere Grenze, ab welchem Ausmaß der bisher anerkannten Behinderung (80, 70, 60, 50 Grad?) eine Erhöhung auf 100 noch zu erwarten ist, läßt sich nicht ziehen.
Auch lassen sich für den Senat die Konsequenzen des vom SG verfolgten Ansatzes für andere Rechtsgebiete und Fallgestaltungen, für die ein solches Verfahren dann ebenfalls zwingend wäre, nicht abschätzen. In Betracht kommt der gesamte Bereich derjenigen Fälle, in denen sich im Laufe eines Amtsermittlungsverfahren Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Voraussetzungen für eine andere - antragspflichtige - Leistung erfüllt sind. Hier müsste jedes Mal eine "Regel-Spontanberatung" erfolgen. Eine - zwangsläufig - derart generell zu formulierende Rechtspflicht kann jedoch nicht durch die Rechtsprechung eingeführt werden, es wäre dies vielmehr Sache des Gesetzgebers.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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