Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 7 KN 81/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 6 KN 22/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 25. April 2000 aufgehoben.
II. Der Bescheid der Beklagten vom 27.08.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.01.1998 wird insofern aufgehoben, als Halbwaisenrente ohne Auffüllbetrag bewilligt wurde.
III. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger ab dem 01.07.1997 Halbwaisenrente unter Berücksichtigung eines Auffüllbetrages nach § 315a SGB VI zu bewilligen.
IV. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob nach Ableistung des Wehrdienstes der alte Anspruch des Klägers auf Halbwaisenrente wieder aufgelebt ist - und zwar insbesondere einschließlich des Auffüllbetrages nach § 315a SGB VI.
Der am ... geborene Kläger erhielt nach dem Tode seines Vaters im Jahre 1988 Halbwaisenrente nach der Renten-VO DDR. Der Betrag von 618,00 M im Monat wurde nach der Währungsunion als DM-Betrag weitergeleistet, er blieb auch nach dem Beitritt der DDR zur BRD zunächst unverändert. Bei diesem Betrag handelte es sich um die Halbwaisenrente für den Kläger und seinen Bruder U ... W ... Mit Bescheid vom 21.10.1993 - adressiert an die Mutter des Klägers - wurde die Umwertung der Halbwaisenrente in der Gemäßheit des § 307a SGB VI vorgenommen. Die entsprechende Berechnung - ausgehend von den durchschnittlichen Entgeltpunkten je Arbeitsjahr - ergab für den Monat Dezember 1991 eine Rente von 156,87 DM. Die Beklagte errechnete daher einen Auffüllbetrag nach § 315a SGB VI, indem sie zunächst den alten Zahlbetrag von 309,00 DM um 6,48 % (vgl. § 315a Satz 2 SGB VI) auf 330,14 DM erhöhte und somit rechnerisch einen Auffüllbetrag von (330,14 - 156,78 =) 173,27 DM errechnete. Dieser Auffüllbetrag blieb im Folgenden konstant; wegen der regelmäßigen Erhöhungen des aktuellen Rentenwertes (Ost) ergaben sich daraus auch regelmäßig steigende Zahlungsbeträge, wobei für die Zeit vom 01.01.1992 bis zum 01.07.1992 der ursprüngliche Betrag von 330,14 DM wegen des Beitragsanteils zur Krankenversicherung der Rentner zunächst geringfügig unterschritten wurde.
Bis Juli 1996 befand sich der Kläger in Schulausbildung. Unmittelbar danach wurde die Halbwaisenrente zunächst eingestellt, auf Antrag aber bis zur Aufnahme des Grundwehrdienstes am 01.06.1996 noch einmal bewilligt. Wie schon in der Vergangenheit (ab 01.01.1996) wurde nunmehr ein nur noch verminderter Auffüllbetrag bewilligt. Der Bescheid vom 10.08.1995 hatte für die Zeit bis zum 31.12.1995 noch den ursprünglichen Auffüllbetrag von 173,27 DM ausgewiesen; es ergab sich ein Zahlbetrag von 412,67 DM. Bei diesem Zahlbetrag verblieb es auch für die Zeit ab dem 01.01.1996, allerdings hatte sich durch die erfolgte Rentenanpassung der Auffüllbetrag auf 161,46 DM vermindert (Zahlbetragsschutz nach § 315a Satz 4, 2. Hs. SGB VI). In dem Wiederbewilligungsbescheid vom 29.08.1996 für die Zeit ab dem 01.07.1996 wurde nunmehr dieser Auffüllbetrag zunächst übernommen, dann aber mit der Erhöhung aus der Rentenanpassung verrechnet; er verminderte sich dadurch auf 158,04 DM. Der dann aktuelle Zahlbetrag von 410,00 DM ab 01.07.1996 unterschritt den bisherigen deswegen geringfügig, weil der Krankenversicherungsbeitrag von 28,36 DM auf 29,47 DM und der Pflegeversicherungsbeitrag von 2,21 DM auf 3,77 DM gestiegen war.
Nach Abschluss des Grundwehrdienstes im Juni 1997 stellte der Kläger einen Weiterbewilligungsantrag, den er mit der Aufnahme des Studiums an der TU Dresden begründete. Mit Bescheid vom 27.08.1997 wurde ihm auch wieder Halbwaisenrente bewilligt, allerdings wurden die bisherigen Bewilligungsbescheide hinsichtlich der Rentenhöhe nach § 48 SGB X - mit Wirkung für die Zukunft - aufgehoben; der monatliche Zahlbetrag wurde auf nur noch 281,31 DM festgesetzt, und zwar deshalb, weil diesmal der Auffüllbetrag komplett weggefallen war. Die persönlichen Entgeltpunkte waren allerdings in der bisherigen Höhe zugrunde gelegt worden. Der vom Kläger dagegen erhobene Widerspruch war erfolglos, den Widerspruchsbescheid vom 16.01.1998 begründete die Beklagte damit, dass nach Aufnahme des Studiums ein neuer Anspruch nach § 48 Abs. 4 SGB VI entstanden sei. Für solche Ansprüche sei kein Auffüllbetrag vorgesehen. Ein Anspruch auf Rente nach den Vorschriften des Beitrittsgebietes habe der Kläger nur, wenn diese Rente bis zum 31.12.1996 beginne. Das dagegen vom Kläger angerufene Sozialgericht Chemnitz (SG) ist dieser Argumentation gefolgt und hat die Klage mit Urteil vom 25.04.2000 abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit welcher er eine Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen rügt, die erst nach dem Studium oder einer sonstigen Berufsausbildung zum Wehrdienst herangezogen würden.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 25.04.2000 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 27.08.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.01.1998 insofern aufzuheben, als Halbwaisenrente ohne Auffüllbetrag bewilligt wurde und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab dem 01.07.1997 Halbwaisenrente unter Berücksichtigung eines Auffüllbetrages nach § 315a SGB VI zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 25.04.2000 zurückzuweisen.
Dem Gericht haben den Gerichtsakten beider Instanzen die Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist auch begründet.
Zu Unrecht hat die Beklagte eine in der Gemäßheit des § 307a SGB VI berechnete Halbwaisenrente ohne Auffüllbetrag bewilligt.
Der Anspruch auf den Auffüllbetrag ergibt sich aus § 315a SGB VI. Dem kann die Beklagte nicht entgegenhalten, dass nach dem 31.12.1996 diese Vorschrift gewissermaßen durch Zeitablauf ihre Geltung eingebüßt habe. Eine direkte Anwendung des Artikel 2 § 1 Renten-Überleitungsgesetz (RÜG) scheidet ohnehin aus. Aber auch die Argumentation, aus Artikel 2 § 1 RÜG analog ergebe sich der Rechtsgedanke, jeder Besitzstandsschutz aus DDR-Recht habe am 31.12.1996 zu enden, kann nicht verfangen. Diese Auffassung übersieht nämlich, dass § 315a SGB VI eine diesem Rechtsgedanken zwar nicht diametral entgegenstehende, aber doch spezielle, vorgehende und damit eine analoge Anwendung ausschließende Regelung getroffen hat. Gemäß § 315a Satz 4 SGB VI ist der Auffüllbetrag vom 01.01.1996 an bei jeder Rentenanpassung um 1/5, mindestens aber um 20,00 DM zu vermindern, ein dann noch verbleibender Auffüllbetrag wird bei den folgenden Rentenanpassungen im Umfang dieser Rentenanpassungen abgeschmolzen. Der Kläger hat also Zahlbetragsschutz, und zwar hinsichtlich des Betrages vom Dezember 1995 in Höhe von 412,67 DM. Die Praxis der Beklagten, die Ermittlung des abgeschmolzenen Auffüllbetrages ohne Berücksichtigung des jeweiligen Beitragsanteiles zur Kranken- und Pflegeversicherung zu berechnen, lässt § 315 Satz 4 2. Hs. SGB VI unberücksichtigt: Dort ist festgelegt, dass der bisherige Zahlbetrag der Rente nicht unterschritten werden darf, der Begriff des Zahlbetrages beinhaltet bereits die vorgenommenen Abzüge für Kranken- und Pflegeversicherung, also hätte mit dem Bescheid vom 29.08.1994 der bisherige Zahlbetrag von 412,67 DM nicht auf 410,00 DM reduziert werden dürfen (vgl. dazu: Urteil des BSG vom 16.11.2000 - B 4 RA 68/99 R -).
Unrichtig ist auch die Auffassung der Beklagten, dass nunmehr schon deswegen kein Auffüllbetrag mehr habe bewilligt werden können, weil nach dem 01.01.1996 nur noch eine "SGB VI-Halbwaisenrente" Gegenstand des klägerischen Anspruchs habe sein können. Der Begriff der "SGB VI-Rente" stiftet hier Verwirrung, da gesetzessystematisch ohnehin vorgesehen ist, dass für DDR-Bestandsrenten sich die Rechtsgrundlage im bundesdeutschen Recht, und zwar im SGB VI, findet und nicht in der nicht mehr geltenden Renten-VO DDR. Keineswegs aber kann die Beklagte geltend machen, es handele sich bei der Wiederbewilligung gewissermaßen um eine Neubewilligung nach § 48 Abs. 4 SGB VI. Dies ist nämlich schon wegen der Berechnungsart offensichtlich nicht der Fall - die Entgeltpunkte wurden in der bisherigen Höhe zugrunde gelegt, also wie sie in dem Verfahren nach § 307a SGB VI ermittelt wurden.
Bei dem Übergang vom DDR-Rentenrecht zum gesamtdeutschen Recht sind grundsätzlich drei Alternativen als getrennte Wege auseinanderzuhalten: Auf der einen Seite werden Bestandsrenten, die noch nach der Renten-VO DDR berechnet wurden, nach § 307a in einem Verfahren umgewertet, in welchem die besitzgeschützten DDR-Renten sozusagen für die SGB VI-Software der Rentenversicherungsträger passend gemacht werden. Auf der anderen Seite wird bei Zugangsrentnern grundsätzlich von Anfang an eine SGB VI-Rente unter Berücksichtigung der Entgeltpunkte Ost (§ 256a SGB VI und Anlage 10 zum SGB VI) geleistet. Gewissermaßen "dazwischen" stehen als 3. Alternative die RÜG-Renten, also die Renten, die für eine Übergangszeit (Zugang bis Ende 1996) nach in gesamtdeutsches Recht "umgegossenem" DDR-Recht berechnet werden. Ein Wechsel von dem einen in das andere System ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich (§ 307a Abs. 8 Satz 3, Abs. 9, Abs. 10 SGB VI), die hier jedoch nicht gegeben sind. Der Weg nach dem RÜG besteht darin, dass bis zu einem Stichtag noch in Bundesrecht transformiertes Recht der DDR angewendet wird; der Übergang bei Zugangsrentnern wird im Wesentlichen durch die Umrechnung der Beitragsbemessungsgrundlagen gemäß Anlage 10 zum SGB X bewerkstelligt und bei den oben gewährten Bestandsrenten nach § 307a SGB VI sieht § 315a einen modifizierten Zahlbetragsschutz vor. Wie lange dieser Zahlbetragsschutz gilt, ist in § 315a SGB VI im Einzelnen geregelt, die Regel, dass nach dem 01.01.1997 eine Anwendung des § 315a SGB VI zu unterbleiben hat, findet sich weder dort noch in anderen gültigen Rechtsnormen, noch kann sie als Sinn und Zweck der Regelung geschlussfolgert werden.
Schließlich handelt es sich bei der Wiederbewilligung nach dem Abschluss des Grundwehrdienstes auch - unabhängig von der dem schon entgegenstehenden Berechnung durch die Beklagte - deswegen nicht um eine Rente nach § 48 Abs. 4 SGB VI, da begrifflich schon keine Zugangsrente vorliegt. So wäre es unzutreffend, aus den verschiedenen Tatbeständen, die das DDR-Recht - ähnlich wie das BRD- bzw. gesamtdeutsche Recht - für den Anspruch auf Halbwaisenrente formulierte (§ 21 Abs. 2 i. V. m. § 18 Abs. 3 Renten-VO DDR: a) Schulausbildung bzw. fehlende Vollendung des 16. Lebensjahres, b) Lehrausbildung, c) Studium, d) Behinderung) zu schließen, es handele sich hierbei jeweils um eine Halbwaisenrente "svi generis", bei dem Übergang von dem einen Anknüpfungstatbestand zu dem nächsten habe also eine "Neubewilligung" und nicht eine "Wiederbewilligung" stattzufinden. Abgesehen davon, dass die Beklagte selbst auch in der Vergangenheit nicht nach diesem Grundsatz verfahren ist und die Frage der "Neubewilligung" - erst mit dem (unmaßgeblichen) "Stichtag" 01.01.1997 - aufgeworfen hat, muss auch hier der Grundsatz gelten, dass diese Tatbestände lediglich die Anspruchsdauer eines einheitlichen Anspruchs regeln und nicht etwa eine jeweils neue Rentenart definieren.
Die Halbwaisenrente lebte mit der Aufnahme des Studiums wieder auf, da insoweit § 48 Abs. 4 Ziff. 2a i. V. m. Abs. 5 SGB VI entsprechende Anwendung findet. Eine gesetzliche Regelung für die Wiederbewilligung von Bestands-Halbwaisenrenten aus dem Beitrittsgebiet findet sich nicht. Im Analogieschluss zu § 314a Abs. 3 SGB VI lässt sich aber eine entsprechende Anwendung der allgemeinen Vorschriften des SGB VI über die Dauer der Rente (Regelungsbereich des § 314a Abs. 3 SGB VI: Anrechnung von Einkommen) entnehmen. Dementsprechend war auch im vorliegenden Fall die Verwaltungspraxis der Beklagten in der Vergangenheit, ohne dass dies ausdrücklich festgestellt worden wäre.
Die Beklagte ist daher verpflichtet, für die Dauer der gegebenen Anspruchsvoraussetzungen nach § 48 SGB VI die nach §§ 307a, 315a SGB VI berechnete Halbwaisenrente mit dem geschützten Zahlbetrag von 412,67 DM an den Kläger zu leisten (zum Zahlbetragsschutz vgl. auch - mit anderer Begründung - auf dem Gebiet des AAÜG: SG Berlin, Urteil vom 15.01.1999 - S 11 RA 2567/97 -).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
II. Der Bescheid der Beklagten vom 27.08.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.01.1998 wird insofern aufgehoben, als Halbwaisenrente ohne Auffüllbetrag bewilligt wurde.
III. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger ab dem 01.07.1997 Halbwaisenrente unter Berücksichtigung eines Auffüllbetrages nach § 315a SGB VI zu bewilligen.
IV. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob nach Ableistung des Wehrdienstes der alte Anspruch des Klägers auf Halbwaisenrente wieder aufgelebt ist - und zwar insbesondere einschließlich des Auffüllbetrages nach § 315a SGB VI.
Der am ... geborene Kläger erhielt nach dem Tode seines Vaters im Jahre 1988 Halbwaisenrente nach der Renten-VO DDR. Der Betrag von 618,00 M im Monat wurde nach der Währungsunion als DM-Betrag weitergeleistet, er blieb auch nach dem Beitritt der DDR zur BRD zunächst unverändert. Bei diesem Betrag handelte es sich um die Halbwaisenrente für den Kläger und seinen Bruder U ... W ... Mit Bescheid vom 21.10.1993 - adressiert an die Mutter des Klägers - wurde die Umwertung der Halbwaisenrente in der Gemäßheit des § 307a SGB VI vorgenommen. Die entsprechende Berechnung - ausgehend von den durchschnittlichen Entgeltpunkten je Arbeitsjahr - ergab für den Monat Dezember 1991 eine Rente von 156,87 DM. Die Beklagte errechnete daher einen Auffüllbetrag nach § 315a SGB VI, indem sie zunächst den alten Zahlbetrag von 309,00 DM um 6,48 % (vgl. § 315a Satz 2 SGB VI) auf 330,14 DM erhöhte und somit rechnerisch einen Auffüllbetrag von (330,14 - 156,78 =) 173,27 DM errechnete. Dieser Auffüllbetrag blieb im Folgenden konstant; wegen der regelmäßigen Erhöhungen des aktuellen Rentenwertes (Ost) ergaben sich daraus auch regelmäßig steigende Zahlungsbeträge, wobei für die Zeit vom 01.01.1992 bis zum 01.07.1992 der ursprüngliche Betrag von 330,14 DM wegen des Beitragsanteils zur Krankenversicherung der Rentner zunächst geringfügig unterschritten wurde.
Bis Juli 1996 befand sich der Kläger in Schulausbildung. Unmittelbar danach wurde die Halbwaisenrente zunächst eingestellt, auf Antrag aber bis zur Aufnahme des Grundwehrdienstes am 01.06.1996 noch einmal bewilligt. Wie schon in der Vergangenheit (ab 01.01.1996) wurde nunmehr ein nur noch verminderter Auffüllbetrag bewilligt. Der Bescheid vom 10.08.1995 hatte für die Zeit bis zum 31.12.1995 noch den ursprünglichen Auffüllbetrag von 173,27 DM ausgewiesen; es ergab sich ein Zahlbetrag von 412,67 DM. Bei diesem Zahlbetrag verblieb es auch für die Zeit ab dem 01.01.1996, allerdings hatte sich durch die erfolgte Rentenanpassung der Auffüllbetrag auf 161,46 DM vermindert (Zahlbetragsschutz nach § 315a Satz 4, 2. Hs. SGB VI). In dem Wiederbewilligungsbescheid vom 29.08.1996 für die Zeit ab dem 01.07.1996 wurde nunmehr dieser Auffüllbetrag zunächst übernommen, dann aber mit der Erhöhung aus der Rentenanpassung verrechnet; er verminderte sich dadurch auf 158,04 DM. Der dann aktuelle Zahlbetrag von 410,00 DM ab 01.07.1996 unterschritt den bisherigen deswegen geringfügig, weil der Krankenversicherungsbeitrag von 28,36 DM auf 29,47 DM und der Pflegeversicherungsbeitrag von 2,21 DM auf 3,77 DM gestiegen war.
Nach Abschluss des Grundwehrdienstes im Juni 1997 stellte der Kläger einen Weiterbewilligungsantrag, den er mit der Aufnahme des Studiums an der TU Dresden begründete. Mit Bescheid vom 27.08.1997 wurde ihm auch wieder Halbwaisenrente bewilligt, allerdings wurden die bisherigen Bewilligungsbescheide hinsichtlich der Rentenhöhe nach § 48 SGB X - mit Wirkung für die Zukunft - aufgehoben; der monatliche Zahlbetrag wurde auf nur noch 281,31 DM festgesetzt, und zwar deshalb, weil diesmal der Auffüllbetrag komplett weggefallen war. Die persönlichen Entgeltpunkte waren allerdings in der bisherigen Höhe zugrunde gelegt worden. Der vom Kläger dagegen erhobene Widerspruch war erfolglos, den Widerspruchsbescheid vom 16.01.1998 begründete die Beklagte damit, dass nach Aufnahme des Studiums ein neuer Anspruch nach § 48 Abs. 4 SGB VI entstanden sei. Für solche Ansprüche sei kein Auffüllbetrag vorgesehen. Ein Anspruch auf Rente nach den Vorschriften des Beitrittsgebietes habe der Kläger nur, wenn diese Rente bis zum 31.12.1996 beginne. Das dagegen vom Kläger angerufene Sozialgericht Chemnitz (SG) ist dieser Argumentation gefolgt und hat die Klage mit Urteil vom 25.04.2000 abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit welcher er eine Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen rügt, die erst nach dem Studium oder einer sonstigen Berufsausbildung zum Wehrdienst herangezogen würden.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 25.04.2000 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 27.08.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.01.1998 insofern aufzuheben, als Halbwaisenrente ohne Auffüllbetrag bewilligt wurde und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab dem 01.07.1997 Halbwaisenrente unter Berücksichtigung eines Auffüllbetrages nach § 315a SGB VI zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 25.04.2000 zurückzuweisen.
Dem Gericht haben den Gerichtsakten beider Instanzen die Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist auch begründet.
Zu Unrecht hat die Beklagte eine in der Gemäßheit des § 307a SGB VI berechnete Halbwaisenrente ohne Auffüllbetrag bewilligt.
Der Anspruch auf den Auffüllbetrag ergibt sich aus § 315a SGB VI. Dem kann die Beklagte nicht entgegenhalten, dass nach dem 31.12.1996 diese Vorschrift gewissermaßen durch Zeitablauf ihre Geltung eingebüßt habe. Eine direkte Anwendung des Artikel 2 § 1 Renten-Überleitungsgesetz (RÜG) scheidet ohnehin aus. Aber auch die Argumentation, aus Artikel 2 § 1 RÜG analog ergebe sich der Rechtsgedanke, jeder Besitzstandsschutz aus DDR-Recht habe am 31.12.1996 zu enden, kann nicht verfangen. Diese Auffassung übersieht nämlich, dass § 315a SGB VI eine diesem Rechtsgedanken zwar nicht diametral entgegenstehende, aber doch spezielle, vorgehende und damit eine analoge Anwendung ausschließende Regelung getroffen hat. Gemäß § 315a Satz 4 SGB VI ist der Auffüllbetrag vom 01.01.1996 an bei jeder Rentenanpassung um 1/5, mindestens aber um 20,00 DM zu vermindern, ein dann noch verbleibender Auffüllbetrag wird bei den folgenden Rentenanpassungen im Umfang dieser Rentenanpassungen abgeschmolzen. Der Kläger hat also Zahlbetragsschutz, und zwar hinsichtlich des Betrages vom Dezember 1995 in Höhe von 412,67 DM. Die Praxis der Beklagten, die Ermittlung des abgeschmolzenen Auffüllbetrages ohne Berücksichtigung des jeweiligen Beitragsanteiles zur Kranken- und Pflegeversicherung zu berechnen, lässt § 315 Satz 4 2. Hs. SGB VI unberücksichtigt: Dort ist festgelegt, dass der bisherige Zahlbetrag der Rente nicht unterschritten werden darf, der Begriff des Zahlbetrages beinhaltet bereits die vorgenommenen Abzüge für Kranken- und Pflegeversicherung, also hätte mit dem Bescheid vom 29.08.1994 der bisherige Zahlbetrag von 412,67 DM nicht auf 410,00 DM reduziert werden dürfen (vgl. dazu: Urteil des BSG vom 16.11.2000 - B 4 RA 68/99 R -).
Unrichtig ist auch die Auffassung der Beklagten, dass nunmehr schon deswegen kein Auffüllbetrag mehr habe bewilligt werden können, weil nach dem 01.01.1996 nur noch eine "SGB VI-Halbwaisenrente" Gegenstand des klägerischen Anspruchs habe sein können. Der Begriff der "SGB VI-Rente" stiftet hier Verwirrung, da gesetzessystematisch ohnehin vorgesehen ist, dass für DDR-Bestandsrenten sich die Rechtsgrundlage im bundesdeutschen Recht, und zwar im SGB VI, findet und nicht in der nicht mehr geltenden Renten-VO DDR. Keineswegs aber kann die Beklagte geltend machen, es handele sich bei der Wiederbewilligung gewissermaßen um eine Neubewilligung nach § 48 Abs. 4 SGB VI. Dies ist nämlich schon wegen der Berechnungsart offensichtlich nicht der Fall - die Entgeltpunkte wurden in der bisherigen Höhe zugrunde gelegt, also wie sie in dem Verfahren nach § 307a SGB VI ermittelt wurden.
Bei dem Übergang vom DDR-Rentenrecht zum gesamtdeutschen Recht sind grundsätzlich drei Alternativen als getrennte Wege auseinanderzuhalten: Auf der einen Seite werden Bestandsrenten, die noch nach der Renten-VO DDR berechnet wurden, nach § 307a in einem Verfahren umgewertet, in welchem die besitzgeschützten DDR-Renten sozusagen für die SGB VI-Software der Rentenversicherungsträger passend gemacht werden. Auf der anderen Seite wird bei Zugangsrentnern grundsätzlich von Anfang an eine SGB VI-Rente unter Berücksichtigung der Entgeltpunkte Ost (§ 256a SGB VI und Anlage 10 zum SGB VI) geleistet. Gewissermaßen "dazwischen" stehen als 3. Alternative die RÜG-Renten, also die Renten, die für eine Übergangszeit (Zugang bis Ende 1996) nach in gesamtdeutsches Recht "umgegossenem" DDR-Recht berechnet werden. Ein Wechsel von dem einen in das andere System ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich (§ 307a Abs. 8 Satz 3, Abs. 9, Abs. 10 SGB VI), die hier jedoch nicht gegeben sind. Der Weg nach dem RÜG besteht darin, dass bis zu einem Stichtag noch in Bundesrecht transformiertes Recht der DDR angewendet wird; der Übergang bei Zugangsrentnern wird im Wesentlichen durch die Umrechnung der Beitragsbemessungsgrundlagen gemäß Anlage 10 zum SGB X bewerkstelligt und bei den oben gewährten Bestandsrenten nach § 307a SGB VI sieht § 315a einen modifizierten Zahlbetragsschutz vor. Wie lange dieser Zahlbetragsschutz gilt, ist in § 315a SGB VI im Einzelnen geregelt, die Regel, dass nach dem 01.01.1997 eine Anwendung des § 315a SGB VI zu unterbleiben hat, findet sich weder dort noch in anderen gültigen Rechtsnormen, noch kann sie als Sinn und Zweck der Regelung geschlussfolgert werden.
Schließlich handelt es sich bei der Wiederbewilligung nach dem Abschluss des Grundwehrdienstes auch - unabhängig von der dem schon entgegenstehenden Berechnung durch die Beklagte - deswegen nicht um eine Rente nach § 48 Abs. 4 SGB VI, da begrifflich schon keine Zugangsrente vorliegt. So wäre es unzutreffend, aus den verschiedenen Tatbeständen, die das DDR-Recht - ähnlich wie das BRD- bzw. gesamtdeutsche Recht - für den Anspruch auf Halbwaisenrente formulierte (§ 21 Abs. 2 i. V. m. § 18 Abs. 3 Renten-VO DDR: a) Schulausbildung bzw. fehlende Vollendung des 16. Lebensjahres, b) Lehrausbildung, c) Studium, d) Behinderung) zu schließen, es handele sich hierbei jeweils um eine Halbwaisenrente "svi generis", bei dem Übergang von dem einen Anknüpfungstatbestand zu dem nächsten habe also eine "Neubewilligung" und nicht eine "Wiederbewilligung" stattzufinden. Abgesehen davon, dass die Beklagte selbst auch in der Vergangenheit nicht nach diesem Grundsatz verfahren ist und die Frage der "Neubewilligung" - erst mit dem (unmaßgeblichen) "Stichtag" 01.01.1997 - aufgeworfen hat, muss auch hier der Grundsatz gelten, dass diese Tatbestände lediglich die Anspruchsdauer eines einheitlichen Anspruchs regeln und nicht etwa eine jeweils neue Rentenart definieren.
Die Halbwaisenrente lebte mit der Aufnahme des Studiums wieder auf, da insoweit § 48 Abs. 4 Ziff. 2a i. V. m. Abs. 5 SGB VI entsprechende Anwendung findet. Eine gesetzliche Regelung für die Wiederbewilligung von Bestands-Halbwaisenrenten aus dem Beitrittsgebiet findet sich nicht. Im Analogieschluss zu § 314a Abs. 3 SGB VI lässt sich aber eine entsprechende Anwendung der allgemeinen Vorschriften des SGB VI über die Dauer der Rente (Regelungsbereich des § 314a Abs. 3 SGB VI: Anrechnung von Einkommen) entnehmen. Dementsprechend war auch im vorliegenden Fall die Verwaltungspraxis der Beklagten in der Vergangenheit, ohne dass dies ausdrücklich festgestellt worden wäre.
Die Beklagte ist daher verpflichtet, für die Dauer der gegebenen Anspruchsvoraussetzungen nach § 48 SGB VI die nach §§ 307a, 315a SGB VI berechnete Halbwaisenrente mit dem geschützten Zahlbetrag von 412,67 DM an den Kläger zu leisten (zum Zahlbetragsschutz vgl. auch - mit anderer Begründung - auf dem Gebiet des AAÜG: SG Berlin, Urteil vom 15.01.1999 - S 11 RA 2567/97 -).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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