S 8 U 115/16

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 115/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 155/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der Rechtsstreit wird um die Anerkennung des Ereignisses vom 22.07.2016 als Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII geführt.

Der 1957 geborene Kläger hob im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit als selbstständiger Steinmetzmeister am 22.07.2016, um 16:45 Uhr mit dem Kunden E. zusammen einen Stein an, der nach der erfolgten Auslieferung noch nicht ganz richtig lag. Hierbei spürte er ein Knacken am rechten Oberarm und brach die Arbeit ab. Es wurde eine distale Bizepssehnenruptur rechts diagnostiziert.

Aufgrund des Durchgangsarztberichtes vom 23.07.2016 ermittelte die Beklagte den tatsächlichen und den medizinischen Sachverhalt. Aus dem Durchgangsarztbericht ergab sich eine distale Bizepssehnenruptur rechts, welche nachfolgend operativ behandelt wurde.

Mit Bescheid vom 07.09.2016 lehnte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Denn zwischen dem Riss der körperfernen Bizepssehne rechts und dem Ereignis vom 22.07.2016 bestehe kein ursächlicher Zusammenhang. Der Hergang vom 22.07.2016 sei nicht geeignet gewesen, die Bizepssehnenverletzung zu verursachen. Es handele sich um eine willentliche Kraftanstrengung ohne zusätzliche äußerliche Gewalteinwirkung, so dass es zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles an dem Merkmal der äußeren Gewalteinwirkung fehle. Es habe sich beim gemeinsamen Anheben des Steines um eine geplante Handlung gehandelt, die nicht durch eine plötzliche von außen einwirkende Kraft beeinflusst worden sei.

Leistungen seien daher abzulehnen. Die Behandlung und Arbeitsunfähigkeit gehe zu Lasten der Krankenkasse.

Mit Schreiben vom 21.09.2016 legte der Kläger Widerspruch ein, welchen die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2016 zurückwies. Eine nicht durch äußere Umstände veranlasste, vom Willen des Versicherten getragene und gesteuerte Eigenbewegung sei kein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis. Das Anheben des Steines stelle einen willentlichen (gewollten) Krafteinsatz dar. Komme es bei einer willkürlichen Muskelkontraktion zum Abriss einer Sehne oder eines Muskels, so müssen diese Strukturen weit fortgeschritten geschädigt sei. Andernfalls sei ein spontaner Abriss nicht denkbar. Aufgrund von Degenerationsprozessen können Weichteile auch ohne traumatische Einwirkung in ihrem Zusammenhang getrennt werden. Diese Prozesse verliefen meist klinisch stumm. Daher sei die vorherige Beschwerdefreiheit kein Nachweis für die Annahme eines Unfallzusammenhanges.

Es fehle die haftungsausfüllende Kausalität. Der Riss der langen Bizepssehne sei ohne Riss der Muskulatur nicht wesentlich durch den Hebevorgang bedingt, sondern Folge anlage- und altersbedingter Abnutzungserscheinungen. Das Anheben des Steines sei daher allenfalls ein unfallversicherungsrechtlich bedeutungsloses Anlassgeschehen bzw. eine Gelegenheitsursache. Dies reiche für die Feststellung eines Arbeitsunfalles nicht aus.

Der Kläger hat am 30.12.2016 Klage beim Sozialgericht Fulda erhoben.

Der Kläger ist der Ansicht, dass das Ereignis vom 22.07.2016 einen Arbeitsunfall darstelle. Er habe im Rahmen seiner Tätigkeit als versicherter Steinmetzmeister einen Stein für einen Garten ausgeliefert. Nachdem der Stein abgeladen worden sei, haben der Kläger und der Kunde E. ihn noch etwas verrücken wollen, da dieser noch nicht richtig gelegen habe. Beim Anheben des Steines habe der Kläger plötzlich ein Reißen und Schmerzen im rechten Arm verspürt. Dies sei eindeutig ein Arbeitsunfall. Der Stein sei schwerer als die von der Beklagten angenommenen 70 Kilogramm. Auf das Grabsteinurteil des BSG vom 12.04.2005, Az. B 2 U 27/04 R, werde verwiesen.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 07.09.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 22.07.2016 als Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII anzuerkennen und die Beklagte zu verurteilen, die Bizepssehnenruptur rechts des Klägers als Primärschaden des als Arbeitsunfalls festzustellenden Ereignisses vom 22.07.2016 festzustellen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bezieht sich auf den angegriffenen Verwaltungsakt.

Die Kammer hat im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht Berichte der den Kläger behandelnden Ärzte angefordert sowie die Akte des Rentenversicherungsträgers, die Schwerbehindertenakte (Grad der Behinderung von 50) sowie das Vorerkrankungsverzeichnis beigezogen und zum Gegenstand ihrer Entscheidung gemacht.

Die Kammer hat Beweis über Art und Umfang der Folgen des Ereignisses vom 22.07.2016 durch die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens nach § 106 SGG erhoben. Dabei kommt der Sachverständige Dr. F. in seinem Gutachten vom 04.05.2017 auf fachorthopädisch-unfallchirurgisch-sozialmedizinischem Gebiet zu dem Ergebnis, dass beim Kläger die distale Bizepssehnenruptur auf der rechten Seite nicht rechtlich wesentlich durch das Anheben des Steines verursacht worden ist. Es liege ein ungeeigneter Unfallmechanismus vor. Die Ruptur der Sehne wäre vielmehr bei jeder anderen Gelegenheit erfolgt.

Es habe weder eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit noch Behandlungsbedürftigkeit vorgelegen.

Der Kläger hat angegeben, dass der Stein ein Gewicht von etwa 50 kg gehabt habe. Beim Anheben des Steines mit dem Kunden zusammen habe er ein Reißen am rechten Arm verspürt. Er habe den Stein losgelassen und die Arbeit abgebrochen.

Sehnenrisse stellten immer wieder eine strittige Unfallgruppe dar. Der Versicherte empfinde den Sehnenriss immer als Arbeitsunfall, da der Riss meist mit einer schlagartigen Empfindung eintrete. In der Regel sei der Versicherte bis dahin subjektiv beschwerdefrei gewesen, so dass die gerade ausgeübte Tätigkeit als Ursache des Sehnenrisses angeschuldigt werde. Bei der Zusammenhangsbeurteilung sei nicht auf die Kraftanstrengung und damit die Schwere der Sehnenbelastung abzustellen, sondern auf die Zugfestigkeit der Sehne.

Nach dem funktionellen Bauplansystem liege die Zug- und Hebfestigkeit der Sehne über der Kraftbildungsfähigkeit des Muskels. Sei die Last für den Muskel zu schwer, versage dieser. Die Last wirke sich nicht auf die Sehne aus, so dass eine Überbelastung der Sehne nicht zustande komme. Eine Sehne, die weniger zugfest sei, als ihr Muskel an Kraft aufzubringen vermöge, sei krankhaft verändert. Ursächlich für eine pathologische Sehnenruptur seien meist degenerative Veränderungen infolge lokaler Durchblutungsstörungen. Da die Sehne eher degeneriere als die reaktionsfreudig und äußerst stoffwechselaktive Muskulatur komme es zu einer Minderung der Zugfestigkeit der Sehne unter das Maß der Hubkraft des zughörigen Muskels. Sobald die verminderte Zugfestigkeit der Sehne überschritten werde und der Muskel seine Kraft voll ausschöpfe, müsse die Sehne daher zwangsläufig reißen. Der am Sehnengewebe ablaufende Degenerationsprozess verlaufe zunächst klinisch stumm. Daher sei eine leere Anamnese vor dem Unfallereignis daher kein Argument für einen traumatischen Gewebeschaden. Allenfalls gelte die positive Anamnese als Ausschlusskriterium für einen traumatischen Gewebeschaden.

Als mögliche Ursache für eine Sehnenruptur werde die plötzliche passive Bewegung eines muskulär festgestellten Gelenkes aufgeführt. Diese plötzliche passive Bewegung eines muskulär festgestellten Gelenkes weise andere anatomische und physiologische Voraussetzungen auf, als die willentliche Kraftanstrengung. Die Sehne sei einer plötzlichen Spitzenbelastung unterworfen. Dabei werde die bei der muskulären Belastung eigentümliche, nacheinander ablaufende Spannung der elastischen Fasern des Muskels vor dem Kollagen der Sehne zeitlich unterlaufen. Die volle Last treffe von Anfang an die kollagenen Fasern in der Sehne. Zum andere werde durch die überraschende Belastung die Bremsfunktion der Muskulatur ausgeschaltet. Durch die ruckartige Belastung entfalle das verzögernde Moment der allmählichen Aufladung der Last auf die Sehne. Die Sehne zerreiße unter dieser überfallartigen Spitzenlast, da sie in ihrem Bauplan nicht Vorgeplantes erleide.

Ein im medizinischen Sinne als geeignet anzusehendes Unfallereignis bedeute nur, dass bei dem Unfallereignis das gerissene Gewebe involviert und die einwirkende Kraft groß genug gewesen sei, einen Schaden zu verursachen. Die äußere Krafteinwirkung sei selten Ursache einer Sehnenruptur, meist entstehe diese durch Muskelzug.

Nicht ausreichend sei eine, das Maß der gewöhnlichen und gewohnten überschreitenden Bewegungs- und Belastungsphase. Es werde vielmehr das plötzliche überfallartige Überdehnen der Sehne gefordert. Wenn die Kraftanstrengung willentlich geschehen sei, liege eine Überbelastung der Sehne nicht vor und es fehle an einem geeigneten Unfallereignis.

Das Gleiche gelte, wenn neben der willentlichen Kraftanstrengung eine zusätzliche Zugbelastung der Sehne durch eine exzentrische Bewegung wirke, zum Beispiel bei dem Versuch, eine herunterfallende Last aufzufangen.

Der Muskel passe sich grundsätzlich durch Isometrie und Isotonie der jeweiligen Belastung an. Diese Anpassung finde ihre Grenze in der Muskelkraft und der Dehnungsfähigkeit der Muskulatur, die stets geringer sei als die Zugfestigkeit der dazugehörigen Sehne. Die Sehne wäre bei jeder anderen Belastung gerissen, die ihre noch verbliebene fortschreitende absinkende Zugfestigkeit überschreite.

Das Anheben des Steines beim Kläger sei mit jeder anderen normalen Verrichtung des privaten täglichen Lebens austauschbar. Der Sehnenriss wäre zu derselben Zeit und in ungefähr dem gleichen Ausmaß eingetreten. Wegen dieser Austauschbarkeit sei das Unfallereignis hinsichtlich des Sehnenrisses nicht rechtlich wesentlich.

Die lange körpernahe Bizepssehne sei eine Gleitsehne. Die Folgen der mechanischen Dauerbelastung seien degenerative Sehnenveränderungen, gleichlaufend mit dem Verlust der Ordnung sowie der histologischen und chemischen Zustandsänderung. Die Zugwirkung der Sehne nehme ab. Der Sehnenriss trete ein, wenn die einwirkende Belastung die fortschreitende absinkende Zugfestigkeit der Sehne überschreite.

Nicht unfallbedingte Abläufe seien das Anheben von Gewichten (auch schweren) ohne zusätzliche Einwirkung, die gewöhnliche Verrichtung harter Arbeit, oft als Überheben bezeichnet, und eine willentlich gewollte Armbelastung, weil das Zusammenwirken von Muskeln, Sehnen und Knochen eine bestimmte Belastbarkeit der Einzelkomponenten voraussetze.

Eine unfallbedingte Ruptur könne durch direkt einwirkende Kräfte wie einen Schlag oder eine Quetschung eine Sehne zerreißen. Dafür sei meist eine Hautquetschung oder Abschürfung ein Nachweis. Nicht beweiskräftig seien kurzfristig nach der oberen Sehnenruptur auftauchender Blutunterlaufungen. Auch nach einem unfallfremden degenerativen Sehnenriss zerreiße mit dem minderwertigen Einsatzgewebe das in der Entartungszone einsprossende Gefäßnetz. Es komme zu einer Blutbildung mit Blutergussverfärbung.

Nicht gefährdende indirekte Unfallmechanismen seien:
• das Anheben eines etwa 60 bis 80 kg schweren Gegenstandes und Nachfassen desselben, als dieser aus den Händen glitt
• Anheben eines etwa 40 kg schweren Gegenstandes und dabei ein Schlag eines Kantholzes auf den Muskel
• Reißleinenverletzung bei Fallschirmspringern
• Heben eines Torflügels von unten nach oben, wobei beide Hände maximal angespannt gewesen seien
• das Abfangen eines Sturzes.
Die Überbeanspruchung des Bizepsmuskels sei der Grund für den Sehnenriss. Daher reiße überwiegend zuerst der Muskel und dann die Sehne. Ein nicht rupturierter Muskel spreche gegen die rechtlich wesentliche Ursache des Unfalls. Seien Bizepssehne und Bizepsmuskel nicht maximal angespannt, wie zum Beispiel beim gestreckten Arm, sei gleichfalls eine unfallbedingte Sehnenzerreißung unwahrscheinlich.

Beim indirekten Unfall sollten außergewöhnliche Kraftanstellungen vorliegen. Es sollten keine üblichen Tätigkeiten sein. Auch komme es auf das Gewohntsein schwerer Hebearbeit an.

Allein der bei einem Ereignis auftretende Schmerz sei kein Beweis für eine traumatische Ursache. Denn der Schmerz könne sowohl traumatischer als auch degenerativer Ursache sein. Auch körpereigene Erkrankungen treten irgendwann zum ersten Male auf. Chronische Schulterschäden können zuvor klinisch stumm gewesen sein.

Das Anheben des Steines durch den Kläger stelle keine Gefährdung für die distale Bizepssehne dar. Es habe keine Krafteinwirkung von außen stattgefunden. Es habe sich vielmehr um eine gesteuerte Belastung des Armes gehandelt. Eine überfallsartige Belastung der Sehne lasse sich nicht begründen.

Unter Berücksichtigung der klägerischen Einwände erwidert der Sachverständige unter dem 31.01.2018 dahingehend, dass es sich beim Anheben des Steines um eine willentlich gesteuerte Bewegung handele. Eine überfallsartige Belastung der Sehne lasse sich bei dem geplanten Anheben eines Steines nicht nachweisen. Auch fehle es an einer wie auch immer gearteten Krafteinwirkung von außen. Ein für eine traumatische Ruptur geeigneter Unfallmechanismus sei nicht abgelaufen.

Auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 30.07.2018 wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten (Blatt 1 bis 97). Diese Vorgänge sind auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid vom 07.09.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen subjektiven Rechten. Das Ereignis vom 22.07.2016 stellt keinen Arbeitsunfall dar. Es fehlt an einer äußeren Einwirkung. Die Bizepssehnenruptur rechts ist nicht als Primärschaden anzuerkennen.

Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeit ist gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.

Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Durch das Wort "infolge" drückt § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII aus, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden erforderlich ist. Diese sogenannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Der Bereich der haftungsbegründenden Kausalität ist u.a. betroffen, wenn es um die Frage geht, ob der Unfall wesentlich durch die versicherte Tätigkeit oder durch eine sogenannte innere Ursache hervorgerufen worden ist, während dem Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität die Kausalkette – Unfallereignis (primärer) Gesundheitsschaden und (sekundärer) Gesundheitsschaden – weitere Gesundheitsstörungen zuzuordnen ist.

Es fehlt jedoch unter Zugrundelegung der gesetzlichen Anforderungen, konkretisiert durch die ständige Rechtsprechung, am Vorliegen eines Arbeitsunfalls im Sinne von § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII, da die Sehne gelegentlich eines willentlich geplanten und muskulär gesteuerten Ablauf gerissen ist.

Die Kammer schließt sich dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten von Dr. F. an. Der Sachverständige Dr. F. kommt in seinem Gutachten vom 04.05.2017 auf fachorthopädisch-unfallchirurgisch-sozialmedizinischem Gebiet zu dem Ergebnis, dass beim Kläger die distale Bizepssehnenruptur auf der rechten Seite nicht rechtlich wesentlich durch das Anheben des Steines verursacht worden ist. Es liegt nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ein ungeeigneter Unfallmechanismus vor. Die Ruptur der Sehne wäre vielmehr bei jeder anderen Gelegenheit erfolgt, wie der Sachverständige unter Zitierung der einschlägigen Literatur überzeugend darlegt.

Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit werden vom Sachverständigen zutreffend verneint.

Sehnenrisse stellen nach den Ausführungen des Sachverständigen immer wieder eine strittige Unfallgruppe dar. Der Versicherte empfindet den Sehnenriss immer als Arbeitsunfall, da der Riss meist mit einer schlagartigen Empfindung eintritt. In der Regel ist der Versicherte bis dahin subjektiv beschwerdefrei gewesen, so dass die gerade ausgeübte Tätigkeit als Ursache des Sehnenrisses angeschuldigt wird – so auch beim Kläger. Bei der Zusammenhangsbeurteilung ist nicht auf die Kraftanstrengung und damit die Schwere der Sehnenbelastung abzustellen, sondern auf die Zugfestigkeit der Sehne, wie der Sachverständige ausführt.

Nach dem funktionellen Bauplansystem liegt die Zug- und Hebfestigkeit der Sehne über der Kraftbildungsfähigkeit des Muskels. Ist die Last für den Muskel zu schwer, versagt dieser. Die Last wirkt sich nicht auf die Sehne aus, so dass eine Überbelastung der Sehne nicht zustande kommt. Eine Sehne, die weniger zugfest ist, als ihr Muskel an Kraft aufzubringen vermag, ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen krankhaft verändert. Ursächlich für eine pathologische Sehnenruptur sind meist degenerative Veränderungen infolge lokaler Durchblutungsstörungen. Da die Sehne eher degeneriere als die reaktionsfreudig und äußerst stoffwechselaktive Muskulatur komme es zu einer Minderung der Zugfestigkeit der Sehne unter das Maß der Hubkraft des zughörigen Muskels. Sobald die verminderte Zugfestigkeit der Sehne überschritten wird und der Muskel seine Kraft voll ausschöpfe, muss die Sehne daher zwangsläufig reißen. Der am Sehnengewebe ablaufende Degenerationsprozess verläuft zunächst klinisch stumm. Daher ist eine leere Anamnese vor dem Unfallereignis daher kein Argument für einen traumatischen Gewebeschaden. Allenfalls gilt die positive Anamnese als Ausschlusskriterium für einen traumatischen Gewebeschaden.

Als mögliche Ursache für eine Sehnenruptur wird die plötzliche passive Bewegung eines muskulär festgestellten Gelenkes aufgeführt. Diese plötzliche passive Bewegung eines muskulär festgestellten Gelenkes weist andere anatomische und physiologische Voraussetzungen auf, als die willentliche Kraftanstrengung. Die Sehne ist einer plötzlichen Spitzenbelastung unterworfen. Dabei wird die bei der muskulären Belastung eigentümliche, nacheinander ablaufende Spannung der elastischen Fasern des Muskels vor dem Kollagen der Sehne zeitlich unterlaufen. Die volle Last trifft von Anfang an die kollagenen Fasern in der Sehne, wie der Sachverständige die medizinischen Zusammenhänge anschaulich darstellt. Zum andere wird durch die überraschende Belastung die Bremsfunktion der Muskulatur ausgeschaltet. Durch die ruckartige Belastung entfällt das verzögernde Moment der allmählichen Aufladung der Last auf die Sehne. Die Sehne zerreißt unter dieser überfallartigen Spitzenlast, da sie in ihrem Bauplan nicht Vorgeplantes erleidet.

Ein im medizinischen Sinne als geeignet anzusehendes Unfallereignis bedeutet nur, dass bei dem Unfallereignis das gerissene Gewebe involviert und die einwirkende Kraft groß genug gewesen ist, einen Schaden zu verursachen. Die äußere Krafteinwirkung ist nach den Ausführungen des Sachverständigen selten Ursache einer Sehnenruptur, meist entsteht diese durch Muskelzug.

Nicht ausreichend ist eine, das Maß der gewöhnlichen und gewohnten überschreitenden Bewegungs- und Belastungsphase. Es wird vielmehr das plötzliche überfallartige Überdehnen der Sehne gefordert. Wenn die Kraftanstrengung willentlich geschehen ist, liegt eine Überbelastung der Sehne nicht vor und es fehlt an einem geeigneten Unfallereignis, wie der Sachverständige unter Berücksichtigung der einschlägigen unfallversicherungsrechtlichen Literatur beschreibt.

Das Gleiche gilt nach den Darlegungen des Sachverständigen, wenn neben der willentlichen Kraftanstrengung eine zusätzliche Zugbelastung der Sehne durch eine exzentrische Bewegung wirkt, zum Beispiel bei dem Versuch, eine herunterfallende Last aufzufangen.

Der Muskel passt sich grundsätzlich durch Isometrie und Isotonie der jeweiligen Belastung an. Diese Anpassung findet ihre Grenze in der Muskelkraft und der Dehnungsfähigkeit der Muskulatur, die stets geringer ist als die Zugfestigkeit der dazugehörigen Sehne. Die Sehne des Klägers wäre nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen bei jeder anderen Belastung gerissen, die ihre noch verbliebene fortschreitende absinkende Zugfestigkeit überschritten hätte.

Das Anheben des Steines beim Kläger ist nach der überzeugenden Einschätzung des Sachverständigen mit jeder anderen normalen Verrichtung des privaten täglichen Lebens austauschbar. Der Sehnenriss wäre zu derselben Zeit und in ungefähr dem gleichen Ausmaß eingetreten. Wegen dieser Austauschbarkeit ist das Unfallereignis hinsichtlich des Sehnenrisses nicht rechtlich wesentlich.

Die lange körpernahe Bizepssehne ist eine Gleitsehne, wie der Sachverständige die Pathophysiologie erläutert. Die Folgen der mechanischen Dauerbelastung sind degenerative Sehnenveränderungen, gleichlaufend mit dem Verlust der Ordnung sowie der histologischen und chemischen Zustandsänderung. Die Zugwirkung der Sehne nimmt ab. Der Sehnenriss tritt nach den Darlegungen des Sachverständigen ein, wenn die einwirkende Belastung die fortschreitende absinkende Zugfestigkeit der Sehne überschreitet.

Nicht unfallbedingte Abläufe sind das Anheben von Gewichten (auch schweren) ohne zusätzliche Einwirkung, die gewöhnliche Verrichtung harter Arbeit, oft als Überheben bezeichnet, und eine willentlich gewollte Armbelastung, weil das Zusammenwirken von Muskeln, Sehnen und Knochen eine bestimmte Belastbarkeit der Einzelkomponenten voraussetzt, wie der Sachverständige darlegt.

Eine unfallbedingte Ruptur kann durch direkt einwirkende Kräfte wie einen Schlag oder eine Quetschung eine Sehne zerreißen. Dafür ist meist eine Hautquetschung oder Abschürfung ein Nachweis. Nicht beweiskräftig sind kurzfristig nach der oberen Sehnenruptur auftauchender Blutunterlaufungen. Auch nach einem unfallfremden degenerativen Sehnenriss zerreißt mit dem minderwertigen Einsatzgewebe das in der Entartungszone einsprossende Gefäßnetz. Es kommt zu einer Blutbildung mit Blutergussverfärbung.

Nicht gefährdende indirekte Unfallmechanismen sind nach den Ausführungen des Sachverständigen:
• das Anheben eines etwa 60 bis 80 kg schweren Gegenstandes und Nachfassen desselben, als dieser aus den Händen glitt
• das Anheben eines etwa 40 kg schweren Gegenstandes und dabei ein Schlag eines Kantholzes auf den Muskel
• Reißleinenverletzung bei Fallschirmspringern
• Heben eines Torflügels von unten nach oben, wobei beide Hände maximal angespannt gewesen sind
• das Abfangen eines Sturzes.
Die Überbeanspruchung des Bizepsmuskels ist der Grund für den Sehnenriss. Daher reißt überwiegend zuerst der Muskel und dann die Sehne. Ein nicht rupturierter Muskel spricht gegen die rechtlich wesentliche Ursache des Unfalls. Sind Bizepssehne und Bizepsmuskel nicht maximal angespannt, wie zum Beispiel beim gestreckten Arm, ist gleichfalls eine unfallbedingte Sehnenzerreißung unwahrscheinlich.

Beim indirekten Unfall sollen außergewöhnliche Kraftanstellungen vorliegen. Es sollten keine üblichen Tätigkeiten sein. Auch kommt es auf das Gewohntsein schwerer Hebearbeit an.

Allein der bei einem Ereignis auftretende Schmerz ist nach den Ausführungen des Sachverständigen kein Beweis für eine traumatische Ursache. Denn der Schmerz kann sowohl traumatischer als auch degenerativer Ursache sein. Auch körpereigene Erkrankungen treten irgendwann zum ersten Male auf. Chronische Schulterschäden können zuvor klinisch stumm gewesen sein.

Das Anheben des Steines durch den Kläger stellt nach der Einschätzung des Sachverständigen und zur Überzeugung der Kammer keine Gefährdung für die distale Bizepssehne dar. Es hat keine Krafteinwirkung von außen stattgefunden. Es hat sich vielmehr um eine gesteuerte Belastung des Armes gehandelt. Eine überfallsartige Belastung der Sehne lässt sich nicht begründen.

Die Einwände des Klägers haben nicht rechtserheblich durchgegriffen, so dass die Kammer die Klage abzuweisen hat. Entgegen dem vom Kläger angeführten Grabsteinurteil des Bundessozialgerichtes (Az. B 2 U 27/04 R) kann die Kammer keinen Arbeitsunfall annehmen. Denn beim Anheben des Steines handelt es sich um einen willentlichen, muskulär gesteuerten Vorgang. Es fehlt daher schon an der Einwirkung von außen. Selbst unter Annahme eines inneren Vorganges als äußere Einwirkung fehlt es immer noch an einem geeigneten Unfallmechanismus. Denn eine plötzliche, überfallartige Einwirkung hat auf die Bizepssehne nicht eingewirkt. Andere Strukturen sind nicht geschädigt worden, insbesondere nicht der Muskel. Die Kammer geht daher wie die Beklagte und der Sachverständige von einem Anlassgeschehen aus. Die Bizepssehne des Klägers ist jedenfalls nicht traumatisch gerissen und daher nicht als Primärschaden anzuerkennen.

Im Übrigen nimmt die Kammer Bezug auf den Widerspruchsbescheid vom 02.12.2016, § 136 Abs. 3 SGG.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 S. 1 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Das Verfahren ist für den Kläger gemäß § 183 S. 1 SGG gerichtskostenfrei. Die Zulässigkeit der Berufung ergibt sich aus § 143 SGG.
Rechtskraft
Aus
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