Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 16 KR 217/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 11/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16. Dezember 1999 abgeändert und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für eine plastische Bauchdeckenoperation.
Der am ... geborenen, bei der Beklagten krankenversicherten Klägerin verordnete zunächst am 19.06.1997 der behandelnde Chirurg Dr. K ... eine Bauchdeckenplastik auf Grund bestehender Fettschürze mit rezidivierenden Intertrigo (Wundsein) und Candidamykose (Infektion durch Sprosspilze der Gattung Candida). Die Beklagte ließ die Klägerin durch Dipl.-Med. R ... vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung im Freistaat Sachsen (MDK) gutachterlich untersuchen. Dieser stellte bei der Klägerin ein ca. 3 cm überhängenden Bauchlappen fest. Es hätten keine Hautmazerationen (Hauterweichungen) bestanden. Die geklagten Rückenbeschwerden könnten im Zusammenhang mit einer Dysbalance der Bauchmuskulatur stehen, entsprechende physiotherapeutische Behandlungen brächten hier Abhilfe. Sowohl der Bauchumfang, d.h. die örtlich begrenzte Fettgewebsvermehrung, als auch die Bauchdeckenptose (Bauchdeckensenkung) stellten keinen Befund mit Krankheitswert dar. Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14.08.1997 den Antrag der Klägerin ab.
Am 30.03.1998 bat die Klägerin um nochmalige Überprüfung ihres Antrages auf stationäre Krankenhausbehandlung zur Bauchdeckenplastik und legte eine entsprechende Verordnung von Dipl.-Med. B ..., Fachärztin für Allgemeinmedizin, vor. Die Klägerin trug vor, dass sie - leider ohne Erfolg - versucht habe, durch mehrmalige tägliche Gymnastik und Treppensteigen "in vier Etagen" sowie viele Laufereien ihren Gesundheitszustand zu verbessern. Die Beklagte holte ein weiteres Gutachten vom MDK ein. Dr. M ..., MDK, konnte die vom behandelnden Chirurgen 06/97 attestierten Erkrankungen nicht bestätigen. Eine hautärztliche Behandlung wegen möglicher Hautveränderungen oder bei Hautläsionen wegen bestehender Striae gravidarum und bei subcutaner Fettvermehrung und Bauchhautschlaffheit seien bisher nicht notwendig gewesen. Nach Untersuchungsbefund und körperlichem Erscheinungsbild stelle die besondere Bauchform bei der Klägerin keine von der Norm abweichende Körperstruktur dar, insbesondere habe diese Konstitution keinen Krankheitswert. Eine Gewichtsreduktion sei die zu empfehlende Therapie. Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 05.05.1998 ab.
Hiergegen legte die Klägerin am 26.05.1998 Widerspruch ein. Dr. M ... habe ihr im persönlichen Gespräch gesagt, er halte eine OP für nötig. Es liege nur an der Kostenübernahme durch die Krankenkasse. Auch weitere Ärzte (Frauenarzt, Allgemein- Arzt, Chirurg) hätten eine Bauchdeckenplastik befürwortet. Durch die Bauchform habe sie Probleme in ihrer Beweglichkeit sowie im familiären Verhältnis zu ihrem Partner. Ihr persönliches Wohlbefinden sei dadurch sehr gestört. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 01.10.1998 zurück. Im Ergebnis beider gutachterlicher Untersuchungen stelle nach dem körperlichen Erscheinungsbild der Klägerin die besondere Bauchform keine von der Norm abweichende Körperstruktur dar und sei vor allem nicht als krankheitswertig einzustufen. Wegen der orthopädischerseits untersuchten Rückenschmerzen werde der Klägerin in Auswertung des Röntenbefundes angesichts ihrer Körpergröße (154 cm) insgesamt Gewichtsreduktion empfohlen. Zur Unterstützung und auch zum Ausgleich der Dysbalance der Bauchmuskulatur würden gutachterlich entsprechende physiotherapeutische Behandlungen als sinnvoll angesehen.
Mit der am 26.10.1998 beim Sozialgericht Dresden (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr auf Übernahme der Kosten für eine plastische Bauchdeckenoperation gerichtetes Begehren weiter verfolgt. Sie hat vorgetragen, dass ihr Bauchumfang weiter zunehme, obwohl sie viel Bewegung habe (tägliche Gymnastik, Treppensteigen, gesunde Kost). Ihre persönliche Bewegungsfreiheit sei dadurch stark eingeschränkt. Die Beziehung zu ihrem Partner habe bereits sehr gelitten. Ein Psychologe könne ihr nicht helfen, dass der Bauch verschwinde. Im persönlichen Gespräch mit ihren Ärzten sei ihr gesagt worden, dass es (die plastische Bauchdeckenoperation) gemacht werden müsse, besser heute als morgen. Nach einem Bericht aus der Zeitschrift "Neue Woche" träten bei Frauen mit einer Taille von mehr als 88 cm eher Krankheiten auf. Ihr Umfang betrage zur Zeit 114 cm.
Das SG hat zur Ermittlung des medizinischen Sachverhaltes Befundberichte von Dr. K ..., von Dipl-Med. B ..., dem weitere Untersuchungsbefunde beilagen, und von Dr. G ..., Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, eingeholt. Nach Auskunft von Dipl.-Med. B ... leidet die Klägerin neben einer Fettleber unter degenerativen Wirbelsäulenveränderungen. Die durch sie erfolgte Verordnung der Bauchdeckenplastik sei auf Empfehlung der behandelnden Gynäkologin erfolgt. Die Klägerin leide psychisch unter ihrem Bauch, der immer dicker werde. Organisch bestehe ansonsten kein Krankheitswert. Allein durch Diät und Sport könne die schlaffe Bauchdecke nicht beseitigt werden. Dr. G ... schloss eine Ascitesbildung (Bauchwassersucht) aus. Dem Zustand der Bauchdecke der Klägerin komme kein Krankheitswert zu. Allerdings sei der Leidensdruck groß. Die Patientin leide seelisch unter ihrem Aussehen. Nach Auffassung von Dr. K ... stelle die erhebliche Fettschürze eine kosmetische Beeinträchtigung dar, die bei der Klägerin zu psychischen Problemen führe. Die rein diätische Gewichtsreduktion würde an der Bauchdeckenschlaffheit nichts ändern, so dass zur Beseitigung allein der operative Eingriff erforderlich sei.
Das SG hat Beweis erhoben und ein Gutachten auf orthopädischem Fachgebiet von Prof. Dr. F ... vom 06.09.1999 eingeholt. Dieser stellte bei der Klägerin eine schwere links-konvexe Skoliose der Lendenwirbelsäule seit Kindheit bzw. Jugend fest. Die Fettschürze stehe teilweise mit der Lumbalskoliose in Beziehung. Die Klägerin weise einen kurzen Rumpf auf, wodurch die Bauchweichteile fußwärts wanderten. Darüber hinaus liege ein abnormes Fettverteilungsmuster vor. Die Fettschürze an sich habe durch ihr Gewicht durchaus einen Krankheitswert für die Schmerzsyndrome der Lendenwirbelsäule. Sie ziehe die unteren Lendensegmente in eine Lordosehaltung hinein und führe zur Überlastung der durch die Skoliose bereits erheblich geschädigten unteren Lendenbandscheiben. Da der Prozess diätisch nicht beeinflusst werden könne, ergebe sich eine echte Indikation zur operativen Entfernung der Fettschürze aus orthopädischer Sicht. Eingriffe an der Wirbelsäule seien vorläufig bei der Klägerin nicht indiziert. Die Bauchdeckenplastik könne zur Abwendung solcher großen operativen Eingriffe an der Wirbelsäule beitragen. Auf das Gutachten von Prof. Dr. F ... im Übrigen (Bl. 78-85 SG-Akte) wird Bezug genommen. Die Beklagte hat zu dem Gutachten Stellung genommen. Der Sachverhalt der Diäteinhaltung sei für die Beklagte nicht logisch nachvollziehbar, da das Körpergewicht der Klägerin im Gutachten des MDK vom 30.04.1998 mit 70,3 kg angegeben worden sei und der gerichtlich bestellte Gutachter nach knapp 1 1/2 Jahren 74 kg festgestellt habe. Die Klägerin sollte unbedingt den von der Beklagten angebotenen Ernährungskurs in Anspruch nehmen, um in Kombination mit einem Herz-Kreislauf-Training ihr Körpergewicht langfristig zu reduzieren und zu stabilisieren bei gleichzeitiger Kreislaufentlastung.
Das SG hat auf mündliche Verhandlung mit Urteil vom 16.12.1999 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.05.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.10.1998 verurteilt, die entstehenden Kosten für eine plastische Baudeckenoperation der Klägerin sowie die hierfür notwendigen Kosten für Krankenhausaufenthalt und Krankenbehandlung zu übernehmen. Zur Begründung hat sich das SG auf das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen gestützt. Danach komme der Fettschürze Krankheitswert für die Lendenwirbelsäule zu. Diätisch könne der Prozess nicht beeinflusst werden, eine echte Indikation zur operativen Entfernung der Fettschürze bestehe.
Die Beklagte hat gegen das Urteil, das ihr am 01.03.2000 zugestellt worden war, am 22.03.2000 Berufung eingelegt. Der Sachverhalt sei unzureichend aufgeklärt. Es sei abzuklären, ob die Gewichtszunahme und die Fettvermehrung durch eine Stoffwechselstörung verursacht werde. Außerdem wäre zu eruieren, wie die orthopädische Grunderkrankung (Torsionsskoliose im Lendenwirbelbereich) in schulmedizinischem Sinne günstig, d.h. schmerzlindernd beeinflusst werden könne, bevor als letztes Mittel die reduzierende Operation eines anderen Organes (Bauch) in Betracht komme.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16.12.1999 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienene und nicht vertretene Klägerin beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, dass eine Ernährungsumstellung für sie nicht in Frage käme, da durch ihre behandelnden Ärzte sowie in dem Gutachten und den Befundberichten festgestellt worden sei, dass durch Sport und Diät allein sich an ihrer Bauchdecke nichts ändere. Sie habe schon mehrere Diäten versucht und an Sport fehle es auch nicht. Psychotherapeutische Behandlungen unternehme sie nicht, da dadurch weder die Fettschürzen noch die Rückenbeschwerden beseitigt würden. Auch sei eine solche Behandlung kaum für ihren Partner von Nutzen. Hin und wieder bekomme sie zur Minderung der Rückenbeschwerden "Mikrowelle", schmerzstillende Salben besorge sie sich selbst.
Der Senat hat in weiterer Sachverhaltsermittlung einen Befundbericht von Dr. K ..., von Dipl.-Med. B ... und von Dr. G ... sowie eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. F ... und eine Auskunft von Prof. Dr. D ... ,Chefarzt der Chirurgischen Klinik des Städtischen Krankenhauses D ..., eingeholt. Prof. Dr. F ... hat ausgeführt, dass bei der Klägerin ein Typ der Fettverteilung vorliege, bei dem das Fett überwiegend in der Bauchhaut angesiedelt sei. Dieses Verteilungsmuster des Fettgewebes sei zum Teil genetisch gesteuert, zum Teil durch überwiegend hormonelle Krankheiten bzw. Varianten der normalen Regulation gesteuert. Die Klägerin habe in der Anamnese angegeben, dass trotz Einhaltung von Diät kein Rückgang des Fettgewebes im Bauchbereich festzustellen gewesen sei. Dieser Umstand sei aus ärztlicher Erfahrung bekannt. Das vorgegebene Fettverteilungsmuster werde unter dem Regime einer Diät in der Regel beibehalten, d.h. im vorliegenden Falle verschwänden zunächst überwiegend die anderen Fettdepots und zuletzt werde erst das Fett in der Bauchhaut abgebaut. Als Teilursache für die Fettvermehrung komme durchaus eine Stoffwechselstörung in Betracht. Es bestünden aber nur geringe Aussichten, diese Stoffwechselstörungen medizinisch näher zu klassifizieren und noch geringere Aussichten, über entsprechende Diagnostik ein wirksames Behandlungsverfahren auf dieser Grundlage anwenden zu können. Nach Auskunft von Prof. Dr. D ... sei die stationäre Aufnahme der Klägerin zu einer Fettschürzenplastik geplant gewesen. Bei der Begutachtung der Klägerin habe sich jedoch herausgestellt, dass für eine Fettschürzenplastik keine Indikation bestehe. Wegen der allgemeinen Adipositas sei der Klägerin eine eventuelle Fettabsaugung angeraten worden.
Die Beklagte hat im Hinblick auf die ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. F ... vorgetragen, dass beim Vorliegen eines genetisch gesteuerten Typs der Fettverteilung anzunehmen sei, dass über einen längeren postoperativen Zeitraum eine analoge Situation eintrete, wie sie jetzt zu verzeichnen sei, d.h. die operative Lösung wäre annehmbar nur zeitweilig erfolgreich. Beim Vorliegen einer überwiegend hormonellen (unbehandelten Krankheit) sei dies gleichfalls zu erwarten. Außerdem bleibe zu bedenken, dass der angestrebte operative Eingriff die erschlaffenden Bauchdecken der Klägerin zusätzlich negativ beeinflussten.
Der Senat hat Beweis erhoben und ein medizinisches Sachverständigengutachten durch Prof. Dr. K ..., Facharzt für Chirurgie, eingeholt. Dieser kam in seinem Gutachten vom 18.06.2001 zu dem Ergebnis, dass die bei der Klägerin vorhandene Fettschürze am Bauch keinen Befund von Krankheitswert darstelle. Eine Hautfalte mit subkutanem Fettgewebe sei bei der Klägerin nicht vorhanden. Die Bauchhaut sei reizlos, nicht gerötet und nicht ekzematös verändert. Die gesamte im Stand sich markierende Haut-Subkutangewebefalte habe ein geschätztes Gesamtgewicht von 1,5 kg. Das großflächig verteilte Gewicht der überhängenden Bauchwandfalte führe nicht zu einer zusätzlichen statischen Belastung der vorgeschädigten Wirbelsäule. Eine Gewichtsreduzierung von 10 bis 15 kg sei zur Beseitigung der Belastungsatemnot und zur Mengenreduzierung der intraabdominalen Bauchfellfalte notwendig. Eine Fettabsaugung der subkutanen Fettschicht in der gesamten Bauchwand über dem Beckenknochen sei technisch nicht durchführbar. Eine isolierte Absaugung der Subkutan-Schicht im Unterbauch verkleinere nicht die Hautfalte, sondern mache die herabhängende Hautfalte kosmetisch visuell störend. Eine weitere internistische Begutachtung sei nicht notwendig. Auf das Gutachten im Übrigen (Bl. 85-97 LSG-Akte) wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit der ordnungsgemäß geladenen Klägerin verhandeln und entscheiden (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten (§§ 143, 151 SGG) ist zulässig und erweist sich auch in der Sache als begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht zur Kostenübernahme einer plastischen Bauchdeckenoperation verurteilt. Der angefochtene Bescheid vom 05.05.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.10.1998 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Beklagte hat zutreffend einen Anspruch der Klägerin verneint.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Bauchdeckenplastik als Sach- oder Dienstleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. § 2 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch -SGB V-). Nach § 27 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. die ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie, die Versorgung mit Arzneien, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie die Krankenhausbehandlung (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Krankheit im Sinne des SGB V ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der entweder Behandlungsbedürftigkeit oder - zugleich oder allein - Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. u. a. BSGE 33, 202, 203; 35, 10, 12; 59, 119, 121; Urteil vom 30.09.1999 Az. B 8 KN 9/98 KR R). Als "regelwidrig" ist dabei ein Zustand anzusehen, der von der Norm, vom Leitbild des gesunden Menschen, der zur Ausübung normaler körperlicher oder psychischer Funktionen in der Lage ist, abweicht (BSGE 26, 240, 242; 59, 119, 120 m.w.N.).
Behandlungsbedürftigkeit liegt vor, wenn der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand ohne ärztliche Hilfe nicht mit Aussicht auf Erfolg behoben, mindestens aber gebessert oder vor Behandlung erforderlich ist, um Schmerzen oder sonstige Beschwerden zu lindern (BSGE 35, 10, 12). Dabei setzt Behandlungsbedürftigkeit Behandlungsfähigkeit voraus, d.h. die Möglichkeit, dass durch die Behandlung die Beschwerden und Schmerzen gelindert werden.
Nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die bei der Klägerin vorhandene Fettschürze keinen Befund von Krankheitswert darstellt. Der Senat stützt sich insbesondere auf die schlüssigen und überzeugenden Festlegungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. K ... Danach bestehen bei der Klägerin insgesamt stärkere subkutane Fettansammlungen zirkulär zwischen unterem Rippenbogen und Symphyse, eine ausgeprägte Rektusdiastase und im Stehen eine 3,5 cm überhängende Hautfalte am Oberbauch ohne Krankheitswert. Die überhängende Hautfalte hat ein geschätztes Gewicht von 1,5 kg. Ihr großflächig verteiltes Gewicht führt zu keiner zusätzlichen statischen Belastung der vorgeschädigten Wirbelsäule. Auch gab die Klägerin keine wesentlichen Beschwerden an, die durch diese Hautfalte verursacht werden würden. Die geklagten Bauchbeschwerden im Stehen, beim Bücken, beim Aufrichten werden hauptsächlich durch das Auseinanderweichen der Mittellinie im Oberbauch (Rektusdiastase) und Vorlagern von Anteilen des fettreichen großen Netzes im Diastasenbereich am mittleren Oberbauch hervorgerufen. Die Belastungsdyspnoe (Kurzatmigkeit) ist wesentlich durch das Übergewicht bedingt. Die Rückenbeschwerden werden durch die anlagebedingte Verformung der Wirbelsäule hervorgerufen. Auf Grund dessen besteht keine medizinische Indikation zur Exzision der sich nur im Stehen ausbildenden, relativ geringen Haut-Subkutanfalte. Die Feststellungen von Prof. Dr. K ... werden im Ergebnis durch die Gutachter des MDK und die behandelnden Ärzte bestätigt. Auch nach deren Einschätzung hat der Zustand der Bauchdecke keinen Krankheitswert. Vielmehr handelt es sich nach den Feststellungen von Dr. K ... um eine kosmetische Beeinträchtigung, die bei der Klägerin zu psychischen Problemen führt. Dies wird durch Dipl.-Med. B ..., Dr. G ... und auch durch die Klägerin selbst bestätigt, wonach die Klägerin seelisch unter ihrem Aussehen leidet und es auf Grund dessen zu Partnerschaftskonflikten kommt. Der Senat konnte dahingestellt lassen, ob das durch die Fettschürze hervorgerufene seelische Leiden der Klägerin bereits zu einer krankhaften psychischen Störung geführt hat. Denn es fällt nicht unter die Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, ein körperliches Erscheinungsbild, das objektiv im Falle der Klägerin durchaus in einem optischen Normbereich liegt, durch operative Eingriffe zu verändern. Krankheitsbedingt indiziert ist hierfür vielmehr eine psychiatrische und insbesondere psychotherapeutische Behandlung (vgl. BSGE 72, 96, 98 f.).
Soweit Prof. Dr. F ... der Fettschürze auf Grund ihres Gewichts einen Krankheitswert für die Schmerzsyndrome der Lendenwirbelsäule zuerkennt, hält dies der Senat bei einem Gesamtgewicht der Hautfalte von ca. 1,5 kg bei allgemein bestehender Adipositas auf der Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. K ... für nicht überzeugend, zumal alle der im Verfahren gehörten Chirurgen, denen ein entsprechender Eingriff obliegt, eine Bauchdeckenplastik für medizinisch nicht indiziert halten. Prof. Dr. K ... führt vielmehr in seinem Gutachten aus, dass die Indikation zur Durchführung einer Bauchdeckenplastik eine Fettschürze mit chronischer Infektion unter dem überhängenden Gewebe sei oder bei Patienten durchgeführt werde, bei denen die Arbeitsfähigkeit durch extreme Formen gemindert sei. Eine derartige Indikation liegt indes bei der Klägerin nicht vor. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. K ... war die Bauchhaut reizlos, nicht gerötet und nicht exzematös. Eine extreme Form der Fettschürze liegt nach den Feststellungen von Prof. Dr. K ... nicht vor. Dies hält der Senat angesichts einer Gesamtdicke der Hautfalte von 3,5 cm und einer Faltenlänge von 3,5 cm für schlüssig.
Da die von der Klägerin vorgetragenen Beschwerden nicht durch die herabhängende Bauchfalte verursacht werden, hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung einer plastischen Operation der Bauchdecke. Vielmehr hält der Senat auf der Grundlage der Ausführungen von Dipl.-Med. R ... physiotherapeutische Maßnahmen zur Beseitigung der Dysbalance der Bauchmuskulatur sowie entsprechend der Einschätzung von Dr. M ... und Prof. Dr. K ... eine allgemeine Gewichtsreduzierung, die mit Hilfe des von der Beklagten bereits angebotenen Ernährungskurses in Verbindung mit einem Herz-Kreislauf-Training erfolgen sollte, sowie die Verordnung einer Leibbinde gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V für notwendig, aber auch ausreichend zur Behandlung der geklagten Bauchbeschwerden sowie der Belastungsdyspnoe.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für eine plastische Bauchdeckenoperation.
Der am ... geborenen, bei der Beklagten krankenversicherten Klägerin verordnete zunächst am 19.06.1997 der behandelnde Chirurg Dr. K ... eine Bauchdeckenplastik auf Grund bestehender Fettschürze mit rezidivierenden Intertrigo (Wundsein) und Candidamykose (Infektion durch Sprosspilze der Gattung Candida). Die Beklagte ließ die Klägerin durch Dipl.-Med. R ... vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung im Freistaat Sachsen (MDK) gutachterlich untersuchen. Dieser stellte bei der Klägerin ein ca. 3 cm überhängenden Bauchlappen fest. Es hätten keine Hautmazerationen (Hauterweichungen) bestanden. Die geklagten Rückenbeschwerden könnten im Zusammenhang mit einer Dysbalance der Bauchmuskulatur stehen, entsprechende physiotherapeutische Behandlungen brächten hier Abhilfe. Sowohl der Bauchumfang, d.h. die örtlich begrenzte Fettgewebsvermehrung, als auch die Bauchdeckenptose (Bauchdeckensenkung) stellten keinen Befund mit Krankheitswert dar. Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14.08.1997 den Antrag der Klägerin ab.
Am 30.03.1998 bat die Klägerin um nochmalige Überprüfung ihres Antrages auf stationäre Krankenhausbehandlung zur Bauchdeckenplastik und legte eine entsprechende Verordnung von Dipl.-Med. B ..., Fachärztin für Allgemeinmedizin, vor. Die Klägerin trug vor, dass sie - leider ohne Erfolg - versucht habe, durch mehrmalige tägliche Gymnastik und Treppensteigen "in vier Etagen" sowie viele Laufereien ihren Gesundheitszustand zu verbessern. Die Beklagte holte ein weiteres Gutachten vom MDK ein. Dr. M ..., MDK, konnte die vom behandelnden Chirurgen 06/97 attestierten Erkrankungen nicht bestätigen. Eine hautärztliche Behandlung wegen möglicher Hautveränderungen oder bei Hautläsionen wegen bestehender Striae gravidarum und bei subcutaner Fettvermehrung und Bauchhautschlaffheit seien bisher nicht notwendig gewesen. Nach Untersuchungsbefund und körperlichem Erscheinungsbild stelle die besondere Bauchform bei der Klägerin keine von der Norm abweichende Körperstruktur dar, insbesondere habe diese Konstitution keinen Krankheitswert. Eine Gewichtsreduktion sei die zu empfehlende Therapie. Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 05.05.1998 ab.
Hiergegen legte die Klägerin am 26.05.1998 Widerspruch ein. Dr. M ... habe ihr im persönlichen Gespräch gesagt, er halte eine OP für nötig. Es liege nur an der Kostenübernahme durch die Krankenkasse. Auch weitere Ärzte (Frauenarzt, Allgemein- Arzt, Chirurg) hätten eine Bauchdeckenplastik befürwortet. Durch die Bauchform habe sie Probleme in ihrer Beweglichkeit sowie im familiären Verhältnis zu ihrem Partner. Ihr persönliches Wohlbefinden sei dadurch sehr gestört. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 01.10.1998 zurück. Im Ergebnis beider gutachterlicher Untersuchungen stelle nach dem körperlichen Erscheinungsbild der Klägerin die besondere Bauchform keine von der Norm abweichende Körperstruktur dar und sei vor allem nicht als krankheitswertig einzustufen. Wegen der orthopädischerseits untersuchten Rückenschmerzen werde der Klägerin in Auswertung des Röntenbefundes angesichts ihrer Körpergröße (154 cm) insgesamt Gewichtsreduktion empfohlen. Zur Unterstützung und auch zum Ausgleich der Dysbalance der Bauchmuskulatur würden gutachterlich entsprechende physiotherapeutische Behandlungen als sinnvoll angesehen.
Mit der am 26.10.1998 beim Sozialgericht Dresden (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr auf Übernahme der Kosten für eine plastische Bauchdeckenoperation gerichtetes Begehren weiter verfolgt. Sie hat vorgetragen, dass ihr Bauchumfang weiter zunehme, obwohl sie viel Bewegung habe (tägliche Gymnastik, Treppensteigen, gesunde Kost). Ihre persönliche Bewegungsfreiheit sei dadurch stark eingeschränkt. Die Beziehung zu ihrem Partner habe bereits sehr gelitten. Ein Psychologe könne ihr nicht helfen, dass der Bauch verschwinde. Im persönlichen Gespräch mit ihren Ärzten sei ihr gesagt worden, dass es (die plastische Bauchdeckenoperation) gemacht werden müsse, besser heute als morgen. Nach einem Bericht aus der Zeitschrift "Neue Woche" träten bei Frauen mit einer Taille von mehr als 88 cm eher Krankheiten auf. Ihr Umfang betrage zur Zeit 114 cm.
Das SG hat zur Ermittlung des medizinischen Sachverhaltes Befundberichte von Dr. K ..., von Dipl-Med. B ..., dem weitere Untersuchungsbefunde beilagen, und von Dr. G ..., Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, eingeholt. Nach Auskunft von Dipl.-Med. B ... leidet die Klägerin neben einer Fettleber unter degenerativen Wirbelsäulenveränderungen. Die durch sie erfolgte Verordnung der Bauchdeckenplastik sei auf Empfehlung der behandelnden Gynäkologin erfolgt. Die Klägerin leide psychisch unter ihrem Bauch, der immer dicker werde. Organisch bestehe ansonsten kein Krankheitswert. Allein durch Diät und Sport könne die schlaffe Bauchdecke nicht beseitigt werden. Dr. G ... schloss eine Ascitesbildung (Bauchwassersucht) aus. Dem Zustand der Bauchdecke der Klägerin komme kein Krankheitswert zu. Allerdings sei der Leidensdruck groß. Die Patientin leide seelisch unter ihrem Aussehen. Nach Auffassung von Dr. K ... stelle die erhebliche Fettschürze eine kosmetische Beeinträchtigung dar, die bei der Klägerin zu psychischen Problemen führe. Die rein diätische Gewichtsreduktion würde an der Bauchdeckenschlaffheit nichts ändern, so dass zur Beseitigung allein der operative Eingriff erforderlich sei.
Das SG hat Beweis erhoben und ein Gutachten auf orthopädischem Fachgebiet von Prof. Dr. F ... vom 06.09.1999 eingeholt. Dieser stellte bei der Klägerin eine schwere links-konvexe Skoliose der Lendenwirbelsäule seit Kindheit bzw. Jugend fest. Die Fettschürze stehe teilweise mit der Lumbalskoliose in Beziehung. Die Klägerin weise einen kurzen Rumpf auf, wodurch die Bauchweichteile fußwärts wanderten. Darüber hinaus liege ein abnormes Fettverteilungsmuster vor. Die Fettschürze an sich habe durch ihr Gewicht durchaus einen Krankheitswert für die Schmerzsyndrome der Lendenwirbelsäule. Sie ziehe die unteren Lendensegmente in eine Lordosehaltung hinein und führe zur Überlastung der durch die Skoliose bereits erheblich geschädigten unteren Lendenbandscheiben. Da der Prozess diätisch nicht beeinflusst werden könne, ergebe sich eine echte Indikation zur operativen Entfernung der Fettschürze aus orthopädischer Sicht. Eingriffe an der Wirbelsäule seien vorläufig bei der Klägerin nicht indiziert. Die Bauchdeckenplastik könne zur Abwendung solcher großen operativen Eingriffe an der Wirbelsäule beitragen. Auf das Gutachten von Prof. Dr. F ... im Übrigen (Bl. 78-85 SG-Akte) wird Bezug genommen. Die Beklagte hat zu dem Gutachten Stellung genommen. Der Sachverhalt der Diäteinhaltung sei für die Beklagte nicht logisch nachvollziehbar, da das Körpergewicht der Klägerin im Gutachten des MDK vom 30.04.1998 mit 70,3 kg angegeben worden sei und der gerichtlich bestellte Gutachter nach knapp 1 1/2 Jahren 74 kg festgestellt habe. Die Klägerin sollte unbedingt den von der Beklagten angebotenen Ernährungskurs in Anspruch nehmen, um in Kombination mit einem Herz-Kreislauf-Training ihr Körpergewicht langfristig zu reduzieren und zu stabilisieren bei gleichzeitiger Kreislaufentlastung.
Das SG hat auf mündliche Verhandlung mit Urteil vom 16.12.1999 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.05.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.10.1998 verurteilt, die entstehenden Kosten für eine plastische Baudeckenoperation der Klägerin sowie die hierfür notwendigen Kosten für Krankenhausaufenthalt und Krankenbehandlung zu übernehmen. Zur Begründung hat sich das SG auf das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen gestützt. Danach komme der Fettschürze Krankheitswert für die Lendenwirbelsäule zu. Diätisch könne der Prozess nicht beeinflusst werden, eine echte Indikation zur operativen Entfernung der Fettschürze bestehe.
Die Beklagte hat gegen das Urteil, das ihr am 01.03.2000 zugestellt worden war, am 22.03.2000 Berufung eingelegt. Der Sachverhalt sei unzureichend aufgeklärt. Es sei abzuklären, ob die Gewichtszunahme und die Fettvermehrung durch eine Stoffwechselstörung verursacht werde. Außerdem wäre zu eruieren, wie die orthopädische Grunderkrankung (Torsionsskoliose im Lendenwirbelbereich) in schulmedizinischem Sinne günstig, d.h. schmerzlindernd beeinflusst werden könne, bevor als letztes Mittel die reduzierende Operation eines anderen Organes (Bauch) in Betracht komme.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16.12.1999 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienene und nicht vertretene Klägerin beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, dass eine Ernährungsumstellung für sie nicht in Frage käme, da durch ihre behandelnden Ärzte sowie in dem Gutachten und den Befundberichten festgestellt worden sei, dass durch Sport und Diät allein sich an ihrer Bauchdecke nichts ändere. Sie habe schon mehrere Diäten versucht und an Sport fehle es auch nicht. Psychotherapeutische Behandlungen unternehme sie nicht, da dadurch weder die Fettschürzen noch die Rückenbeschwerden beseitigt würden. Auch sei eine solche Behandlung kaum für ihren Partner von Nutzen. Hin und wieder bekomme sie zur Minderung der Rückenbeschwerden "Mikrowelle", schmerzstillende Salben besorge sie sich selbst.
Der Senat hat in weiterer Sachverhaltsermittlung einen Befundbericht von Dr. K ..., von Dipl.-Med. B ... und von Dr. G ... sowie eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. F ... und eine Auskunft von Prof. Dr. D ... ,Chefarzt der Chirurgischen Klinik des Städtischen Krankenhauses D ..., eingeholt. Prof. Dr. F ... hat ausgeführt, dass bei der Klägerin ein Typ der Fettverteilung vorliege, bei dem das Fett überwiegend in der Bauchhaut angesiedelt sei. Dieses Verteilungsmuster des Fettgewebes sei zum Teil genetisch gesteuert, zum Teil durch überwiegend hormonelle Krankheiten bzw. Varianten der normalen Regulation gesteuert. Die Klägerin habe in der Anamnese angegeben, dass trotz Einhaltung von Diät kein Rückgang des Fettgewebes im Bauchbereich festzustellen gewesen sei. Dieser Umstand sei aus ärztlicher Erfahrung bekannt. Das vorgegebene Fettverteilungsmuster werde unter dem Regime einer Diät in der Regel beibehalten, d.h. im vorliegenden Falle verschwänden zunächst überwiegend die anderen Fettdepots und zuletzt werde erst das Fett in der Bauchhaut abgebaut. Als Teilursache für die Fettvermehrung komme durchaus eine Stoffwechselstörung in Betracht. Es bestünden aber nur geringe Aussichten, diese Stoffwechselstörungen medizinisch näher zu klassifizieren und noch geringere Aussichten, über entsprechende Diagnostik ein wirksames Behandlungsverfahren auf dieser Grundlage anwenden zu können. Nach Auskunft von Prof. Dr. D ... sei die stationäre Aufnahme der Klägerin zu einer Fettschürzenplastik geplant gewesen. Bei der Begutachtung der Klägerin habe sich jedoch herausgestellt, dass für eine Fettschürzenplastik keine Indikation bestehe. Wegen der allgemeinen Adipositas sei der Klägerin eine eventuelle Fettabsaugung angeraten worden.
Die Beklagte hat im Hinblick auf die ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. F ... vorgetragen, dass beim Vorliegen eines genetisch gesteuerten Typs der Fettverteilung anzunehmen sei, dass über einen längeren postoperativen Zeitraum eine analoge Situation eintrete, wie sie jetzt zu verzeichnen sei, d.h. die operative Lösung wäre annehmbar nur zeitweilig erfolgreich. Beim Vorliegen einer überwiegend hormonellen (unbehandelten Krankheit) sei dies gleichfalls zu erwarten. Außerdem bleibe zu bedenken, dass der angestrebte operative Eingriff die erschlaffenden Bauchdecken der Klägerin zusätzlich negativ beeinflussten.
Der Senat hat Beweis erhoben und ein medizinisches Sachverständigengutachten durch Prof. Dr. K ..., Facharzt für Chirurgie, eingeholt. Dieser kam in seinem Gutachten vom 18.06.2001 zu dem Ergebnis, dass die bei der Klägerin vorhandene Fettschürze am Bauch keinen Befund von Krankheitswert darstelle. Eine Hautfalte mit subkutanem Fettgewebe sei bei der Klägerin nicht vorhanden. Die Bauchhaut sei reizlos, nicht gerötet und nicht ekzematös verändert. Die gesamte im Stand sich markierende Haut-Subkutangewebefalte habe ein geschätztes Gesamtgewicht von 1,5 kg. Das großflächig verteilte Gewicht der überhängenden Bauchwandfalte führe nicht zu einer zusätzlichen statischen Belastung der vorgeschädigten Wirbelsäule. Eine Gewichtsreduzierung von 10 bis 15 kg sei zur Beseitigung der Belastungsatemnot und zur Mengenreduzierung der intraabdominalen Bauchfellfalte notwendig. Eine Fettabsaugung der subkutanen Fettschicht in der gesamten Bauchwand über dem Beckenknochen sei technisch nicht durchführbar. Eine isolierte Absaugung der Subkutan-Schicht im Unterbauch verkleinere nicht die Hautfalte, sondern mache die herabhängende Hautfalte kosmetisch visuell störend. Eine weitere internistische Begutachtung sei nicht notwendig. Auf das Gutachten im Übrigen (Bl. 85-97 LSG-Akte) wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit der ordnungsgemäß geladenen Klägerin verhandeln und entscheiden (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten (§§ 143, 151 SGG) ist zulässig und erweist sich auch in der Sache als begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht zur Kostenübernahme einer plastischen Bauchdeckenoperation verurteilt. Der angefochtene Bescheid vom 05.05.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.10.1998 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Beklagte hat zutreffend einen Anspruch der Klägerin verneint.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Bauchdeckenplastik als Sach- oder Dienstleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. § 2 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch -SGB V-). Nach § 27 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. die ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie, die Versorgung mit Arzneien, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie die Krankenhausbehandlung (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Krankheit im Sinne des SGB V ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der entweder Behandlungsbedürftigkeit oder - zugleich oder allein - Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. u. a. BSGE 33, 202, 203; 35, 10, 12; 59, 119, 121; Urteil vom 30.09.1999 Az. B 8 KN 9/98 KR R). Als "regelwidrig" ist dabei ein Zustand anzusehen, der von der Norm, vom Leitbild des gesunden Menschen, der zur Ausübung normaler körperlicher oder psychischer Funktionen in der Lage ist, abweicht (BSGE 26, 240, 242; 59, 119, 120 m.w.N.).
Behandlungsbedürftigkeit liegt vor, wenn der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand ohne ärztliche Hilfe nicht mit Aussicht auf Erfolg behoben, mindestens aber gebessert oder vor Behandlung erforderlich ist, um Schmerzen oder sonstige Beschwerden zu lindern (BSGE 35, 10, 12). Dabei setzt Behandlungsbedürftigkeit Behandlungsfähigkeit voraus, d.h. die Möglichkeit, dass durch die Behandlung die Beschwerden und Schmerzen gelindert werden.
Nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die bei der Klägerin vorhandene Fettschürze keinen Befund von Krankheitswert darstellt. Der Senat stützt sich insbesondere auf die schlüssigen und überzeugenden Festlegungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. K ... Danach bestehen bei der Klägerin insgesamt stärkere subkutane Fettansammlungen zirkulär zwischen unterem Rippenbogen und Symphyse, eine ausgeprägte Rektusdiastase und im Stehen eine 3,5 cm überhängende Hautfalte am Oberbauch ohne Krankheitswert. Die überhängende Hautfalte hat ein geschätztes Gewicht von 1,5 kg. Ihr großflächig verteiltes Gewicht führt zu keiner zusätzlichen statischen Belastung der vorgeschädigten Wirbelsäule. Auch gab die Klägerin keine wesentlichen Beschwerden an, die durch diese Hautfalte verursacht werden würden. Die geklagten Bauchbeschwerden im Stehen, beim Bücken, beim Aufrichten werden hauptsächlich durch das Auseinanderweichen der Mittellinie im Oberbauch (Rektusdiastase) und Vorlagern von Anteilen des fettreichen großen Netzes im Diastasenbereich am mittleren Oberbauch hervorgerufen. Die Belastungsdyspnoe (Kurzatmigkeit) ist wesentlich durch das Übergewicht bedingt. Die Rückenbeschwerden werden durch die anlagebedingte Verformung der Wirbelsäule hervorgerufen. Auf Grund dessen besteht keine medizinische Indikation zur Exzision der sich nur im Stehen ausbildenden, relativ geringen Haut-Subkutanfalte. Die Feststellungen von Prof. Dr. K ... werden im Ergebnis durch die Gutachter des MDK und die behandelnden Ärzte bestätigt. Auch nach deren Einschätzung hat der Zustand der Bauchdecke keinen Krankheitswert. Vielmehr handelt es sich nach den Feststellungen von Dr. K ... um eine kosmetische Beeinträchtigung, die bei der Klägerin zu psychischen Problemen führt. Dies wird durch Dipl.-Med. B ..., Dr. G ... und auch durch die Klägerin selbst bestätigt, wonach die Klägerin seelisch unter ihrem Aussehen leidet und es auf Grund dessen zu Partnerschaftskonflikten kommt. Der Senat konnte dahingestellt lassen, ob das durch die Fettschürze hervorgerufene seelische Leiden der Klägerin bereits zu einer krankhaften psychischen Störung geführt hat. Denn es fällt nicht unter die Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, ein körperliches Erscheinungsbild, das objektiv im Falle der Klägerin durchaus in einem optischen Normbereich liegt, durch operative Eingriffe zu verändern. Krankheitsbedingt indiziert ist hierfür vielmehr eine psychiatrische und insbesondere psychotherapeutische Behandlung (vgl. BSGE 72, 96, 98 f.).
Soweit Prof. Dr. F ... der Fettschürze auf Grund ihres Gewichts einen Krankheitswert für die Schmerzsyndrome der Lendenwirbelsäule zuerkennt, hält dies der Senat bei einem Gesamtgewicht der Hautfalte von ca. 1,5 kg bei allgemein bestehender Adipositas auf der Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. K ... für nicht überzeugend, zumal alle der im Verfahren gehörten Chirurgen, denen ein entsprechender Eingriff obliegt, eine Bauchdeckenplastik für medizinisch nicht indiziert halten. Prof. Dr. K ... führt vielmehr in seinem Gutachten aus, dass die Indikation zur Durchführung einer Bauchdeckenplastik eine Fettschürze mit chronischer Infektion unter dem überhängenden Gewebe sei oder bei Patienten durchgeführt werde, bei denen die Arbeitsfähigkeit durch extreme Formen gemindert sei. Eine derartige Indikation liegt indes bei der Klägerin nicht vor. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. K ... war die Bauchhaut reizlos, nicht gerötet und nicht exzematös. Eine extreme Form der Fettschürze liegt nach den Feststellungen von Prof. Dr. K ... nicht vor. Dies hält der Senat angesichts einer Gesamtdicke der Hautfalte von 3,5 cm und einer Faltenlänge von 3,5 cm für schlüssig.
Da die von der Klägerin vorgetragenen Beschwerden nicht durch die herabhängende Bauchfalte verursacht werden, hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung einer plastischen Operation der Bauchdecke. Vielmehr hält der Senat auf der Grundlage der Ausführungen von Dipl.-Med. R ... physiotherapeutische Maßnahmen zur Beseitigung der Dysbalance der Bauchmuskulatur sowie entsprechend der Einschätzung von Dr. M ... und Prof. Dr. K ... eine allgemeine Gewichtsreduzierung, die mit Hilfe des von der Beklagten bereits angebotenen Ernährungskurses in Verbindung mit einem Herz-Kreislauf-Training erfolgen sollte, sowie die Verordnung einer Leibbinde gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V für notwendig, aber auch ausreichend zur Behandlung der geklagten Bauchbeschwerden sowie der Belastungsdyspnoe.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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