L 1 RA 107/98

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 3 RA 112/96
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 RA 107/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 15. Mai 1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger als im Beitrittsgebiet selbstständig tätiger Architekt in der Zeit vom 01.01.1992 bis 20.12.1994 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag und an die Beklagte entsprechende Beiträge zu entrichten hat.

Der ... geborene Kläger übte im Beitrittsgebiet eine versicherungspflichtige Beschäftigung, zuletzt als Leitender Architekt, aus. Im März 1991 hat er sich als Architekt selbstständig gemacht. Für den Zeitraum vom 01.03.1991 bis 31.12.1991 befindet sich in seinem SV-Ausweis unter der Rubrik "Genaue Bezeichnung der Tätigkeit" der Vermerk "S", unter der Rubrik "Stempel und Unterschrift des Betriebes" der Vermerk "LVA Sachsen, Geschäftsstelle Leipzig" sowie unter der Rubrik "Beitragspflichtiger Gesamtarbeitsverdienst" der Vermerk "DM 1.482,00 RV-Beitrag". Am 04.10.1993 befand sich der Kläger bei einer Beratungsstelle der Beklagten in Leipzig. Dort wurde durch die Sachbearbeiterin der Beklagten, Frau E ..., das Antragsformular "Erstmalige freiwillige Versicherung" (Bl. 1 der Verwaltungsakte der Beklagten) mit dem Vermerk "Gilt als Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht", sowie dem Hinweis "01/92 bis 09/93 halber Regelbeitrag" versehen. Auf dem Antragsformular wurde ferner die Frage "Sind Sie in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei oder sind Sie von der Versicherungspflicht befreit?" mit "nein" beantwortet. Am 21.12.1994 ging dieses, am 19.12.1994 unterschriebene, Antragsformular bei der Beklagten ein. Die Beklagte bat den Kläger daraufhin um Übersendung eines Nachweises über den Zeitpunkt der Aufnahme und die Art der selbstständigen Tätigkeit und erinnerte mit Schreiben vom 27.06.1995 an die Übersendung der angeforderten Unterlagen. Mit Schreiben vom 11.07.1995 reichte der Kläger Kopien seiner SV-Ausweise sowie die Zulassungsurkunde der Architektenkammer Sachsen ein. Ferner bat er, "für den fraglichen Zeitraum die jeweils halben Regelbeitragssätze" zu erheben.

Mit Bescheid vom 20.09.1995 stellte die Beklagte fest, dass die Versicherungspflicht nach § 229a Abs. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) am 20.12.1994 endet. Mit weiterem Bescheid vom 20.09.1995 forderte die Beklagte den Kläger zur Zahlung des halben Regelbeitrages (8.546,36 DM) für den Zeitraum vom 01.01.1992 bis 20.12.1994 auf. Hiergegen wandte sich der Kläger zunächst telefonisch mit dem Hinweis, bereits ab 01.03.1991 freiwillige Beiträge an die LVA gezahlt zu haben. Mit schriftlichen Widerspruch vom 27.09.1995 wies er auf eine Kündigung der Mitgliedschaft vom 01.03.1991 hin, welche im Hause der LVA Sachsen (Leipzig) erfolgt sei. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 23.01.1996). Der Antrag auf Beendigung der Versicherungspflicht sei am 21.12.1994 bei der Beklagten eingegangen. Daher könne die Versicherungspflicht erst am 20.12.1994 enden. Ein Befreiungsantrag von 1991 liege nicht vor. Der Kläger habe den Nachweis des Zugangs dieses Antrages nicht erbracht. Aus der eingesandten Kopie des SV-Ausweises könne lediglich entnommen werden, dass der Kläger seit dem 01.03.1991 als Selbstständiger Pflichtbeiträge entrichtet habe.

Mit seiner am 13.02.1996 vor dem Sozialgericht Leipzig (SG) erhobenen Klage begehrte der Kläger die Beendigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 31.12.1991. Er sei nachweislich am 01.03.1991 bei der LVA, Geschäftsstelle Leipzig, vorstellig gewesen. Dort habe er ein Schriftstück unterzeichnet, womit er unter Berücksichtigung des Eintrages in seinem SV-Ausweis angenommen habe, dass die Versicherungspflicht zum 31.12.1991 ende. Darüber hinaus habe er keine Mitteilung erhalten, dass noch ein Antrag auf Beendigung gestellt werden müsste. Die Forderungen seien wegen eines Beratungsfehlers und Fehlens jeglicher Zahlungshinweise, Zahlungsaufforderungen oder Mahnungen der Beklagten ungerecht. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung (06.10.1997) erklärte der Kläger, die LVA Sachsen im Februar 1991 aufgesucht zu haben, um sich von der Versicherungspflicht zu befreien. Für den Zeitraum von März bis Dezember 1991 habe er den halben Regelbeitrag gezahlt. Ihm sei damals erläutert worden, dass dadurch die Pflichtversicherung beendet sei. Erst als er 1993 das Hinweisschreiben der Architektenkammer Sachsen erhalten habe, habe er am 04.10.1993 die Beratungsstelle der Beklagten aufgesucht, um sich mit dem Mindestbeitrag freiwillig zu versichern. Auf die Sitzungsniederschrift vom 06.10.1997 wird im Übrigen Bezug genommen (Bl. 23 ff. SG-Akte).

Das SG hat im Rahmen der Sachverhaltsermittlung eine Stellungnahme der Architektenkammer Sachsen beigezogen und die Klage mit Urteil auf mündliche Verhandlung vom 15.05.1998 abgewiesen. Zur Begründung bezog sich das SG auf § 229a Abs. 1 SGB VI. Ein Antrag des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht sei erst am 21.12.1994 bei der Beklagten eingegangen. Die Eintragung im SV-Ausweis, auf die sich der Kläger beziehe, stelle keinen wirksamen Nachweis eines Befreiungsantrags dar. Vielmehr belege dieser Eintrag nur, dass der Kläger bis 31.12.1991 an die LVA einen Rentenversicherungsbeitrag als Selbstständiger gezahlt habe. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme ebenfalls nicht in Betracht, da die Fristversäumnis nicht unverschuldet sei. Bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt wäre einem im Verwaltungsverfahren gewissenhaft Handelnden eine rechtzeitige Antragstellung zuzumuten gewesen. Auch aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch oder aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI ergebe sich kein Anspruch auf frühere Befreiung von der Versicherungspflicht.

Gegen das mit einfachem Brief vom 29.06.1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.07.1998 Berufung eingelegt. Zur Begründung verweist er erneut darauf, am 01.03.1991 bei der LVA einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt zu haben, da ansonsten dieser Termin ohne Sinn und Zweck gewesen sei. Die Mitarbeiterin habe auf ausdrückliche Frage, ob damit nun alle notwendigen Leistungen erbracht wären, um aus der Versicherungspflicht entlassen zu werden, dies ganz klar bestätigt. Auf Nachfrage des Senats erklärte der Kläger, keine Überweisungsbelege hinsichtlich der Einzahlung der 1.482,00 DM vorlegen zu können. Anlässlich der vorgetragenen Befreiung bei der LVA Sachsen habe er keine weiteren Unterlagen, bis auf den SV-Ausweis vorgelegt. Er habe dort die Überweisungsträger erhalten, das Geld bei der Bank eingezahlt und die Überweisungsträger wieder vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 15.05.1998 und die Bescheide der Beklagten vom 20.09.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.01.1996 aufzuheben und festzustellen, dass die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 31.12.1991, hilfsweise mit Ablauf des 03.10.1993 beendet worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Auf Nachfrage übersandte sie die Besucherliste der Auskunfts- und Beratungsstelle Leipzig vom 04.10.1993 sowie Probeberechnungen aus denen sich der Rentenwert unter Berücksichtigung des streitigen Zeitraumes als Pflichtbeitragszeit und/oder Zeit der freiwilligen Versicherung ergibt.

Der Senat hat Ermittlungen bei der LVA Sachsen geführt und eine schriftliche Stellungnahme der Beraterin der Beklagten, Frau E ..., eingeholt. Zu den Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte (Bl. 22 f., 45 und 107 LSG-Akte) verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und auf die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zwar wurde das Urteil des SG vom 15.05.1998 durch einfachen Brief an den Kläger übersandt, und damit entgegen § 135 SGG nicht nach den §§ 2 bis 15 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) förmlich zugestellt. Die unterlassene Zustellung bewirkt jedoch nicht die Aufhebung des Urteils, sondern lediglich, dass die Rechtsmittelfrist (§ 151 Abs. 1 SGG) nicht in Lauf gesetzt wird. Ein Verfahrensmangel, der zur Zurückverweisung der Sache führen könnte (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG,) ist nicht gegeben, da das Urteil nicht auf diesem Mangel beruhen kann.

Die Berufung hatte weder im Haupt- noch im Hilfsantrag Erfolg. Die angefochtenen Bescheide vom 20.09.1995, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.01.1996 sind rechtmäßig. Zwar hat sich der Kläger mit seinem schriftlichen Widerspruch vom 27.09.1995 nur gegen den Bescheid vom 20.09.1995 über die "Feststellung der Versicherungspflicht" und nicht ausdrücklich gegen den Bescheid gleichen Datums über die "Beendigung der Versicherungspflicht" gewandt. Ob damit ein Widerspruch auch gegen den Bescheid über die "Beendigung der Versicherungspflicht" erhoben werden sollte, ist durch Auslegung in Anwendung der in den §§ 133, 157, 242 BGB enthaltenen Grundsätze unter Berücksichtigung des Wortlauts sowie insbesondere der Begleitumstände zu ermitteln. Hier ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägers, dass er sich sowohl gegen die Feststellung des Bestehens der Versicherungspflicht bis zum 20.12.1994, als auch gegen die Feststellung des Endes der Versicherungspflicht (erst) zum 21.12.1994 wenden wollte.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der Beendigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 31.12.1991. Für den Zeitraum vom 01.01.1992 bis 20.12.1994 hat er als im Beitrittsgebiet selbstständig Tätiger die von der Beklagten geltend gemachten Pflichtbeiträge in Höhe des halben Regelbeitrages (8.546,36 DM) zu entrichten.

Der Kläger unterlag bis 20.12.1994 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht kann der Kläger frühestens zum 21.12.1994 geltend machen. Als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht kommt allein § 229a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in Betracht. Danach bleiben Personen, die am 31.12.1991 im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig waren und nicht nach §§ 1 bis 3 SGB VI versicherungspflichtig sind, in der jeweiligen Tätigkeit oder für die Zeit des jeweiligen Leistungsbezuges versicherungspflichtig (§ 229 a Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Selbständig Tätige und mitarbeitende Familienangehörige können nach § 229 a Abs. 1 Satz 2 SGB VI bis zum 31.12.1994 die Beendigung der Versicherungspflicht nach Satz 1 beantragen. Das Ende der Versicherungspflicht tritt vom 01.01.1992 an ein, wenn der Antrag bis zum 30.06.1992 gestellt wird, sonst vom Eingang des Antrages an (§ 229 a Abs. 1 Satz 3 SGB VI).

Nach § 229 a SGB VI wirkt somit eine nach dem Recht des Beitrittsgebietes begründete Versicherungspflicht, die nicht nach den §§ 1 bis 3, 229 SGB VI bestehen würde, fort und verbindet sie mit einer Beendigungsmöglichkeit. Die Regelung, die durch Art. 1 Nr. 47 Rentenüberleitungsgesetz (RÜG vom 25.07.1991, BGBl. I. S. 1605 ff.) eingefügt worden und mit dem allgemeinen Wirksamwerden des SGB VI im Beitrittsgebiet (zum 01.01.1992) in Kraft getreten ist, ergänzt die §§ 1 bis 3 SGB VI im Hinblick auf die beitrittsspezifischen Besonderheiten. Sie hat Übergangscharakter, indem sie eine nach früherem Recht begründete Rechtsposition auf das neue Recht überleitet. Die Vorschrift dient der Aufrechterhaltung des früheren versicherungsrechtlichen Status, und damit dem Schutz der Selbständigen im Beitrittsgebiet, ergänzt durch die Möglichkeit der Beendigung der Versicherungspflicht (vgl. BT-Drucks. 12/405 S. 122).

Der Kläger unterlag am 31.12.1991 noch der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Er übte nach seinen - im Übrigen unstreitigen - Angaben seit März 1991 eine selbstständige Tätigkeit im Beitrittsgebiet aus. In dieser Tätigkeit unterlag er nach § 10 Abs. 1 des "Gesetzes über die Sozialversicherung (SVG)" vom 28.06.1990 (GBl. I S. 486) i.V.m. den §§ 19, 20 der Verordnung über die Sozialversicherung bei der Staatlichen Versicherung der DDR vom 09.12.1977 (GBl. I S. 1) der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Verordnung über die Sozialversicherung vom 09.12.1977 gilt nach den im Einigungsvertrag vom 31.08.1990 (BGBl. II, S. 898, 1211) getroffenen Bestimmungen bis zum 31.12.1991 weiter (Einigungsvertrag Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 4). Nach § 10 Abs. 1 SVG sind versicherungspflichtig Personen, die Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielen, das entsprechend den Rechtsvorschriften der Beitragspflicht unterliegt, soweit in Rechtsvorschriften nichts anderes bestimmt ist. Im Beitrittsgebiet umfasste die Versicherungspflicht grundsätzlich auch alle selbständig Tätigen, die bis zum 01.08.1991 eine selbständige Tätigkeit aufgenommen hatten, sowie deren mithelfende Ehegatten. Ab 01.01.1992 blieb der Kläger in dieser Tätigkeit weiterhin versicherungspflichtig mit der Möglichkeit, bis zum 31.12.1994 auf Antrag die "fortwirkende" Versicherungspflicht zu beenden.

Es ist nicht nachgewiesen, dass der Kläger die Befreiung von der Versicherungspflicht vor dem 21.12.1994 gestellt hat. Der Antrag ist aber konstitutive Voraussetzung für eine Beendigung der Versicherungspflicht (vgl. zur ähnlichen Sachlage nach § 6 SGB VI: Gürtner in Kass.Komm. § 6 SGB VI Rdnr. 21). Der Antrag stellt eine Willenserklärung des öffentlichen Rechts dar. Auf Willenserklärungen Privater sind die Grundsätze des bürgerlichen Rechts zur Willenserklärung entsprechend anzuwenden, weil weder im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung noch sonst im Sozialversicherungsrecht, aber auch nicht im allgemeinen Verwaltungsrecht besondere Rechtsvorschriften über Willenserklärungen des öffentlichen Rechts bestehen (vgl. BSG SozR 5486 Artikel 4 § 2 Nr. 2; sowie Beschluss vom 29.01.1990, Az: 5 BJ 361/89).

Somit ist § 130 BGB entsprechend anzuwenden. Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie zugeht. Dies gilt auch, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben ist (§ 130 Abs. 3 BGB). Auch für die Beendigung der Versicherungspflicht ist der Zugang der Willenserklärung (des Antrags) maßgeblich. In Anwendung dieser Regelung hat die Beklagte zutreffend auf der Grundlage des am 21.12.1994 bei ihr eingegangenen Antrages auf Beitragszahlung ("erstmalige freiwillige Versicherung") im Hinblick auf den handschriftlichen Vermerk "Gilt als Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht" das Ende der Versicherungspflicht am 20.12.1994 festgestellt.

Demgegenüber ist nicht nachgewiesen, dass der Kläger anlässlich der Vorsprache bei der LVA Sachsen (im Februar/März 1991) einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt hat. Einzige Befreiungsmöglichkeit wäre zum damaligen Zeitpunkt, also im Jahre 1991, eine Befreiung nach § 20 SVG gewesen. Nach § 20 Abs. 1 SVG wurden in der Rentenversicherung Personen, die eine selbstständige Tätigkeit ausüben, innerhalb von fünf Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit (§ 20 Abs. 1 Satz 1 SVG). Dies galt nicht für Landwirte und für freiberufliche Künstler sowie für Handwerker, die in der Handwerksrolle eingetragen waren (§ 20 Abs. 1 Satz 2 SVG), was hier nicht einschlägig ist. Voraussetzungen für die Befreiung gemäß § 20 Abs. 1 SVG war jedoch, dass der Versicherte für sich und seine Familienangehörigen Anspruch auf gleichwertige Leistungen aus einer anderen Versicherung hatte (§ 20 Abs. 2 Satz 1 SVG). Gleichwertig waren die Leistungen, wenn die Beiträge für eine andere Versicherung mindestens dem Betrag entsprachen, der bei Versicherungspflicht von einem Arbeitseinkommen in Höhe der halben Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten gewesen wäre und auf Grund dieser Beiträge Leistungen für den Fall der verminderten Erwerbstätigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst wurden (§ 20 Abs. 2 Satz 2 SVG). Über den Antrag entschied der Versicherungsträger (§ 20 Abs. 2 Satz 3 SVG). Eine Befreiung von der Versicherungspflicht konnte somit nur bei gleichzeitiger Vorlage eines entsprechenden Versicherungsvertrages einer Lebens-/Berufsunfähigkeitsversicherung ausgesprochen werden.

Der Senat ist überzeugt, dass der Kläger im Jahr 1991 keinen entsprechenden Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt hat. Weder ist ein derartiger Antrag nachgewiesen, noch liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger die in § 20 Abs. 2 SVG genannten Voraussetzungen zur Absicherung für sich und seine Familienangehörigen getroffen hatte. Schließlich hat der Kläger selbst eingeräumt, dass er 1991 bei der vorgeblichen Befreiung bis auf seinen SV-Ausweis keine weiteren Unterlagen, also auch keine Nachweise über den Abschluss einer gleichwertigen Versicherung vorgelegt hat.

Es ist auch nicht nachgewiesen, dass der Kläger an die LVA Sachsen einen Befreiungsantrag gestellt hat. Insbesondere ergibt sich ein derartiger Nachweis nicht aus der Eintragung im SV-Ausweis des Klägers. Wie die Beklagte zu Recht ausführt, wird darin lediglich bescheinigt, dass der Kläger zu irgendeinem Zeitpunkt des Jahres 1991 als Selbstständiger ("S") bei der LVA Sachsen Beiträge zur Rentenversicherung in Höhe von 1.482,00 DM entrichtet hat. Nicht mehr und nicht weniger wird durch die Eintragung bestätigt. Insbesondere ergibt sich aus der Eintragung nicht, dass ein Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt worden ist. Auch der Vortrag des Klägers, dass der Termin bei der LVA Sachsen ohne Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht ohne Sinn und Zweck gewesen wäre, führt nicht dazu, einen Befreiungsantrag anzunehmen. Schließlich spricht ebenso viel dafür, dass der Kläger - lediglich - zur Einzahlung seiner RV-Beiträge bei der LVA vorgesprochen hat.

Der Zugang eines entsprechenden Antrages auf Befreiung oder Beendigung der Versicherungspflicht vor dem 21.12.1994 ist daher nicht nachgewiesen. Die Nichterweislichkeit des Zuganges des von ihm geltend gemachten Beendigungsantrages geht nach den Grundsätzen der auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden objektiven Beweislast, wonach derjenige die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage 1998, § 103 Rdnr. 19 f.; st. Rspr. des Sächs. LSG, vgl. nur Urteil vom 12.04.00 Az. L 4 RA 214/99, vom 17.05.00, Az. L 4 RA 217/99), zu seinen Lasten. Somit mangelt es an einem rechtzeitig gestellten Antrag des Klägers auf Beendigung der Versicherungspflicht auch für den Zeitraum ab 01.01.1992 bis 20.12.1994.

Die Angaben des Klägers, im Jahr 1991 schon einen Antrag auf Befreiung gestellt zu haben, sind darüber hinaus aus folgenden Gesichtspunkt nicht glaubhaft: In dem von ihm tatsächlich eingereichten Antragsformular ist unter der Überschrift "Freiwillige Versicherung" die Frage "Sind Sie in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei oder sind Sie von der Versicherungspflicht befreit?" mit "nein" angegeben. Diesen Antrag hat der Kläger eigenhändig unterschrieben. Er muss sich insofern den Inhalt dieses Antrages zurechnen lassen. Somit ist davon auszugehen, dass er selbst bei Antragstellung am 19.12.1994 davon ausgegangen ist, dass er bislang nicht von der Versicherungspflicht befreit ist. Zu Lasten des Klägers ist weiter sein Schreiben vom 11.07.1995 auszulegen. Danach bat er, "für den fraglichen Zeitraum" die jeweils halben Regelbeitragssätze zu erheben. Dies kann sich, ausgehend von seinem eigenen Vorbringen, nur auf den Zeitraum ab 01.01.1992 beziehen. Der Kläger ist, nach seinen eigenen Ausführungen, davon ausgegangen, für 1991 bereits sämtliche Beiträge gezahlt zu haben. Deshalb kann sich sein Vermerk, "für den fraglichen Zeitraum" lediglich auf den Zeitraum vom 01.01.1992 bis zur Befreiung beziehen. Somit ist auch der Kläger offensichtlich zum Zeitpunkt des Schreibens vom 11.07.1995 davon ausgegangen, für die Zeit ab 01.01.1992 noch Beiträge entrichten zu haben. Dem wiederholten Anliegen des Klägers auf Entrichten der halben Regelbeiträge ist die Beklagte indes mit dem Bescheid vom 20.09.1995 nachgekommen, in welchem sie den halben Regelbeitrag für den hier streitigen Zeitraum fordert.

Ein günstigeres Ergebnis lässt sich auch nicht aus § 27 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) herleiten. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Unabhängig von der Frage, ob für die in § 229a Abs. 1 Satz 3 SGB VI normierten materiell-rechtlichen Ausschlussfristen überhaupt über § 27 SGB X eine Wiedereinsetzung erfolgen kann, sind objektive Gründe, die den Kläger an der Einhaltung der gesetzlich festgelegten Frist gehindert haben, nicht ersichtlich. Auch eine Nachsichtgewährung, die sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergibt, kommt nicht in Betracht, weil derartige Erwägungen in § 27 SGB X gesetzlich konkretisiert und bei Versäumung materiell-rechtlicher Ausschlussfristen nur noch ausnahmsweise anzuwenden sind (vgl. BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 12 m. w. N.).

Der Kläger ist auch nicht in Anwendung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches (vgl. BSGE 60, 158, 164 m.w.N.) so zu stellen, als hätte er den Antrag bereits zum 01.01.1992 gestellt. Voraussetzung hierfür ist, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Pflicht zur Aufklärung, Beratung oder Auskunft verletzt hat und die Pflichtverletzung ursächlich für einen dadurch eingetretenen sozialrechtlichen Schaden ist. Hier ist schon nicht zu ersehen, dass die Beklagte die nach § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) bestehende Pflicht zur Einzelberatung verletzt hat. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte für die vom Kläger behauptete, aber nicht nachgewiesene "Falschberatung" durch die LVA Sachsen.

Auch anlässlich der Vorsprache des Klägers bei der Beklagten am 04.10.1993 ist eine Falschberatung nicht ersichtlich. Die Berufung hatte deshalb auch in ihrem Hilfsantrag keinen Erfolg. Die Beraterin der Beklagten, Frau E ..., hat dem Kläger, entsprechend seines Begehrens, einen Antrag auf Beitragszahlung im Beitrittsgebiet im Wege der freiwilligen Versicherung ausgehändigt. Sie hat hierbei auch den Vermerk "Gilt als Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht" eingefügt. Sie hat ferner für den Zeitraum "01/92 bis 09/93" den halben Regelbeitrag beantragt. Danach hat die Sachbearbeiterin der Beklagten den Antrag so vorgefertigt, wie er dem Kläger den höchstmöglichen Nutzen bringt. Sie hat nicht nur auf die für die Zukunft bestehende Möglichkeit der freiwillige Versicherung hingewiesen, sondern auch auf die offensichtlich noch bestehende Versicherungspflicht abgestellt und hierfür eine entsprechende Abhilfe vorbereitet. Dass der Kläger diesen Antrag nicht eingereicht, sondern dies erst nach Erläuterungen der Architektenkammer vorgenommen hat, ist der Beklagten nicht zuzurechnen. Da eine Falschberatung durch die Beklagte am 04.10.1993 nicht nachgewiesen ist, kommt auch keine Vorverlegung der Beendigung der Versicherungspflicht zum 03.10.1993 nicht in Betracht.

Schließlich ergibt sich ein Anspruch des Klägers auch nicht aus § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Danach werden selbstständig Tätige auf Antrag (§ 6 Abs. 2 SGB VI) von der Versicherungspflicht befreit für eine selbstständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) sind, und dort gleichwertigen Versicherungsschutz genießen. Offen bleiben kann insoweit, ob und ab wann der Kläger bei dem Versorgungswerk der Architektenkammer Sachsen Versicherungsschutz genießt, weil der Kläger aus den genannten Gründen auch bei Anwendung des § 6 SGB VI Abs. 1 einen erforderlichen Befreiungsantrag bei der Beklagten nicht vor dem 21.12.1994 gestellt hat.

Die mit Bescheid vom 20.09.1995 geltend gemachte Beitragsforderung der Beklagten ist auch nicht verwirkt. Die Verwirkung eines Rechtes, die dem Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben zuzuordnen ist (§ 242 BGB), gilt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens und beruht auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes. Zwar sind die Grundsätze der Verwirkung auch im Sozialrecht und hier insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zurückliegender Zeiten anerkannt (vgl. BSG NJW 1969, 767; BSGE 17, 173 ff., 35, 91 ff., 47, 194 ff.). Voraussetzung ist jedoch, dass zum einen die Beklagte eine längere Zeitspanne untätig blieb, und zum anderen, dass besondere Umstände vorliegen, welche die spätere Geltendmachung des Rechts unzumutbar und mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht vereinbar erscheinen lassen (BSGE 47, 194 S. 196). Hier kommt eine Verwirkung nicht in Betracht. Nachdem die Beklagte erstmals zum 04.10.1993 Kenntnis von der selbstständigen Tätigkeit des Klägers hatte, hat sie dem Kläger einen vorgefertigten Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht mit Möglichkeit zur weiteren frewilligen Versicherung ausgehändigt. Unverzüglich nach Eingang des Antrags bei der Beklagten (am 21.12.1994) und nach Vorlage der Zulassungsurkunde der Architektenkammer Sachsen (am 12.07.1995) hat sie die Beendigung der Versicherungspflicht mit Bescheid vom 20.09.1995 festgestellt und mit Bescheid gleichen Datums Versicherungsbeiträge in Höhe des halben Regelbeitrages gefordert. Somit fehlt es für eine Verwirkung bereits an der längeren Zeitspanne der Untätigkeit der Beklagten.

Danach war die Berufung zurückzuweisen. Der Kläger ist verpflichtet, für den Zeitraum vom 01.01.1992 bis 20.12.1994 die mit Bescheid vom 20.09.1995 geltend gemachten Beiträge an die Beklagte zu entrichten (§§ 165, 169 Abs. 1, 173 SGB VI). Fehler in der festgesetzten Beitragshöhe hat der Kläger weder vorgetragen, noch sind solche ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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