Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 9 RA 274/00
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 RA 175/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 31. August 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die im Sozialversicherungsausweis (SV-Ausweis) der Klägerin bescheinigten Zeiten der Pflege bei der Berechnung ihrer Rente zu berücksichtigen sind.
Am 02.07.1999 beantragte die am ... geborene Klägerin Altersrente für Frauen wegen Vollendung des 60. Lebensjahres. Im Rahmen der Kontenklärung legte sie zwei Bestätigungen zur Vorlage bei der Sozialversicherung vor, die der Rat der Gemeinde M ... St. M ... am 17.03.87 und 28.12.98 ausgestellt hatte. Es wurde bescheinigt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin in der Zeit vom 07.04. bis 31.12.87 wegen Pflege von Familienangehörigen ruhte. Weiter war im SV-Ausweis für die Zeit 01.01. - 09.09.1989 Pflege des Vaters, verstorben am 09.09 ..., eingetragen.
Mit Rentenbescheid vom 19.01.2000 gewährte die Beklagte der Klägerin eine monatliche Rente von 1.234,07 DM und eine Nachzahlung für die Monate Januar und Februar. Die bescheinigte Zeit 1987 wurde nicht, die Zeit 1989 mit den tatsächlich geleisteten Beiträgen berücksichtigt.
Mit Schreiben vom 30.01.2000 beantragte die Klägerin die Berücksichtigung der Pflegezeiten. Sie habe die Pflege übernehmen müssen. Es sei nicht möglich gewesen, die Eltern und die Schwiegermutter in einem Pflegeheim unterzubringen. Sie schilderte dabei die erheblichen Schwierigkeiten und Mühen der Pflegetätigkeit. Weiterhin legte sie ihren SV-Ausweis vor, in dem die Zeiten der Pflege ebenfalls eingetragen waren.
Mit Bescheid vom 25.02.2000 lehnte die Beklagte die Berücksichtigung der Zeiten ab. Pflegezeiten könnten nur im Zeitraum 01.01.1992 bis 31.03.1995 berücksichtigt werden.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie habe sich darauf verlassen, dass in der DDR die Berücksichtigung der Pflegezeiten bei der Rente zugesagt gewesen sei. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 26.05.2000 zurückgewiesen, weil der Gesetzgeber in § 249 b Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nur im genannten Zeitraum die Berücksichtigung von Pflegezeiten zulasse. Davor liegende Zeiträume seien nicht erfasst.
Mit der am 19.06.2000 beim SG Chemnitz erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel weiter. Sie verwies auf den bisherigen Vortrag und darauf, dass ihr Chef und die Ärzte sie aufgefordert hätten, die Zeiten im SV-Ausweis bescheinigen zu lassen.
Da SG wies die Klage mit Urteil vom 31.08.2000 ohne mündliche Verhandlung ab, nachdem beide Seiten ihr Einverständnis mit dieser Verfahrensweise erklärt hatten. Eine Berücksichtigung nach § 249 b SGB VI sei nicht möglich, da diese Vorschriften nur Pflegezeiten im Zeitraum 01.01.1992 bis 31.03.1995 erfasse. Davor liegende Zeiten könnten nicht berücksichtigt werden, was sich auch aus dem früheren § 177 SGB VI ergebe. Nach dieser Vorschrift hätten wegen Pflege keine Beiträge bezahlt werden können, auch eine Umwandlung von freiwilligen Beiträgen in Pflichtbeiträge habe nicht beantragt werden können.
Die Zeiten seien mangels Beitragszahlung auch keine Beitragszeiten. Eine Anrechnungszeit nach § 58 SGB VI liege ebenfalls nicht vor.
Gegen das am 21.09.2000 als zugestellt geltende Urteil legte die Klägerin am 18.10.2000 Berufung ein, mit der sie ihr Ziel weiter verfolgt. Sie weist darauf hin, dass wegen Arbeitskräftemangel im Pflegebereich kein Heimplatz zur Verfügung gestanden habe. Die Zeit müsse als Beitragszeit gewertet werden, da sie gearbeitet habe. Die soziale Seite müsse berücksichtigt werden, nicht nur juristisch argumentiert.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 31.08.2000 und den Bescheid der Beklagten vom 25.02.2000 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Rentenbescheid vom 19.01.2000 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2000 abzuändern und die Rente der Klägerin unter Berücksichtigung der Pflegezeiten vom 07.04.1987 - 31.12.1987 sowie vom 01.01. - 31.12.1989 als Beitragszeiten, hilfsweise als Zurechnungszeiten, neu zu berechnen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Regelung des § 249 b SGB VI. Das Begehren der Klägerin und vieler anderer sei nachvollziehbar und verständlich. Der Gesetzgeber habe die Regelung aber ausdrücklich nur für den bestimmten Zeitraum geschaffen.
Wegen des übrigen Vortrags wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist zulässig (§ 143 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), erweist sich jedoch als unbegründet. Die Klägerin ist durch die Entscheidungen der Beklagten und des Sozialgerichts nicht in ihren Rechten verletzt.
Zutreffend haben das SG und die Beklagte die Berücksichtigung von Pflegezeiten im Beitrittsgebiet verneint.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Altersrente für Frauen unter Berücksichtigung von Pflegezeiten 1987 sowie 1989.
Nach § 249 b SGB VI (Berücksichtigungszeiten wegen Pflege) sind Berücksichtigungszeiten auf Antrag auch Zeiten der nichterwerbsmäßigen Pflege eines Pflegebedürftigen in der Zeit vom 01.01.1992 bis zum 31.03.1995, solange die Pflegeperson 1. wegen der Pflege berechtigt war, Beiträge zu zahlen oder die Umwandlung von freiwilligen Beiträgen in Pflichtbeiträge zu beantragen, und 2. nicht zu den in § 56 Abs. 4 genannten Personen gehört, die von der Anrechnung einer Kindererziehungszeit ausgeschlossen sind.
Die Zeit der Pflegetätigkeit wird von der Aufnahme der Pflegetätigkeit an als Berücksichtigungszeit angerechnet, wenn der Antrag bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach Aufnahme der Pflegetätigkeit gestellt wird.
Die am 01.04.1995 wirksam gewordene Regelung ist - abgesehen von der Beschränkung des Anwendungsbereiches auf Zeiten bis zum 31.03.1995 - ohne inhaltliche Änderung an die Stelle des zugleich außer Kraft getretenen § 57 Abs. 2 SGB VI getreten. Die § 249b SGB VI vorausgegangene, am 01.01.1992 in Kraft getretene Vorschrift des bisherigen Rechts ermöglichte für einzelne Regelungsbereiche erstmalig die Berücksichtigung der ehrenamtlichen Pflege im Rentenrecht und hatte in dem bis 1991 geltenden Recht des früheren Bundesgebiets keine Vorläuferregelung (Kommentar zum SGB VI Hauck/Haines-Klattenhoff - zu § 249b Randziffer 5).
Die Anrechnung von Pflegeberücksichtigungszeiten ist auf die Zeit vom 01.01.1992 bis 31.03.1995 beschränkt. Dies ist gesetzlich ausdrücklich angeordnet, folgt aber bereits aus dem Zusammenhang mit den beitragsrechtlichen Gestaltungsrechten, die nur für diese Zeit in Anspruch genommen werden können. Vor dem 01.01.1992 liegende Pflegezeiten können nicht als Berücksichtigungszeiten angerechnet werden (vgl. Urteil LSG Baden-Württemberg vom 28.07.1994, L 13 J 397/94). Dies ist angesichts der dem Gesetzgeber im Bereich darreichender Staatstätigkeit, der auch die Anrechnung von Berücksichtigungszeiten als Element des sozialen Ausgleichs zuzuordnen ist, vom Grundgesetz zugestandenen Gestaltungsfreiheit verfassungsrechtlich unbedenklich (BSG Urteil vom 27.06.1991 - 4 RA 48/90; Verfassungsbeschwerde - nicht zur Entscheidung angenommen - Bundesverfassungsgericht vom 22.12.1992, 1 BvR 1359/91). Berücksichtigungszeiten wegen Pflege können längstens bis zum 31.03.1995 angerechnet werden, da nicht professionelle Pflegepersonen seit dem 01.04.1995 grundsätzlich rentenversicherungspflichtig sind (Klattenhoff a.a.O., Randziffer 9 m.w.N.).
Dass vor dem 01.01.1992 liegende Zeiten keine Beitrags- oder Berücksichtigungszeiten sein können, ergibt sich bereits daraus, dass nach dem früheren Recht keine Berechtigung bestand, wegen einer Pflege Beiträge zu zahlen oder die Umwandlung von freiwilligen Beiträgen in Pflichtbeiträge zu beantragen. Im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber bei der Einführung neuer sozialer Regelungen einen weiten Spielraum hat, ist davon auszugehen, dass die Vorschrift nicht verfassungswidrig ist, weil vor dem 01.01.1992 liegende Zeiten ausgeschlossen sind. Zutreffend ist die Beklagte in ihren Bescheiden davon ausgegangen, dass eine Anrechnung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege für Zeiträume im Beitrittsgebiet nicht möglich ist, auch wenn diese Zeiten als Pflegezeiten gemäß § 14 der 2. Rentenverordnung der DDR durch die Verwaltung der Sozialversicherung im Sozialversicherungsausweis der Klägerin eingetragen worden sind. Des Weiteren ist auszuführen, dass die Geltung des § 14 der Rentenverordung nicht mit dem Inkrafttreten von § 249 b SGB VI endete, sondern durch das RÜG vom 25.07.1991 in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 15.12.1995 gemäß Art. 2 § 19 Abs. 3 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 noch rentenrechtliche Auswirkungen bis zu einem Rentenbeginn bis einschließlich 31.12.1996 hatte. Ein Anspruch der Klägerin auf Rente ist aber erst zum 01.01.2000 entstanden, so dass die Rentenberechnung nach den Regelungen des SGB VI zu erfolgen hat. Ein Eigentumsschutz dahingehend, dass die Pflegezeiten auch in die Rentenberechnung nach dem SGB VI eingehen, ist nicht ersichtlich und eine Verpflichtung des Gesetzgebers, die Pflegezeiten vor dem 01.01.1992 im Beitrittsgebiet in die Rentenberechnung nach dem SGB VI mit einzubeziehen, enthält der Einigungsvertrag nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat in anderem Zusammenhang die Übergangsfrist bis 31.06.1995 für die Zahlbetragsgarantie als ausreichend angesehen (Urteil des BVerfG vom 28.04.1999, - 1 BL 32/95).
Der Senat ist der Auffassung, dass in Eigentumsrechte der Klägerin in verfassungswidriger Weise nicht eingegriffen worden ist und eine Verletzung des Art. 14 GG demnach nicht vorliegt. Der Bundesgesetzgeber hat sich damit nicht über Regelungen des Einigungsvertrages hinweggesetzt und der Klägerin weder eigentumsrechtlich geschützte Positionen entzogen noch vereinbarte Bestandsgarantien verletzt. Die Klägerin muss sich daran festhalten lassen, dass die Rentenberechnung nach SGB VI erworbene Anwartschaften aufgrund erbrachter Pflegezeiten im Beitrittsgebiet nicht einzubeziehen hat. Bei der Herstellung der Rechtseinheit in der Rentenversicherung und der Überführung der im Beitrittsgebiet erworbenen Ansprüche und Anwartschaften war der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers besonders weit. Er war nicht verpflichtet, die Berechtigten des Versorgungssystems der DDR so zu behandeln, als hätten sie ihre Erwerbsbiographie in der Bundesrepublik zurückgelegt (vgl. Urteil des BVerfG vom 28.04.1999, - 1 BVL 32/95).
Die hier in Rede stehenden Bestimmungen des § 249b SGB VI sind nach Überzeugung des Senats verfassungskonform. Art. 14 GG ist nicht verletzt, weil die Neubewertung von Pflegezeiten nicht unzulässigerweise in eine unter den Schutz des Eigentumes nach Art. 14 GG gestellte Rechtsposition eingreift. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) z.B. Beschluss vom 08.04.1987 - 1 BvR 564/84 = SozR 2200 § 1246 Nr. 142 S. 461f.; BSG Urteil vom 24.02.1999 - B 5 RJ 28/98R NZS 2000 S. 38ff.) verschafft die Rentenanwartschaft dem Versicherten zwar eine Rechtsposition, die vor allem wegen der einkommensbezogenen Beitragsleistung derjenigen eines Eigentümers gleicht und deshalb auch dem Schutz der Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG unterliegt. Die konkrete Reichweite der Bestandsgarantie des Eigentums ergibt sich allerdings erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die Aufgabe des Gesetzgebers ist. Der Betroffene muss nur solche Einschränkungen seiner eigentumsrechtlich geschützten Position hinnehmen, die durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sind. Rechtfertigende Gründe für Eingriffe liegen bei Regelungen vor, die dazu dienen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems im Interesse aller Versicherten zu erhalten, zu verbessern oder veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen (BVerfG Beschluss vom 01.07.1981 - 1 BvR 874/77). Die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung geht umso weiter, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug steht. Aber auch der Eingriff in eine Position, die beitragsunabhängig eine Vergünstigung ergibt, muss in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Erfolg stehen. Gemessen an diesen Anforderungen verletzt die Änderung der Berücksichtigung von Pflegezeiten gemäß § 249b SGB VI den Eigentumsschutz der Klägerin nicht, da ein Rentenanspruch erstmalig 2000 begründet worden ist. Nach dem bis zum 31.12.1991 geltenden Recht waren Pflegezeiten generell nicht zu berücksichtigen. § 249b SGB VI wurde mit Wirkung vom 01.04.1995 durch Art. 5 Nr. 18 des Pflegeversicherungsgesetzes vom 26.05.1994 (BGBl. I S. 1014) eingefügt und entspricht - bis auf die eingeschränkte zeitliche Geltungsdauer - dem bis zum 31.03.1995 geltenden § 57 Abs. 2 SGB VI (KassKomm, Niesel zu § 249b SGB VI Randziffer 3).
Nur auf rein soziale Belange kann ein Urteil nicht gestützt werden. Die Gerichte sind an Recht und Gesetz gebunden, haben zu überwachen, ob die Verwaltung die Gesetze richtig anwendet. Die Berücksichtigung allein sozialer Belange ist Sache des Gesetzgebers.
Aus den genannten Gründen blieb die Berufung ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die im Sozialversicherungsausweis (SV-Ausweis) der Klägerin bescheinigten Zeiten der Pflege bei der Berechnung ihrer Rente zu berücksichtigen sind.
Am 02.07.1999 beantragte die am ... geborene Klägerin Altersrente für Frauen wegen Vollendung des 60. Lebensjahres. Im Rahmen der Kontenklärung legte sie zwei Bestätigungen zur Vorlage bei der Sozialversicherung vor, die der Rat der Gemeinde M ... St. M ... am 17.03.87 und 28.12.98 ausgestellt hatte. Es wurde bescheinigt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin in der Zeit vom 07.04. bis 31.12.87 wegen Pflege von Familienangehörigen ruhte. Weiter war im SV-Ausweis für die Zeit 01.01. - 09.09.1989 Pflege des Vaters, verstorben am 09.09 ..., eingetragen.
Mit Rentenbescheid vom 19.01.2000 gewährte die Beklagte der Klägerin eine monatliche Rente von 1.234,07 DM und eine Nachzahlung für die Monate Januar und Februar. Die bescheinigte Zeit 1987 wurde nicht, die Zeit 1989 mit den tatsächlich geleisteten Beiträgen berücksichtigt.
Mit Schreiben vom 30.01.2000 beantragte die Klägerin die Berücksichtigung der Pflegezeiten. Sie habe die Pflege übernehmen müssen. Es sei nicht möglich gewesen, die Eltern und die Schwiegermutter in einem Pflegeheim unterzubringen. Sie schilderte dabei die erheblichen Schwierigkeiten und Mühen der Pflegetätigkeit. Weiterhin legte sie ihren SV-Ausweis vor, in dem die Zeiten der Pflege ebenfalls eingetragen waren.
Mit Bescheid vom 25.02.2000 lehnte die Beklagte die Berücksichtigung der Zeiten ab. Pflegezeiten könnten nur im Zeitraum 01.01.1992 bis 31.03.1995 berücksichtigt werden.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie habe sich darauf verlassen, dass in der DDR die Berücksichtigung der Pflegezeiten bei der Rente zugesagt gewesen sei. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 26.05.2000 zurückgewiesen, weil der Gesetzgeber in § 249 b Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nur im genannten Zeitraum die Berücksichtigung von Pflegezeiten zulasse. Davor liegende Zeiträume seien nicht erfasst.
Mit der am 19.06.2000 beim SG Chemnitz erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel weiter. Sie verwies auf den bisherigen Vortrag und darauf, dass ihr Chef und die Ärzte sie aufgefordert hätten, die Zeiten im SV-Ausweis bescheinigen zu lassen.
Da SG wies die Klage mit Urteil vom 31.08.2000 ohne mündliche Verhandlung ab, nachdem beide Seiten ihr Einverständnis mit dieser Verfahrensweise erklärt hatten. Eine Berücksichtigung nach § 249 b SGB VI sei nicht möglich, da diese Vorschriften nur Pflegezeiten im Zeitraum 01.01.1992 bis 31.03.1995 erfasse. Davor liegende Zeiten könnten nicht berücksichtigt werden, was sich auch aus dem früheren § 177 SGB VI ergebe. Nach dieser Vorschrift hätten wegen Pflege keine Beiträge bezahlt werden können, auch eine Umwandlung von freiwilligen Beiträgen in Pflichtbeiträge habe nicht beantragt werden können.
Die Zeiten seien mangels Beitragszahlung auch keine Beitragszeiten. Eine Anrechnungszeit nach § 58 SGB VI liege ebenfalls nicht vor.
Gegen das am 21.09.2000 als zugestellt geltende Urteil legte die Klägerin am 18.10.2000 Berufung ein, mit der sie ihr Ziel weiter verfolgt. Sie weist darauf hin, dass wegen Arbeitskräftemangel im Pflegebereich kein Heimplatz zur Verfügung gestanden habe. Die Zeit müsse als Beitragszeit gewertet werden, da sie gearbeitet habe. Die soziale Seite müsse berücksichtigt werden, nicht nur juristisch argumentiert.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 31.08.2000 und den Bescheid der Beklagten vom 25.02.2000 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Rentenbescheid vom 19.01.2000 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2000 abzuändern und die Rente der Klägerin unter Berücksichtigung der Pflegezeiten vom 07.04.1987 - 31.12.1987 sowie vom 01.01. - 31.12.1989 als Beitragszeiten, hilfsweise als Zurechnungszeiten, neu zu berechnen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Regelung des § 249 b SGB VI. Das Begehren der Klägerin und vieler anderer sei nachvollziehbar und verständlich. Der Gesetzgeber habe die Regelung aber ausdrücklich nur für den bestimmten Zeitraum geschaffen.
Wegen des übrigen Vortrags wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist zulässig (§ 143 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), erweist sich jedoch als unbegründet. Die Klägerin ist durch die Entscheidungen der Beklagten und des Sozialgerichts nicht in ihren Rechten verletzt.
Zutreffend haben das SG und die Beklagte die Berücksichtigung von Pflegezeiten im Beitrittsgebiet verneint.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Altersrente für Frauen unter Berücksichtigung von Pflegezeiten 1987 sowie 1989.
Nach § 249 b SGB VI (Berücksichtigungszeiten wegen Pflege) sind Berücksichtigungszeiten auf Antrag auch Zeiten der nichterwerbsmäßigen Pflege eines Pflegebedürftigen in der Zeit vom 01.01.1992 bis zum 31.03.1995, solange die Pflegeperson 1. wegen der Pflege berechtigt war, Beiträge zu zahlen oder die Umwandlung von freiwilligen Beiträgen in Pflichtbeiträge zu beantragen, und 2. nicht zu den in § 56 Abs. 4 genannten Personen gehört, die von der Anrechnung einer Kindererziehungszeit ausgeschlossen sind.
Die Zeit der Pflegetätigkeit wird von der Aufnahme der Pflegetätigkeit an als Berücksichtigungszeit angerechnet, wenn der Antrag bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach Aufnahme der Pflegetätigkeit gestellt wird.
Die am 01.04.1995 wirksam gewordene Regelung ist - abgesehen von der Beschränkung des Anwendungsbereiches auf Zeiten bis zum 31.03.1995 - ohne inhaltliche Änderung an die Stelle des zugleich außer Kraft getretenen § 57 Abs. 2 SGB VI getreten. Die § 249b SGB VI vorausgegangene, am 01.01.1992 in Kraft getretene Vorschrift des bisherigen Rechts ermöglichte für einzelne Regelungsbereiche erstmalig die Berücksichtigung der ehrenamtlichen Pflege im Rentenrecht und hatte in dem bis 1991 geltenden Recht des früheren Bundesgebiets keine Vorläuferregelung (Kommentar zum SGB VI Hauck/Haines-Klattenhoff - zu § 249b Randziffer 5).
Die Anrechnung von Pflegeberücksichtigungszeiten ist auf die Zeit vom 01.01.1992 bis 31.03.1995 beschränkt. Dies ist gesetzlich ausdrücklich angeordnet, folgt aber bereits aus dem Zusammenhang mit den beitragsrechtlichen Gestaltungsrechten, die nur für diese Zeit in Anspruch genommen werden können. Vor dem 01.01.1992 liegende Pflegezeiten können nicht als Berücksichtigungszeiten angerechnet werden (vgl. Urteil LSG Baden-Württemberg vom 28.07.1994, L 13 J 397/94). Dies ist angesichts der dem Gesetzgeber im Bereich darreichender Staatstätigkeit, der auch die Anrechnung von Berücksichtigungszeiten als Element des sozialen Ausgleichs zuzuordnen ist, vom Grundgesetz zugestandenen Gestaltungsfreiheit verfassungsrechtlich unbedenklich (BSG Urteil vom 27.06.1991 - 4 RA 48/90; Verfassungsbeschwerde - nicht zur Entscheidung angenommen - Bundesverfassungsgericht vom 22.12.1992, 1 BvR 1359/91). Berücksichtigungszeiten wegen Pflege können längstens bis zum 31.03.1995 angerechnet werden, da nicht professionelle Pflegepersonen seit dem 01.04.1995 grundsätzlich rentenversicherungspflichtig sind (Klattenhoff a.a.O., Randziffer 9 m.w.N.).
Dass vor dem 01.01.1992 liegende Zeiten keine Beitrags- oder Berücksichtigungszeiten sein können, ergibt sich bereits daraus, dass nach dem früheren Recht keine Berechtigung bestand, wegen einer Pflege Beiträge zu zahlen oder die Umwandlung von freiwilligen Beiträgen in Pflichtbeiträge zu beantragen. Im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber bei der Einführung neuer sozialer Regelungen einen weiten Spielraum hat, ist davon auszugehen, dass die Vorschrift nicht verfassungswidrig ist, weil vor dem 01.01.1992 liegende Zeiten ausgeschlossen sind. Zutreffend ist die Beklagte in ihren Bescheiden davon ausgegangen, dass eine Anrechnung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege für Zeiträume im Beitrittsgebiet nicht möglich ist, auch wenn diese Zeiten als Pflegezeiten gemäß § 14 der 2. Rentenverordnung der DDR durch die Verwaltung der Sozialversicherung im Sozialversicherungsausweis der Klägerin eingetragen worden sind. Des Weiteren ist auszuführen, dass die Geltung des § 14 der Rentenverordung nicht mit dem Inkrafttreten von § 249 b SGB VI endete, sondern durch das RÜG vom 25.07.1991 in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 15.12.1995 gemäß Art. 2 § 19 Abs. 3 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 noch rentenrechtliche Auswirkungen bis zu einem Rentenbeginn bis einschließlich 31.12.1996 hatte. Ein Anspruch der Klägerin auf Rente ist aber erst zum 01.01.2000 entstanden, so dass die Rentenberechnung nach den Regelungen des SGB VI zu erfolgen hat. Ein Eigentumsschutz dahingehend, dass die Pflegezeiten auch in die Rentenberechnung nach dem SGB VI eingehen, ist nicht ersichtlich und eine Verpflichtung des Gesetzgebers, die Pflegezeiten vor dem 01.01.1992 im Beitrittsgebiet in die Rentenberechnung nach dem SGB VI mit einzubeziehen, enthält der Einigungsvertrag nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat in anderem Zusammenhang die Übergangsfrist bis 31.06.1995 für die Zahlbetragsgarantie als ausreichend angesehen (Urteil des BVerfG vom 28.04.1999, - 1 BL 32/95).
Der Senat ist der Auffassung, dass in Eigentumsrechte der Klägerin in verfassungswidriger Weise nicht eingegriffen worden ist und eine Verletzung des Art. 14 GG demnach nicht vorliegt. Der Bundesgesetzgeber hat sich damit nicht über Regelungen des Einigungsvertrages hinweggesetzt und der Klägerin weder eigentumsrechtlich geschützte Positionen entzogen noch vereinbarte Bestandsgarantien verletzt. Die Klägerin muss sich daran festhalten lassen, dass die Rentenberechnung nach SGB VI erworbene Anwartschaften aufgrund erbrachter Pflegezeiten im Beitrittsgebiet nicht einzubeziehen hat. Bei der Herstellung der Rechtseinheit in der Rentenversicherung und der Überführung der im Beitrittsgebiet erworbenen Ansprüche und Anwartschaften war der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers besonders weit. Er war nicht verpflichtet, die Berechtigten des Versorgungssystems der DDR so zu behandeln, als hätten sie ihre Erwerbsbiographie in der Bundesrepublik zurückgelegt (vgl. Urteil des BVerfG vom 28.04.1999, - 1 BVL 32/95).
Die hier in Rede stehenden Bestimmungen des § 249b SGB VI sind nach Überzeugung des Senats verfassungskonform. Art. 14 GG ist nicht verletzt, weil die Neubewertung von Pflegezeiten nicht unzulässigerweise in eine unter den Schutz des Eigentumes nach Art. 14 GG gestellte Rechtsposition eingreift. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) z.B. Beschluss vom 08.04.1987 - 1 BvR 564/84 = SozR 2200 § 1246 Nr. 142 S. 461f.; BSG Urteil vom 24.02.1999 - B 5 RJ 28/98R NZS 2000 S. 38ff.) verschafft die Rentenanwartschaft dem Versicherten zwar eine Rechtsposition, die vor allem wegen der einkommensbezogenen Beitragsleistung derjenigen eines Eigentümers gleicht und deshalb auch dem Schutz der Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG unterliegt. Die konkrete Reichweite der Bestandsgarantie des Eigentums ergibt sich allerdings erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die Aufgabe des Gesetzgebers ist. Der Betroffene muss nur solche Einschränkungen seiner eigentumsrechtlich geschützten Position hinnehmen, die durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sind. Rechtfertigende Gründe für Eingriffe liegen bei Regelungen vor, die dazu dienen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems im Interesse aller Versicherten zu erhalten, zu verbessern oder veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen (BVerfG Beschluss vom 01.07.1981 - 1 BvR 874/77). Die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung geht umso weiter, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug steht. Aber auch der Eingriff in eine Position, die beitragsunabhängig eine Vergünstigung ergibt, muss in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Erfolg stehen. Gemessen an diesen Anforderungen verletzt die Änderung der Berücksichtigung von Pflegezeiten gemäß § 249b SGB VI den Eigentumsschutz der Klägerin nicht, da ein Rentenanspruch erstmalig 2000 begründet worden ist. Nach dem bis zum 31.12.1991 geltenden Recht waren Pflegezeiten generell nicht zu berücksichtigen. § 249b SGB VI wurde mit Wirkung vom 01.04.1995 durch Art. 5 Nr. 18 des Pflegeversicherungsgesetzes vom 26.05.1994 (BGBl. I S. 1014) eingefügt und entspricht - bis auf die eingeschränkte zeitliche Geltungsdauer - dem bis zum 31.03.1995 geltenden § 57 Abs. 2 SGB VI (KassKomm, Niesel zu § 249b SGB VI Randziffer 3).
Nur auf rein soziale Belange kann ein Urteil nicht gestützt werden. Die Gerichte sind an Recht und Gesetz gebunden, haben zu überwachen, ob die Verwaltung die Gesetze richtig anwendet. Die Berücksichtigung allein sozialer Belange ist Sache des Gesetzgebers.
Aus den genannten Gründen blieb die Berufung ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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