L 4 RA 177/00

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 8 RA 181/99
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 RA 177/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 28. August 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die im August ... geborene Klägerin absolvierte von 1962 bis 1964 eine Gärtnerlehre. Die Tätigkeit als Gärtnerin übte sie bis 14.08.1965 aus. Im Zeitraum vom 16.08.1965 bis 16.05.1991 war sie nacheinander in verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen als Sachbearbeiterin, Kindergartenhelferin, Kinderkrippenhelferin, Telefonistin und Sachbearbeiterin (Instandhaltung) tätig. Vom 14.03.1993 bis 30.10.1996 war sie als Mitarbeiterin Auftragswesen und vom 01.04.1997 bis 31.10.1997 als Mitarbeiterin Buchhaltung (im Bereich Verkauf, Buchhaltung und Organisation) in der B.-B ... C ... GmbH & Co. beschäftigt. Seit 01.11.1997 ist sie arbeitslos.

Am 05.06.1998 beantragte die Klägerin bei der Beklagten wegen Bronchialasthma, Nervenleidens, Durchblutungsstörungen, Erkrankung des Gelenkapparates und Augenleidens die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die Beklagte holte zur medizinischen Sachaufklärung von Dr. R ..., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, ein Fachgutachten vom 15.09.1998 ein. Die Sachverständige diagnos- tizierte das Bestehen einer chronifizierten Angststörung. Es lägen ausgeprägte Erwartungsängste bei der Klägerin vor, die insbesondere außerhalb der Häuslichkeit mit zwanghaftem Stuhldrang verbunden seien. Ein ausgeprägter Leidensdruck bestehe nicht. Die Klägerin sei trotz der bestehenden neurotischen Fehlentwicklung immer berufstätig gewesen und habe auch Tätigkeiten mit Publikumsverkehr ausgeführt. Eine begonnene Psychotherapie sollte fortgeführt werden. Als Büroangestellte könne sie noch vollschichtig tätig sein. Tätigkeiten, die ihrer beruflichen Qualifizierung entsprächen, könnten im bisherigen Umfang ausgeübt werden. Tätigkeiten, die ausschließlich mit Pub- likumsverkehr und Außendienst verbunden seien, seien nur eingeschränkt möglich.

Die Beklagte holte ferner ein internistisch-lungenfachärztliches Gutachten, erstattet am 14.10.1998 vom Sachverständigen Dr. W ... ein. Dieser diagnostizierte ein therapeutisch gut eingestelltes Mischformasthma mit noch bestehender starkgradiger bronchialer Hyperreaktivität, eine beginnende Rechtsherzbelastung, ein Angstsyndrom sowie eine angeborene Sehschwäche des rechten Auges. Bürotätigkeiten könne die Klägerin noch vollschichtig verrichten. Wegen der Gelenkbeschwerden sollte ein Wechsel von Sitzen und Stehen möglich sein. Der Einfluss von Allergenen oder anderen Atemwegreizstoffen sollte vermieden werden. Wegen der Infektneigung sollten möglichst auch Tätigkeiten mit Publikumsverkehr vermieden werden.

Nach Auswertung der beigezogenen Gutachten lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente mit Bescheid vom 04.11.1998 ab. Bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit sei ärztlicherseits zwar

- ein therapeutisch gut eingestelltes Mischasthma,
- ein angeborenes Augenleiden mit Blindheit rechts und
- eine Angststörung

festgestellt worden. Die Klägerin sei jedoch noch in der Lage, in ihrem bisherigen Berufsbereich weiterhin vollschichtig tätig zu sein. Darüber hinaus bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes. Sie sei daher weder berufs- noch erwerbsunfähig.

Im Widerspruchsverfahren, in dem die Klägerin Unzulänglichkeiten bei der Begutachtung gerügt hatte, lies die Beklagte ein orthopädisches Fachgutachten erstellen. Der Sachverständige Dr. Gehmlich stellte am 08.01.1999 ein lokal lumbales Schmerzsyndrom bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen und ein lokal cervicales Schmerzsyndrom mit degenerativen HWS-Veränderungen fest. In der letzten beruflichen Tätigkeit als Bürohilfskraft könne die Klägerin noch vollschichtig tätig sein.

Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch mit Bescheid vom 13.04.1999 zurück. Die von der Klägerin angegebenen Gesundheitsstörungen seien bei der Beurteilung des Leistungsvermögens berücksichtigt worden. Die Struma-Operation und die Wanderniere bedingten keine überdauernde Leistungsminderung. Ein internistischer Gutachter sei auch in der Lage Durchblutungsstörungen einzuschätzen. Die Leiden am Bewegungsapparat seien nunmehr durch ein orthopädisches Fachgutachten beurteilt worden. Auch hier ergebe sich ein vollschichtiges Leistungsvermögen für Bürotätigkeiten, so dass Berufsunfähigkeit im Sinne des § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht vorliege.

Mit der am 26.04.1999 vor dem Sozialgericht Chemnitz erhobenen Klage führte die Klägerin ihr Begehren zum Erhalt einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit weiter. Sie trug vor, die neurologischen Beschwerden ständen im Rahmen ihrer vielfältigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen eindeutig im Vordergrund. So leide sie unter einer nervlich bedingten Inkontinenz, die es ihr unmöglich mache, allein einen Arbeitsweg zu bewältigen bzw. einer Tätigkeit auf dem normalen Arbeitsmarkt nachzugehen. Alle gesundheitlichen Probleme belasteten sie stark, die Inkontinenz stelle jedoch das größte Problem dar, da hierdurch die Persönlichkeit leide.

Zur medizinischen Sachaufklärung holte das Sozialgericht Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte ein. Der Internist und Hausarzt der Klägerin Dr. R ...sowie der Neurologe Dr. J ... teilten unveränderte Befunde mit. Bei der Orthopädin Dipl.-Med. P ... hatte sich die Klägerin lediglich zweimal vorgestellt. Die Gynäkologin Dr. W ... berichtete in ihrem Befundbericht vom 23.07.1999 von keinerlei krankhaften Befunden. Der Internist Dr. Sch ... teilte das bereits bekannte Pollenasthma sowie eine Nahrungs-/Wespenallergie mit. Der Dipl.-Psych. A ... teilte in seinem Befundbericht vom 16.02.2000 eine Somatisierungsstörung und spezifische Phobie als Diagnose für die Indikation zur Verhaltenstherapie mit. Es sei eine Zunahme der Beschwerdehäufigkeit und -intensität zu verzeichnen. Deshalb sei eine weitere ambulante Therapie nicht möglich. Zusätzliche Spannungen in familiären Konfliktsituationen hätten eine verstärkende Wirkung auf die bestehenden Beschwerden. Es liege eine völlige Einschränkung des Leistungsvermögens durch die Komplexität der Symptomatik vor. Die letzte Behandlung habe im Mai 1999 stattgefunden.

Dem Arbeitsmarkt hatte sich die Klägerin uneingeschränkt zur Verfügung gestellt, denn ein ärztliches Gutachten wurde beim Arbeitsamt im Zusammenhang mit der Verfügbarkeit nicht erstellt.

Das Sozialgericht holte ein neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten, erstattet am 25.04.2000 von Chefarzt Dr. W ... ein. Der Sachverständige stellte fest, dass die Klägerin unter einer somatoformen autonomen Funktionsstörung des unteren Gastrointestinaltraktes sowie des Urogenitalsystems leide. Die Klägerin verfüge über durchschnittliche intellektuelle Fähigkeiten, sämtliche kognitive Funktionen, wie Aufmerksamkeit, Konzentration, Merkfähigkeit und Gedächtnis seien als unauffällig einzuschätzen. In ihrer Persönlichkeit erscheine sie histrionisch (Neigung zu dramatischen, aufsehenerregenden Handlungen) akzentuiert. Unter Berücksichtigung aller Aspekte könne kein Grund dafür gefunden werden, dass die Klägerin nicht Tätigkeiten leichter Natur auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig verrichten könne. Sie könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie als Mitarbeiterin in der Buchhaltung bzw. als Sachbearbeiterin ausüben. Die geklagte Inkontinenz könne behandelt werden, ferner beständen Behandlungsmöglichkeiten auf psychotherapeutischem Gebiet. Toiletten seien im angegebenen Berufsfeld ausreichend vorhanden. Das Heben und Tragen schwerer und mittelschwerer Lasten sei eingeschränkt, Arbeiten mit Publikumsverkehr und unter psychischen Belastungen sowie Tätigkeiten im Freien sollten vermieden werden. Betriebsunübliche Pausen von erheblicher Natur seien nicht vorzusehen. Einschränkungen der Wegefähigkeit bestünden nicht. Die gemachten Ausführungen zur psychischen Symptomatik und Störung müssten als vorläufig gelten und hätten ihre Gültigkeit erst nach Ausschluss einer somatischen (körperlichen) Erkrankung, die die beschriebene Symptomatik der Inkontinenz ebenfalls hervorrufen könnte.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 28.08.2000 ab. Der Klägerin stehe weder eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI noch eine Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 43 SGB VI ab 01.06.1998 zu. Der Bescheid der Beklagten vom 04.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.1999 sei nicht zu beanstanden. Sie sei mit ihrem bestehenden Restleistungsvermögen noch in der Lage, ihren zuletzt ausgeübten Beruf als Mitarbeiterin in der Buchhaltung vollschichtig zu verrichten. Nach eigenen Angaben habe es sich um eine mittelschwere Tätigkeit gehandelt. Für das Sozialgericht sei diese Einschätzung jedoch nicht nachvollziehbar, weil es sich bei Buchhaltertätigkeiten üblicherweise um Tätigkeiten im Büro- und Verwaltungsbereich handele, an die aus arbeitsmedizinischer und berufskundlicher Sicht die geringsten Anforderungen an die körperliche Leistungsfähigkeit gestellt würden. Es handele sich vielmehr um leichte Tätigkeiten, die einen Wechsel der Körperhaltung erlaubten. Ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten sei der Klägerin mit den schlüssigen, nachvollziehbaren und im Ergebnis übereinstimmenden Ausführungen in den im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. R ... vom 15.09.1998, von Dr. W ... vom 14.10.1998, von Dr. G ... vom 08.01.1999 sowie im Gutachten von Chefarzt Dr. W ... vom 25.04.2000 bescheinigt worden. Das Sozialgericht habe sich nicht gedrängt gefühlt, die Klägerin hinsichtlich der beschriebenen Inkontinenz zur Abklärung einer somatischen Ursache erneut begutachten zu lassen. Die von ihr angegebene Inkontinenz sei dem behandelnden Internisten Dr. R ... bekannt gewesen. Eine organische Ursache habe dieser nicht mitgeteilt. Obwohl die Inkontinenz-Beschwerden nach den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung seit etwa zehn Jahren bestünden, habe sie sich bislang weder in urologische noch in gastroenterologische Behandlung begeben. Der Internist führt die Inkontinenz allein auf psychosomatische Störungen zurück. Da die Klägerin nicht berufsunfähig sei, sei auch ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI nicht gegeben.

Gegen das der Klägerin mit eingeschriebenem Brief vom 19.09.2000 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 23.10.2000 (Montag) beim Sozialgericht eingegangene Berufung. Die Klägerin bemängelt erneut eine ungenügende gutachterliche Abklärung ihrer umfangreichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Vor allem sei der Befund des Diplom-Psychologen A ..., der zu ihren Leiden das beste Wissen habe, nicht ausreichend gewürdigt worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgericht Chemnitz vom 28.08.2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 04.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 01.06.1998 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Die Klägerin sei im Vorverfahren umfangreich begutachtet worden. Schwergradige Funktionseinschränkungen, welche einer leichten körperlichen Arbeit entgegenstünden, seien nicht festgestellt worden. In die Leistungsbeurteilung seien auch die vorgelegten Befunde der behandelnden Ärzte eingeflossen. Bezüglich der von der Klägerin vorgegebenen Inkontinenzerscheinungen seien bislang medizinische Befunde nicht beigebracht. Es sei nicht Aufgabe der Rentenversicherung, eine entsprechende Diagnostik durchzuführen. Die Klägerin berufe sich zum wiederholten Male auf die bereits berücksichtigten Aussagen des Diplom-Psychologen A ... Diese seien ebenso wie ihre Kritik am Gutachten von Dr. R ... durch nochmalige Begutachtung auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet mit psychologischer Zusatzbeurteilung überprüft worden. Dr. W ... habe insoweit die Auffassung der Erstgutachterin Dr. R ... bestätigt.

Der Senat hat zur medizinischen Sachaufklärung ebenfalls Befundberichte eingeholt. Der Neurologe Dr. J ... teilt in seinem Bericht vom 10.02.2001 als behandelte Diagnosen "Migränoider Kopfschmerz, Gesichtsneuralgie, Angststörung (soziale Phobie)" mit. Die Klägerin habe sich letztmalig im August 2000 vorgestellt. Zu diesem Zeitpunkt habe das Beschwerdebild unverändert bestanden. Nach den von ihm erhobenen Befunden sei die Klägerin in der Lage eine leichte Bürotätigkeit ohne Außendienst vollschichtig auszuüben.

Auch der Internist Dr. R ... teilte im Bericht vom 13.03.2001 unveränderte Befunde mit. Im Februar 2001 sei eine Überweisung zum Urologen erfolgt. Ein Bericht liege ihm nicht vor. Auch über den orthopädischen Krankheitszustand und die psychische Situation lägen ihm keine Befunde vor. Soweit er dies auf seinem Fachgebiet einschätzen könne, sei die Klägerin aber in der Lage eine leichte körperliche Tätigkeit (Büroarbeit, Sachbearbeitertätigkeit) vollschichtig zu verrichten.

Die Orthopädin Dipl.-Med. P ... gab am 23.03.2001 an, die Klägerin habe sich letztmalig am 05.07.1999 vorgestellt. Nach dem zu diesem Zeitpunkt erstellten Untersuchungsbefund sei die Klägerin ohne wesentliche Einschränkungen in der Lage gewesen, leichte Arbeiten vollschichtig durchzuführen.

Der Internist Dr. Sch ..., Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde sowie Allergologie, gibt im Bericht vom 06.04.2001 an, die Klägerin leide unter einem ganzjährig behandlungsbedürftigem exogen-allergischem Asthma bronchiale, einer allergischen Konjunkto-Rhinopathie sowie einer behandlungsbedürftigen Wespengiftallergie (Hyposensibilisierung). Die Klägerin sei kontinuierlich behandlungsbedürftig. Unter einer dem Schweregrad des Asthmaleidens entsprechenden Basistherapie sei eine Verschlechterung nicht eingetreten. Nach den erhobenen Befunden sei die Klägerin bei vernünftiger Therapietreue in der Lage, eine leichte körperliche Tätigkeit, wie Büroarbeit, 8 Stunden täglich auszuüben.

Die Fachärztin für Urologie Dr. H ..., bei der die Klägerin sich erstmals im März 2001 vorstellte, diagnostizierte eine Reizblase sowie eine Stress-Harninkontinenz I. Grades. Die Klägerin habe sich trotz neuen Termins nach dem 26.06.2001 nicht mehr vorgestellt. Auch die Urologin geht davon aus, dass die Klägerin trotz der von ihr erhobenen Befunde eine leichte körperliche Arbeit vollschichtig verrichten kann.

Wegen der vom Hausarzt und Internisten Dr. R ... gestellten Diagnose Colon iritabile (Reizkolon) wurde im April 2001 in der Gemeinschaftspraxis Kriesche und Hanspach eine Coloskopie durchgeführt, die lediglich zu einer Verdachtsdiagnose auf ein Colon iritabile mit der Therapieempfehlung Stuhlregulierung, ergänzend Röntgenkontrolle führte. Aufgrund dieser Diagnose geht die Klägerin davon aus, dass sie an einem Reizdarmsyndrom leide, welches mit den derzeit zur Verfügung stehenden Therapien nicht geheilt werden könne (vgl. von der Klägerin vorgelegter Internetausdruck zur Patientenaufklärung http://www.reizdarmsyndrom- info.de/patienten/syndrom/index.html).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und auf die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 144, 151, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist zulässig, jedoch unbegründet.

Zutreffend hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auch nach den im Berufungsverfahren eingeholten Befundberichten und medizinischen Unterlagen ist der Bescheid der Beklagten vom 04.11.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.1999 nicht zu beanstanden. Der Klägerin steht weder eine Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung noch auf Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Abs. 2 SGB VI zu. Eine den Rentenanspruch begründende Leistungseinschränkung ist schließlich auch nach dem Befundbericht der Urologin vom 21.09.2001 nicht nachgewiesen.

Der streitige Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Versichertenrente richtet sich noch nach den §§ 43 und 44 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden alten Fassung (a. F.), da der Rentenantrag bereits im Jahr 1998 gestellt worden ist und er sich somit auf die Zeit vor dem 01.01.2001 bezieht. Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach §§ 43 Abs. 1 oder 2, 240 SGB VI in der ab 01.01.20001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl. S. 1827) besteht nicht.

Zutreffend hat das Sozialgericht die hier maßgeblichen Rechtsvorschriften benannt. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass es zunächst geprüft hat, ob bei der Klägerin Berufsunfähigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI vorliegt.

Ausgangspunkt für die Prüfung der Berufsunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG) der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 107 und 169; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 17). Ausgehend von dem in § 43 Abs. 2 SGB VI verankerten Gedanken des Berufsschutzes soll demjenigen Versicherten, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der bisherigen Weise arbeiten kann, ein zu starkes Absinken im Beruf erspart bleiben (vgl. BSG, Urteil vom 30.07.1997 - 5 RJ 8/96 - oder BSG, Urteil vom 24.11.1998 - B 13 RJ 95/97 R -). Unter Berücksichtigung dieses Gedankens beurteilt sich die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs.

Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Entsprechend diesem sog. Mehr-Stufen-Schema werden die Arbeiterberufe durch Gruppen mit dem Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. z. B. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 140 m. w. N.; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 15). In Anlehnung an das für Arbeiterberufe entwickelte Mehr-Stufen-Schema gilt ausgehend von der erforderlichen Ausbildung auch für Angestellte folgende Gruppenbildung: ungelernte Angestellte; Angestellte mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren (Angelernte); Angestellte mit einer längeren Ausbildung, regelmäßig von drei Jahren (Ausgebildete) und Angestellte hoher beruflicher Qualität.

Die nach diesem Schema vorzunehmende Einordnung erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Ausbildung. Entscheidend ist vielmehr die Wertigkeit der verrichteten Arbeit, d. h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 15, Nr. 17 m. w. N.). Davon ausgehend darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf grundsätzlich auf die nächstniedrigere Berufsgruppe verwiesen werden (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 5 m. w. N.; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 17). Was die Suche nach Verweisungstätigkeiten anbelangt, die den Kräften und Fähigkeiten eines Versicherten entsprechen, so ist nach der vom Großen Senat des BSG (vgl. BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8) bestätigten Rechtsprechung davon auszugehen, dass einem Versicherten zumindest eine Tätigkeit konkret zu benennen ist, die er noch ausüben kann. Die Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit ist hingegen grundsätzlich nicht erforderlich, wenn der Versicherte zwar nicht mehr zu körperlich schweren, aber doch vollschichtig zu mittelschweren oder leichten Arbeiten in der Lage und auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ungelernter Tätigkeiten verweisbar ist.

Nach diesen Kriterien hatte das Sozialgericht zunächst zutreffend festgestellt, dass für die berufliche Einordnung in das Mehr-Stufen-Schema, die von der Klägerin zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Mitarbeiterin in der Buchhaltung als "Hauptberuf" zu berücksichtigen ist. Zur Ausübung dieser Tätigkeit hat die Klägerin jedoch weder eine kaufmännische noch eine andere verwaltungstechnische Ausbildung durchlaufen. Diese Tätigkeit ist deshalb nach dem Mehr-Stufen-Schema in die Gruppe der angelernten Angestellten einzustufen mit der Folge, dass die Klägerin auf alle ihren Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Tätigkeiten der gleichen Stufe oder auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden kann.

Der Klärung von Verweisungstätigkeiten bedarf es jedoch vorliegend nicht, denn nach den medizinischen Ermittlungen kann die Klägerin - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - mit dem bestehenden Restleistungsvermögen ihre bisherige Tätigkeit als Sachbearbeiterin im buchhalterischen Bereich weiterhin vollschichtig ausüben. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Auch die vom Senat eingeholten Befundberichte aller die Klägerin behandelnden Ärzte bestätigen eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte körperliche Arbeiten. Dieses von der Klägerin aus medizinischer Sicht vollschichtig erfüllbare Leistungsbild steht mit den beruflichen Anforderungen an eine Sachbearbeitertätigkeit im buchhalterischen Bereich in vollem Einklang. Denn aus berufskundlicher Sicht werden bekanntermaßen an die Tätigkeiten im Büro- und Verwaltungsbereich die gerings- ten körperlichen Anforderungen gestellt. Wie das Sozialgericht zutreffend darlegt, handelt es sich um körperlich leichte Tätigkeiten, die im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ausgeübt werden können. Heben und Tragen schwerer Lasten wird nicht erwartet. Derartige Tätigkeiten sind - frei oder besetzt - auf dem Arbeitsmarkt in ausreichender Anzahl vorhanden.

Da die Klägerin nach den medizinischen Feststellungen in der Lage ist, eine vollschichtige Tätigkeit in ihrem bisherigen Berufsbereich weiterhin auszuüben, erübrigt sich eine Diskussion weiterer Verweisungstätigkeiten.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist für die Leistungsbeurteilung nicht ausschließlich auf den Befundbericht des Dipl.-Psychologen A ..., der ausgehend von einem Beurteilungsstand von Mai 1999 in seinem Bericht vom 16.02.2000 eine erhebliche Verschlechterung und zunehmende Beschwerdehäufigkeit und -intensität angibt, ohne überhaupt eine eigene Befunderhebung vorgenommen zu haben. Es kommt jedoch für die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit im Sinne einer Rentengewährung nicht darauf an, welche subjektiven Beschwerden die Klägerin angibt, sondern in welcher Ausprägung diese objektiv vorhanden sind und welche sozialmedizinische Bedeutung im Hinblick auf die Erwerbsfähigkeit bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen zukommt. Dazu hat der Sachverständige Dr. W ..., der Chefarzt der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie und Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes des Mittleren Erzgebirgskreises ist, in seinem am 25.04.2000 und damit zeitlich nach der Einschätzung des Dipl.-Psychologen A ... festgestellt, dass nach Berücksichtigung aller Aspekte kein Grund dafür gefunden werden kann, dass die Klägerin nicht Tätigkeiten leichter Natur auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als auch als Mitarbeiterin einer Buchhaltung oder als Sachbearbeiterin vollschichtig verrichten kann. Die geklagte Inkontinenz kann verbessert werden; ferner bestehen Behandlungsmöglichkeiten auf psychotherapeutischem Gebiet. Außerdem sind im angegebenen Berufsfeld ausreichend Toiletten vorhanden. Zwar hatte der Sachverständige seine Leistungsbeurteilung unter der Einschränkung abgegeben, dass eine organische Ursache der geklagten Miktions- und Stuhlgangsstörung mit Inkontinenz abzuklären ist. Diese Abklärung ist zwischenzeitlich während des Berufungsverfahrens erfolgt und eine organische Ursache für die geklagten Beschwerden nicht festgestellt worden. Deshalb verbleibt es nach Überzeugung des Senates auch bei der von Dr. W ... in seinem Gutachten vom 25.04.2000 abgegebenen Leistungsbeurteilung im Hinblick auf die Erwerbsfähigkeit der Klägerin. Die Bewertung zum Schweregrad der Erkrankung steht in Übereinstimmung mit den Erläuterungen zum Krankheitsbild in der Literatur. Als Reizkolon wird eine funktionelle abdominale Störung ohne morphologisches oder biochemisches Korrelat, die durch Bauchschmerzen, das Gefühl der Flatulenz und Stuhlunregelmäßigkeiten (Wechsel von Obstipation und Diarrhoe) gekennzeichnet ist, beschrieben. Nicht selten gehen diese Störungen einher mit anderen Beschwerden (z. B. Migräne, Menstruationsbeschwerden, Palpitationen). Die Erkrankung wird den psychosomatischen Krankheiten zugerechnet und tritt häufig bei vegetativ labilen Personen auf. Als Therapie wird eine ärztliche Zuwendung und Erklärung des Krankheitsbildes, eventuell gepaart mit aufdeckender Psychotherapie oder psychotherapeutischer Betreuung mit Förderung der körperlichen Aktivität angegeben. Je nach Symptomen kann auch eine medikamentöse Behandlung erfolgen (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, de Gruyter Verlag Berlin New York 1998, S. 1363; vgl. zusätzlich: Kurzinfo Reizdarmsyndrom http://www.medizin- netz.de/icenter/reizdarm.htm). Aus diesen Informationen ergibt sich in Übereinstimmung mit der Beurteilung des Sachverständigen Dr. W ... und aller die Klägerin behandelnder Ärzte, dass es sich bei einem Reizdarmsyndrom nicht um eine Erkrankung mit erheblichen Komplikationen handelt und der psychosomatische Charakter des Leidens im Vordergrund steht. Der Umgang mit dem Krankheitsbild kann aber, wie Dr. W ... festgestellt hat, durch Behandlungsmöglichkeiten auf psychotherapeutischen Gebiet erheblich verbessert werden. Die von der Klägerin dargelegte Erkrankung schränkt vor allem ihre berufliche Leistungsfähigkeit nicht in einem solchen Maße ein, dass ihr selbst Tätigkeiten leichter Natur, wie sie die von ihr zuletzt ausgeübten Sachbearbeitertätigkeiten darstellen, nicht mehr vollschichtig ausgeübt werden könnten.

Der Beurteilung des Sachverständigen Dr. W ... steht auch der Befundbericht der Urologin vom 21.09.2001 nicht entgegen. Diese diagnostizierte eine Reizblase sowie eine Stress-Harninkontinenz I. Grades; sieht aber mit diesen gesundheitlichen Beeinträchtigungen keine Einschränkungen hinsichtlich einer vollschichtigen Berufstätigkeit für leichte körperliche Tätigkeiten. Damit ist belegt, dass die Klägerin, die in ihrem bisherigen Beruf als Mitarbeiterin einer Buchhaltung bereits eine körperlich leichte Tätigkeit ausgeübt hatte, diese oder eine auf der gleichen Stufe des Mehr-Stufen-Schemas liegende Sachbearbeitertätigkeit weiterhin zumutbar vollschichtig ausüben kann. Berufsunfähigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI liegt danach nicht vor.

Da die Klägerin nicht berufsunfähig ist, ist sie erst recht nicht erwerbsunfähig. Eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit wird nur unter den strengen Voraussetzungen des § 44 Abs. 2 SGB VI (a. F.) gewährt. Die Klägerin ist trotz der vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen jedoch noch in der Lage, mit dem vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögen eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und hierbei mehr als nur geringfügige Einkünfte zu erzielen. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI).

Aus den genannten Gründen blieb die Berufung ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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