L 4 RA 181/00

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 9 RA 1024/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 RA 181/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 26. April 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Wert des Rechts auf Altersrente. Der Kläger begehrt für die Zeit vom 05.07.1953 bis 04.07.1954 eine Berücksichtigung als Ersatz- oder Anrechnungszeit.

Der am ...1937 in Losdorf/Kreis Tetschen im Sudetenland geborene Kläger war dort im Herbst 1943 eingeschult und besuchte die Schule bis zu deren Schließung 1945. Aufgrund der Vertreibung hielt er sich bis Herbst 1947 in verschiedenen Auffanglagern auf, so dass er die Schule erst 1947 habe fortsetzen können und in Bad S ... im Juni 1955 die mittlere Reife erlangte. Eine im September 1955 aufgenommene Lehre als Maurer brach er im Januar 1957 ab und erwarb dann im September 1958 einen Berufsabschluss als Betonfacharbeiter. Von September 1970 bis November 1974 absolvierte er an der Ingenieurschule für Bauwesen C ... ein Fernstudium in der Fachrichtung Hochbau, das ihn zur Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" berechtigte und bis zum Eintritt in den Vorruhestand 1993 die Grundlage seiner weiteren Berufstätigkeit bildete.

Auf den Antrag des Klägers bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 07.07.1997 eine ab 01.08.1997 beginnende Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in Höhe von 1.588,76 DM (Auszahlbetrag). Dem Versicherungsverlauf (Anlage 2 des Bescheides) ist zu entnehmen, dass der Kläger in der Zeit vom 05.07.1953 bis 04.07.1954 zwar eine Schulausbildung absolvierte, diese Zeit aber nicht als Anrechnungszeit berücksichtigt worden war. Mit Anlage 10 des Bescheides wies die Beklagte den Kläger auf die Möglichkeit der Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für den hier streitigen Zeitraum hin (§ 207 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]).

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, durch die Vertreibung habe er die Schule nicht wie üblich mit 16 Jahren, sondern erst im Alter von 18 Jahren beenden können. Die Nichtberücksichtigung dieser zusätzlichen Schulzeit stelle eine Diskriminierung der im Kindesalter Vertriebenen dar, die in ihrer persönlichen Entwicklung durch die Folgen des Zweiten Weltkrieges stärker als andere Altersklassen betroffen seien. Die rentenrechtliche Berücksichtigung einer Ersatzzeit wegen Vertreibung erst ab Vollendung des 14. Lebensjahres verstoße gegen den in Art. 3 Abs. 1 und 3 Grundgesetz (GG) normierten Gleichheitssatz.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 03.11.1997 unter Hinweis auf das in seinen wesentlichen Teilen am 01.01.1997 in Kraft getretene und nach § 300 Abs. 1 SGB VI für die Berechnung der Rentenleistung anzuwendende Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) vom 27.09.1996 zurück. Das WFG enthalte im Vergleich zur vormaligen Rechtslage umfangreiche Änderungen. So seien Zeiten der schulischen Ausbildung nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI erst ab Vollendung des 17. Lebensjahres (bisher 16. Lebensjahr) zu berücksichtigen. Die streitige Zeit vom 05.07.1953 bis 04.07.1954 liege vor Vollendung des 17. Lebensjahres und sei daher nicht als Anrechnungszeit zu berücksichtigen. Ein Ersatzzeittatbestand nach § 250 SGB VI liege nicht vor.

Mit der am 05.12.1997 vor dem Sozialgericht Dresden erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Er wolle gegen die ab 01.01.1997 geltende Neufassung des SGB VI eine Popularklage erheben. Er sehe sich als Heimatvertriebener durch die Nichtberücksichtigung der zwei durch die Vertreibung ausgefallenen Schuljahre ungleich behandelt gegenüber den in der früheren Bundesrepublik wohnenden Deutschen. Bei ungestörtem Verlauf der Schulausbildung hätte er mit 16 Jahren nach Abschluss der 10. Klasse seine Berufslaufbahn mit einer Lehre begonnen und sei nicht auf die Anerkennung einer zusätzlichen Anrechnungszeit angewiesen. Die pauschale Annahme von Ersatz- und Anrechnungszeiten ab einem bestimmten Lebensalter (die einige Jahrgänge überhaupt nicht berücksichtige und andere benachteilige) verstoße gegen den Gleichheitssatz.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 26.04.2000 ab. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Anerkennung einer Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI für die hier streitige Zeit nicht zu. Nach Sinn und Normzweck der Regelungen des § 250 Abs. 1 SGB VI sollten die dort unter Nr. 1 bis 6 aufgezählten Ersatzzeittatbestände den Versicherten für Zeiten entschädigen, in denen er aufgrund einer Opferlage oder wegen eines Eingriffes von hoher Hand typischerweise gehindert war, Pflichtbeiträge zu entrichten. Die Anerkennung einer Ersatzzeit scheide allerdings aus, wenn während der in Rede stehenden Zeiten aus Rechtsgründen typischerweise keine Beitragsleistungen erbracht werden können. Dies treffe typischerweise auf Kinder vor Vollendung ihres 14. Lebensjahres zu, da sie während dieser Zeiten ihre Schulpflicht erfüllen und erst danach eine rentenrechtlich relevante Berufsausbildung oder Beschäftigung aufnehmen könnten. Folglich scheide eine Berücksichtigung der Zeit vom 05.07.1953 bis 04.07.1954 als Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI aus. Der streitige Zeitraum sei aber auch nicht als Anrechnungszeit zu berücksichtigen. Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI in der ab 01.01.1997 geltenden Fassung seien Zeiten einer schulischen Ausbildung erst nach dem vollendeten 17. Lebensjahr als Anrechnungszeiten zu berücksichtigen. Die Anrechnungszeit als Zeit ohne Beitragsleistung biete einen rentenrechtlichen Ausgleich dafür, dass der Versicherte ohne sein Zutun gehindert war, einer rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit nachzugehen und so Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen. Wegen der fehlenden Beitragsentrichtung seien diese Zeiten Solidarleistungen der Versichertengemeinschaft, die nicht der Vervollständigung der Versicherungsbiographie dienten. Die durch den Gesetzgeber im Hinblick hierauf vorgenommene Beschränkung des Umfangs und des zeitlichen Rahmens der Anrechnungszeiten auf Zeiten ab Vollendung des 17. Lebensjahres sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Weder liege durch die Einschränkung der Berücksichtungsfähigkeit von Ausbildungsanrechnungszeiten durch das insoweit zum 01.01.1997 in Kraft getretene Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) eine Verletzung der in Art. 14 GG enthaltene Eigentumsgarantie vor, noch bestehe eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung des Klägers (Art. 3 Abs. 1 GG). Auch das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG vermöge dem Kläger nicht zum Erfolg zu verhelfen, da aus ihm nur ausnahmsweise ein unmittelbarer Anspruch hergeleitet werden könne. Es enthalte vielmehr einen Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen. Dieser habe nach dem Grundsatz, dass die staatliche Gemeinschaft in der Regel Lasten übernimmt, die aus einem von der Gesamtheit zu tragenden Schicksal entstanden und nur zufällig einen bestimmten Personenkreis treffen, in § 250 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 SGB VI wesentliche Kriegsfolgetatbestände geregelt. Eine planwidrige Lücke liege nicht vor. Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz begründe keine Verpflichtung des Normgebers, im sozialrechtlichen Regelungsgefüge für alle denkbaren Fallkonstellationen und Einzelschicksale einen Ausgleich zu bewirken.

Gegen das dem Kläger mit Einschreiben vom 27.09.2000 zugestellte Urteil richtet sich seine am 27.10.2000 beim Sozialgericht eingegangene Berufung. Mit dem Verfahren wende sich der Kläger dagegen, dass eine Anrechnung von Ersatzzeiten (Vertreibung) vom erreichten 14. Lebensjahr abhängig gemacht werde. Dies verstoße gegen Art. 2 GG. Auch ein Jüngerer habe das Recht auf Anerkennung dieser Zeiten. Auch in die Lebensläufe von Kindern sei z.T. mit schrecklichen Folgen für das Leben durch die Vertreibung eingegriffen worden. Neben anderen schrecklichen Ereignissen von Mai 1945 bis Oktober 1946 und bis zur weiteren Schulaufnahme im September 1947 sei die Schulzeit des Klägers durch die Ereignisse für zwei Jahre gestoppt worden, so dass er die 10. Klasse nicht mit 16 sondern erst mit 18 Jahren habe beenden können. Er fordere deshalb eine zusätzliche Anerkennung von Schulausfallzeiten durch Vertreibung als Ersatzzeiten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 26.04.2000 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 07.07.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.1997 zu verurteilen, die ihm ab 01.08.1997 gewährte Altersrente wegen Arbeitslosigkeit unter Berück- sichtigung der Zeit vom 05.07.1953 bis 04.07.1954 als Ersatzzeit oder als Anrechnungszeit neu zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Der Rentenbescheid vom 07.07.1997 sei nicht zu beanstanden. Ein Anspruch auf Vormerkung als rentenrechtlich relevante Zeit bestehe nicht, da es an einem entsprechenden Tatbestand fehle, aufgrund dessen dem Kläger das Begehren zuerkannt werden könnte. Es seien weder die Voraussetzungen des § 250 SGB VI noch die des § 58 SGB VI erfüllt. Einfach-gesetzliche weitergehende Anspruchsgrundlagen seien zugunsten des Klägers nicht gegeben. Ein grundrechtlicher Anspruch auf Berücksichtigung der begehrten Zeiten sei ebenfalls nicht erkennbar. Die Ausführungen des Klägers hinsichtlich seines Lebensschicksals könnten rentenrechtlich nicht zu einer anderen Bewertung führen, zumal es hierfür an einer gesetzlichen Grundlage fehle. Soweit der Kläger einen Anspruch auf Gleichbehandlung geltend mache, müsse er sich an den Gesetzgeber wenden.

Mit Schreiben vom 03.05.2001 hat der Senat die Beteiligten auf die beabsichtigte Entscheidung im Beschlussverfahren nach § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt. Auf die Stellungnahme des Klägers vom 17.06.2001 wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und auf die beigezogene Verwaltungsakte, die dem Senat vorlagen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig nach Anhörung der Beteiligten durch einstimmigen Beschluss der Berufsrichter als unbegründet zurückweisen. Eine mündliche Verhandlung war nicht erforderlich (§ 153 Abs. 4 Satz 1 SGG).

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 144, 151, 153 Abs. 1 SGG) ist zulässig, jedoch unbegründet.

Mit Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angefochtene Verwaltungsentscheidung der Beklagten ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung der streitigen Zeit als Ersatzzeit oder Anrechnungszeit.

Die Zeit vom 05.03.1953 bis 04.07.1954, in der der Kläger die Schule besucht hat, stellt keinen Tatbestand dar, der sich unter § 250 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 SGB VI subsumieren lässt. Insbesondere handelt es sich bei dieser Zeit nicht um eine Ersatzzeit der Vertreibung i.S. von § 250 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI. Für die hier vom Kläger geltend gemachte Berücksichtigung der Zeit vom 05.03.1953 bis 04.07.1954 kommt es nicht darauf an, ob der Kläger zum Personenkreis der Heimatvertriebenen im Sinne des § 2 BVFG zählt. Zwar ist er in L ... (Sudetenland) geboren und nach seinen Angaben dort 1943 eingeschult worden. Es liegt auch nahe, dass er 1946 im Zusammenhang mit den Benesch-Dekreten seine Heimat verlassen musste. Eine Vertreibungszeit endet aber spätestens im Herbst 1947 mit seiner Wohnsitznahme im Gebiet der früheren sowjetischen Besatzungszone.

Die streitige Zeit stellt auch keine sog. (anrechenbare) Anschlussersatzzeit dar, weil sich an die Vertreibungszeit keine Krankheit oder unverschuldete Arbeitslosigkeit angeschlossen (vgl. § 250 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI), der Kläger vielmehr die Schule besucht hat. Eine Ausdehnung auf andere Tatbestände (hier: ein im Gesetz nicht erwähnter Schulbesuch) ist angesichts des klaren und eindeutigen Gesetzeswortlautes nicht möglich.

Die tatsächliche Zeit der Vertreibung von Herbst 1946 bis möglicherweise Herbst 1947 kann als Ersatzzeit im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI weder ganz noch teilweise anerkannt werden, weil der Kläger in diesem Zeitraum nicht das 14. Lebensjahr vollendet hatte. Wie bereits das Sozialgericht dargestellt hat, ist aus dem Wesen und dem Zweck der Ersatzzeiten, Beitragszeiten zu ersetzen, zu folgern, das sie nur angerechnet werden können, wenn die rechtliche oder tatsächliche Möglichkeit bestanden hat, gültige Beiträge zu entrichten. Davon ist indessen grundsätzlich erst ab der Vollendung des 14. Lebensjahres auszugehen (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 25.10.1995 - 5 RJ 76/93 = SozR 3-2200 § 1251 Nr. 9 m.w.N.). Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht, weil er das 14. Lebensjahr erst am 05.07.1951 vollendet hatte.

Als mögliche Grundlage für den Anspruch des Klägers auf Berücksichtigung der streitigen Zeit als Ersatzzeit kommt schließlich auch nicht ein verfassungswidriges Unterlassen des Gesetzgebers in Betracht, soweit dieser in § 250 SGB VI keine Regelungen für den beim Kläger vorliegenden Sachverhalt getroffen hat. Denn selbst wenn dieses Unterlassen verfassungswidrig wäre, folgte daraus allein noch keine auf konkrete Sozialleistungen gerichtete Berechtigung des Kläges i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 2 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB I) und § 30 Abs. 1 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV).

Die Regelungen des § 250 SGB VI sind nach Überzeugung des Senates, der sich nach eigener Prüfung der Rechtsansicht des BSG zur Vorgängerregelung (SozR 3-2200 § 1251 Nr. 9) anschließt, nicht verfassungswidrig, auch wenn danach Zeiträume, um die sich der Eintritt in das Versicherungsleben aufgrund des infolge von Kriegs- und Nachkriegsereignissen verzögerten Abschlusses der Schulausbildung über das 14. Lebensjahr hinaus verschoben hat, nicht als Ersatzzeittatbestände anerkannt sind. Durch die - nach Ansicht des Klägers ergänzungsbedürftige - Ersatzzeitregelung sind weder der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) noch das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) verletzt.

Art. 3 Abs. 1 GG, der auch für den Gesetzgeber verbindlich ist, verbietet es, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders zu behandeln, wenn zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen. Art. 3 GG ist nur verletzt, wenn tatsächliche Gleichheiten bzw. Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse nicht berücksichtigt werden, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen (BVerfG, Beschluss vom 16.03.1982 - 1 BvL 39/79 = BVerfGE 60, 113 = SozR 2200 § 201 Nr. 2). Hierbei hat das BVerfG stets betont, dass der Gesetzgeber bei gewährender Staatstätigkeit, insbesondere auch bei der Regelung der Kriegs- und Kriegsfolgelasten, ein sehr weites Gestaltungsermessen hat (BVerfG, Beschluss vom 03.12.1969 - 1 BvR 624/56 - BVerfGE 27, 253, 283). Der bestehende weite Gestaltungsraum endet erst dort, wo eine ungleiche Behandlung zweier im wesentlichen gleicher Sachverhalte mangels einleuchtender Gründe als willkürlich bezeichnet werden muss (BSG, Urteil vom 29.11.1990 - 5/4a RJ 53/87 = SozR 3-2200 § 1251 a Nr. 12).

Ein derart willkürliches und damit verfassungswidriges gesetzgeberisches Unterlassen ist vorliegend nicht erkennbar: Der Gesetzgeber hat gemäß dem im Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) enthaltenen Grundsatz, dass die staatliche Gemeinschaft in der Regel Lasten mitträgt, die aus einem von der Gesamtheit zu tragenden Schicksal entstanden sind und nur zufällig einen bestimmten Personenkreis treffen, in § 250 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 SGB VI wichtige Kriegsfolgetatbestände geregelt. Hierbei liegt keine planwidrige Lücke vor. Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber nicht, alle denkbaren Benachteiligungen zu berücksichtigen, die ein (verhältnismäßig kleiner) Teil der Bevölkerung infolge der Kriegs- und Nachkriegsereignisse erfahren hat, und auch den kriegsbedingt verzögerten Eintritt in das versicherungspflichtige Berufsleben auszugleichen. Es ist nicht geboten, für alle durch die Kriegs- und Nachkriegsereignisse betroffenen Personengruppen gesetzliche Regelungen zu schaffen, die im Ergebnis alle Bürger gleichstellen.

Die Zeit vom 05.07.1953 bis 04.07.1954, in der der Kläger die Schule besuchte, ist nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI in der Fassung des zum 01.01.1997 in Kraft getretenen Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) vom 25.09.1996 (BGBl. I S. 1461) auch nicht als Anrechnungszeit zu berücksichtigen. Danach sind Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besuchen ... (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu drei Jahren, Anrechnungszeiten. Da die dem Kläger gewährte Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab 01.08.1997 ginnt, mithin zu diesem Zeitpunkt erst alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, findet § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI in der durch das WFG getroffenen Fassung Anwendung. Der Kläger vollendete sein 17. Lebensjahr am 05.07.1954; somit ist der vor diesem Zeitpunkt liegende Schulbesuch nicht als rentenrechtlich relevante Zeit zu berücksichtigen.

Die mit dem WFG zum 01.01.1997 vorgenommene Änderung, Zeiten der schulischen Ausbildung erst ab Vollendung des 17. Lebensjahres (bisher 16. Lebensjahr) zu berücksichtigen, verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Die zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erforderliche Abwägung ergibt, dass ein öffentliches Interesse an dem Inkrafttreten der Neuregelung das Interesse des Betroffenen an dem Fortbestehen der bisherigen günstigeren Regelung überwiegt. Dies ergibt sich bereits aus der relativen Geringfügigkeit des Eingriffs in zeitlicher Hinsicht, zudem aber in Kombination mit der Tatsache, dass es sich ohnehin nicht um Zeiten handelt, die durch Beitragsleistungen "erworben" worden sind. Ein Eingriff in selbst erworbene Beitragszeiten ist damit gerade nicht erfolgt (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 24.02.1999 - B 5 RJ 28/98 R = SozR 3-2600 § 300 Nr. 14 sowie Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 15.09.2000 - L 8 RA 4154/99). Im übrigen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung an und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG)

Aus den genannten Gründen blieb die Berufung ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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