L 4 RA 27/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 11 RA 401/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 RA 27/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 12. Oktober 2000 aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu 1/4 zu erstatten. Für das Berufungsverfahren sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Wert des Rechts auf Altersrente. Insbesondere geht es um die Bewertung einer in Polen zurückgelegten Beschäftigungszeit.

Der am ...1931 in T ... geborene Kläger war von Mai 1949 bis April 1952 im Staatsgut in K ... (K ...) beschäftigt; davon von Mai 1949 bis September 1951 als Traktorist und von Oktober 1951 bis April 1952 als Instrukteur. Nach seinen Angaben absolvierte er von Oktober 1951 bis Dezember 1951 unter Weiterzahlung des bisherigen Arbeitsentgelts einen Fortbildungslehrgang zum Sozialinstrukteur. Vom 01.05.1952 bis 30.04.1958 war er auf dem Gut T ... (G ...) als Buchhalter und zuletzt als Ober-Buchhalter tätig. In der Zeit vom 25.11.1957 bis 04.12.1957 besuchte er einen 80 Stunden umfassenden Weiterbildungslehrgang für Oberbuchhalter. Während der gesamten Zeit seiner Tätigkeit in Polen bis zum 30.04.1958 erhielt er neben einem Arbeitsentgelt auch Sachbezüge in Form von Kost, Wohnung und Deputat.

Am 02.05.1958 siedelte er im Rahmen eines Sammeltransportes aus dem heutigen polnischen Gebiet nach L ... aus. Mit Bescheid vom 29.05.1995 erkannte das Sozialamt L ... - Vertriebenenbehörde - den Kläger als Vertriebenen (Aussiedler) im Sinne des § 1 Abs 2 Nr. 3 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (BVFG) an.

Seit 09.06.1958 war der Kläger im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig beschäftigt. Er schloss am 01.03.1960 eine Berufsausbildung zum Spitzendreher (Facharbeiterzeugnis) ab. Nach einem neben seiner Arbeitszeit absolvierten einjährigen Vorbereitungslehrgang an der Volkshochschule nahm er ein Abendstudium an der Ingenieurschule L ... auf, das er am 30.07.1966 mit dem Titel Ingenieur in der Fachrichtung "Allgemeiner Maschinenbau" abschloss.

Am 21.11.1994 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente für langjährig Versicherte wegen Vollendung des 63. Lebensjahres. Zur Beschäftigungszeit in Polen hatte er schriftliche Zeugenerklärungen des E. Sch ... und H. K ... vorgelegt und aus Polen nach dem deutsch- polnischen Rentenabkommen vom 09.10.1975 (DPRA) entsprechende Versicherungsunterlagen angefordert.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 02.10.1995 eine ab 01.01.1995 beginnende Altersrente für langjährig Versicherte. Der monatliche Zahlbetrag belief sich ab 01.01.1995 auf 1.469,98 DM. Unter anderem berücksichtigte die Beklagte die Zeiten vom 01.01.1952 bis 30.04.1958 als Beitragszeiten der Rentenversicherung der Angestellten und stufte diese in die Qualifikationsgruppe 5, Bereich 14 der Anlage 14 zum Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) ein (vgl. Anlage 10 des Bescheides). Die Einstufung in die jeweils maßgebende Qualifikationsgruppe sei nach der Anlage 13 zum SGB VI vorgenommen worden.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger u.a. eine Berücksichtigung der Zeit vom 01.01.1945 bis 02.10.1947 als Beitragszeit/Ersatzzeit geltend, weil er in dieser Zeit noch vor Vollendung des 16. Lebensjahres zunächst bei den russischen Truppen und später bei den Polen habe Zwangsarbeit verrichten müssen. Ferner habe er auch in der Zeit vom 01.01.1957 bis 30.04.1958 Sachbezüge erhalten, die bei der Rentenberechnung weggelassen und dadurch geringere Entgeltpunkte ermittelt worden seien. Schließlich müsse die Zeit seiner Tätigkeit als Buchhalter ab 1952 in eine höhere Qualifikationsgruppe eingestuft werden. Der Kläger habe vom 01.10.1951 bis 31.12.1951 eine Berufsausbildung zum Sozialinstrukteur abgeschlossen. Dieser Abschluss sei in einem bislang nicht anerkannten Vierteljahreslehrgang erfolgt. In Anschluss daran sei er als Buchhalter eingesetzt gewesen. Dafür müsse die Qualifikationsgruppe 4 berücksichtigt werden.

Nach mehreren aufklärenden Schreiben und Auswertung einer vom Kläger in polnischer Sprache vorgelegten Arbeitsbescheinigung vom 18.07.1996, wonach dieser in der LPG G ... vom 01.05.1952 bis 30.04.1958 zuletzt als Ober-Buchhalter tätig gewesen sei, wies die Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 28.05.1998 zurück. Für die Zeit von 1945 bis 02.10.1947 könnten Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten nach den §§ 15, 16 des Fremdrentengesetzes (FRG) i.V.m. dem deutsch-polnischen Rentenabkommen vom 09.10.1975 nicht berücksichtigt werden. Für die in dieser Zeit verrichteten verschiedenen unentgeltlichen landwirtschaftlichen Arbeiten für die damalige sowjetische Besatzungsmacht sei keine Entlohnung erfolgt. Eine Einbeziehung der Landarbeiter in die gesetzliche Rentenversicherung Polens sei erst durch die "Verordnung des Ministers für Arbeit und Sozialfürsorge vom 28.03.1953 über die Ausdehnung der Rentenversicherung auf alle Landarbeiter" ab 01.01.1953 erfolgt. Vor Vollendung des 16. Lebensjahres könnten auch nach § 16 FRG keine Beschäftigungszeiten berücksichtigt werden. Eine Berücksichtigung als Ersatzzeit scheide aus, weil der Kläger nicht interniert gewesen sei. Die Zuordnung zu einer günstigeren Qualifikationsgruppe der Anlage 13 zum SGB VI sei nicht möglich, da die Qualifizierungslehrgänge zum Sozialinstrukteur vom 01.10.1951 bis 31.12.1951 und zum Buchhalter vom 25.11.1957 bis 04.12.1957 keine berufliche Qualifikation im Sinne der Qualifikationsgruppe 4 darstellten, sondern lediglich eine Ausbildung auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufes.

Mit der am 01.07.1998 vor dem Sozialgericht Leipzig erhobenen Klage führte der Kläger sein Begehren weiter. Er machte die Berücksichtigung folgender Zeiten geltend:

- Anerkennung der Zeit vom 01.01.1947 bis 02.10.1947 als Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI. Mit dem Rentenbe scheid vom 02.10.1995 sei lediglich die Zeit vom 03.10.1945 bis 31.12.1946 als pauschale Ersatzzeit anerkannt worden.

- Berücksichtigung der Zeit von Oktober 1951 bis Dezember 1951 als Beitragszeit. In dieser Zeit habe er bei Weiterzahlung der Arbeitsentgelte durch seinen Arbeitgeber eine Fortbildung zum Sozialinstrukteur absolviert.

- Berücksichtigung der Sachbezüge über die Zeit vom 31.12.1956 hinaus bis zur Beendigung der Beschäftigung am 30.04.1958.

- Berücksichtigung einer höheren Qualifikation nach Anlage 13 zum SGB VI für die Zeit vom 01.05.1952 bis 30.04.1958, in der der Kläger als Buchhalter und Ober-Buchhalter tätig war.

Mit Schreiben vom 27.10.1998 erkannte die Beklagte die Zeit vom 01.10.1951 bis 31.12.1951 als glaubhaft gemachte Arbeitszeit nach dem deutsch-polnischen Rentenabkommen vom 09.10.1975 i.V.m. § 16 des FRG an und erteilte aufgrund dieses Anerkenntnisses den Rentenbescheid vom 20.12.1999.

Im Termin der mündlichen Verhandlung am 12.10.2000 erkannte die Beklagte auch die Zeit vom 01.01.1947 bis 02.10.1947 als Ersatzzeit an. Der Kläger nahm das Teil-Anerkenntnis an.

Das Sozialgericht gab dem weiteren Klagebegehren mit Urteil vom 12.10.2000 teilweise statt. Es verurteilte die Beklagte in Abänderung des entgegenstehenden Bescheides, die Zeit der Beschäftigung des Klägers als Oberbuchhalter vom 01.05.1952 bis 30.04.1958 entsprechend der Anlage 13 zum SGB VI in die Qualifikationsgruppe 4, Bereich Land- und Forstwirtschaft einzustufen. Im Übrigen wies es die Klage ab.

Nach § 22 Abs. 1 FRG seien für Zeiten der in §§ 15 und 16 genannten Art Entgeltpunkte in Anwendung des § 256 b Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz und Satz 8 SGB VI zu ermitteln, wobei vorliegend unstreitig auf den Bereich der Landwirtschaft abzustellen sei. Ausweislich der übersetzten Arbeitsbescheinigung der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft in Grazdek war der Kläger vom 01.05.1952 bis 30.04.1958 dort als Oberbuchhalter beschäftigt. Ferner komme es für die Ermittlung der Entgeltpunkte auf die Einstufung der entsprechenden Tätigkeit in eine der in Anlage 13 zum SGB VI genannten Qualifikationsgruppen an. In die Qualifikationsgruppe 4 (Facharbeiter) sind Personen einzustufen, die über die Berufsausbildung oder im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung nach abgeschlossener Ausbildung in einem Ausbildungsberuf die Facharbeiterprüfung bestanden haben und im Besitz eines Facharbeiterzeugnisses (Facharbeiterbrief) sind oder denen auf Grund langjähriger Berufserfahrung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen im Beitrittsgebiet die Facharbeiterqualifikation zuerkannt worden ist. Hierzu sollen nicht Personen zählen, die im Rahmen der Berufsausbildung oder der Erwachsenenqualifizierung auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufes entsprechend der Systematik der Ausbildungsberufe im Beitrittsgebiet ausgebildet worden sind. Nach Ansicht des Sozialgerichts sei nicht von einer nur teilweisen Ausbildung auszugehen, denn der Kläger habe im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung einen Abschluss als Buchhalter erworben und sei sogar als "Oberbuchhalter" tätig gewesen. Nach den glaubhaften Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung sei er für bis zu 60 Arbeitskräfte zuständig gewesen. Er habe Bilanzen erstellen müssen und sei für die Planung und Lohnabrechnung sowie Abwicklung gegenüber den Banken zuständig gewesen. Er habe dem Hauptbuchhalter die Rechenschaftsberichte vorlegen müssen. Damit habe der Kläger nicht nur eine untergeordnete, weisungsabhängige Position im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebes innegehabt. Vielmehr sei er für einen eigenen Verantwortungsbereich zuständig gewesen, für den er nur noch dem Hauptbuchhalter gegenüber verantwortlich gezeichnet habe. Zwar verfüge der Kläger auf Grund seiner Vertreibung aus dem jetzigen polnischen Staatsgebiet nicht (mehr) über einen entsprechenden Facharbeiterbrief; die Bescheinigung der polnischen Stelle sei jedoch der Erteilung eines Facharbeiterbriefes gleichzustellen. Hinzu komme, dass nach der Anlage 1 zum § 22 FRG a.F. der (einfache) Buchhalter (Lohnbuchhalter) bis 30 Jahre in die ehemals geltende Leistungsgruppe 4 aufgenommen gewesen sei (vgl. dazu: Baumeister in: Gesamtkommentar Sozialversicherung, Bd. 6, 51. Lief., Stand: 8/1988, §§ ,22 FRG Anlage 1 S. 130). Eine Änderung oder Verschärfung der damals geltenden Kriterien durch die Neufassung des Gesetzes auf Grund der gesetzgeberischen Änderung sei nicht mit hinreichender Deutlichkeit sichtbar.

Im Übrigen sei die Klage jedoch abzuweisen. Dem Kläger stehe nach der eindeutigen Regelung des § 259 SGB VI ein Rechtsanspruch auf Berücksichtigung von Sachbezügen für die Zeit vom 01.01.1957 bis 30.04.1958 nicht zu.

Gegen das der Beklagten am 03.01.2001 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 29.01.2001 eingelegte Berufung. Nach Auffassung der Beklagten komme für die Zeit vom 01.05.1952 bis 30.04.1958 eine Einstufung der Beschäftigung des Klägers in die Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum SGB VI nicht in Betracht. Zu Unrecht gehe das Sozialgericht davon aus, dass der Kläger von 1952 bis 1958 als Oberbuchhalter tätig gewesen sei. In der polnischen Arbeitsbescheinigung vom 18.07.1996 werde lediglich bestätigt, dass der Kläger "zuletzt" Oberbuchhalter war. Für die Einstufung komme es jedoch nicht auf die ausgeübte Funktion, sondern auf die berufliche Qualifikation des Klägers an. Aus der Funktion dürfe insoweit kein Rückschluss auf eine Qualifikation gezogen werden. Über den behaupteten 13-wöchigen Lehrgang zum Sozialinstrukteur im Jahre 1951 lägen keine Unterlagen vor. Aufgrund welcher Unterlagen oder Angaben die Eintragung im späteren DDR-Arbeitsbuch über eine Buchhalterausbildung in den Jahren 1952/53 vorgenommen worden war, sei unbekannt. Der 10-tägige Qualifizierungslehrgang vom 25.11. bis 04.12.1957 zum Oberbuchhalter sei einem mehrjährigen Facharbeiterabschluss nicht gleichzustellen. Selbst wenn man dies tun würde, könnte die höhere Qualifikationsgruppe erst danach zugeordnet werden.

Schließlich sei der Hinweis des Sozialgerichts, Buchhalter wären nach der Anlage 1 des Fremdrentengesetzes (FRG) in die Leistungsgruppe 4 einzustufen und durch den Wechsel von Leistungs- zu Qualifikationsgruppe dürfe sich keine Verschlechterung ergeben, abwegig.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 12.10.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und auf die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 144, 151, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist zulässig und begründet.

Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, bei der Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte des Klägers für die ab 01.01.1995 beginnende Altersrente nach § 36 SGB VI die Zeit seiner Beschäftigung vom 01.05.1952 bis 30.04.1958 in einem polnischen Landwirtschaftsbetrieb der Qualifikationsgruppe 4 nach Anlage 13 zum SGB VI zuzuordnen.

Für den Kläger, der als Vertriebener anerkannt ist, gelten neben den Vorschriften des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung (DPSVA) vom 09.10.1975 (BGBl. II 1976 S. 396), das gemäß der Bekanntmachung vom 31.03.1976 (BGBl. II 1976 S. 463) am 01.05.1976 in Kraft getreten ist, auch die Vorschriften des FRG unmittelbar.

Nach § 22 Abs. 1 FRG in der Fassung des Renten- Überleitungsgesetzes (RÜG) vom 25.07.1991 (BGBl. I S. 16069, in Kraft seit 01.01.1992), werden für Zeiten der in §§ 15 und 16 genannten Art Entgeltpunkte in Anwendung des § 256 b Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz und Satz 8 SGB VI ermittelt. Hierzu werden für Zeiten nach dem 31.12.1949 die in Anlage 14 des SGB VI genannten Durchschnittsjahresverdienste um 1/5 erhöht und für Zeiten vor dem 01.01.1950 Entgeltpunkte auf Grund der Anlagen 1 bis 16 dieses Gesetzes ermittelt. Die Bestimmung des maßgeblichen Bereichs richtet sich danach, welchem Bereich der Betrieb, in dem der Versicherte seine Beschäftigung ausgeübt hat, zuzuordnen wäre, wenn der Betrieb im Beitrittsgebiet gelegen hätte. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber klargestellt, dass seit 01.01.1992 Entgeltpunkte für Zeiten nach §§ 15 und 16 FRG ausschließlich in Anwendung des § 256 b Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz und Satz 8 SGB VI zu ermitteln sind.

Nach § 256 b Abs. 1 erster Halbsatz SGB VI werden für glaubhaft gemachte Pflichtbeitragszeiten nach dem 31.12.1949 zur Ermittlung von Entgeltpunkten als Beitragsbemessungsgrundlage für ein Kalenderjahr einer Vollzeitbeschäftigung die Durchschnittsverdienste berücksichtigt, die sich

1. nach Einstufung der Beschäftigung in eine der in Anlage 13 genannten Qualifikationsgruppen und

2. nach Zuordnung der Beschäftigung zu einem der in Anlage 14 genannten Bereiche

für dieses Kalenderjahr ergeben, höchstens jedoch 5/6 der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze. Nach Satz 3 richtet sich die Bestimmung des maßgeblichen Bereichs danach, welchem Bereich der Betrieb, in dem der Versicherte seine Beschäftigung ausgeübt hat, zuzuordnen ist. Für Zeiten vor dem 01.01.1950 und für Zeiten im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet vor dem 01.01.1991 werden Entgeltpunkte aus 5/6 der sich aus aufgrund der Anlagen 1 bis 16 zum FRG ergebenden Werte ermittelt (Satz 8). Damit unterscheidet die Vorschrift bei der Bewertung zwischen Zeiten bis zum 31.12.1949 (nach Leistungsgruppen und Tabellenwerten des "alten" FRG) und den Zeiten ab 01.01.1950 (nach Qualifikationsgruppen und Wirtschaftsbereichen der Anlagen 13 und 14 zum SGB VI). Für die - auch für den Kläger maßgebenden - Zeiten ab 01.01.1950 sind damit die Entgeltpunkte ausschließlich aufgrund der sich aus den aus Anlage 13 und 14 ergebenden Tabellenwerten zu ermitteln. Da die Glaubhaftmachung von Zeiten ab 1950 nahezu ausschließlich für Versicherte aus dem Beitrittsgebiet von Bedeutung ist, spiegeln die Anlagen 13 und 14, die auf in der ehemaligen DDR seit 1950 erhobenen statistischen Angaben beruhen, in Bezug auf Qualifikationsgruppen und Wirtschaftsbereiche die tatsächliche Situation im Beitrittsgebiet wieder (vgl. BT-Drucks. 12/405 S. 128). Die sich hieraus ergebenden Abgrenzungskriterien sind vollständig neu und orientieren sich ausschließlich an der Einkommensstruktur im Beitrittsgebiet, weil das Eingliederungsprinzip des FRG mit dem Beitritt der ehemaligen DDR für Zeiten im Beitrittsgebiet keinen Bestand mehr haben konnte. Die Einstufung in Qualifikationsgruppen kann daher der Einstufung in Leistungsgruppen nach Anlage 1 zum FRG nicht gleichgestellt werden. Insoweit ist entgegen der Ansicht des Sozialgerichts die bisherige Rechtsprechung zu den Leistungsgruppen nicht analog anwendbar (vgl. KassKomm-Polster § 256 b SGB VI RdNr. 2).

Zutreffend hat das Sozialgericht zunächst festgestellt, dass ausgehend von der polnischen Arbeitsbescheinigung vom 18.07.1996 die vom Klägerin in der Zeit vom 01.05.1952 bis 30.04.1958 ausgeübten Tätigkeiten nach Anlage 14 zum SGB VI dem Wirtschaftbereich Land- und Forstwirtschaft (Tabelle 14) zuzuordnen sind. Diese Zuordnung wurde auch vom Kläger nicht angegriffen.

Streitig ist lediglich die Einstufung dieser Tätigkeiten in die nach Anlage 13 zum SGB VI vorgegebenen Qualifikationsgruppen. Insoweit ist das Sozialgericht jedoch zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Beschäftigung des Klägers in der hier streitigen Zeit der Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum SGB VI zuzuordnen ist. In die Qualifikationsgruppe 4 (Facharbeiter) nach Anlage 13 zum SGB VI sind Personen einzustufen, die über die Berufsausbildung oder im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung nach abgeschlossener Ausbildung in einem Ausbildungsberuf die Facharbeiterprüfung bestanden haben und im Besitz eines Facharbeiterzeugnisses (Facharbeiterbrief) sind oder denen auf Grund langjähriger Berufserfahrung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen im Beitrittsgebiet die Facharbeiterqualifikation zuerkannt worden ist. Hierzu zählen nicht Personen, die im Rahmen der Berufsausbildung oder der Erwachsenenqualifizierung auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufes entsprechend der Systematik der Ausbildungsberufe im Beitrittsgebiet ausgebildet worden sind. Bei der Einstufung in die einzelnen Qualifikationsgruppen kommt es demnach darauf an ob der Versicherte eine festgelegte Qualifikation erworben und eine dieser Qualifikation entsprechende Tätigkeit ausgeübt hat. Insoweit zutreffend weist das Sozialgericht darauf hin, dass der Kläger eine Facharbeiterausbildung (sei es als Traktorist, Sozialinstrukteur oder Buchhalter) nicht nachgewiesen hat. Vielmehr schloss er erst, nachdem er in das Beitrittsgebiet ausgesiedelt war, am 01.03.1960 eine Berufsausbildung zum Spitzendreher mit dem Facharbeiterzeugnis ab. Eine in Polen absolvierte Berufsausbildung hat er nicht belegt. Über den behaupteten 13-wöchigen (= 3-monatigen) Lehrgang zum Sozialinstrukteur im Jahre 1951 liegen keine Unterlagen vor. Diese Zeit ist vielmehr nach dem Widerspruch des Klägers und erneuter Auswertung der Unterlagen des polnischen Sozialversicherungsträgers von der Beklagten als Beitragszeit berücksichtigt worden. Den Unterlagen ist nicht zu entnehmen, dass insoweit eine Freistellung zur Ausbildung erfolgt war. Diese Frage kann aber offenbleiben, denn auch die Absolvierung eines 3-monatigen Lehrgangs ist nicht mit einer zwei- bis dreijährigen Berufsausbildung, die zum Erwerb eines Facharbeiterzeugnisses führte, gleichzusetzen. Auch der durch polische Teilnahmebescheinigung nachgewiesene Besuch eines 10- tägigen Qualifizierungslehrganges vom 25.11. bis 04.12.1957 zum (Ober)Buchhalter führt - entgegen der Ansicht des Sozialgerichts - zu keiner anderen Beurteilung. Auch wenn der Kläger - wie von ihm beschrieben - Aufgaben eines Buchhalters mit entsprechender Verantwortung erfüllte, führt dies bei fehlendem beruflichen Abschluss nicht zur Einstufung in die Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum SGB VI, die für abgeschlossene Facharbeiterberufe gilt. In Ausnahmefällen kann die Qualifikation zwar auch durch langjährige Berufserfahrung zuerkannt werden. Dazu ist jedoch die Ausübung der höherwertigen Tätigkeit über einen Zeitraum von mindestens 10 Jahren erforderlich. Der Kläger hat aber die von ihm behauptete Tätigkeit lediglich über eine Zeit von 6 Jahren ausgeübt. In der polnischen Arbeitsbescheinigung vom 18.07.1996 werde sogar nur bestätigt, dass der Kläger "zuletzt" Oberbuchhalter war.

Die Beklagte hat damit zutreffend die vom Kläger in der streitigen Zeit ausgeübte Tätigkeit in die Qualifikationsgruppe 5 der Anlage 13 zum SGB VI eingestuft. In dieser Qualifikationsgruppe werden alle Personen erfasst, die keine Ausbildung absolviert, nur eine Teilausbildung zurückgelegt haben oder lediglich angelernt worden sind. Die vom Kläger behauptete 13-wöchige Ausbildung und die nachgewiesene 2-wöchige Weiterbildung sind der Anlernebene zuzuordnen, selbst wenn der Kläger seine Tätigkeit so qualifiziert ausgeübt haben mag, dass die Arbeitsergebnisse einer Vollausbildung gleichstanden. Dies rechtfertigt, da eine 10-jährige Berufserfahrung nicht nachgewiesen ist, nicht zur höherwertigen Einstufung der Beschäftigung.

Aus den genannten Gründen war auf die Berufung das Urteil des Sozialgerichts Leipzigs aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Für das Verfahren vor dem Sozialgericht war zu berücksichtigen, dass der Kläger durch die von der Beklagten abgegebenen Teilanerkenntnisse vom 27.11.1998 und vom 12.101.2000 teilweise obsiegte.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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