L 4 RA 42/98

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 8 An 306/95
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 RA 42/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 21. November 1997 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) (§ 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI) geltend.

Die am ...1948 geborene Klägerin absolvierte in der Zeit ab 01.09.1970 bis 05.02.1971 im Fernstudium eine Ausbildung zur Erziehungshelferin und war anschließend in diesem Beruf tätig. Von 1979 bis Januar 1981 wurde sie im Fernstudium zur Kindergärtnerin ausgebildet und übte diesen Beruf bis 31.08.1988 aus. Diese Tätigkeit konnte sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten. Anschließend arbeitete sie als Sachbearbeiterin und Rezeptionistin und war seit 15.01.1994 in einem Bauunternehmen vollschichtig als Telefonistin beschäftigt. Im Juni 2000 schloss sie eine Umschulung zur Bürokauffrau erfolgreich ab. Während der Zeit der zweijährigen Umschulung ruhte das Beschäftigungsverhältnis mit der H ... H ... GmbH und die Klägerin war wegen Weiterbildung unbezahlt freigestellt. Das Arbeitsamt gewährte Unterhaltsgeld. Durch Kündigung vom 10.07.2000 endete das Arbeitsverhältnis am 30.09.2000. Anschließend bezog die Klägerin Krankengeld.

In der Zeit vom 01.02.1988 bis 31.08.1993 erhielt sie eine befristete BU-Rente. Am 26.08.1993 beantragte sie bei der Beklagten die Weitergewährung der BU-Rente für die Zeit ab 01.09.1993.

Die Beklagte holte ein urologisches Fachgutachten von Dr. J ... und die Befundberichte der behandelnden Ärzte ein. Mit Bescheid vom 25.01.1994 lehnte die Beklagte den Weitergewährungsantrag ab, da die Klägerin im bisherigen Berufsbereich weiter tätig sein könnte. Die Klägerin legte am 30.01.1994 Widerspruch ein. Die Beklagte zog daraufhin Befundberichte und weitere Gutachten auf dem Gebiet der Frauenheilkunde, der Urologie und der Neurologie bei. Danach sei die Klägerin noch in der Lage, vollschichtig Tätigkeiten möglichst im Sitzen zu verrichten. Eine volle Berufsfähigkeit als Telefonistin sei gegeben.

Mit Bescheid vom 06.04.1995 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück, da sie zwar aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr als Kindergärtnerin arbeiten könne, jedoch die zumutbare Verweisungstätigkeit einer Telefonistin vollschichtig ausübbar sei.

Dagegen erhob die Klägerin am 10.05.1995 Klage zum Sozialgericht Leipzig (SG) und verfolgt ihr Begehren weiter. Eine Verweisung vom Beruf der Kindergärtnerin, für den sie studiert habe, auf den Beruf einer Telefonistin sei nicht zumutbar.

Das SG hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Befundberichte der behandelnden Ärzte, der Schwerbehindertenakte des Amtes für Familie und Soziales und der Rehabilitationsakte der Beklagten. Darüber hinaus hat das SG berufskundliche Ermittlungen durchgeführt.

Mit Urteil vom 21.11.1997 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide verurteilt, der Klägerin vom 01.09.1993 eine Rente wegen BU zu gewähren. Das SG stimme mit dem Gutachten darin überein, dass die Klägerin seit 1988 auf Grund Harninkontinenz nicht mehr im Beruf als Kindergärtnerin arbeiten könne. Da eine Lösung aus gesundheitlichen Gründen vorliege und es keine Tätigkeiten gebe, auf die die Klägerin sich zumutbar verweisen lassen müsse, sie sei berufsunfähig im Sinne § 43 Abs. 2 SGB VI. Nach dem Mehr-Stufen-Schema des BSG sei der bisherige Beruf der Klägerin der Gruppe der Angestellten mit einer längeren als zweijährigen (regelmäßig dreijährigen) Ausbildung zuzuordnen. In einer vergleichbaren Position seien Kindergärtnerinnen in die Vergütungsgruppe VI b BAT eingeordnet. Grundsätzlich dürften Versicherte im Vergleich zum bisherigen Beruf auf die nächst-niedrigere Gruppe verwiesen werden, so dass sich die Klägerin nur auf einen Beruf der zur Gruppe der Angestellten mit einer bis zu zweijährigen Ausbildung gehöre, verweisen lasse. Eine Verweisung auf die Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsfeldes oder auf einen ungelernten Beruf sei ausgeschlossen. Zwar könne die Klägerin den Beruf einer Telefonistin gesundheitlich noch vollschichtig ausüben, jedoch sei die Verweisung nicht zumutbar. Der Beruf der Telefonistin gehöre nicht zu den Angestelltenberufen mit einer bis zu zweijährigen Ausbildung, sondern zu den ungelernten Angestelltenberufen. Er sei im Mehr-Stufen-Schema zwei Stufen unter der Gruppe, in die der Beruf der Kindergärtnerin einzuordnen sei. Dies sei aber sozial nicht zumutbar. Das SG folge nicht der Ansicht der Beklagten, dass der Beruf der Telefonistin wegen der betrieblichen Bedeutsamkeit qualitativ zu den angelernten Berufen zähle und im Bereich der öffentlichen Verwaltung mindestens nach der Gruppe VIII BAT vergütet werde. Telefonistinnen würden über eine Anlernzeit von drei Monaten hinaus in die Vergütungsgruppe IX b BAT eingruppiert. Die Verweisungstätigkeit wäre dann qualitativ zumutbar, wenn die Telefonistin innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten nach der Vergütungsgruppe VIII BAT vergütet werden würde. Dies sei jedoch nicht der Fall, da es sich bei Vergütungsgruppe VIII BAT nicht um die Eingangsvergütung für Telefonistinnen handele. Dies sei die Vergütungsgruppe IX b BAT. Es müsse davon ausgegangen werden, dass Telefonistinnen im Regelfall mindestens sechs Monate in Vergütungsgruppe IX b BAT eingruppiert werden.

Gegen das der Beklagten am 24.02.1998 zugestellte Urteil hat diese fristgemäß am 09.03.1998 Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Es treffe nicht zu, dass die Telefonistinnentätigkeit generell eine längere als dreimonatige Einweisungs-/Einarbeitungszeit voraussetze. Unter Beachtung eines der Klägerin entsprechenden Qualifizierungsprofils sei davon auszugehen, dass diese Tätigkeit in kürzerer Zeit vollwertig ausgeübt werden könne. Den Stellungnahmen der AOK L ... vom 25.01.1993 und der AOK H ... vom 01.02.1993 sei zu entnehmen, dass bereits während der Einarbeitungszeit die Vergütung nach BAT VIII und spätestens nach sechs Monaten bereits eine höhere Gruppierung nach BAT VII vorgenommen werde. Der qualitative Wert der Telefonistinnentätigkeit sei regelmäßig der Tarifgruppe VIII/VII zugeordnet. Die Klägerin müsse sich daher auf eine nach BAT VIII vergütete Tätigkeit verweisen lassen, so dass die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen BU nicht erfüllt seien.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG Leipzig vom 21.11.1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung für zutreffend. Das SG sei richtigerweise davon ausgegangen, dass Telefonistinnen im Regelfall mindestens sechs Monate in der Vergütungsgruppe IX b BAT eingruppiert werden und erst im Anschluss daran eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe VIII BAT vorgesehen sei. Der gesundheitliche Zustand habe sich nicht gebessert. Wegen Depressionen sei sie seit 22.09.2000 krankgeschrieben und die Beklagte habe mit Bescheid vom 14.03.2001 eine medizinische Rehabilitation über sechs Wochen bewilligt.

Der Senat hat im Rahmen der Ermittlungen zur Frage der Eingruppierung von Telefonistinnen Auskünfte der Stadt C ... vom 05.12.1996, der AOK S ... vom 28.05.1998, des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales, Gesundheit und Familie vom 28.05.1998, das Sächsische Staatsministerium der Justiz vom 07.07.1998, des Landesarbeitsamtes Sachsen, ein berufskundliches Gutachten von S ... H ... vom 15.09.1997 in anderer Sache, eine Arbeitgeberauskunft vom 18.01.2000 und eine Auskunft des Arbeitsamtes L ... vom 15.03.2000 eingeholt. Die Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes erfolgte durch Beiziehung von Befundberichten von Dr. R ... vom 09.05.1999, Dr. O ... vom 20.05.1999 und Dr. R ... vom 21.6.1999. Der Entlassungsbericht der Reha-Klinik Bad C ... vom 23.04.1997 schätzte aus orthopädischer Sicht vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ein. Nach der gutachterlichen Stellungnahme von Dr. P ... vom Verbund Gemeindenahe Psychiatrie L ... vom 07.06.1999 sei die Klägerin vollschichtig als Telefonistin einsetzbar. Der ärztliche Sachverständige auf orthopädischem Fachgebiet Dr. G ... schätzte im Gutachten vom 27.08.1999 ein, dass die Klägerin als Telefonistin nur noch halbschichtig einsetzbar sei, da es sich dabei um eine überwiegend sitzende Tätigkeit handele. Die Einschränkungen bestünden seit August 1998. Die Klägerin könne körperlich leichte Tätigkeiten im dynamischen Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen vollschichtig durchführen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft und zulässig (§ 143 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und erweist sich als begründet. Die Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Zu Unrecht hat das SG die Bescheide der Beklagten aufgehoben und der Klägerin Rente wegen BU im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI gewährt.

BU liegt bei der Klägerin nicht vor, weil ihre Erwerbsfähigkeit noch nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung, gleichwertigen Kenntnissen und Fertigkeiten gesunken ist.

Die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten gesunken ist, wird danach getroffen, welchen Verdienst er aus einer Erwerbstätigkeit erzielen kann, auf die er nach seinem Berufswerdegang und nach seinem Gesundheitszustand zumutbar verwiesen werden kann (Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 28.02.1963, 12 RJ 24/58 SozR 2200 Nr. 24 zu § 1246 Reichsversicherungsordnung - RVO -). Zur Frage, welche Tätigkeiten einem Versicherten zugemutet werden können, hat das BSG ein Mehr-Stufen-Schema entwickelt, nach welchem in Anlehnung an das für die Arbeiterrentenversicherung die Angestelltentätigkeiten in ungelernte Angestelltentätigkeiten, Tätigkeiten mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren und Tätigkeiten mit einer längeren Ausbildung (durchschnittlich drei Jahre) eingeteilt sind (vgl. BSGE 58,203 f.; BSG, SozR 2200 Nr. 103 zu § 1246 RVO). Jeder Angestellte kann, wenn es um zumutbare Verweisungstätigkeiten geht, jeweils auf Tätigkeiten verwiesen werden, die eine Stufe tiefer einzuordnen sind, als es dem bisherigen Beruf entspricht. Ein Angestellter mit beruflicher Ausbildung kann demnach auf Anlerntätigkeiten, ein angelernter Angestellter auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden.

Für die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten gesunken ist, kommt es dabei auf den bisherigen Beruf an (BSG, SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 107, 169). Dies ist im allgemeinen die Tätigkeit, die ein Versicherter zuletzt nachhaltig und vollwertig versicherungspflichtig ausgeübt hat. Auf frühere höherwertige Tätigkeiten ist im Rahmen des so genannten Berufsschutzes dann nicht abzustellen, wenn eine Lösung vom Beruf vorliegt. Diese Voraussetzung ist dann gegeben, wenn der Versicherte seiner Berufstätigkeit erkennbar nicht mehr nachgehen will und sich endgültig einer anderen Berufstätigkeit zuwendet (BSGE 46, 129). Nur in dem Ausnahmefall, dass die Berufsaufgabe aus gesundheitlichen Gründen erfolgte, wird eine Lösung im Sinne des Rentenrechts nicht angenommen, da gerade solche Gründe zur Lösung geführt haben, für die die gesetzliche Rentenversicherung einzustehen hat (BSG, SozR 2200 § 1246 Nr. 158; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 38 m. w. N.). Zutreffend hat das SG festgestellt, dass sich die Klägerin bereits 1988 von der beruflichen Tätigkeit einer Kindergärtnerin aus gesundheitlichen Gründen gelöst hatte und hat die Klägerin der Berufsgruppe der Angestellten mit einer Ausbildung bis zu drei Jahren zugeordnet. Vor Inanspruchnahme einer Rente wegen BU muss sich die Klägerin daher auf Anlerntätigkeiten verweisen lassen, die ihrem bisherigen beruflichen Werdegang entsprechen, und denen sie mit dem gesundheitlichen Restleistungsvermögen sowohl objektiv als auch subjektiv gerecht werden kann.

Die Tätigkeit einer Kindergärtnerin kann die Klägerin nicht mehr vollwertig verrichten. Dies steht zwischen den Beteiligten außer Streit. Sie ist jedoch nicht berufsunfähig, da sie objektiv und subjektiv auf die Verweisungstätigkeit einer Bürokauffrau verwiesen werden kann und hierfür nach Auffassung des Senats vollschichtiges Leistungsvermögen besteht.

Der ärztliche Sachverständige auf orthopädischem Fachgebiet Dr. G ... schätzte im Gutachten vom 27.08.1999 ein, dass die Klägerin körperlich leichte Tätigkeiten im dynamischen Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen vollschichtig durchführen könne. Dieses Leistungsbild besteht seit August 1998. Nach dem in einem anderen Verfahren erstellten berufskundlichen Gutachten des Dr. J. von M ... vom 06.07.1992 für das SG Duisburg umfasst die Tätigkeit der Bürokauffrau nach der Verordnung über die Berufsausbildung zur Bürokauffrau vom 13.02.1991 (BGBl. I S. 425 vom 20.02.1991) die Bereiche Bürowirtschaft und Statistik, Informationsverarbeitung, betriebliches Rechnungswesen, Personalwesen, Büroorganisation sowie Auftrags- und Rechnungsbearbeitung und Lagerhaltung. Dabei handelt es sich in der Regel um leichte Frauentätigkeit, welche überwiegend im Sitzen durchgeführt wird. Leichte kaufmännische Tätigkeiten, die im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen durchgeführt werden können, sind nach diesem berufskundlichen Gutachten die Arbeiten im Bereich der Bürowirtschaft sowie im Bereich der Lagerhaltung. Dazu gehörten u.a. bürowirtschaftliche Abläufe wie Büromaterial verwalten, Posteingang bearbeiten, Postverteilung durchführen, Registraturarbeiten, Fristenkontrolle, Karteien und Dateien führen, Termine planen und überwachen bzw. Vorgänge im Zusammenhang mit dem Materialeingang und -ausgang, der Erfassung, Führung und Kontrolle des Materialbestandes sowie des Einsatzes der Organisationsmittel bei der Lagerung. Nach einem weiteren berufskundlichen Gutachten der Diplom-Verwaltungswirtin S. Hochheim vom 28.03.1996 in anderer Sache des SG Chemnitz schätzte die Sachverständige zu Tätigkeiten im Bereich Büro/ Verwaltung ein, dass es sich generell um körperlich leichte Arbeiten im Wechsel der Körperhaltung zwischen Gehen, Stehen und Sitzen handele, so dass Zwangshaltungen vermieden werden könnten. Die Arbeiten werden in geschlossenen Räumen ausgeführt und bedingen kein schweres Heben und Tragen von Lasten.

Gemessen an diesen Maßstäben ist die Klägerin mit dem verbliebenen Restleistungsvermögen in der Lage, die Tätigkeit einer Bürokauffrau vollschichtig auszuüben. Die Verweisung auf eine Tätigkeit, für die der Versicherte durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult wurde, ist gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI stets zumutbar (BSG, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 35; Niesel, KassKomm, § 43 SGB VI Randziff. 124). Die Klägerin ist in der Zeit von 1998 bis Juni 2000 zur Bürokauffrau umgeschult worden und verfügt demnach noch über Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung dieser Tätigkeit, ggf. nach einer Einarbeitungszeit von bis zu drei Monaten. Darüber hinaus ist beachtlich, dass die Klägerin über Berufserfahrung im Bürobereich verfügt, da sie bereits als Sachbearbeiterin, Rezeptionistin und Telefonistin arbeitete. Auch hat die Klägerin durch die zweijährige Umschulung nachgewiesen, dass sie trotz der gesundheitlichen Einschränkungen in der Lage ist, einer geregelten Tätigkeit im kaufmännischen Bereich nachzugehen.

Sofern der orthopädische Sachverständige Dr. G ... im Gutachten vom 27.08.1999 einschätzte, dass die Einschränkungen seit August 1998 bestehen und leichte Tätigkeiten im Wechsel durchzuführen sind, ergibt sich daraus nicht, dass die Klägerin für den Zeitraum ab 01.09.1993 einen Rentenanspruch wegen Berufsunfähigkeit geltend machen kann. Für diesen Zeitraum ist sie auf die Tätigkeit einer Telefonistin objektiv und subjektiv zumutbar verweisbar. Die früheren Gutachten gingen insoweit übereinstimmend von einem vollschichtigen Leistungsvermögen für die Tätigkeit einer Telefonistin aus und berücksichtigten demzufolge, dass diese Tätigkeit überwiegend im Sitzen verrichtet wird. Nach einem Urteil des BSG vom 12.09.1991 (5 RJ 34/90 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 17) ist die Telefonistinnentätigkeit eine geeignete Verweisungstätigkeit für Facharbeiter mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren. Danach kann die Klägerin zumutbar auf die Tätigkeit einer Telefonistin verwiesen werden. Das Gesetz räumt dem Versicherten einen Anspruch wegen BU nicht schon dann ein, wenn er seinen bisherigen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr auszuüben in der Lage ist (BSG, SozR 2200 § 1246 Nr. 44). Vielmehr verlangt das Gesetz von dem Versicherten, dass er - bezogen auf seinen bisherigen Beruf - einen zumutbaren berufliche Abstieg in Kauf nimmt und sich vor Inanspruchnahme einer Rente mit einer ggf. geringerwertigen Erwerbstätigkeit begnügen muss. Die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach den gesundheitlichen Kräften und den beruflichen Kenntnissen und Fertigkeiten des Versicherten; zugemutet werden auch "berufsfremde Tätigkeiten", die nach ihren im Gesetz angeführten positiven Kennzeichen - Ausbildung und deren Dauer, insbesondere Anforderungen, Bedeutung des Berufs im Betrieb, als auch nach ihrer Qualität - dem bisherigen Beruf nicht zu fern stehen. Unter Würdigung der berufskundlichen Ermittlungen hegt der Senat keine Bedenken, dass die Klägerin die genannte Tätigkeit als Telefonistin mit einer Einarbeitungszeit von höchstens zwei bis zu drei Monaten ausüben konnte. Es handelt sich hierbei um körperlich leichte Tätigkeiten in geschlossenen Räumen, die überwiegend im Sitzen verrichtet werden. Das bereits eingangs genannte Restleistungsvermögen der Klägerin reicht aus, den üblichen gesundheitlichen Belastungen aus den Aufgaben dieser Tätigkeit vollschichtig zu genügen. Die genannte Tätigkeit ist in der Tarifgruppe VIII BAT erfasst, so dass die tarifliche Nennung die Vermutung begründet, dass es Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl gibt. Unter Berücksichtigung der von der Klägerin seit August 1988 ausgeübten Tätigkeit einer Sachbearbeiterin und Rezeptionistin sowie später als Telefonistin in einem Bauunternehmen war sies 1998 in der Lage, diese Verweisungstätigkeit binnen einer dreimonatigen Einarbeitungszeit vollwertig zu verrichten.

Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass der bisherige Beruf der Klägerin als Kindergärtnerin in die Vergütungsgruppe VI b BAT einzuordnen wäre. Nach Ansicht des SG würden Telefonistinnen über eine Anlernzeit von drei Monaten hinaus in die Vergütungsgruppe IX b BAT eingruppiert. Da es sich bei der Vergütungsgruppe VIII BAT nicht um die Eingangsvergütung für Telefonistinnen handele, hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin Rente wegen BU zu bewilligen.

Der Rechtsauffassung des SG ist nicht zu folgen.

Ausgehend von den vorliegenden Auskünften der AOK L ... vom Januar 1993 und der AOK H ... vom Februar 1993 werden auch während der Anlernzeit Entlohnungen einer Lohnvergütungsgruppe VIII BAT zugrunde gelegt. Ebenso teilte die Stadt C ... auf Anfrage mit Schreiben vom 05.12.1996 mit, dass für die Tätigkeit als Telefonist eine Anlernzeit von durchschnittlich drei Monaten angesetzt werde und bei auch artfremder abgeschlossener Berufsausbildung mit einer Eingangsvergütungsgruppe VIII eingestuft werde. Nach der Auskunft der AOK S ... vom 25.05.1998 werden Telefonistinnen in der AOK S ... nach BAT/AOK mit der Vergütungsgruppe III (BAT VIII) für längstens sechs Monate und mit der Vergütungsgruppe IV (BAT VII) spätestens nach sechs Monaten entlohnt. Das Sächsische Staatsministerium für Soziales, Gesundheit und Familie teilte dem Senat mit Schreiben vom 28.05.1998 mit, dass für Telefonistinnen regelmäßig die Grundeingruppierung in Vergütungsgruppe VIII des Teils II P II des BAT-O (Vergütungsordnung) erfolge. Das Landesarbeitsamt Sachsen teilte dem SG Dresden in anderer Sache mit, dass die Vergütung von Telefonistinnen nach der Vergütungsgruppe VIII BAT erfolge. Das LSG Mecklenburg-Vorpommern hat am 26.08.1997 (L 4 An 40/96) entschieden, dass die Tätigkeit einer Telefonistin grundsätzlich eine Tätigkeit ist, die einer Facharbeiterin (bzw. Fachangestellten) als Verweisungstätigkeit qualitativ zumutbar ist, wenn die Telefonistin innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten nach der Vergütungsgruppe VIII entlohnt wird. Das LSG Baden-Württemberg hat im Urteil vom 19.03.1998 (L 10 RA 602/95) dargestellt, dass die Vergütung nach der Vergütungsgruppe VIII BAT für Telefonistinnen zwar nicht die Eingangsvergütung sei. Während der Einarbeitungszeit werden Telefonistinnen in Vergütungsgruppe IX BAT eingestuft. Darauf komme es aber nach der Ansicht dieses LSG nicht an, da die Wertigkeit der Verweisungstätigkeit sich aus der generellen Einstufung (Vergütungsgruppe VIII BAT) ergebe. Im Urteil des LSG Berlin vom 15.01.1998 (L 8 An 173/95) wird davon ausgegangen, dass auch in der Einarbeitungszeit mit der Vergütungsgruppe VIII der Anlage 1 a BAT-Ost vergütet werde. Das LSG Berlin bezog sich insoweit auf ein Schreiben des Amtes für Soziales und Versorgung in Frankfurt/Oder vom 22.08.1996.

Die vorgelegten Auskünfte und Entscheidungen verschiedener Landessozialgerichte sprechen für die von der Beklagten vertretene Auffassung, welcher der Senat nach eigener Prüfung folgt. Danach steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin nicht berufsunfähig ist und demzufolge keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit hat.

Nach alledem kann die Klägerin die vorgenannten Verweisungstätigkeiten unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen insbesondere auf orthopädischem Fachgebiet noch vollschichtig ausüben.

Der Senat war auch nicht gehalten, weitere medizinische Ermittlungen durchzuführen, obwohl die Klägerin auf Grund Depressionen und psychosomatischer Krankheit seit dem 22.09.2000 arbeitsunfähig krankgeschrieben ist. Die Arbeitsunfähigkeit nach dem Krankenversicherungsrecht richtet sich nach anderen Kriterien als die Erwerbsunfähigkeit im Rentenrecht. Auch die Gewährung einer medizinischen Heilmaßnahme begründet keine andere Beurteilung.

Nach § 9 Abs. 1 SGB VI erbringt die Rentenversicherung medizinische Leistungen zur Rehabilitation, um den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderungen auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wieder einzugliedern. Danach erfolgt die Bewilligung einer Heilmaßnahme, sofern keine Erwerbsunfähigkeit vorliegt, d.h. Behandlungsansätze zu sehen sind, die eine dauerhafte Wiedereingliederung in das Erwerbsleben erwarten lassen.

Der streitige Anspruch der Klägerin auf Versichertenrente wegen BU richtet sich noch nach § 43 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung, da der Weitergewährungsantrag bereits im August 1993 gestellt worden ist. Ebenso besteht kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach §§ 43 Abs. 1 oder 2, 240 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl. S. 1827), denn die Klägerin ist nach den übereinstimmenden ärztlichen Feststellungen in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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