L 4 RA 75/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 17 RA 588/00
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 RA 75/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 19. März 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Streitig ist insbesondere, ob sie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt.

Die am ... geborene Klägerin absolvierte vom 01.09.1993 bis 31.08.1996 eine Hauswirtschaftslehre, die sie erfolgreich abschloss. Am 01.09.1996 trat sie eine Lehre in der Altenpflege an, die sie zum 31.03.1998 abbrach. Während der Ausbildung bestand keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung. Ab Juli 1998 erhielt die Klägerin Leistungen der Sozialhilfe. Seit März 2000 ist sie Mutter und erhält Erziehungsgeld.

Am 13.01.2000 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Wegen Asthma bronchiale könne sie nur noch sitzende Tätigkeiten ausüben. Die Beklagte holte daraufhin einen Befundbericht des Allgemeinmediziners DM Z ... ein, der ein Mischformasthma, Adipositas, Schwangerschaft und eine psychische Störung mitteilte. Wegen der Schwangerschaft sei eine Besserung der Leistungsfähigkeit derzeit nicht möglich. Daraufhin wurde die Praxis Dr. T .../Dr. W ... in C ... mit der Erstattung eines Gutachtens auf dem Gebiet der Pulmologie beauftragt. In dem Gutachten vom 06.06.2000 wurde festgestellt, dass die Leistungsfähigkeit als beginnend mittelgradig eingeschränkt zu bewerten sei. Als Altenpflegerin bestehe unter halbschichtige Leistungsfähigkeit. Es sollte eine Umschulung in einen Beruf versucht werden, in dem ohne körperliche Anstrengungen gearbeitet werden könne und weitere aufgeführte Bedingungen eingehalten seien.

Mit Bescheid vom 04.07.2000 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Die Klägerin sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten ohne körperliche Anstrengungen, ohne Einfluss von Atemwegreizstoffen, ohne Allergenkontakt und nicht ständig im Freien vollschichtig auszuüben. Sie sei daher nicht erwerbsunfähig. Außerdem sei die Wartezeit für eine Rente nicht erfüllt. Die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren liege nicht vor. Bei der Prüfung der Wartezeit würden Anrechnungszeiten w.z.B. Zeiten der Ausbildung nicht angerechnet. Die Klägerin habe damit noch keinen Monat der Wartezeit erfüllt. Auch die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) seien nicht erfüllt. Danach werde die Wartezeit vorzeitig erfüllt, wenn ein Versicherter wegen eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit arbeitsunfähig werde. Auch diese Voraussetzungen lägen nicht vor.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 12.07.2000 Widerspruch ein. Wegen der immer häufigeren Asthmaanfälle habe sie auf Anraten des Hausarztes die Ausbildung zur Altenpflegerin abgebrochen. Sie sei nicht vollschichtig arbeitsfähig. Die Gutachter hätten ihr geraten, zwei Jahre keine Tätigkeit auszuüben. Dann solle sie versuchen, den Gesundheitszustand durch eine Kur zu bessern. Anschließend solle eine Eingliederung im Rahmen einer Rehamaßnahme versucht werden.

Die Beklagte holte daraufhin nochmals einen Befundbericht des Lungenfacharztes Dr. K ... ein. Dieser teilte mit, dass die Klägerin derzeit arbeitsfähig sei. Ihr Zustand habe sich etwas gebessert. Eine Besserung der Leistungsfähigkeit sei durch medizinische Rehabilitation möglich. Der Widerspruch wurde darauf mit Bescheid vom 29.11.2000 zurückgewiesen. Es bestehe kein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit nach den § 43 und 44 SGB VI. Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einer vollschichtigen Beschäftigung nachgehen. Außerdem sei die Wartezeit für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht erfüllt.

Gegen den Bescheid richtet sich die Klage vom 21.12.2000 zum Sozialgericht Chemnitz (SG), mit der die Klägerin ihr Ziel einer Rentengewährung weiterverfolgt. Sie habe seit Februar 1998 wiederholt schwere Asthmaanfälle gehabt. Trotz Behandlung habe sich ihr körperlicher Zustand nicht so gebessert, dass sie einer Arbeit nachgehen könne. Bei jeder körperlichen Belastung leide sie unter Atemnot und müsse ein Notfallspray benutzen. Sie habe deshalb auf Anraten der Ärzte eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beantragt.

Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19.03.2001 ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach den §§ 43, 44 SGB VI. Nach den geltenden Vorschriften müsse vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt sein. Die allgemeine Wartezeit betrage nach § 50 SGB VI für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit fünf Jahre, wobei für die allgemeine Wartezeit nur die Kalendermonate mit Beitragszeiten und mit Ersatzzeiten angerechnet werden, § 51 SGB VI. Für die allgemeine Wartezeit habe die Klägerin noch keine Kalendermonate mit Beitragszeiten oder Ersatzzeiten zurückgelegt.

Die allgemeine Wartezeit sei auch nicht vorzeitig erfüllt. Nach § 53 Abs. 1 SGB VI sei dies der Fall, wenn der Versicherte

1. wegen eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit,
2. wegen einer Wehrdienstbeschädigung nach dem Soldatenversorgungsgesetz als Wehrdienstleistender oder Soldat auf Zeit,
3. wegen einer Zivildienstbeschäftigung nach dem Zivildienstge setz als Zivildienstleistender oder
4. wegen eines Gewahrsams (§ 1 Häftlingshilfegesetz)

vermindert erwerbsfähig geworden ist. Dies treffe für die Klägerin nicht zu. Die Wartezeit sei auch dann vorzeitig erfüllt, wenn ein Versicherter vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung erwerbsunfähig geworden sei und in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet habe, § 53 Abs. 2 SGB VI. Auch diese Voraussetzungen lägen bei der Klägerin nicht vor, die bisher noch keine Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet habe.

Nach Auffassung der Kammer sei diese Regelung verfassungsgemäß. Das Sozialrechtsverhältnis beruhe zwar nicht auf dem reinen Versicherungsprinzip, sondern auch auf Gedanken der Solidarität und des sozialen Ausgleichs. Eine Versichertenrente werde jedoch typischerweise durch Beitragsleistung mitbestimmt, sodass die Voraussetzungen der Gewährung von dem Versicherungsgedanken mitgeprägt würden. Damit entspreche es dem allgemeinen Versicherungsprinzip, dass ein materiellrechtlicher Leistungsanspruch von einer Beitragsleistung in einem bestimmten Umfang abhängig gemacht werde. Die Vorschriften über die Wartezeit gehöre demgemäß zu den Leistungsvoraussetzungen. Diese Vorschriften dienten dem Schutz der Versichertengemeinschaft vor den ungünstigen Risiken und vor Personen, die nur ein kurzfristiges Beschäftigungsverhältnis zur Erlangung von Rentenleistungen eingehen könnten.

Gegen den mit Einschreiben vom 22.03.2001 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 12.04.2001 beim Sächsischen Landessozialgericht eingegangene Berufung. Der Gesundheitszustand habe sich eher verschlechtert. Wie solle sie, wenn sie nicht arbeitsfähig sei, jemals die Anforderungen der Wartezeit erfüllen? Könnte nicht das Erziehungsgeld bei der Wartezeit angerechnet werden? Auf Hinweis, dass die Wartezeit wohl nicht erfüllt sei, führte die Klägerin nochmals an, dass sie auf Grund ihres Asthmas Herzrhythmusstörungen habe, die nicht therapierbar seien. Sie könne keine Beiträge zur Rentenversicherung zahlen, wenn sie kein Einkommen habe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 19.03.2001 und den Bescheid der Beklagten vom 04.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab Rentenantragstellung eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie weist daraufhin, dass die allgmeine Wartezeit nicht erfüllt sei. Selbst wenn man die Kindererziehungszeiten zu Grunde lege, wären die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlungen waren.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte und zulässige Berufung, §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erweist sich als unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit nach den §§ 43, 44 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Form oder auf eine Rente wegen verminderten Erwerbsfähigkeit nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2001 gültigen Fassung. Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen.

Nach § 43 Abs. 1 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung ist der Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit an die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen geknüpft, dass

- in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit bezahlt sind,

- vor Eintritt der Berufsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt ist.

Dieselben Voraussetzungen enthalten die §§ 43 SGB VI in der neuen Fassung und § 44 SGB VI. Diese allgemeine Wartezeit ist nicht erfüllt. Hinsichtlich der Wartezeit nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheides und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 153 Abs. 2 SGG.

Ergänzend ist anzuführen, dass selbst unter Berücksichtigung der nun gegebenen Kindererziehungszeit die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente nicht erfüllt sind. Es geht um einen Leistungsfall von 1999. Zu diesem Zeitpunkt waren die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen auch des § 53 Abs. 2 SGB VI zweifelsfrei noch nicht erfüllt. Eine nach Ende des Erziehungsjahres eingetretene Änderung wäre als neue Erkrankung zu betrachten, bei der erst zu prüfen wäre, ob eine dauerhafte Leistungseinschränkung - nämlich über sechs Monate - vorliegt. Zu dieser Prüfung wäre ein neuer Antrag bei der Beklagten zu stellen.

Es muss noch darauf hingewiesen werden, dass die Wartezeit vor Eintritt der Erwerbsminderung erfüllt sein muss. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Gesetz. § 43 Abs. 5 SGB VI in der neuen Fassung bestimmt, dass Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben. Entsprechende Regelungen enthielten die bis 31.12.2000 geltenden §§ 43, 44 SGB VI. Dies bedeutet, dass die Klägerin einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur durch Erfüllung dieser Wartezeit und damit für die nicht mit Kindererziehungszeiten belegten Zeiten durch Zahlung von freiwilligen Beiträgen erfüllen kann.

Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Regelung wird zur Vermeidung von Wiederholungen ebenfalls auf die Gründe des Gerichtsbescheides Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen, § 153 Abs. 2 SGG. Ergänzend ist nur darauf hinzuweisen, dass Solidarleistungen einer Versichertengemeinschaft nur beansprucht werden können, wenn ein Anspruch durch eigene Zahlungen erlangt ist. Solidarleistungen ohne eigene Vorleistungen werden nur im Rahmen der Sozialhilfe erbracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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