L 5 RJ 147/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 7 RJ 1095/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 147/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 14. April 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit zu zahlen ist.

Der am ... geborene Kläger stand nach seiner vom 01. September 1980 bis 15. Juli 1982 dauernden, erfolgreich abgeschlossenen Lehre als Maurer bis zum 31. Dezember 1995 in diesem Beruf in einem Arbeitsverhältnis. Ab dem 03. Oktober 1995 bezieht er Sozialleistungen.

Seinen am 19. Dezember 1996 gestellten Rentenantrag begründete er mit Lumbalsyndrom und Bandscheibenvorfall.

Vom 23. April bis 21. Mai 1996 bewilligte ihm die Beklagte eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation. Im Rentenverfahren zog sie den Entlassungsbericht der Reha-Klinik D ..., den Befundbericht von Dr. L ..., Praktischer Arzt/Chirotherapie/Sportmedizin vom 10. Januar 1997, das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 22. Dezember 1995 und das Gutachten für die Bauberufsgenossenschaft von Dr. W ..., Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie, vom 22. August 1996 bei.

Mit Bescheid vom 30. April 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 1997 wies die Beklagte den Antrag zurück. Die Kreuzschmerzen infolge Bandscheibenverwölbungen im unteren Abschnitt der Lendenwirbelsäule mit Reizzuständen der hier austretenden Nervenwurzeln würden zwar den zuletzt ausgeübten Beruf als Maurer nicht mehr zulassen, jedoch sei der Kläger noch ganztägig zu leichten Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten sowie ohne überwiegend einseitige Körperhaltung und ohne häufiges Bücken, Klettern oder Steigen befähigt. Damit sei er auf eine Tätigkeit als Lagerverwalter, Magaziner, Kundenberater, Kassierer im Baumarkt, Verwalter im Baustoffhandel, Bauhofverwalter oder Hausmeister zu verweisen.

Hiergegen hat der Kläger das Sozialgericht Leipzig (SG) angerufen.

Nach Einholung des Befundberichts von Dr. L ... vom 19. Januar 1998 hat das SG ein chirurgisches Gutachten zum Leistungsvermögen eingeholt, welches Dr. G ...am 14. April 1999 erstattet hat. Danach besteht beim Kläger eine Insuffizienz der Rückenmuskulatur sowie Haltungsschwäche. Leichte und mittelschwere Arbeiten seien bei Sitzen, bei Stehen und Gehen in jeder zeitlichen Konstellation mit Einschränkungen für dauerndes Heben und Tragen vollschichtig möglich. Mit Urteil vom 14. April 1999 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach dem Gutachten von Dr. G ... sei der Kläger jedenfalls noch zumutbar auf eine Tätigkeit als Hausmeister zu verweisen.

Hiergegen richtet sich die am 11. Juni 1999 eingelegte Berufung.

Der Kläger trägt vor, auf die Hausmeistertätigkeit könne er mangels entsprechender handwerklicher Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht verwiesen werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 14. April 1999 abzuändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 30. April 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 1997 zu verurteilen, dem Kläger eine Rente wegen Berufsunfähigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf das sozialgerichtliche Urteil Bezug.

Der Senat hat einen Befundbericht von Dr. Sch ..., Fachärztin für Augenheilkunde, vom 17. Juli 2000 und eine Stellungnahme von Dr. G ... vom 24. Oktober 2000 und ein Gutachten von Dr. F ..., Facharzt für Arbeitsmedizin, vom 21. Februar 2001 eingeholt. Eine in einem Parallelverfahren eingeholte Stellungnahme des Landesarbeitsamtes Nord-Bayern vom 22. Februar 1996 wurde beigezogen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht (SG) und die Beklagte haben zu Recht entschieden, dass dem Kläger keine Rente wegen Berufsunfähigkeit zusteht. Ein solcher Anspruch besteht weder nach den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschriften des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) über die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI für bis zum 31. Dezember 2000 entstandene Rentenansprüche weiter maßgeblich sind, noch nach § 240 SGB VI in der ab dem 01. Januar 2001 maßgeblichen Fassung.

Berufsunfähig ist gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI alte Fassung (a. F.) derjenige Versicherte, dessen Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich, geistig oder seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist.

Die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten gesunken ist, wird danach getroffen, welchen Verdienst er in einer Tätigkeit erzielen kann, auf die er nach seinem Gesundheitszustand und nach seinem bisherigen Beruf zumutbar verwiesen werden kann (vgl. BSG SozR Nr. 24 § 1246 RVO). Für die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten gesunken ist, kommt es auf den bisherigen Beruf an (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 107 und 169). In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Tätigkeit oder Beschäftigung, die vollwertig und nachhaltig verrichtet worden ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 130, 164).

Bisheriger Beruf des Klägers in diesem Sinne ist der des Maurers. Diesen kann er nicht mehr ausüben. Nach den vorliegenden Gutachten darf der Kläger nur noch leichte und mittelschwere körperliche Arbeiten mit weiteren qualitativen Leistungseinschränkungen verrichten. Die Tätigkeit eines Maurers ist aber mittelschwer bis schwer und erfolgt überwiegend in Wirbelsäulenzwangshaltungen.

Dennoch liegt Berufsunfähigkeit nicht vor. Der Kläger ist zumutbar auf andere Tätigkeiten verweisbar, bei welchen er mehr als die Hälfte des Verdienstes einer gesunden Vergleichsperson erzielen kann.

Die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. z. B. BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nrn. 138, 140). Die vielschichtige und inhomogene Gruppe der angelerten Arbeiter gliedert sich in einen oberen und in einen unteren Bereich (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 109, 132, 143). Dem unteren Bereich unterfallen alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen (auch betrieblichen) Ausbildungs- oder Anlernzeit von drei bis zwölf Monaten und dem oberen Bereich dementsprechende Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf Monaten bis zu vierundzwanzig Monaten (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr. 45). Jeder Versicherte kann auf Tätigkeiten zumutbar verwiesen werden, die eine Stufe tiefer einzuordnen sind, als der bisherige Beruf. Ein Facharbeiter kann daher auf Anlerntätigkeiten, ein Ungelernter auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 143 m. w. N.; SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr. 5). Die Einstufung in den Leitberuf des Angelernten im oberen Bereich bzw. des unteren Bereiches hat insoweit nur die Auswirkung, dass dem Angelernten im oberen Bereich eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen ist (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr. 45), dem angelernten Arbeiter des unteren Bereichs jedoch nicht, da dieser sozial zumutbar auf das gesamte allgemeine Arbeitsfeld verwiesen werden kann (BSG SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr. 62).

Ausgehend hiervon kann der Kläger als Facharbeiter die Tätigkeit eines Hausmeisters zumutbar verwiesen werden, wie das SG im Ergebnis zutreffend festgestellt hat.

Das Tätigkeitsprofil einschließlich der Anforderungen an körperliche Belastbarkeit stellt sich nach den den Beteiligten und dem Gutachter Dr. F ... zur Verfügung gestellten berufskundlichen Auskunft des Landesarbeitsamtes Nordbayern vom 22. Februar 1996 wie folgt dar: Die Aufgaben eines Hausmeister variieren je nach Art des zu betreuenden Objektes. Dazu kann gehören: Mängel feststellen und beheben (z.B. an Elektrischem einschließlich Beleuchtungsanlagen, Heizungs- und Sanitäranlagen, an Türen, Fenstern, Möbeln, Aufzügen), ggf. Fremdfirmen einschalten, deren Arbeiten überwachen und abnehmen, Wartungsarbeiten und Schönheitsreparaturen durchführen, Reinigungsarbeiten in ggf. auch außerhalb des Gebäude vornehmen oder überwachen, Grün- oder Sportanlagen pflegen, für die Einhaltung von Feuerschutz- und sonstigen Sicherheitsbestimmungen sorgen, Heizungsanlagen bedienen, für die Hausver- und -entsorgung sorgen, Mithilfe bei Umzügen, Aufstellen von Sitzgelegenheiten in Sälen etc., Beschilderungen anbringen, auch Botendienste, Wohnungsbesichtigungen mit Mietinteressenten durchführen usw. Abhängig von der Größe des Objektes und Arbeitsorganisation ist vielfach eine Verschiebung möglich zwischen dem eigentlichen Durchführen der Arbeiten und dem Veranlassen der Ausführung durch Fremdfirmen und deren Überwachung. Es handelt es sich aber nahezu immer um eine selbstständige, eigenbestimmte und eigenverantwortliche Tätigkeit. Die körperlichen Belastungen sind überwiegend leicht bis mittelschwer, Gehen und Stehen überwiegt bei Weitem. Zwangshaltungen lassen sich in der Regel ebenso wenig ausschließen wie Arbeiten auf Leitern und Überkopfarbeiten. Auch das gelegentliche Heben, Tragen und Bewegen von bisweilen auch schweren, höchstens mittelschweren Lasten wird überlicherweise verlangt. Teilweise ist im Freien zu arbeiten, wobei Nässe-, Kälte- und Zuglufteinwirkung nicht immer vermieden werden kann, wenngleich diese Belastungen nicht anhaltend sind.

Diese Tätigkeit entspricht dem körperlichen Leistungsvermögen des Klägers. Aus der Gesamtschau der über das Leistungsvermögen des Klägers vorliegenden medizinischen Unterlagen ergibt sich folgendes Bild:

Der Kläger ist noch in der Lage, leichte und mittelschwere körperliche Arbeiten im Gehen, Stehen oder Sitzen (ohne vorgeschriebene Zeitanteile der einzelnen Haltungen), ohne häufiges Heben und Tragen von schweren Lasten und ohne besondere Absturzgefährdung im Freien oder in geschlossenen Räumen, auch bei Kälte, Hitze oder Zugluft zu verrichten. Bei dem Kläger besteht eine Insuffizienz der Rückenmuskulatur sowie Haltungsschwäche bei chronisch lumbalem Schmerzsyndrom und radiologisch nachgewiesener Bandscheibenprotrusion, wie sich sowohl aus dem Entlassungsbericht der Reha-Klinik D ..., dem für die Bauberufsgenossenschaft erstellten Gutachten von Dr. W ...als auch den im Gerichtsverfahren erstellten Gutachten von Dr. G ... und Dr. F ... ergibt. Dr. F ... hat in seinem Gutachten vom 21. Februar 2001 weiterhin festgestellt, dass eine mäßige Sehminderung sowie leichte Verminderung des räumlichen Sehens bei Strabismus, ein diskreter Sprachfehler, labiler arterieller Hypertonus sowie Struma diffusa vorlägen. Für die Tätigkeit als Hausmeister wird der Kläger hierdurch nicht wesentlich beeinträchtigt, wie Dr. F ... nachvollziehbar in Kenntnis der berufskundlichen Informationen des Landesarbeitsamtes Nordbayern vom 22. Febuar 1996 schlussfolgert. Bedenken gegen die Hausmeistertätigkeit deswegen, weil diese zum überwiegenden Teil gehend und stehend verrichtet wird, haben die Gutachter widerlegt. Dr. G ... hat am 24. Oktober 2000 auf die Nachfrage, ob dem Kläger Tätigkeiten mit überwiegendem Geh- und Stehanteil (ca. 70 %) vollschichtig möglich seien und ob während des Arbeitstages Haltungswechsel erforderlich seien, ausgeführt, dass Haltungswechsel nicht erforderlich seien und Tätigkeiten in den jeweiligen Haltungsarten ohne Einschränkungen sowie ohne zeitliche Eingrenzungen ausgeführt werden könnten. Auch Dr. F ... hat in Kenntnis der berufskundlichen Unterlagen und des übrigen Akteninhalts, insbesondere auch der Anfrage an den Vorgutachter, eine Tätigkeit als Hausmeister vollschichtig für möglich gehalten. Auch er gelangt zu der Auffassung, dass gehende, stehende und sitzende Tätigkeiten keinen Beschränkungen zeitlicher Art unterlägen. Soweit er ausführt, dass der Kläger auf Grund des leichten Sprachfehlers für Tätigkeiten mit Publikumsverkehr etwas eingeschränkt sei, ist darauf hinzuweisen, dass der Hausmeisterberuf nicht in dem Maße "kommunikativ" ist, dass der Kläger ständig Gespräche führen müsste. Eine leichte Einschränkung durch den leichten Sprachfehler ist im Rahmen der hausmeisterlichen Tätigkeit nicht hinderlich.

Die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit des Klägers begegnet keinen Bedenken, wie insbesondere Dr. F ... dargestellt hat.

Die Tätigkeit des Hausmeisters kann der Kläger angesichts dessen innerhalb von drei Monaten voraussichtlich vollwertig ausüben. Allumfassende handwerkliche Fähigkeiten und Fertigkeiten, wie vom Klägervertreter vorgetragen, sind zum Ausüben der Hausmeistertätigkeit nicht erforderlich. Der Hausmeister ist kein "Superfacharbeiter", der sämtliche in seinem Bereich anfallenden Tätigkeiten aus den entsprechenden Facharbeiterberufen verrichten können müsste. Für kompliziertere und schwierigere, seine Fähigkeiten und Fertigkeiten übersteigende Arbeiten hat er ggf. Fremdfirmen einzuschalten und deren Tätigkeit zu überwachen.

Mit dem vollschichtigen Leistungsvermögen für die Tätigkeit des Hausmeister erfüllt der Kläger auch nicht die Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung gem. § 43 SGB VI bzw. § 240 SGB VI (Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit) in der ab dem 01. Januar 2001 geltenden Fassung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision, § 160 Abs. 2 SGG, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved